Finanzierung
Inhaltsübersicht
I. Einleitung
II. Finanzierungsziele
III. Finanzplanung und -kontrolle
IV. Systematisierung der Finanzierungsarten
V. Instrumente der Beteiligungs- und Kreditfinanzierung im Überblick
VI. Finanzierungspolitik
I. Einleitung
Ebenso wie die betriebliche Teilfunktion „ Finanzierung “ hat sich deren Inhalt als Teildisziplin der Betriebswirtschaftslehre gewandelt (im Überblick Schneider, Dieter 1992 und Schneider, Dieter 2001, S. 755 ff.; Breuer, Wolfgang 1999). Noch mit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Finanzierung als reiner Appendix des Gütererstellungsprozesses angesehen, dem die Funktion der Zahlungsmittelbeschaffung zur Deckung des durch die Investitionen bestimmten Kapitalbedarfs einer Unternehmung zukam (Investition).
Erst im Laufe der 1960er-Jahre rücken die Kapitalkosten als Entscheidungskriterium für eine zielorientierte Auswahl und Gestaltung der Finanzierungsinstrumente in den Mittelpunkt der Forschung (etwa Solomon, Ezra 1955; Gutenberg, Erich 1969). Gleichzeitig entwickelte sich mit Vorarbeiten in den 1950er-und dann über die 1960er-/70er-Jahre hinweg aus dem neoklassischen Denken heraus ein Ansatz zur Bewertung einzelner und Zusammenstellung mehrerer Finanzierungstitel (Portfolio-Management) mit Hilfe der Kriterien von Rendite und Risiko (Capital Asset Pricing Model und weitere Ausbaustufen der Kapitalmarkttheorie, Markowitz, Harry 1952; Sharpe, William F. 1964). Ab Mitte der 1980er-Jahre prägte sich ein Gegenbild in Form des (Neo-)Institutionalismus aus, das – von der engen Cashflow-Fokussierung abrückend – wieder ein eher weites Begriffsverständnis von Finanzierung verfolgt. Finanzierungsinstrumente werden danach als Regel- und Handlungssysteme (also Institutionen) nicht nur zur Finanzmittelbeschaffung, sondern auch zur Informationsübermittlung und Verhaltensbeeinflussung betrachtet (ausgehend von Jensen, Michael C./Meckling, William H. 1972) (Schmidt, Reinhard H./Terberger, Eva 1997).
Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf Ziele, Strategien und Instrumente der Finanzierung.
II. Finanzierungsziele
In traditioneller Sicht vorrangige Aufgabe der Finanzierung ist es, durch entsprechende Planung, Steuerung und Kontrolle der Bestände und Ströme von liquiden Mitteln für die existenziell erforderliche Zahlungsfähigkeit zu sorgen, denn die Unternehmung muss zu jedem Zeitpunkt in der Lage sein, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Formal lässt sich diese Bedingung wie folgt fassen (so genannte Liquiditäts(un)gleichung):
Anfangsbestand Zahlungsmittel + Einzahlungen – Auszahlungen = 0.
Insolvenz wird neben der drohenden und eingetretenen Zahlungsunfähigkeit (§§ 17 f. Insolvenzordnung) bei juristischen Personen wie Kapitalgesellschaften auch durch Überschuldung ausgelöst (§ 19), gefasst als Verlust, der das bilanzielle Eigenkapital übersteigt (Drukarczyk, Jochen 2003, S. 513 ff.). Das Halten von Liquidität in Form von „ Vorratskasse “ ist demnach kein Selbstzweck, die Einhaltung der Liquiditätsgleichung kann nur eine Nebenbedingung sein: Aufgabe des unternehmerischen Finanzmanagements ist es, dazu beizutragen, so viel Gewinn auf das eingesetzte Kapital – also Rentabilität – wie möglich zu erzielen und dabei nur so viel Liquidität wie nötig vorzuhalten, da sie ertraglos ist. Präzisiert wird diese Forderung in modernen Shareholder-Value-Konzepten (Copeland, Thomas E./Weston, J. Fred/Shastri, Kuldeep 2005, S. 20 ff.) zur Maximierung des Marktwerts des Anteilseignervermögens als Oberziel durch den Anspruch, sich in Zahlungsströmen niederschlagende Renditen zu erzielen, die über den Finanzierungskosten liegen. Ein durch Diskontierung mit den Renditeforderungen der Kapitalgeber ermittelter positiver Barwert künftiger Cashflows kann an die Anteilseigner ausgeschüttet werden (oder zur Thesaurierung genutzt werden, die sich auf effizienten Kapitalmärkten in Kurssteigerungen niederschlägt). Die Inhaber besitzen einen Restanspruch, d.h. im Gegensatz zu Mitarbeitern oder Kreditgebern erhalten sie keine vertraglich fixierten Vergütungen, sondern von der Unternehmensentwicklung abhängige Zahlungen, die gegenüber denen der anderen Anspruchsinhaber nachrangig sind. Somit tragen sie im Wesentlichen das Unternehmensrisiko.
