Aufwandsrückstellungen
Inhaltsübersicht
I. Begriff
II. Rückstellungen für Instandhaltung und Abraumbeseitigung
III. Aufwandsrückstellungen nach § 249 II HGB
IV. Bewertung
V. Auflösung von Aufwandsrückstellungen nach § 249 III HGB
VI. Ausweis und Erläuterungen
VII. Vergleich mit IFRS/IAS und US-GAAP
I. Begriff
Aufwandsrückstellungen umschreiben begrifflich irreführend einen handelsbilanziellen Passivposten, der nicht den üblichen bilanzrechtlichen Verbindlichkeitskriterien genügt: Jeder Rückstellungsansatz ist aufwandswirksam (vgl. Groh, 1988), aber aus Objektivierungsgründen müssen nach ständiger Rechtsprechung des BFH steuerlich ansatzpflichtige Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und die nach § 5 IVa EStG steuerlich nicht ansatzfähigen Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung bzw. den hieraus resultierenden Verbindlichkeitskriterien, namentlich dem Außenverpflichtungsprinzip, dem Prinzip objektivierter Mindestwahrscheinlichkeit und den Grundsätzen für den Passivierungszeitpunkt bzw. dem Prinzip der unkompensierten Last genügen (Moxter, 1999a; Böcking, 1994). Ungeachtet der grundsätzlichen Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen GoB für die Steuerbilanz bewirkt die Relativität der GoB, dass für steuerliche Zwecke der „ volle “ Gewinn maßgeblich ist. Dies führt dazu, dass Aufwandsrückstellungen nach § 249 I Satz 3 sowie § 249 II HGB, für die lediglich ein Wahlrecht besteht, für Steuerbilanzzwecke nicht ansetzbar sind (BFH, 1969).
Nicht alle Aufwandsrückstellungen sind bilanzsteuerrechtlich irrelevant: Der Gesetzgeber hat sich im Zuge der Kodifizierung des BiRiLiG aufgrund einer bis dahin „ wenig geradlinig(en) “ (Moxter, 1999a, S. 90) höchstrichterlichen Rechtsprechung veranlasst gesehen, die steuerliche Abzugsfähigkeit von im vergangenen Geschäftsjahr unterlassenen, innerhalb einer dreimonatigen Frist nachzuholenden Aufwendungen für Instandhaltung und innerhalb eines Jahres nachzuholenden Abraumbeseitigungsaufwendungen zu sichern. Daher hat der Gesetzgeber des BiRiLiG nunmehr für diese Rückstellungen in § 249 I Satz 2 Nr. 1 HGB einen Pflichtansatz kodifiziert (BT, 1983, S. 83). Bei diesen Pflichtrückstellungen handelt es sich in erster Linie um Innenverpflichtungen, die aus Vereinfachungsgründen passivisch – statt aktivisch als Wertminderung – bilanziell Berücksichtigung finden. Wirtschaftlich betrachtet haben sie „ keine andere Funktion “ (Böcking, 1994, S. 174) als allgemeine Wahlrechtsaufwandsrückstellungen nach § 249 II HGB.
2. Wahlrechtsrückstellungen für Instandhaltung gem. § 249 I Satz 3 HGB
Wahlrechtsaufwandsrückstellungen für unterlassene Instandhaltungen, die im Zeitraum von drei bis zwölf Monaten nach dem Bilanzstichtag nachgeholt werden, unterscheiden sich von den Pflichtaufwandsrückstellungen durch die fehlende steuerliche Abzugsfähigkeit. Im Übrigen gelten die obigen Ausführungen sinngemäß. Aus gesetzessystematischen und teleologischen Erwägungen müssen die Objektivierungskriterien für Wahlrechtsaufwandsrückstellungen gem. § 249 II HGB als Mindestkonkretisierungsanforderung für die Bildung der Wahlrechtsinstandhaltungsrückstellung gelten: Wird die Instandhaltung nicht innerhalb eines Jahres nachgeholt, verbleibt aufgrund von § 249 III Satz 1 HGB lediglich § 249 II HGB als Grundlage einer Rückstellungsbildung. Um eine Umgehung des zweiten Absatzes ausschliessen zu können, müssen die Objektivierungskriterien des § 249 I Satz 3 HGB zumindest den Anforderungen für die Bildung einer allgemeinen Wahlrechtsaufwandsrückstellung genügen.
