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Behavioral Finance


Inhaltsübersicht
I. Einleitung
II. Rationalität, Anlegerpsychologie und Anomalien
III. Individualeffekte: Dispositionseffekt, Overconfidence und Hindsight Bias
IV. Auswirkungen auf Marktebene: Herding und Noise Trader
V. Konsequenzen für die Beratung
VI. Fazit und Ausblick

I. Einleitung


Seit etwa Mitte der 1980er-Jahre entwickelte sich das Forschungsgebiet Behavioral Finance als neues, ergänzendes Gebiet der Finanzierung und gewann in der Folgezeit immer mehr an Bedeutung. In diesem Forschungsgebiet werden zum einen Erkenntnisse der psychologischen Forschung zum Entscheidungsverhalten im Finanzierungskontext analysiert und zum anderen zur Erklärung von empirisch beobachtbaren Anomalien herangezogen. In diesem Beitrag erläutern wir zunächst, warum die verhaltenswissenschaftliche Forschung auf der Grundlage individueller Entscheidungen einen zusätzlichen Beitrag für das Gesamtgebiet der Finanzierung leisten kann. Anschließend stellen wir einige Individualeffekte vor, die im Kontext von Finanzentscheidungen eine Rolle spielen. Die Auswirkungen von individuellem u.U. nicht rationalem Verhalten für den Gesamtmarkt sind Gegenstand der Ausführungen in Abschnitt IV. Auf dieser Grundlage betrachten wir dann in Abschnitt V einige Konsequenzen für die Beratung von Privatanlegern, bevor wir im Abschnitt VI resümieren und andere, hier nicht betrachtete Aspekte des Forschungsgebiets Behavioral Finance kurz ansprechen.

II. Rationalität, Anlegerpsychologie und Anomalien


In der traditionellen Finanzierung wird entweder den Akteuren Rationalität unterstellt oder davon abweichendes Verhalten bleibt ohne Wirkung im Markt. Mit anderen Worten kann von individuellen, irrationalen Entscheidungen abstrahiert werden, sofern der Markt als Ganzes betrachtet wird. Durch diverse empirische Studien wurden jedoch verschiedene Kapitalanomalien identifiziert, die teilweise auf die Summe individueller (Fehl-)Entscheidungen zurückführbar sind. Bereits 1985 wurde in einer empirischen Studie (vgl. DeBondt, Werner F. M./Thaler, Richard H. 1985) für den US-amerikanischen Aktienmarkt festgestellt, dass eine so genannte Overreaction-Strategie zu systematischen Überrenditen führen kann. Im Rahmen der Strategie werden Aktien mit der höchsten Rendite (= Gewinner) der vergangenen fünf Jahre verkauft, um damit die Käufe der Aktien mit der niedrigsten Rendite (= Verlierer) im selben Zeitraum zu finanzieren. Die erzielbaren Überrenditen stehen im Widerspruch zur Informationseffizienz des Aktienmarktes. Sie lassen sich nicht durch ein unterschiedliches Risiko der Gewinner und Verlierer oder durch steuerbedingte Verkäufe im Dezember und Käufe im Januar erklären. Zudem ist über Zeiträume bis zu einem Jahr empirisch dokumentiert, dass die entgegengesetzte Momentum-Strategie, also Kauf der Gewinner des letzten Jahres und Finanzierung durch (Leer-) Verkauf der Verlierer, ebenfalls zu systematischen Überrenditen führt (vgl. Jegadeesh, Narasimhan/Titman, Sheridan 1993). Beide Effekte sind u.a. auch für den deutschen Markt nachgewiesen (vgl. Bromann, Oliver/Schiereck, Dirk/Weber, Martin 1997). Eine mögliche Erklärung für diese Kapitalmarktanomalien ist eine zu starke Gewichtung neuer oder neu verfügbarer Informationen. So werden die Konsequenzen neu aufgetretener Ereignisse durch die Marktteilnehmer überschätzt, weshalb die Kurse zu stark reagieren bzw. überreagieren. Nach einer gewissen Zeit setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Kurse von einer fairen Bewertung im Vergleich zu alternativen Wertpapieren abweichen und eine Korrekturphase setzt ein. Oftmals beginnt diese Phase durch eine überraschende Veröffentlichung oder durch ein unerwartetes Ereignis, wodurch eine grundsätzliche Neubewertung der bereits existierenden Informationen ausgelöst wird. Da ex ante nicht bekannt ist, wie lange eine Momentum-Phase andauert, kann es zumindest zeitweise rational sein, auch überbewertete Wertpapiere zu erwerben, sofern diese Entwicklung anhält. Allerdings erzeugt die Auflösung einer Überbewertung Verluste, die ebenfalls von den Marktteilnehmern zu tragen sind. Aufgrund dieser Überlegungen ist es sinnvoll und wichtig, sich mit einigen ausgewählten und gut dokumentierten individuellen Verhaltensweisen näher zu beschäftigen.