Wenn die Aufgabe der Finanzierung daher in der Literatur auch in der „ Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts “ der Unternehmung (Süchting, Joachim 1995, S. 18) gesehen wird, ist damit in einem weiten Begriffsverständnis über die juristische Definition von Zahlungsfähigkeit hinaus eine Vielzahl von dem Oberziel der Wertschaffung dienenden Handlungen eingeschlossen. Bei Verfolgung dieses Ziels werden weitere traditionell genannte Finanzziele (Perridon, Louis/Steiner, Manfred 2004, S. 8 ff.) berücksichtigt (Kürsten, Wolfgang 2005, S. 188 f.): zum einen „ Sicherheit “ (da spiegelbildlich das Unternehmens „ risiko “ in die Renditeforderungen der Kapitalgeber eingeht), zum anderen Unabhängigkeit/Flexibilität der Anteilseigner und des von ihnen beauftragten Managements (weil bei sinkendem Marktwert Übernahmen durch neue Eigentümer drohen).
Zur Erfüllung der genannten Ziele bedarf es der Planung, also Vorausschau auf die zukünftige Entwicklung bestimmter Zielgrößen und der daraus folgenden Identifikation von Handlungsnotwendigkeiten, Durchführung von Steuerungsmaßnahmen sowie Kontrolle ihrer Wirksamkeit im Rahmen von Soll/Ist-Analysen. Planungs- und Kontrollrechnungen im Finanzbereich lassen sich in zahlungs- und bilanzbezogene Varianten sowie Kombinationen hieraus unterteilen (zum Überblick Franke, Günter/Hax, Herbert 2004, S. 101 ff.; Perridon, Louis/Steiner, Manfred 2004, S. 623 ff.). Erstere bemühen sich als Liquiditätsrechnung im eigentlichen Sinne um eine direkte Erfassung der Cashflow-Konsequenzen sämtlicher Handlungen einer Unternehmung, indem auf ihre Beschaffungs-, Produktions-, Absatzpläne usw. zurückgegriffen wird. Für bestimmte Zeitpunkte bzw. -räume werden die zu erwartenden Ein- und Auszahlungen gegenübergestellt und saldiert. Eher technische Fragestellungen in diesem Zusammenhang sind die nach geeigneten Prognoseverfahren, -rhythmen und -anpassungsarten.
Sobald eine mittel- bis langfristige Perspektive für die Finanzplanung (und -kontrolle) eingenommen wird, erfolgt vielfach eine Verknüpfung mit bzw. Ableitung aus anderen Rechenwerken der Unternehmung. Eine (Zweit-)Nutzung der Informationen vor allem aus dem externen Rechnungswesen ermöglicht es über Kosteneinsparungen hinaus, die Finanz- mit der Erfolgsrechnung kompatibel und damit für Unternehmensin- und -outsider leichter nachvollziehbar zu machen. Dazu werden die Daten des Jahresabschlusses mit Blick auf ihre finanziellen Konsequenzen aufbereitet, um etwa den „ Kapitalbedarf “ einer Unternehmung abzuleiten (der dann durch den Einsatz einzelner Finanzierungsinstrumente zu decken ist).