III. Aufwandsrückstellungen nach § 249 II HGB
1. Die Ansatzkriterien „ ihrer Eigenart nach genau umschriebene Aufwendungen “ , „ wahrscheinlich oder sicher “ und „ hinsichtlich ihrer Höhe oder des Zeitpunkts ihres Eintritts unbestimmt “
Dem Wortlaut des Gesetzes (§ 249 II HGB: „ ihrer Eigenart nach genau umschriebene “ ) ist zu entnehmen, dass künftige Aufwendungen, die lediglich dem allgemeinen Unternehmerrisiko entsprechen, nicht nach § 249 II HGB rückstellungsfähig sind: Nur konkretisierbare Risiken sind ansatzfähig – das Vorsichtsprinzip wird hier durch das handelsrechtliche Objektivierungserfordernis beschränkt. Eine genaue Dokumentation ist für eine Plausibilitätsprüfung dringend erforderlich (Mayer-Wegelin, 2004). Ob, wie in einem Teil der Literatur implizit vertreten wird, Innenverpflichtungen dieser Vorschrift grds. genügen, soweit sie nicht das allgemeine Unternehmerrisiko repräsentieren, (ADS, 1995, § 249 HGB, Tz. 188; Berger, /Ring, 2003, Rn. 4), muss nicht abschließend geklärt werden, denn das Außenverpflichtungsprinzip ist nicht notwendigerweise das entscheidende Kriterium (vgl. den folgenden Gliederungspunkt).
Der Passus „ hinsichtlich ihrer Höhe oder des Zeitpunkts ihres Eintritts unbestimmt “ dürfte kaum eine ansatzbegrenzende Bedeutung erlangen: Zum einen ist kaum denkbar, dass diese Bedingungen nicht erfüllt sind (Berger, /Ring, 2003). Zum anderen weist der Ursprung des § 249 II HGB in der 4. gesellschaftsrechtlichen EGR (78/660/EWG) darauf hin, dass es sich hier nicht um eine Ansatzvorschrift handeln muss (Fresl, 1999).
Der Passus, dass die Aufwendungen „ am Abschlussstichtag wahrscheinlich oder sicher “ zu sein haben, impliziert nicht notwendigerweise eine gesonderte, gegenüber Schuldverpflichtungen differierende Mindestverpflichtungsintensität: Eine richtlinienkonforme Interpretation legt eher nahe, dass es sich um die gleiche Hürde der Wahrscheinlichkeit der Verpflichtung und der Inanspruchnahme hieraus handeln muss wie beim Ansatz bilanzrechtlicher Schulden ( „ Bei der Aufwandsrückstellung handelt es sich um die Vorsorge für künftige Aufwendungen, denen sich der Kaufmann nicht entziehen kann “ , BT, 1985, S. 99; Fresl, 1999). Die Formulierung „ gute (stichhaltige) Gründe “ (Eibelshäuser, 1987, S. 863) erlaubt einen zweckadäquaten Ausgleich zwischen Vorsichts- und Objektivierungsprinzip: Scheingenaue Quantifizierungen im Sinne einer Prozentangabe werden hierbei vermieden. Die subjektive Einschätzung des Bilanzerenden ist eine gute Ausgangsbasis, weil er die Verhältnisse im Betrieb am besten kennt; eine hinreichende Wahrscheinlichkeit lässt sich durch betriebliche Erfahrungen und Branchenerfahrungen objektivieren (zu den Grenzen vgl. Moxter, 1999a, S. 94 – 104) – diese sollten auch für eine Nachweisprüfung maßgeblich sein.
