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Macht


Inhaltsübersicht
I. Begriff und konzeptionelle Elemente
II. Grundlagen der Macht
III. Machtkonzepte
IV. Ausblick

I. Begriff und konzeptionelle Elemente


In der gängigsten Definition gilt Macht als instrumentell verstärkte Wirkmöglichkeit, als Potenzial, Ergebnisse zu erzielen, die der Beteiligung anderer Akteure bedürfen, und gehört damit zu den allgemeinsten, aber gleichzeitig wertgeladensten und umstrittensten Phänomenen der organisationalen Forschung. Die Vielschichtigkeit der Erscheinungen und Verschiedenheit der theoretischen Zugänge, in denen sich die gesamte Bandbreite der möglichen paradigmatischen Ansätze widerspiegelt, haben keine allgemein akzeptierte Konzeption der Macht entstehen lassen. Die Vielzahl divergierender Konzepte führt zu unterschiedlichen Schlüssen hinsichtlich Machtentstehung, -einsatz und -wirkungen und tangiert verwandte Begriffe wie Einfluss, Manipulation, Herrschaft oder Autorität und andere zentrale Konzepte wie Führung, Steuerung, Kontrolle oder Mikropolitik auf mannigfaltige Weise. Diese begriffliche Multiplizität bildet zwar den Facettenreichtum des Konzeptes ab, erschwert aber den Einstieg in die Diskussion und die Vergleichbarkeit der Forschungsergebnisse.
Fast alle ökonomischen Auseinandersetzungen mit Macht beginnen mit einem Verweis auf Max Weber, der die – dem in der BWL dominanten zweckrational-intentionalen Verständnis entsprechende – klassische Formulierung, Macht bedeute „ jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht “ (Weber,  1972, S. 28), geprägt hat. Anhand dieser knappen Definition können die Unterschiede innerhalb der für die BWL relevanten Zugänge, die sich mit unterschiedlichen Erscheinungsformen der Macht in und von Organisationen – ihren verschiedenen Gesichtern (Bachrach, /Baratz,  1962; Lukes,  1974; Clegg,  1989) – beschäftigen, aufgezeigt werden.

1. Konflikt und Widerstand


Konfliktorientierte Begriffe binden Macht an manifeste oder latente Auseinandersetzungen: Ein Akteur hat in dem Ausmaß Macht über einen anderen, als er diesen dazu veranlassen kann, etwas zu tun, was er sonst nicht tun würde (Dahl,  1957, S. 202). Webers „ auch gegen Widerstreben “ macht deutlich, dass er die soziale Beziehung zwar als asymmetrisch konzipiert, seinen Machtbegriff aber nicht auf konflikthafte Über- und Unterordnungsphänomene einschränkt, sondern auch jene Bereiche inkludiert, wo Macht auf Konsens basiert. Macht ist gerade dort am effektivsten, wo sie sich ohne Widerstand entfaltet, wie z.B. in gelungenen Manipulationen.

2. Aktivitäten, Nicht-Aktivitäten und Sinngebung


Machtausübung wird vielfach an Durchsetzungsfähigkeit in konkreten Entscheidungs- oder Verhandlungssituationen gebunden – ein Wirkungsbereich, der als das erste Gesicht der Macht bezeichnet wurde (Bachrach, /Baratz,  1962). Vernachlässigt werden dabei Interessenkonflikte, die nie artikuliert werden, und kontroversielle Themen (\'issues\'), die nie ihren Weg in die Entscheidungsarenen finden, weil ihre Proponenten nicht über Agenda Setting-Kompetenzen verfügen, d.h. entweder die \'Spielregeln\' nicht kennen bzw. sich nicht entsprechend organisieren können oder negative Konsequenzen etwaiger Auseinandersetzungen antizipieren (Hardy, /Clegg,  1996; Sandner,  1990). Macht zeigt sich nicht nur in Aktivitäten, sondern insb. auch in Inaktivitäten, den sog. Nicht-Entscheidungen – dem zweiten Gesicht der Macht (Bachrach, /Baratz,  1962).
Macht ist nicht nur mit der Fähigkeit, Ergebnisse zu erzielen oder zu verhindern, verbunden, sondern auch damit, diese (Nicht-)Ergebnisse zu interpretieren und ihnen Bedeutung zu verleihen. Diese Fähigkeit des \'management of meaning\' bzw. des \'(re-)framing\' wird als charakteristisches Merkmal von visionärer oder tranformationaler Führung bezeichnet. Die Fokussierung auf Sinngebung rückt jene Machtaspekte, die normativen Selbstverständlichkeiten und routinisierten Praktiken (Organisationsstruktur und Organisations-/Unternehmenskultur) innewohnen, ins Blickfeld. Im Wirken von Institutionen zeigt sich das dritte Gesicht der Macht (Lukes,  1974), das die Rolle der Bedeutungsstrukturen und die unterschiedlichen Anteile der Akteure an Realitätskonstruktionen betont.