Ein einfaches Beispiel für eine solche bilanzorientierte Generierung einer Aussage über die „ Finanzkraft “ einer Unternehmung ist die in der Praxis weit verbreitete „ Faustformel “ zur Ermittlung des Cashflow:
Der Cashflow findet – in ein Verhältnis etwa zu den Verbindlichkeiten einerseits, zum Eigenkapital andererseits gesetzt – Verwendung sowohl bei der Analyse der Verschuldungskapazität als auch der Ertragslage der Unternehmung. In wesentlich umfassenderer Form weisen Kapitalflussrechnungen in unterschiedlichen Varianten im Gegensatz zur zeitpunktbezogenen Bilanz nicht Bestände von Vermögen und Kapital, sondern Bestandsveränderungen bzw. die ihnen zugrunde liegenden Bewegungen aus. Dies kann ex post im Rahmen von den Jahresabschluss ergänzenden (u.U. auch nach Geschäftsbereichen segmentierten) Kapitalflussrechnungen oder ex ante für die Ableitung von Finanzbudgets für die dezentralen Einheiten einer Unternehmung genutzt werden. Kapitalflussrechnungen sind auch die Basis einer „ integrierten Finanzplanung “ (Chmielewicz, Klaus 1972) bzw. „ Finanzierungsrechnung “ zur Verbindung von Finanz-, Erfolgs- und Bilanzplanung. Solche „ optimalen Finanzpläne “ bzw. „ finanziellen Totalmodelle “ für das gesamte Unternehmensgeschehen können indes trotz ausgefeilter Planungstechnik die Grundprobleme der in der Zukunft unsicheren Handlungen (und damit auch Zahlungsströme) nicht beseitigen (Schneider, Dieter 2001, S. 756 ff.).
IV. Systematisierung der Finanzierungsarten
Zur etablierten Systematisierung der Finanzierungsarten (z.B. Gerke, Wolfgang/Steiner, Manfred 2001, Sp. 778 ff. und Perridon, Loius/Steiner, Manfred 2004, S. 359 ff.) wird in der Regel auf die Mittelherkunft abgestellt. Dabei verbindet sich die Vorstellung der externen Finanzierung (Außenfinanzierung) mit Kapitalgebern auf Finanzmärkten. Im Falle der Kreditfinanzierung wird Fremdkapital von Gläubigern, im Falle der Beteiligungsfinanzierung Eigenkapital von Eigentümern beschafft.
Im Gegensatz dazu beinhaltet die interne Finanzierung (Innenfinanzierung) die Gewinnung von Zahlungsmitteln durch a) die Vorverlegung von Einzahlungen und b) das Hinausschieben von Auszahlungen. Bei der Vermögensumschichtung werden primär Assets verkauft, die für die Zwecke der Leistungserstellung in der Regel nicht (mehr) erforderlich sind, wie z.B. der Verkauf stillgelegter Maschinen oder ungenutzter Grundstücke. Die Verwertung geschieht indes stets über Märkte, sodass der Begriff der „ internen “ Zahlungsmittelbeschaffung problematisch ist. Für das Geschäftsmodell notwendige Ressourcen können auch zunächst verkauft (Liquiditätszugang) und anschließend zurückgemietet (gestreckter Zahlungsmittelabfluss) werden (Sale-and-Lease-Back). Durch Rationalisierungsmaßnahmen schließlich (z.B. Abbau von Lagerbeständen oder Personal) werden die auf dem Unternehmen lastenden Auszahlungsverpflichtungen reduziert.