Unklar ist derzeit der Einfluss des BGH-Urteils vom 29.03.1996 (BGH, 1996) auf die Gewichtung des Vorsichtsprinzips bei der Bildung von Aufwandsrückstellungen. Sollte diese Entscheidung bilanzrechtlich grundsätzliche Bedeutung erlangen, so wäre nach den Ausführungen des BGH beim Ansatz von Wahlrechtsaufwandsrückstellungen auf die Einhaltung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht zu achten; die Grenze der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht sieht der BGH in der Notwendigkeit zur Sicherung der Lebens- und Widerstandsfähigkeit des Unternehmens in der Zukunft. Für eine Nachweisprüfung unter Berücksichtigung der Wertungen des BGH kann eine Negativabgrenzung hilfreich sein: In der Bilanz des Einzelkaufmanns verhindert in erster Linie das Konkretisierungserfordernis die Bildung von Rückstellungen etwa für künftige Konjunkturschwächen. Im Einzelabschluss eines Unternehmens mit mehreren Gesellschaftern dürfte aus Gründen der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ein Ansatz von Wahlrechtsaufwandsrückstellungen rechtlich unabdingbar sein, wenn eine Entziehbarkeit der in ihrer Eigenart umschriebenen wahrscheinlichen künftigen Aufwendungen eine „ unzweifelhafte Beeinträchtigung der Gesellschaftsinteressen “ (Moxter, 1996, S. 861) zur Folge hätte (zur bilanzrechtlichen Einordnung des BGH-Urteils Wüstemann, 1999; Hoch, 1998).
2. Das Ansatzkriterium „ dem Geschäftsjahr oder einem früheren Geschäftsjahr zuzuordnende Aufwendungen “
Von einem Teil der Literatur wird die Meinung vertreten, Aufwandsrückstellungen seien vom Gesetzgeber vorgesehen, um auch Innenverpflichtungen berücksichtigen zu können (ADS, 1995, § 249 HGB). Der Passus „ dem Geschäftsjahr oder einem früheren Geschäftsjahr zuzuordnende Aufwendungen “ müsse als Ausfluss des Realisationsprinzips interpretiert werden (zu Nachweisen Berger, /Ring, 2003).
Aus der Entstehungsgeschichte (Borstell, 1988; Naumann, K.-P. 1989) wird aber deutlich, dass der Gesetzgeber den Bilanzierenden in erster Linie ermöglichen wollte, zwecks finanzieller Vorsorge geballte künftige Aufwendungen zu glätten (ADS, 1995, § 249 HGB, Tz. 192, 224). Weithin erfolgt aus diesem Grunde eine begriffliche Gleichsetzung dieser Aufwandsrückstellungen mit „ Großreparaturrückstellungen “ (Berger, /Ring, 2003; Wiedmann, 2003, S. 113 f.). Auch die notwendige europarechtskonforme Auslegung dieser Vorschrift weist auf die Großreparaturen als Grundidee hin (Fresl, 1999). Großreparaturverpflichtungen können aber auch Außenverpflichtungen darstellen (so etwa Fluggeräteüberholungsverpflichtungen). Berücksichtigt man darüber hinaus, dass eine gesetzeszweckadäquate Auslegung das Realisationsprinzip als GoB für die zeitliche Zuordnung von Verbindlichkeiten und Verbindlichkeitsrückstellungen vorgibt, so liegt nahe, dass sich Aufwandsrückstellungen von den bilanzrechtlichen Verbindlichkeitskategorien vor allem durch die Nicht-Einschlägigkeit des Realisationsprinzips unterscheiden. Wenn Verbindlichkeiten im Rechtssinne nach dem gem. § 252 I Nr. 4 HGB zwingenden Realisationsprinzip angesetzt werden, so kann die gesonderte Regelung der zeitlichen Zuordnung von Aufwandsrückstellungen nur als Abweichung vom Realisationsprinzip gedeutet werden: Aus Vorsorgegründen und damit auch aus Gründen der Vorsicht können (nach zwingenden GoB nicht dem Geschäftsjahr zuzuordnende und nicht aktivierungsfähige) künftige Aufwendungen (mit investivem Charakter) bereits in früheren Geschäftsjahren passiviert werden. Aus Sicht des Realisationsprinzips alimentieren Großreparaturaufwendungen regelmäßig Umsätze künftiger Perioden. Insofern dient der Ansatz von Aufwandsrückstellungen nicht der (bilanzrechtlichen) periodengerechten Gewinnermittlung, sondern wirkt in einem dynamischen Sinne erfolgsglättend (Dynamische Bilanz; vgl. auch Ballwieser, 1993).
Erklärlich wird das Ansatzwahlrecht vor allem durch den inhärenten Verstoß gegen das Realisationsprinzip. Umgekehrt argumentiert, indiziert die fehlende Ansatzpflicht, dass Aufwandsrückstellungen und im Besonderen der Passus „ dem Geschäftsjahr oder einem früheren zuzuordnende Aufwendungen “ kaum durch das bilanzrechtliche Realisations- oder Vorsichtsprinzip erklärt werden kann, denn diese sind im § 252 I Nr. 4 HGB als verpflichtende Grundsätze kodifiziert – es handelte sich um eine grobe Inkonsistenz durch den Gesetzgeber, zwingende gesetzliche Prinzipien in ihrer Anwendung auf Passiva im Ermessen des Bilanzierenden zu belassen.