3. Interessen und Intentionen


Macht wird vielfach mit der Verfolgung konfligierender Interessen in Verbindung gebracht (Lukes,  1974; Pfeffer,  1981), unabhängig davon, ob es sich dabei um organisationale oder partikulare Eigen-Interessen handelt. Aus einer Konzentration auf zweiteres resultiert der negative Beigeschmack, den Macht und politisches Handeln nach wie vor in vielen bwl. Publikationen besitzen. Die Akteure, ihre Identitäten, Interessen und Präferenzen sind in diesem Machtverständnis exogene Größen. Hier setzt die Kritik von strukturalistischen Zugängen an (s.u.).
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zielt auf die Frage, ob Machtausübung mit absichtsgeleitetem Handeln verknüpft ist. Zugänge, die Macht als spezifischen Handlungstypus konzipieren, grenzen über den Aspekt der Intentionalität Macht von sozialer Steuerung ab (z.B. Pfeffer,  1981; Sandner,  1990). Dagegen verbinden Zugänge, die Macht als Dimension jeglichen sozialen Handelns begreifen und i.d.S. auf den alles umfassenden Einfluss von Macht verweisen (z.B. Giddens,  1988), gerade mit der unintendierten Reproduktion von Routinen die wirkungsvollste Entfaltung von Macht.

II. Grundlagen der Macht


Ein Hauptaugenmerk der Machtforschung liegt in der Begründung der Voraussetzungen der Ausübung von Macht. Weber bezeichnete seinen Machtbegriff als „ soziologisch amorph “ (Weber,  1972, S. 28 f.), denn „ alle denkbaren Qualitäten eines Menschen und alle denkbaren Konstellationen können jemand in die Lage versetzen, seinen Willen in einer gegebenen Situation durchzusetzen “ (ebd.). In den instrumentell-utilitaristischen Ansätzen der bwl. Theoriebildung hat sich die Vorstellung von Verfügung über ökonomische und außerökonomische Ressourcen (Krüger,  1976, S. 12) als Grundlage von Macht durchgesetzt. Die referierten Machtquellen sind i.d.R. einerseits struktureller (z.B. Kompetenzen, die an die Position gebunden sind) und andererseits personeller Art (z.B. Wissen, Prestige, Charisma, rhetorische Stärken). Die am weitesten verbreitete Klassifikation (French, /Raven,  1959) unterscheidet auf analytischer Ebene 6 Machtbasen:

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Macht durch Belohnung: die Möglichkeit, jemanden in eine als angenehm empfundene Situation zu versetzen;

-

Macht durch Bestrafung: die Fähigkeit, negative Sanktionen zu verfügen (z.B. Entlassung, Versetzung, Behinderung im beruflichen Fortkommen);

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Macht durch Legitimation: die Anerkennung von Ansprüchen kraft akzeptierter Normen, Strukturen oder internalisierter Werte;

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Macht durch Identifikation: die Vorbildwirkung einer Bezugsperson oder -gruppe und die damit verbundene Unterordnungsbereitschaft;

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Macht durch Sachkenntnis: die Zuschreibung der Rolle eines Experten, wobei unerheblich ist, ob sie zu Recht oder zu Unrecht erfolgt;

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Macht durch Information: Zugang zu relevanten Informationen.