Der zweite Teilbereich der internen Finanzierung fußt ebenfalls auf einer Vermögensumschichtung, allerdings geschieht diese in quasi automatischer Form über den Umsatzprozess. Die beschafften Einsatzfaktoren werden zu absatzfähigen Gütern bzw. Leistungen umgeformt und durch Verkauf „ monetisiert “ , da dem Unternehmen im Absatzprozess Zahlungsmittel oder andere Formen des Geldvermögens (Forderungen) zugehen. Im Rahmen seiner Preissetzung verfolgt es das Ziel, über die (Material- und Personal-)Selbstkosten hinaus kalkulatorische Komponenten in den Preis einzubringen, z.B. für den angestrebten Gewinn, Abschreibungen, Rückstellungen. Lässt sich der über diese Zuschlagskalkulation abgeleitete Preis am Markt durchsetzen, so erhält das Unternehmen Einzahlungen, denen nicht in voller Höhe und unmittelbar Auszahlungsverpflichtungen (für Personal, Materialbeschaffung usw.) gegenüberstehen. Die Nachhaltigkeit der so generierten Finanzierung hängt von der Gewinnerzielungskraft der Unternehmung einerseits, der Gewinnverwendung andererseits ab. Erfolgen (Re-)Investitionen nicht unmittelbar, sondern werden sie zeitlich hintereinander geschaltet, so reduzieren die Einzahlungsüberschüsse aus früheren Investitionen den zusätzlichen Kapitalbedarf zur Aufstockung der Periodenkapazität. Aus der „ Finanzierung aus Abschreibungsgegenwerten “ wird daher auch der Kapazitätserweiterungseffekt (auch Marx/Engels- oder Lohmann/Ruchti-Effekt) abgeleitet.
Neben der präsentierten findet sich in der Literatur auch eine Unterteilung in Eigenfinanzierung einerseits (Beteiligungs- sowie interne Finanzierung aus Abschreibungsgegenwerten und Gewinnprämien) und Fremdfinanzierung andererseits (Kredit- und interne Finanzierung über Rückstellungsgegenwerte).
V. Instrumente der Beteiligungs- und Kreditfinanzierung im Überblick
Da sich Kapitalgeber und -nehmer jeweils über die Modalitäten der zweiseitig verpflichtenden Zahlungsmittelüberlassung einvernehmlich abstimmen müssen, werden zwischen ihnen Finanzierungskontrakte abgeschlossen. Innerhalb der Außenfinanzierung lassen sich die idealtypischen Grundformen des Beteiligungs- und Kreditkapitals mit Hilfe fünf zentraler Vergleichskriterien unterscheiden. Diese Idealtypen stecken das Kontinuum für die an den Präferenzen der Kapitalgeber orientierte Gestaltung und damit „ Vermarktung “ unterschiedlicher Chance/Risiko-Positionen ab (Finanzmarketing).
Abb. 1: Konstruktionsmerkmale des Beteiligungs- und Kreditkapitals
1. Beteiligungsfinanzierung
Aufgrund der geringeren ökonomischen und juristischen Standardisierung sowie Publizität und damit Transparenz sind Fragestellungen der Finanzierung im Rahmen der Beschaffung von Beteiligungskapital für nicht an der Börse notierte Unternehmen vergleichsweise schwierig darzustellen. Sowohl für typische Personengesellschaften (BGB-Gesellschaft, OHG, KG) als auch „ kleinere Kapitalgesellschaften “ (GmbH) führt die Mobilisierung von Mittelzuflüssen außerhalb des organisierten Kapitalmarkts (z.B. Venture Capital, Private Equity) über stark einzelfallabhängig gestaltete Prozesse und Eigentümerkreise.
Börsennotiert heißen Unternehmen, deren Eigenkapitalanteile (Aktien) an organisierten Wertpapierbörsen gehandelt werden können und dort eine Preisfeststellung erfahren. In Deutschland können dies Unternehmen in der Rechtsform der seltenen Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) sowie vornehmlich der Aktiengesellschaft (AG) sein, auf die daher nachfolgend abgestellt wird. Die AG erhält Beteiligungskapital ohne Befristung, denn die Eigentümer (Aktionäre) können die Mittel, die sie anlässlich der Gründung sowie späterer Aufstockungen des Grundkapitals zuführen, nicht von der Gesellschaft zurückverlangen. Jedoch können sie ihre verbrieften Beteiligungskapitalanteile über die Börse an andere veräußern und so eine faktische Befristung ihrer Kapitalgeberposition bewirken.