Es erscheint bilanzrechtlich überdies auch möglich, künftige Aufwendungen zu berücksichtigen, die zwar nach dem bilanzrechtlichen Realisationsprinzip dem vergangenen Geschäftsjahr zuzuordnen wären, aber das Außenverpflichtungsprinzip nicht erfüllen – dies ist Ausfluss des Vorsichtsprinzips: Das Ansatzwahlrecht gem. § 249 II HGB spiegelt in dieser Hinsicht ein vorsichtsgeprägtes „ Verteilungsbedürfnis “ (Kämpfer, 1994, S. 271) wider. Man wird davon ausgehen können, dass ein nachgewiesenes Verteilungsbedürfnis die einigende Klammer für den Ansatz einer Wahlrechtsaufwandsrückstellung darstellt: dieses kann sowohl aus einer Nicht-Einschlägigkeit des Realisations- als auch des Außenverpflichtungsprinzips resultieren (Kämpfer, 1994).
Die Nachweisprüfung der allgemeinen Wahlrechtsaufwandsrückstellungen ist abhängig von der Auffassung über das Hauptunterscheidungsmerkmal: Geht man davon aus, dass mit Aufwandsrückstellungen im Gegensatz zu den sonstigen Verbindlichkeitskategorien auch Innenverpflichtungen passivierungsfähig werden, so ist das Fehlen eines anspruchsberechtigten Dritten ein wesentliches Merkmal. Sodann müsste geklärt werden, ob nach dem Realisationsprinzip die betreffenden Innenverpflichtungen „ dem Geschäftsjahr oder einem früheren zuzuordnen sind “ . Beide Voraussetzungen können beispielsweise bei Schadenbearbeitungskosten für eine Versicherung und bei den Kosten für eine regelmäßige Debitorenprüfung vorliegen. Geht man hingegen – wie hier – davon aus, dass ein Verstoß gegen das Realisationsprinzip das Unterscheidungsmerkmal darstellt, so ist es zweitrangig, ob es sich um eine Innenverpflichtung handelt: Wenn die künftigen Aufwendungen eine kompensierte Last (Moxter, 1995) darstellen, verbietet sich ein zwingender Ansatz einer bilanzrechtlichen Schuldkategorie und es kommt – insoweit es aktivisch nicht berücksichtigt werden kann – nur der Ansatz einer Aufwandsrückstellung in Frage; im Rahmen der oben erwähnten Grenzen steht es dem Bilanzierenden dann frei, eine Aufwandsrückstellung zu bilden. Als Beispiel für eine Großreparatur, die eine Außenverpflichtung darstellt, nach dem Realisationsprinzip aber nicht passiviert und aus Objektivierungsgründen nicht aktiviert werden darf, kann die Fluggeräteüberholungsverpflichtung angeführt werden.
IV. Bewertung
Wie bei Passivenansatzfragen stehen das Vorsichtsprinzip und die einer Bilanz im Rechtssinne innewohnende Objektivierungsnotwendigkeit auch bei der Bewertung in einem Spannungsverhältnis: Die „ Maßgeblichkeit des vollen Erfüllungsbetrages “ (Moxter, 1999a, S. 211) bedeutet daher, dass etwa künftige Preissteigerungen aus Objektivierungsgründen regelmäßig unberücksichtigt gelassen werden müssen. Zwar ist der volle Erfüllungsbetrag der Verpflichtung anzusetzen, aber eine Zurechnung der (Neben-)Kosten zum Erfüllungsbetrag muss intersubjektiv nachprüfbar sein. Die Bandbreite der Rückstellung ist gem. § 253 I Satz 2 HGB nach „ vernünftiger kaufmännischer Beurteilung “ einzuschätzen. Diese Gesetzeswendung rekurriert entgegen dem ersten Anschein nicht auf eine (induktive) Kaufmannspraxis oder auf die subjektive Sicht des Bilanzierenden, „ sondern auf eine durch die Verkehrsauffassung geprägte Wahrscheinlichkeitseinschätzung “ (Moxter, 1999b, S. 522): Rückstellungen dürfen keine fiktiven Passiven darstellen, die Bandbreite der zu erwartenden Aufwendungen wird zur Tatsachenfrage. Maßstab ist der nach der Verkehrsanschauung gewissenhafte und sorgfältige Kaufmann.