Neben Machtquellen – ähnliche \'Kataloge\' stammen z.B. von Pfeffer (Pfeffer,  1981) oder Mintzberg (Mintzberg,  1983) – wurden verschiedene weitere Machtdimensionen identifiziert, insb. Mittel bzw. Techniken, Bereich, Intensität, Ausdehnung und Kosten (z.B. Dahl,  1957). Grundlagenmodelle der Macht haben sich in der BWL als sehr einflussreich erwiesen. Sie sind u.a. der Ausgangspunkt für verschiedene Typologien von Organisationen (z.B. bürokratische, die auf Positionsmacht und Amtshierarchie beruhen, oder \'knowledge based firms\' basierend auf Expertenmacht), von Macht- bzw. Beeinflussungsstrategien und -taktiken (z.B. Kipnis, /Schmidt, /Wilkinson,  1980), von auf unterschiedliche Machtbasen rekurrierenden Führungsstilen oder Führungsrollen bspw. in Veränderungsprozessen (z.B. Fach- und Machtpromotoren).
Konzepte dieser Art weisen zahlreiche Schwachstellen auf: Macht resultiert aus der Verfügung über Ressourcen, die Basen sind aber z.T. (z.B. Expertentum, Identifikation und Legitimation) Zuschreibungen durch die Machtunterlegenen und entziehen sich daher der Kontrolle des Überlegenen. Die analytische Abgrenzung der Basen voneinander ist problematisch, ebenso ihre empirische Beziehung: Was geschieht bspw., wenn einzelne Basen zueinander im Widerspruch stehen, also z.B. dem hierarchisch Vorgesetzten die Sachkenntnis abgesprochen wird?
Die o.g. Grundlagen laufen – obgleich Vorgesetzte i.A. unterstützt werden (insb. Legitimität und Sanktionsmacht) – nicht notwendigerweise mit der formalen Hierarchie und der darin vorgesehenen Führungsmacht (s.u.) konform. Insb. die Kontrolle essentieller Informationen, Schnittstellenfunktionen zur Umwelt, aber auch Expertenwissen oder Identifikationspotenzial sind nicht an eine offizielle Führungsrolle gebunden. Die steigende Bedeutung von Information und Wissen im Rahmen von organisationalen Machtbeziehungen, die sich auch in aktuellen Konzepten rund um das Wissensmanagement bzw. die Professionalismusdebatte widerspiegeln, führt die Grenzen der Machtverteilung durch die Gestaltung der formalen Organisation vor Augen.
Machtbasenkonzepte liefern vielfältige Aufzählungen von möglichen Machtquellen, die – je nach konkreten situativen Gegebenheiten – in Macht umgemünzt werden können oder nicht. Die Verfügung über die genannten Ressourcen ist keine hinreichende Bedingung, um Macht ausüben zu können. Dies lässt Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer Formulierung von allgemein gültigen Grundlagen der Macht und damit verbunden an der Schlüssigkeit dieser Art von Theoriebildung aufkommen.

III.  Machtkonzepte


Macht tritt in Organisationen in zahlreichen Erscheinungsformen auf: Sie manifestiert sich in konkreten Interaktionen, in formalen Strukturen, Prozessen und Routinen. In Abhängigkeit davon, wo Macht lokalisiert wird, können – mit vielfältigen Überschneidungen – personenbezogene, relationale, kontextorientierte und strukturalistische Zugänge unterschieden werden. Die konzeptualisierten Wirkungen von Macht reichen in Abhängigkeit vom gewählten Modell von der kausalistischen Herstellung von Entscheidungen bis zur Konstitution der Identitäten der Akteure.

1. Personenbezogene Ansätze


Personenbezogene Ansätze knüpfen Macht an die Person des Überlegenen, sein Handeln, seine Eigenschaften und Ressourcen. Für solche unilinear-kausalistischen \'Machthabermodelle\', die Macht als Besitztum betrachten, ist die Entstehung von Macht unproblematisch: Die Verfügung über Ressourcen hat Macht zur Folge. Außer in Management-Rezepten und der How-to-do-Literatur sind solche Konzepte allerdings von geringer Bedeutung.