Der Vorstand wird mit der Leitung und Vertretung der AG im laufenden Geschäftsbetrieb beauftragt, also als Auftragnehmer (Agent) der Eigentümer (Principals) tätig, während deren Einflussnahme auf Grundsatzfragen konzentriert wird, die im Rahmen der Hauptversammlung behandelt werden. Um für eine ausreichende Harmonisierung der Eigentümer- mit den Vorstandsinteressen zu sorgen, also die Principal-Agent-Problematik zu entschärfen, wird von den Eigentümern der Aufsichtsrat als Kontrollgremium installiert, das den Vorstand bestellt und ggf. entlässt sowie seine laufenden Aktivitäten überwacht. Die Eigentümer verfügen daher grundsätzlich über Leitungs-/Vertretungsrechte, haben diese aber aus praktischen Erwägungen teilweise an spezielle Beauftragte delegiert (Tirole, Jean 2006).
Indem seine Haftung sich auf die von ihm geleistete Einlage beschränkt, entspricht der Aktionär nicht mehr dem Eigentümer-Unternehmer, der auch mit seinem Privatvermögen haftet. Dennoch unterscheidet ihn auch diese begrenzte Haftung immer noch vom – grundsätzlich nicht für die Unternehmensverbindlichkeiten insgesamt haftenden – Kreditkapitalgeber. Deutlicher noch wird seine Position in den Charakteristika seiner Ansprüche: deren Grundlage ist sein quotaler Anteil am Grundkapital der AG. Hieraus ergibt sich zum einen der Vermögensanspruch des einzelnen Aktionärs. Zum anderen bestimmt sich hiernach seine Beteiligung am laufenden Gewinn, der in Form einer Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet wird. Die Tatsache, dass dieser Erfolgsanspruch sowohl vom Unternehmenserfolg abhängig als auch residual – also den Ansprüchen der Kreditkapitalgeber nachgeordnet – ist, macht den Charakter des Beteiligungskapitals besonders deutlich.
2. Kreditfinanzierung
Die Instrumente der Kreditfinanzierung erfordern angesichts des breiten Möglichkeitsbereichs eine sinnvolle Systematisierung. Diese knüpft traditionell zuerst an der planmäßigen Dauer der Kapitalüberlassung an (kurz-, mittel-, langfristig). In Kombination damit setzt sich immer stärker die Unterscheidung danach durch, ob eine Mittelüberlassung verbrieft (d.h. durch emittierte Wertpapiere, „ Finanzierungstitel “ , unter- und damit in handelbare Teileinheiten zerlegt) oder unverbrieft (d.h. in reiner „ Buchform “ ) ausgestaltet ist.
Wichtigstes Gegenstück zur verbrieften Beteiligungsfinanzierung in Aktien ist die verbriefte Kreditfinanzierung in Form von Anleihen, die branchenunabhängig traditionell als Industrieobligation, -anleihe oder -schuldverschreibung (Bond) bezeichnet werden. Gemeint sind langfristige festverzinsliche Darlehen (Renten), die in Wertpapierform über die Börse bei einer Mehrzahl von Kreditgebern, den Anleihezeichnern, platziert werden. Durch Zerlegung der Kapitalaufnahme in an der Börse handelbare Teilschuldverschreibungen verändert sich die klassische Kreditgeberposition entscheidend, denn unabhängig von der Laufzeit der Gesamtanleihe kann der Gläubiger die Laufzeit seines Engagements individuell gestalten (Ross, Stephen A./Westerfield, Randolph W./Jaffe, Jeffrey 2005, S. 569 ff.).
Ausgehend von der Basisform der Industrieanleihe haben sich Innovationen langfristiger verbriefter Kreditfinanzierung entwickelt, indem bestimmte Ausstattungsmerkmale den Präferenzen der Kapitalnehmer und Investoren entsprechend gezielt umgestaltet wurden. Floating Rate Notes (FRN) etwa verbriefen einen variablen Zinsanspruch des Gläubigers. Schwankungsmaßstab ist nicht etwa die Entwicklung des Schuldnerunternehmens – hiervon, d.h. insbesondere vom Jahresüberschuss, ist der Zinsanspruch dem Grunde nach unabhängig und insoweit fest – , sondern die eines bestimmten Marktzinses. Variabel ist der Zins also nur der Höhe nach. Infolge der periodischen Zinsanpassungen der FRN partizipieren Kapitalgeber wie -nehmer an den Chancen und Risiken von Marktzinsentwicklungen. Zugunsten ihrer Planungssicherheit können die Kontraktpartner dabei Zinsobergrenzen (Caps), -untergrenzen (Floors) oder Kombinationen beider (Collars) vereinbaren.