III. Individualeffekte: Dispositionseffekt, Overconfidence und Hindsight Bias


Ein empirisch und experimentell gut dokumentierter Individualeffekt des Verhaltens bei Finanzentscheidungen ist der Dispositionseffekt. Ein Entscheider unterliegt diesem Effekt, wenn er Wertpapiere seines Portfolios eher verkauft, wenn er damit einen Gewinn realisiert, und Wertpapiere eher im Portfolio behält, wenn im Verkaufsfall ein Verlust anfiele. Dieses Verhalten wurde für Privatanleger in den USA und Finnland anhand von Depotdaten von Discount Brokern nachgewiesen (vgl. Odean, Terrance 1998 sowie Grinblatt, Mark/Keloharju, Matti 2001). Sowohl in den empirischen Studien als auch unter kontrollierten Experimentalbedingungen (vgl. Weber, Martin/Camerer, Colin F. 1998) lässt sich das Verhalten nicht durch angemessenes Ausnutzen der angesprochenen Anomalie „ Momentum “ erklären, da sich verkaufte besser als die im Portfolio gehaltenen Positionen im Markt entwickeln. Eine mögliche Erklärung für den Dispositionseffekt ist die Prospect Theory (vgl. Kahneman, Daniel/Tversky, Amos 1979), wobei als Referenzpunkt der Kaufkurs verwendet wird. Ein weiterer Beleg für die Existenz des Dispositionseffekts ist das Annahmeverhalten bei Abfindungsangeboten, insbesondere wenn die angebotene Abfindung geringer als der ursprüngliche Kaufpreis ist. So besagt beispielsweise eine Klagebegründung gegen das Abfindungsangebot, das die Deutsche Telekom AG den verbliebenen Aktionären der T-Online AG gemacht hat, dass die angebotenen 9 Euro zu wenig angesichts des Erstemissionspreises von 27 Euro beim Spin-off fünf Jahre zuvor seien. Dabei wird demnach nicht auf die aktuell faire Bewertung der T-Online Aktien zurückgegriffen, sondern der Kaufkurs vor fünf Jahren als Referenzpunkt genommen und ein Verkauf im Verlustbereich abgelehnt.
Overconfidence ist eine weitere, auch im Finanzbereich verbreitete verzerrte Wahrnehmung (vgl. Jungermann, Helmut/Pfister, Hans-Rüdiger/Fischer, Katrin 2005). Dabei werden im weitesten Sinne die eigenen Fähigkeiten oder Informationen überschätzt, wodurch beispielsweise das Risiko eines Wertpapiers unterschätzt wird. Außerdem glauben viele Marktteilnehmer, dass sie zur richtigen Zeit die richtigen Wertpapiere erwerben oder verkaufen können, da sie den Markt nach eigener Einschätzung besser als der Durchschnittsinvestor verstehen, obwohl sie typischerweise keine