Auf die Pflichtaufwandsrückstellungen bezogen bedeutet dies, dass grds. alle intersubjektiv nachprüfbar voraussehbaren Kosten eingerechnet werden müssen. Die Frage, ob Gemeinkosten in den Erfüllungsbetrag einzurechnen sind, ist von der Objektivierbarkeit der Kausalitätserwägungen abhängig, sie müssen realitätsgerecht erscheinen. Im Zweifel kann eine sachverständige Einschätzung der erforderlichen Abraumbeseitigung bzw. eine Vergangenheitsbetrachtung und Instandhaltungsinventur Hinweise auf den erforderlichen Aufwand geben.
Im Vergleich zu den Pflichtaufwandsrückstellungen ergeben sich bei den Wahlrechtsaufwandsrückstellungen hinsichtlich der Bewertung zwei maßgebliche Unterschiede: Zum einen birgt der meist weitere Zeithorizont der Wahlrechtsaufwandsrückstellungen eine größere Schätzproblematik. Dies wird besonders evident, wenn ein Zinsanteil enthalten ist, der nach § 253 I Satz 2 HGB abgezinst werden muss (das Vorsichtsprinzip gebietet in solchen Fällen, eher von einem früheren als von einem späteren Rückzahlungszeitpunkt auszugehen). Doch ist dieses Problem vernachlässigenswert angesichts der Tatsache, dass das Ansatzwahlrecht dieser Aufwandsrückstellungen eine nähere Konkretisierung der Vorsichts- und Objektivierungsgrenzen bei der Bewertung als wenig lohnenswert erscheinen lässt.
V. Auflösung von Aufwandsrückstellungen nach § 249 III HGB
Weil Rückstellungen nach § 249 III Satz 1 HGB nur für die in I und II bezeichneten Zwecke gebildet werden dürfen, bedarf es aus teleologischen Erwägungen keiner gesonderten Regelung zur Auflösung von Pflichtrückstellungen: Fallen die Gründe weg, so entfällt auch die Möglichkeit der Rückstellungsbildung. Daher erhält § 249 III Satz 2 HGB in erster Linie bei den Wahlrechtsrückstellungen eine Bedeutung. Mit dieser Vorschrift kann vor allem eine Betonung des allgemein im § 252 I Nr. 6 HGB kodifizierten Stetigkeitsgebots für Wahlrechtsrückstellungen verbunden werden: Auch wenn die Frage des Erstansatzes im Ermessen des Bilanzierungspflichtigen liegt, so gilt dieses Wahlrecht wegen § 249 III Satz 2 HGB nicht für Folgegeschäftsjahre; insbes. steht diese Vorschrift der Auflösung etwa aus bilanzpolitischen Erwägungen entgegen (Berger, /Ring, 2003).
VI. Ausweis und Erläuterungen
Der Ausweis von Aufwandsrückstellungen muss den allgemeinen bilanzrechtlichen Informationsnormen genügen: Im Rahmen der gesetzlich gewollten Einblicksintensität sollen die Informationsregelungen den Adressaten ermöglichen, interessenwahrende Entscheidungen zu treffen. Insbesondere müssen sie erkennen können, wie sich „ alternative Entscheidungsmöglichkeiten vermutlich auf ihre Zielrealisierung auswirken “ (Moxter, 1997, S. 354). Sieht man von den größenabhängigen Erleichterungen ab, muss bei Kapitalgesellschaften der Ausweis von Aufwandsrückstellungen folgenden gesetzlichen Konkretisierungen der allgemeinen Informationsgrundsätze (zur Reichweite vgl. insbes. Flury, 1999) genügen: Im Hinblick auf die (Mindest-)Gliederungsvorschriften der Bilanz muss sich der Prüfer davon überzeugen, dass nach § 266 III Punkt B. 3. HGB Aufwandsrückstellungen im Posten „ sonstige Rückstellungen “ enthalten sind. Im Hinblick auf den Ausweis in der im § 275 HGB geregelten Gewinn- und Verlustrechnung kommt nur die Berücksichtigung als „ sonstige betriebliche Aufwendungen “ (§ 275 II Nr. 8 bzw. III Nr. 7 HGB in Frage.