Im unverbrieften Langfristbereich erfolgt die Finanzierung der Unternehmen über buchmäßige Darlehen. Neben klassischen Bankkrediten zählen hierzu vor allem Schuldscheindarlehen. Es handelt sich um unverbriefte, ansonsten aber anleiheähnliche Finanzierungskontrakte in Form großvolumiger Langfristdarlehen von (Nichtbanken-)Kapitalsammelstellen an bestimmte Unternehmen. Die tatsächliche Unterlegung durch einen Schuldschein ist dabei kein konstituierendes Merkmal dieser Kapitalform, sondern vornehmlich aus historischen Gründen namengebend.
Soweit eine langfristige Kreditfinanzierung der Anschaffung von Investitionsgütern dient, hat das Finanzmanagement auch Leasingalternativen in das Entscheidungskalkül einzubeziehen. Sie verkörpern die Strategie „ Miete statt Kauf “ , da unter Leasing die entgeltliche Überlassung (Vermietung, Verpachtung) eines Wirtschaftsgutes (Leasingobjekt) an einen Leasingnehmer durch einen Leasinggeber (Hersteller des Leasingobjektes oder ein auf solche Überlassungskontrakte spezialisierter Vermittler) verstanden wird. Weil auf diese Weise ein Wirtschaftsgut ohne Einsatz eigener Mittel nutzbar wird, was der Leasingnehmer durch periodische Ratenzahlungen zu entgelten hat, ist seine Situation ökonomisch der Position eines kreditnehmenden Investors vergleichbar und insoweit als alternative Form der Fremdfinanzierung interpretierbar.
Große Unternehmen besserer – und möglichst durch eine der anerkannten Rating-Agenturen bestätigter – Bonität haben die Chance, auch kurz- und mittelfristige Mittelaufnahmen unter weitgehender Aussparung von Banken direkt am Geld- und Kapitalmarkt zu realisieren. Die Kreditaufnahme erfolgt dabei im Rahmen längerfristiger Rahmenprogramme (Fazilitäten), über deren revolvierende Ausnutzung mittels kurzfristiger Emissionen je nach den Erfordernissen der Finanzplanung entschieden werden kann. Bei Commercial Papers (CPs) handelt es sich um kurzfristige, ungesicherte Inhaberpapiere, deren Laufzeiten in der Regel zwischen sieben Tagen und zwei Jahren liegen. Gegen Entrichtung einer Provision hat der Kreditnehmer die Möglichkeit, unter einer langfristigen Rahmenlinie die jeweils benötigten Mittel durch revolvierende Emissionen von Teilschuldverschreibungen aufzunehmen. Die konkret emittierten Volumina sind mit einem Zinssatz zu bedienen, der sich an den dann geltenden Marktkonditionen orientiert.
Anders als bei langfristigen Kreditbeziehungen kann der Finanzmanager im Rahmen kürzerer Fristen neben Kreditinstituten (z.B. auf Kontokorrentkredite) auch Kontraktpartner als Kapitalgeber ansprechen, mit denen das Unternehmen ursprünglich in anderen als kapitalbezogenen Geschäftsverbindungen steht (Beschaffungs- bzw. Lieferantenkredite).