zusätzlichen privaten Informationen besitzen und die Märkte im Allgemeinen informationseffizient sind. Doch selbst professionelle Fondsmanager können dies nur in sehr begrenztem Umfang, was unter Berücksichtigung von Managementgebühren bei der Mehrheit der Fonds zu einer geringeren Rendite als eine Investition in den Marktindex über Exchange Traded Funds führt (vgl. Gruber, Martin J. 1996 und Elton, Martin J. et al. 2002). Die immer noch weit verbreitete Meinung, dass aktives Fondsmanagement entgegen der empirischen Ergebnisse zu Überrenditen führt, ist ein Beleg für die weit verbreitete und tief verwurzelte Überschätzung der Auswahlfähigkeit.
Ein Effekt, der vor allem das Lernen massiv beeinträchtigen kann, ist der so genannte Hindsight Bias insbesondere in Verbindung mit Mental Accounting. Unter Mental Accounting wird die Bildung von verschiedenen Einzelkonten, beispielsweise für Gewinne und Verluste, verstanden. Der Hindsight Bias liegt vor, wenn Entscheidungen der Vergangenheit dahin verzerrt werden, als hätten die ex post vorliegenden Informationen bereits ex ante zur Verfügung gestanden. Sowohl die Trennung von einzelnen Entscheidungen als auch eine spätere Neuinterpretation von scheinbar existierenden Informationen führen zu einer verzerrten Wahrnehmung des eigenen Entscheidungsverhaltens, wobei insbesondere Entscheidungsfehler verdeckt oder vergessen werden. Hinzu kommt oftmals noch die so genannte Repräsentativitätsheuristik, nach der eine zufällige Abfolge von Ereignissen als repräsentativ für eine bestimmte Situation und damit als nicht mehr zufällig angesehen wird. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die technische Analyse, bei der aus beobachtbaren Daten, z.B. Kursen, auf zukünftige Kursentwicklungen geschlossen wird. Allerdings kann eine weite Verbreitung bestimmter technischer Handelsregeln dazu führen, dass die Kurse tatsächlich hierdurch beeinflusst werden, damit die Existenz bestimmter „ Formationen “ selbst bestätigend (Selffulfilling Prophecy) und für profitable Handelsstrategien nutzbar sind (vgl. Nöth, Markus 2005).
Insgesamt besteht das Problem dieser und anderer individueller, nicht rationaler Verhaltensweisen darin, dass sie in verschiedenen Konstellationen unterschiedlich zusammenhängen und wirken. Im Ergebnis beeinträchtigen oder verhindern sie adäquates Lernen und können sich auf der Marktebene auswirken.