2. Relationale Ansätze


Das Gros der machttheoretischen Zugänge der BWL konzipiert Macht nicht als Attribut einer Person, sondern als Dimension eines asymmetrischen Beziehungsgefüges zwischen mindestens zwei Akteuren (Individuen oder Gruppen). Macht ist kein absolutes, substantielles, sondern ein relatives, relationales Phänomen und abhängig von den involvierten Personen, den Charakteristika der Beziehungen, den Dynamiken der Interaktionen sowie – in kontextorientierten Erweiterungen – den Spezifika des Kontextes. Relationale haben mit personenbezogenen Ansätzen die rational-utilitaristische Konzeption von Macht und die Ressourcenorientierung gemeinsam. Der wichtigste Unterschied liegt darin, dass die Verfügung über Ressourcen allein keinem Akteur in einer Beziehung Macht über andere verleiht. Macht ist akzeptanzpflichtig. In der Logik der Dependenzmodelle \'tauscht\' ein Akteur seine Unterordnung gegen eine als wichtig eingeschätzte Ressource. Das Ausmaß der Dependenz bestimmt das Ausmaß der Macht (Emerson,  1962).
Organisationen sind in ein komplexes internes und externes Geflecht aus Machtbeziehungen eingebettet. Eng mit dem Verständnis von Macht als Abhängigkeitsbeziehung verbunden sind sog. Stakeholder-Ansätze, wobei insb. Geldgeber, Lieferanten, Mitarbeiter, Interessenvertretungen, der Staat und die Öffentlichkeit als Stakeholder identifiziert werden. Die Macht von internen und externen Anspruchsgruppen ist von den Ressourcen, die diese kontrollieren, und dem Ausmaß der organisationalen Dependenz abhängig. Nachdem lange Zeit pluralistische Modelle im Vordergrund standen, werden derzeit im Steuerungsparadigma des sog. wertorientierten Managements die Interessen der Eigentümer (shareholder) forciert. Dies inkludiert eine deutliche Verschiebung der Kräfteverhältnisse, was insb. die Diskussion um die Macht des Betriebsrates und das in der Unternehmensverfassung verankerte Recht auf betriebliche Mitbestimmung neu entfacht hat.
Dependenzmodelle wurden sowohl auf individueller, Gruppen- und Organisationsebene als auch bzgl. intra- und interorganisationaler Machtbeziehungen formuliert. Sie sind handlungstheoretisch konzipiert und beziehen in unterschiedlichem Ausmaß und in verschiedenen theoretischen Konzeptionen die Interpretationsprozesse der Akteure (von funktionalistischen bis konstruktionistischen) und die Strukturen (von kontingenz- bis strukturationstheoretischen) des sozialen Kontextes mit ein. Beispiele sind:

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Die Theorie der strategischen Bedingungen (Hickson, et al. 1971) bestimmt Macht bzw. Ohnmacht von organisationalen Subeinheiten anhand der Bewältigung von Unsicherheit, der Nicht-Substituierbarkeit ihrer Aktivitäten und der Zentralität. Dieses Modell ist insb. hilfreich, die Macht, die bspw. von Key Account Managern oder bestimmten Stäben (z.B. IT-Abteilungen) ausgeübt wird, zu analysieren.

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Der Resource Dependency Ansatz (Pfeffer, /Salancik,  1978) beschäftigt sich mit politischen Aktivitäten rd. um pluralistische Interessen von und in Organisationen und thematisiert verstärkt die Außenbeziehungen. Macht können Akteure in dem Ausmaß realisieren, in dem es ihnen gelingt, die Bereitstellung der von der Organisation benötigten externen Ressourcen sicherzustellen.

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Crozier/Friedberg (Crozier, /Friedberg,  1979) konzeptualisieren die Organisation als Ensemble von multiplen, miteinander verzahnten Spielen und siedeln Macht in jenen Unsicherheitszonen an, über die jeder Akteur verfügt und die aus der Beherrschung spezifischen Sachwissens, der Kontrolle von Informationen und Kommunikationskanälen, der Anwendung organisationaler Regeln und zentralen Positionen in Organisations/Umwelt-Beziehungen resultieren. Mit ihrer Integration von strategischem Handeln und systemisch-strukturellen Parametern haben die Autoren viel von Gidden, s Strukturationstheorie vorweggenommen (z.B. Küpper, /Ortmann,  1988; Neuberger,  1995; El?ik,  1998; Küpper, /Felsch,  2000).