Über die dargestellten Formen hinaus haben sich zahlreiche Varianten herausgebildet, die eine Zwischenstellung einnehmen ( „ Mezzanine Capital “ ), indem sie de jure zwar entweder Beteiligungs- oder Kreditkapital darstellen, de facto aus ökonomischer Sicht von Kapitalgebern wie -nehmern aber Eigenschaften beider (Ideal-)Formen aufweisen (Rudolph, Bernd 2006). Ein Beispiel hierfür sind Genussscheine, die emissionsspezifisch gestaltete Vermögens-, jedoch keine Mitgliedschaftsrechte verbriefen: Ihre Inhaber haben zwar einen Anspruch auf Beteiligung an laufenden Gewinnen (und/oder Liquidationserlösen), jedoch keine sonstigen Eigentümerrechte, insbesondere kein Stimmrecht. Juristisch eine Kreditfinanzierung, kann ein Genussschein über erfolgsabhängige Verzinsungen oder Vermögensrechte an (offenen und stillen) Reserven des Unternehmens in Beteiligungskapitalnähe gerückt werden.
In den letzten Jahren zeigt sich ein Trend von unverbrieften in Richtung verbriefter Finanzierungen (Securitization). Dies meint zum einen den Substitutionsprozess, durch den früher in Buchform gekleidete Kreditverträge oder Beteiligungstitel durch Emissionen handelbarer Forderungen (z.B. Ausgabe von Unternehmensanleihen statt Abschluss von Bankkreditverträgen) oder Eigenkapitalanteile (z.B. Going Public anstelle Einwerbung eines Neugesellschafters für eine KG oder GmbH) ersetzt werden. Damit geht eine Veränderung der Finanzintermediation einher, weil die indirekte Beziehung zwischen Kapitalgeber und Kapitalnehmer unter Einschaltung einer Bank als „ Zwischenhändler in Geld “ auf eine direkte Beziehung unter vollständiger oder teilweiser Verdrängung des Intermediärs verkürzt wird (Disintermediation).
Zum anderen liegt Securitization vor, wenn (unverbriefte) Ursprungsforderungen zwar nicht durch Wertpapiere ersetzt werden, wohl aber als ihr „ Baumaterial “ dienen. Vermögensgegenstände (Assets), meist in Form von Buchforderungen, dienen dabei als alleinige Unterlage für so besicherte (Backed) Wertpapiere (Securities), die von einer Zweckgesellschaft emittiert werden. Diese ABS-Finanzierung verbindet Elemente aus traditionellem Factoring (Forderungsverkauf) und klassischer Anleihefinanzierung.
VI. Finanzierungspolitik
Unter Finanzierungspolitik werden strategische, d.h. grundsätzliche und zumeist über vergleichsweise längere Zeiträume nur schwer revidierbare Festlegungen im Finanzbereich verstanden. Exemplarisch sei hier die Wahl der Kapitalstruktur herausgegriffen.
Der Verschuldungsgrad eines Unternehmens, also das Verhältnis von Fremd- zu Eigenkapital, übt eine Hebelwirkung (Leverage-Effekt) auf die Eigenkapitalrendite aus (Brealey, Richard A./Myers, Stewart C./Allen, Franklin 2006). Die Eigenkapitalrendite ergibt sich als Summe der Gesamtkapitalrendite und der durch den Verschuldungsgrad „ gehebelten “ Spanne aus Gesamtkapitalrendite und dem Zins auf das Fremdkapital. Da die Gesamtkapitalrendite den Erfolg aus sämtlichen Investitionen des Unternehmens widerspiegelt, die mit dem insgesamt eingesetzten Kapital finanziert werden, folgt: Durch Ausweitung des Verschuldungsgrades (also etwa die Aufnahme zusätzlichen Fremdkapitals) ist eine Erhöhung der Eigenkapitalrendite möglich, solange die genannte Spanne positiv ist, sich das aufgenommene Kapital demnach intern höher verzinst als es extern bedient werden muss. Und umgekehrt: Eine negative Leverage-Wirkung stellt sich ein, wenn das Unternehmen mit seinen Investitionen die (Fremd-)Kapitalkosten nicht erwirtschaften kann. Dann wirkt sich ein hoher Verschuldungsgrad nachteilig aus, da die Fremdkapitalzinsen ergebnisunabhängig geleistet werden müssen (Fixkostencharakter), die Eigenkapitalgeber aber nur den bekannten Residualanspruch besitzen. Bei positivem Leverage-Effekt dagegen fällt den Eigenkapitalgebern der gesamte, die Ansprüche der Fremdkapitalgeber übersteigende Unternehmenserfolg zu.