IV. Auswirkungen auf Marktebene: Herding und Noise Trader


Wie bereits in Abschnitt II angesprochen, ist individuelles nicht-rationales Verhalten nur dann für andere Marktteilnehmer von Bedeutung, wenn sich das Verhalten im Markt auswirkt. Zunächst betrachten wir das Verhalten von zufällig agierenden Marktteilnehmern, den so genannten Noise Tradern. Diese treten als Käufer oder Verkäufer am Markt auf, ohne dass ihre Transaktionen informationsbasiert wären. Durch ihre Anzahl und das aggregierte Volumen können sie Marktpreise beeinflussen und erhöhen damit das Risiko der gehandelten Wertpapiere. Wie De Long, J. Bradford et al. 1990 in ihrem Model zeigten, wird dieses Risiko über eine höhere Risikoprämie im Markt bezahlt und von den Noise Tradern selbst mit übernommen. Die hierfür gezahlte Risikoprämie ermöglicht den Noise Tradern, Transaktionsverluste durch den Handel mit informierten Marktteilnehmern (teilweise) auszugleichen, wodurch das Bankrottrisiko der Noise Trader deutlich sinkt und damit deren Überlebenswahrscheinlichkeit und -dauer steigt.
Auch das so genannte Herdenverhalten von Investoren kann zu erheblichen Konsequenzen auf Marktebene führen. So hat beispielsweise der Abzug von Anlegergeldern aus einem offenen Immobilienfonds der Deutschen Bank im Dezember 2005 dazu geführt, dass dieser für drei Monate geschlossen wurde. Häufig wird Herdenverhalten mit irrationalem Verhalten gleichgesetzt. Dies ist jedoch oftmals unangemessen, da neue, öffentlich verfügbare Informationen gleichfalls zu identischen, rationalen Entscheidungen führen können. Besonders anschaulich lässt sich der Unterschied zwischen rationalem und irrationalem Herdenverhalten in Experimenten zu Informationskaskaden darstellen (vgl. z.B. Anderson, Lisa/Holt, Charles 1997 oder Nöth, Markus/Weber, Martin 2003). Hier erhalten alle Teilnehmer ein unabhängiges Informationssignal mit bekannter Qualität über einen von zwei möglichen, zukünftig eintretenden Umweltzustand. Anschließend erhalten sie die Gelegenheit, nacheinander auf einen der beiden möglichen Zustände zu wetten, wobei die Entscheidungen der Vorgänger beobachtet werden können. Sobald sich einige Teilnehmer ununterbrochen für denselben Zustand entschieden haben, ist es unabhängig von der eigenen Information nicht mehr rational, sich für den anderen Zustand zu entscheiden. Mit anderen Worten sind identische Entscheidungen bzw. Herdenverhalten der Nachfolger rational, auch wenn sich mit einer kleinen Wahrscheinlichkeit alle Teilnehmer irren und der andere Zustand eintritt. Sobald eine Kaskade beginnt, spielt die Anzahl der beobachteten gleichgerichteten Entscheidungen keine Rolle mehr, da diese keine Informationen über die zugrunde liegenden Informationen mehr enthalten. Eine Informationskaskade kann jedoch auch entstehen, wenn irrationales Herdenverhalten existiert, d.h. es wird entsprechend den bereits beobachtbaren Entscheidungen auf einen Zustand gewettet, obwohl die eigene Information so gut ist, dass eine abweichende Zustandsprognose gerechtfertigt wäre.
Individuelles Verhalten kann sich besonders auswirken, wenn die (anderen) Marktakteure Fehlbewertungen von Wertpapieren nicht risikolos ausnutzen können. Die Grenzen der Arbitrage sind beispielsweise dann offensichtlich, wenn sich ein zu hoch bewertetes Wertpapier nicht leerverkaufen lässt. Ein unterbewertetes Wertpapier kann nur dann erworben werden, wenn hierfür ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Ein Gewinn ist zudem nur realisierbar, wenn sich die Fehlbewertung im Markt vor einem Verkauf wieder korrigiert. Sofern der Anlagehorizont des Investors mit einer positiven Wahrscheinlichkeit kleiner als der Zeitraum bis zur sicheren Auflösung der Fehlbewertung ist, muss gewährleistet sein, dass ein anderer Investor an die weiter bestehende Fehlbewertung glaubt und die Position übernimmt (vgl. Dow, James/Gorton, Gary 1994). Alternativ kann die Fehlbewertung nur dann genutzt und damit mittelfristig korrigiert werden, wenn die investierten Gelder nicht abgezogen werden können. Ein Beispiel hierfür sind die Anlagebedingungen von Hedge Fonds und Private Equity Fonds. Das Geschäftsmodell der Private Equity Fonds besteht darin, unterbewertete Firmen(an)teile zu übernehmen und gegebenenfalls nach einer Restrukturierung später durch einen Verkauf oder erneuten Börsengang die Fehlbewertung aufzulösen. Dabei würde ein zwischenzeitlicher Verkauf von Fondsanteilen die Finanzierung aushebeln. Da Anleger aufgrund individueller Überlegungen, die nicht notwendigerweise rational sind, ihre Positionen zwischenzeitlich verkaufen möchten, wirkt sich dieses Individualverhalten direkt negativ auf die (riskanten) Arbitragemöglichkeiten des Fonds aus, sofern dies nicht durch die Fondsbedingungen unterbunden wird.