Macht kann nur realisiert werden, wenn die Unterordnungsbedingungen durch den Unterlegenen akzeptiert werden, und basiert – bei Fehlen physischen Zwanges – auf einem Mindestmaß an Konsens, das sich auf diese notwendige Einwilligung bezieht. Dies bedeutet nicht nur, dass der Unterlegene in einer Analyse der Machtbeziehung ebenso Berücksichtigung finden muss wie der Überlegene, sondern dass die Entstehung von Macht in jeder Situation erklärungsbedürftig ist.
Das interpretativ konzeptionierte Verhandlungsmodell (Sandner,  1990) erfasst die Entstehung und Veränderung von Macht analytisch vor deren Verfestigung in Strukturen und Institutionen. Eine Person, an die eine Unterordnungsaufforderung gerichtet wurde, hat drei Handlungsmöglichkeiten: Sie kann widerspruchslos akzeptieren und der Machtausübung zustimmen. Sie kann die Aufforderung ablehnen und die Interaktion beenden, oder sie kann versuchen, die Unterordnungsbedingungen in impliziten oder expliziten Verhandlungen zu verändern. Ob der Machtanspruch akzeptiert, verhandelt oder abgelehnt wird, ist von den Situationsdefinitionen der Akteure abhängig. In diese fließen Vorerfahrungen und Wissen ein: Macht in Organisationen entsteht nicht voraussetzungslos. Es ist daher notwendig, die Dyade auf die zwischen Koalitionen und Netzwerken ablaufenden Verhandlungen auszudehnen, Macht dynamisch zu betrachten und den interaktionistisch konzipierten Machtbegriff um kontext- und strukturorientierte Betrachtungen zu ergänzen.
Aus der Verfestigung der ephemeren Macht ergeben sich wichtige neue Phänomene, die in der BWL eine besondere Rolle spielen, wie die Machtwirkung der formalen Organisationsstruktur und die damit verbundene Führungsmacht oder Phänomene betreffend indirekte Machtausübung. Die Aufbauorganisation repräsentiert die formale Hierarchie und wird als das Sinnbild der organisationalen Machtverteilung betrachtet, auch wenn die tatsächlichen Machtstrukturen in Organisationen vielfach keineswegs dem Plan entsprechen. Abweichungen von diesem \'normalisierten\' Fluss von Macht konstituieren die Unterscheidung zwischen formaler und informaler Macht und die damit verbundene Vorstellung von Mikropolitik als machiavellistisch motivierte Abkehr von der in formale Regeln und Vorgaben gegossenen organisationalen Rationalität. Obwohl eine höhere hierarchische Position üblicherweise mit extensiverem Zugriff auf Ressourcen verbunden ist, basieren Über- und Unterordnungsverhältnisse in Organisationen, die sich auf die Autorität des Amtes und die Stellung in der Hierarchie (Positionsmacht) berufen, zunächst allein auf der Akzeptanz von Hierarchie als Institution und dem damit verbundenen \'Recht\' des Höhergestellten, Anweisungen zu erteilen. Die Notwendigkeit des Einsatzes weiterer Ressourcen, z.B. von Sanktionen zur Stützung von Machtansprüchen, macht \'mangelhafte\' Autorität manifest. Viele der zitierten negativen Effekte des Machteinsatzes gründen auf dieser Ambivalenz. Indirekte Macht tritt depersonalisiert als Sachzwang, routinisierte Praktik oder internalisierte Werte in Erscheinung und wirkt vermittelt über Technologien, (Verfahrens-)Regeln, Sozialtechniken oder Sinnstrukturen (Sandner,  1990).