Der Verschuldungsgrad stellt (neben anderen Finanzierungskennziffern, wie z.B. der Deckung des Anlagevermögens durch Eigen- und langfristiges Fremdkapital) immer noch eine wichtige Größe in der Finanzanalyse, also der externen Beurteilung der Finanzkraft einer Unternehmung dar. Daher kommt ihm auch eine zentrale Rolle im Rating der Kreditinstitute zu, das durch das ab 2007 geltende neue Rahmenwerk der Bankenaufsicht ( „ Basel II “ ) forciert wird. Danach ist es Banken möglich, die Höhe der Eigenkapitalunterlegung für Kredite stärker an den mit ihnen eingegangenen Bonitätsrisiken zu orientieren, die wiederum in der Ratingklassifizierung zum Ausdruck kommen (Paul, Stephan 2004). Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen wird in diesem Zusammenhang die Kommunikationspolitik gegenüber ihren Kapitalgebern zum Signalisieren einer hohen Bonität immer bedeutender.
Literatur:
Brealey, Richard A./Myers, Stewart C./Allen, Franklin : Principles of Corporate Finance, 8. A., Boston et al. 2006
Breuer, Wolfgang : Geschichte der Finanzwirtschaftslehre. Finanzierungstheorie, in: 100 Jahre Betriebswirtschaftslehre in Deutschland 1898 – 1998, hrsg. v. Lingenfelder, Michael, München 1999, S. 141 – 156
Chmielewicz, Klaus : Integrierte Finanz- und Erfolgsplanung, Stuttgart 1972
Copeland, Thomas E./Weston, J. Fred/Shastri, Kuldeep : Financial Theory and Corporate Policy, 4. A., Boston et al. 2005
Drukarczyk, Jochen : Finanzierung, 9. A., Stuttgart 2003
Franke, Günter/Hax, Herbert : Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, 5. A., Berlin et al. 2004
Gerke, Wolfgang/Steiner, Manfred : Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens (HWF), 3. A., Stuttgart 2001
Gutenberg, Erich : Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Dritter Band: Finanzen, Berlin et al. 1969
Jensen, Michael C./Meckling, William H. : Theory of the Firm: Managerial Behavior, Agency Costs and Ownership Structure, in: Journal of Financial Economics, Jg. 3, 1972, S. 305 – 360
Kürsten, Wolfgang : Finanzierung, in: Vahlens Kompendium der Betriebswirtschaftslehre, Band 1, hrsg. v. Bitz, Michael/Domsch, Michel/Ewert, Ralf et al., 5. A., München 2005, S. 173 – 236
Markowitz, Harry : Portfolio Selection, in: Journal of Finance, Jg. 7, 1952, S. 77 – 91
Paul, Stephan : Basel II im Überblick, in: Basel II und MaK, hrsg. v. Hofmann, Gerhard, 2. A., Frankfurt a.M. 2004, S. 5 – 58
Perridon, Louis/Steiner, Manfred : Finanzwirtschaft der Unternehmung, 13. A., München 2004
Ross, Stephen A./Westerfield, Randolph W./Jaffe, Jeffrey : Corporate Finance, 7. A., New York 2005
Rudolph, Bernd : Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, Tübingen 2006
Schmidt, Reinhard H./Terberger, Eva : Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie, 4. A., Wiesbaden 1997
Schneider, Dieter : Investition, Finanzierung und Besteuerung, 7. A., Wiesbaden 1992
Schneider, Dieter : Betriebswirtschaftslehre, Band 4: Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München et al. 2001
Sharpe, William F. : Capital Asset Prices. A Theory of Market Equilibrium under Conditions of Risk, in: Journal of Finance, Jg. 19, 1964, S. 425 – 442
Solomon, Ezra : Measuring a Company\'s Cost of Capital, in: Journal of Business, Jg. 28, 1955, S. 240 – 252
Süchting, Joachim : Finanzmanagement, 6. A., Wiesbaden 1995
Tirole, Jean : The Theory of Corporate Finance, Princeton et al. 2006
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