V. Konsequenzen für die Beratung


Abschließend stellt sich nun die Frage, inwieweit durch Beratung bestimmte, nicht rationale Verhaltensweisen reduziert oder sogar vermieden werden können. Insbesondere der Hindsight Bias kann dazu führen, dass unzufriedene Kunden ex post die ex ante Qualität der Beratung anzweifeln und u.U. sogar den Klageweg beschreiten. Insofern ist es auch im Sinne der Finanzberater, Kunden nicht nur umfassend und nachvollziehbar zu beraten, sondern dies auch schriftlich zu dokumentieren. Die vom Gesetzgeber in Deutschland geforderte Risikoaufklärung reicht hierfür nicht unbedingt aus, da Verlustrisiken zu allgemein formuliert sind, um Kunden eine angemessene Abschätzung dieses Risikos zu ermöglichen. Hinzu kommt der so genannte Self-Attribution Bias. Hierunter wird die Neigung verstanden, unangenehme Erinnerungen an Verluste basierend auf eigenen Fehleinschätzungen entweder zu verdrängen oder die Schuld bei anderen zu suchen. Außerdem ist die Erinnerung bei Kursgewinnen in der anderen Richtung verzerrt: die Idee und Umsetzung basiert auf „ eigenen “ Überlegungen und „ richtigen “ Einschätzungen. Sowohl der Self-Attribution Bias als auch der Hindsight Bias erzeugen in Verlustsituationen nicht nur Unzufriedenheit, sondern beeinträchtigen auch in Gewinnsituationen die Lernfähigkeit, verstärken Overconfidence und führen u.U. zu erhöhter Risikobereitschaft mit einem damit verbundenen erhöhten Verlustrisiko. Dabei ist zu bedenken, dass Gewinne typischerweise bezogen auf den Kaufkurs und nicht risikokorrigiert unter Einbeziehung der Renditen von Alternativinvestments wahrgenommen werden. Mit anderen Worten wird typischerweise ein nicht angemessener Vergleichsmaßstab bzw. Benchmark verwendet.
In der Beratung bzw. dem Vertrieb von (strukturierten) Finanzprodukten kann der Hindsight Bias aber auch als Verkaufshilfe eingesetzt werden. Dabei wird dem Kunden verdeutlicht, welche Rendite das Produkt in der Vergangenheit erzielt hätte. Dass dieses Produkt möglicherweise nur ex post und nicht ex ante weder in der Vergangenheit noch für die Zukunft das Angemessene für den Privatanleger war bzw. ist, wird dabei selbstverständlich nur allgemein im Rahmen der gesetzlichen Risikoaufklärung im ausführlichen Verkaufsprospekt erläutert. Der Hindsight Bias in Verbindung mit möglicherweise selbst erlebten Verlusten erzeugt bei vielen Privatanlegern den Wunsch, einerseits am Gewinn im riskanten Kapitalmarkt zu partizipieren, andererseits aber nicht das damit verbundene Verlustrisiko zu tragen. Dies wird vor allem seit 2001 intensiv für den Vertrieb strukturierter Produkte genutzt, indem zum Laufzeitende eine Kapitalgarantie gegeben wird. Die Bereitstellung eines wohldiversifizierten Portfolios, das diese Risikostruktur abbildet, wird zu hohen, aber nicht offensichtlichen Kosten geleistet und offensichtlich gerne von Privatanlegern erworben. Privatanleger beachten dabei oftmals nicht, dass die Kapitalgarantie trotz langer Laufzeit nur zum Laufzeitende und ohne Inflationsschutz gewährt wird, sodass dies mittels eines Zerobonds risikofrei umgesetzt werden kann. Außerdem ignorieren sie alternative, risikolose Anlagemöglichkeiten in Anleihen mit sehr guter Bonität und gleicher Laufzeit. Damit können bestimmte individuelle Verhaltensweisen von Finanzdienstleistern profitabel in Produkte für Privatanleger umgesetzt und vermarktet werden.