3. (Post-)Strukturalistische und systemtheoretische Ansätze


Gegenüber dem in handlungstheoretischen Konzepten vorherrschenden strategisch-erfolgsorientierten Verständnis machen (post-)strukturalistische und systemtheoretische Zugänge geltend, dass Macht nicht ausreichend auf der Grundlage intentionalen Handelns und interaktionistischer Austauschrelationen verstanden werden kann, sondern auf dem Wirken sozialer Strukturen oder der Funktionsweise sozialer Systeme beruht. Luhmann (Luhmann,  1975) thematisiert Macht im Rahmen seiner systemtheoretischen Gesellschaftstheorie als symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium, das als generalisierter Code Kommunikationsprozesse und deren Selektionsleistungen steuert. Poststrukturalistische Machtkonzeptionen (z.B. Clegg,  1989; Townley,  1993) kritisieren – vielfach unter Bezugnahme auf die Arbeiten Foucaults (z.B. Foucault,  1977) zur Disziplinarmacht und zur untrennbaren Verbundenheit von Wissen, Wahrheit und Macht  – , dass nicht Akteure Machtressourcen instrumentalisieren, um ihren Willen in sozialen Interaktionsbeziehungen zu realisieren, sondern dass die Konstitution der Subjekte, ihrer Identitäten, Interessen und Präferenzen selbst das Ergebnis von Machtpraktiken und -technologien ist.

IV. Ausblick


In der betriebswirtschaftlichen Diskussion hat das Konzept der Macht insb. durch interpretative und kritische Forschungen neue Impulse erhalten: Theoretische Zugänge, die sowohl die strategisch-interaktionistischen als auch die strukturell-institutionellen Aspekte berücksichtigen, sowie vertiefende empirische Analysen von konkreten Machtpraktiken erscheinen in diesem Zusammenhang wegweisend.
Literatur:
Bachrach, P./Baratz, M. S. : Two Faces of Power, in: American Political Science Review, Jg. 57, H. 3/1962, S. 632 – 642
Clegg, S. : Frameworks of power, London et al. 1989
Crozier, M./Friedberg, E. : Macht und Organisation, Königstein 1979
Dahl, R. A. : The concept of power, in: Behavioral Science, Jg. 2, H. 3/1957, S. 201 – 215
El?ik, W. : Personalmanagement als Spiel, Habil., Stuttgart 1998
Emerson, R. M. : Power-dependence relations, in: ASR, Jg. 27, H. 1/1962, S. 31 – 41
Foucault, M. : Der Wille zum Wissen, Frankfurt/Main 1977
French, J. R. P./Raven, B. H. : The cases of social power, in: Studies in social power, hrsg. v. Cartwright, D., Ann Arbor 1959, S. 150 – 167
Giddens, A. : Die Konstitution der Gesellschaft, Frankfurt et al. 1988
Hardy, C./Clegg, S. : Some dare call it power, in: Handbook of Organization Studies, hrsg. v. Clegg, S./Hardy, C./Nord, W. R., London et al. 1996, S. 622 – 641
Hickson, D. J. : A strategic contingencies\' theory of intraorganizational power, in: ASQ, Jg. 16, H. 2/1971, S. 216 – 229
Kipnis, D./Schmidt, S. M./Wilkinson, I. : Intraorganizational influence tactics, in: JAP, Jg. 65, H. 4/1980, S. 440 – 452
Krüger, W. : Macht in der Unternehmung, Stuttgart 1976
Küpper, W./Felsch, A. : Organisation, Macht und Ökonomie, Wiesbaden 2000
Küpper, W./Ortmann, G. : Mikropolitik, Opladen 1988
Luhmann, N. : Macht, Stuttgart 1975
Lukes, S. : Power. A radical view, London et al. 1974
Mintzberg, H. : Power in and around organizations, 1. A., Englewood Cliffs 1983
Neuberger, O. : Mikropolitik, Stuttgart 1995
Pfeffer, J. : Power in Organizations, Marshfield 1981
Peffer, J./Salancik, G. R. : The external control of organizations, New York 1978
Sandner, K. : Prozesse der Macht, Habil., Berlin et al. 1990
Steyrer, J. : Charisma and the archetypes of leadership, in: OS, Jg. 19, H. 5/1998, S. 807 – 828
Townley, B. : Foucault, Power/Knowledge, and its Relevance for Human Resource Management, in: AMR, Jg. 18, H. 3/1993, S. 518 – 545
Weber, M. : Wirtschaft und Gesellschaft, 5. A., Tübingen 1972

 

 


 

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