Nach § 284 II Nr. 1 HGB müssen die angewendeten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden und daher insbes. die Ausübung von Wahlrechten erläutert werden; bei Rückstellungen, die „ einen nicht unerheblichen Umfang haben “ (§ 285 Nr. 12 HGB), wird die Erläuterungspflicht nochmals betont. Aufgrund der Tatsache, dass sich Aufwandsrückstellungen von anderen ( „ sonstigen “ ) Rückstellungen durch das Außenverpflichtungs- oder Realisationsprinzip unterscheiden, sind diese Gewinnerläuterungspflichten eng zu verstehen, denn Gewinnminderungen aufgrund von Aufwandsrückstellungen unterscheiden sich damit von „ normalen “ Rückstellungsbuchungen entweder durch die Konkretisierungsgüte oder die geringere Extrapolierbarkeit (vgl. Moxter, 1982). Aufgrund des insoweit irregulären Charakters von Aufwandsrückstellungen wird der übliche Informationsgehalt des ermittelten handelsrechtlichen Gewinns regelmäßig verzerrt. In Bezug auf eine differierende Periodisierungsregel greift zusätzlich die Erläuterungspflicht gem. § 277 IV Satz 3 HGB. Offen bleibt die Frage, ob wahlrechtsgemäß nicht angesetzte künftige Aufwendungen, die den Konkretisierungserfordernissen des § 249 I Satz 3 oder § 249 II HGB genügen, zwingend im Anhang erläutert werden müssen – noch erscheint dies eher einer de lege ferenda-Argumentation zu entsprechen, wenngleich eine solche Erläuterungspflicht entscheidungsnützlich sein kann (Flury, 1999).
VII. Vergleich mit IFRS/IAS und US-GAAP
Ein vertiefender Vergleich der deutschen bilanzrechtlichen Ansatz-, Bewertungs- und Ausweiskriterien für Aufwandsrückstellungen mit den allgemeinen Rückstellungskriterien nach International Financial Reporting Standards (IFRS) und US-GAAP erscheint nicht lohnenswert, da die Zulässigkeit von Aufwandsrückstellungen für beide Regelwerke grds. verneint wird (vgl. für die IFRS/IAS Förschle, /Kroner, /Heddäus, 1999; Ernsting, /v. Keitz, 1998; für die US-GAAP Kuhlewind, 1997; Kupsch, 2000; Schildbach, 1998). Dies ist jedoch nicht sicher: Sieht man das entscheidende Unterscheidungsmerkmal zwischen Aufwandsrückstellungen und anderen Rückstellungen im Außenverpflichtungsprinzip, so könnte IAS 37.70 f. auf die Möglichkeit zum Ansatz von Innenverpflichtungen deuten (Moxter, 1999b) – wenngleich IAS 37.20 scheinbar eine Art Außenverpflichtungsprinzip manifestiert (so Berger, /Ring, 2003). Unterscheidet man nach dem Realisationsprinzip, ist wiederum keine eindeutige Aussage möglich, da IAS 37.10 Ähnlichkeit zum in der Literatur diskutierten Unentziehbarkeitskriterium aufweist (Fresl, 1999). Es ist unsicher, ob dadurch kompensierte Lasten wie etwa Fluggeräteüberholungsverpflichtungen zum Ansatz kommen könnten (IAS 37 Anhang C; Moxter, 1999b). Ähnlich scheint die Lage nach US-GAAP (Böcking, 1998).
Soweit die IAS überhaupt den Ansatz von Aufwandsrückstellungen zulassen, wären nur die allgemeinen, aber umfangreichen Erläuterungspflichten für provisions nach IAS 37.84 – 92 zu beachten. Ob diese über den derzeitigen Stand des deutschen Rechts grds. hinausgehen (so Reinhart, 1998), ist angesichts des sich andeutenden Wandels im deutschen Recht (vgl. etwa Flury, 1999) nicht abschließend entscheidbar (ähnlich im Hinblick auf die US-GAAPWüstemann, 1999).
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Berger, A./Ring, M. : Kommentierung zu § 249, in: Beck\'scher Bilanzkommentar, Handkommentar, hrsg. v. Berger, A./Ellrott, H./Förschle, G. et al., 5. A., München 2003
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