VI. Fazit und Ausblick


Mit diesem Beitrag haben wir einen Ausschnitt der Behavioral-Finance-Forschung vorgestellt, um einerseits die Bedeutung dieser Forschung für institutionelle Investoren wie beispielsweise Private Equity Fonds zu verdeutlichen und um andererseits den Fokus der praktischen Beratung von Privatanlegern auf die Vermeidung heutiger und zukünftiger Entscheidungs- und Beurteilungsfehler zu lenken. Auch Privatanleger selbst können und sollten sich vor allem im Zusammenhang mit langfristigen Investitionsentscheidungen, wie beispielsweise der privaten Altersvorsorge, mit ihren Entscheidungsfehlern auseinander setzen, um so erhebliche Verluste gegenüber einer angemessenen Entscheidung weitgehend zu vermeiden. Dabei ist zu beachten, dass Erkenntnisse über vergangene Fehler auch korrigiert werden. Welche Beratungselemente von Privatanlegern tatsächlich zu Änderungen der Investitionsentscheidungen führen, ist bislang erst ansatzweise wissenschaftlich untersucht worden.
Ein weiteres, neues Teilgebiet der Behavioral-Finance-Forschung, das wir hier nicht betrachtet haben, analysiert Entscheidungen im Unternehmenskontext (Behavioral Corporate Finance). Hier wird beispielsweise untersucht, wie Vorstandsvorsitzende (CEOs), die ihre Fähigkeiten überschätzen, Investitionen tätigen (vgl. Malmendier, Ulrike/Tate, Geoffrey 2005). Dabei zeigt sich, dass bei vorhandenen internen Geldmitteln zu viel und bei notwendiger externer Finanzierung zu wenig investiert wird. Mit anderen Worten können sich individuelle Verhaltensweisen auch auf Unternehmensebene direkt auswirken und damit die Bewertung von Unternehmen im Kapitalmarkt verändern. Außerdem wird u.a. das Ausübungsverhalten von Aktienoptionen durch Mitarbeiter untersucht, die diese Optionen als Vergütungsbestandteil erhalten haben (vgl. Sautner, Zacharias/Weber, Martin 2005).
Literatur:
Anderson, Lisa R./Holt, Charles A. : Information Cascades in the Laboratory, in: American Economic Review, Jg. 87, H. 5/1997, S. 847 – 862
Bromann, Oliver/Schiereck, Dirk/Weber, Martin : Reichtum durch (anti-) zyklische Handelsstrategien am deutschen Aktienmarkt, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Jg. 49, 1997, S. 603 – 616
De Bondt, Werner F. M./Thaler, Richard H. : Does the Stock Market Overreact?, in: Journal of Finance, Jg. 40, H. 3/1985, S. 793 – 805
De Long, J. Bradford/Shleifer, Andrei/Summers, Lawrence H. : Noise Trader Risk in Financial Markets, in: Journal of Political Economy, Jg. 98, H. 4/1990, S. 703 – 738
Dow, James/Gorton, Gary : Arbitrage Chains, in: Journal of Finance, Jg. 49, H. 3/1994, S. 819 – 849
Elton, Edwin J./Gruber, Martin J./Comer, George : Spiders: Where are the Bugs?, in: Journal of Business, Jg. 75, H. 3/2002, S. 453 – 472
Grinblatt, Mark/Keloharju, Matti : What Makes Investors Trade?, in: Journal of Finance, Jg. 56, H. 2/2001, S. 589 – 616
Gruber, Martin J. : Another Puzzle: The Growth in Actively Managed Mutual Funds, in: Journal of Finance, Jg. 51, H. 3/1996, S. 783 – 810
Jegadeesh, Narasimhan/Titman, Sheridan : Returns to Buying Winners and Selling Losers. Implications for Stock Market Efficiency, in: Journal of Finance, Jg. 48, H. 1/1993, S. 65 – 91
Jungermann, Helmut/Pfister, Hans-Rüdiger/Fischer, Katrin : Die Psychologie der Entscheidung. Eine Einführung, 2. A., Heidelberg 2005
Kahneman, Daniel/Tversky, Amos : Prospect Theory. An Analysis of Decision under Risk, in: Econometrica, Jg. 47, H. 2/1979, S. 263 – 292
Mallmendier, Ulrike/Tate, Geoffrey : CEO Overconfidence and Corporate Investment, in: Journal of Finance, Jg. 60, H. 6/2005, S. 2661 – 2700
Nöth, Markus : Reduktion des Dispositionseffekts privater Anleger durch Einsatz technischer Handelsregeln, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Jg. 75, H. 5/2005, S. 455 – 475
Nöth, Markus/Weber, Martin : Information Aggregation with Random Ordering. Cascades and Overconfidence, in: Economic Journal, Jg. 113, H. 1/2003, S. 166 – 189
Odean, Terrance : Are Investors Reluctant to Realize Their Losses?, in: Journal of Finance, Jg. 53, H. 5/1998, S. 1775 – 1798
Sautner, Zacharias/Weber, Martin : Stock Options and Employee Behavior, in: Arbeitspapier, 2005
Weber, Martin/Camerer, Colin F. : The Disposition Effect in Securities Trading. An Experimental Analysis, in: Journal of Economic Behavior and Organization, Jg. 33, 1998, S. 167 – 184

 

 


 

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