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Mitarbeiterbefragungen


Inhaltsübersicht
I. Zielsetzung von Mitarbeiterbefragungen
II. Ablauf einer Mitarbeiterbefragung
III. Bisherige Erfahrungen
IV. Gütekriterien
V. Fazit

I. Zielsetzung von Mitarbeiterbefragungen


Bei Mitarbeiterbefragungen (MAB) geht es darum, so eine erste triviale Definition, Mitarbeiter in einem Unternehmen zu bestimmten Inhalten zu befragen. Da es sich dabei im weiteren Sinne um ein personalwirtschaftliches Instrument handelt, wird man derartige Erhebungen natürlich methodisch fundiert konzipieren, die Durchführung systematisch strukturieren, die Auswertung nach allen Regeln der Statistik vornehmen usw. Die allgemeinen operativen Tätigkeiten bei der Durchführung einer MAB und die einzelnen Konstruktionsprinzipien sind hinlänglich dokumentiert worden (Böhm,  1997; Jöns, /Bungard,  2005; Bungard, /Jöns,  1997; Church, /Waclawski,  1998; Domsch, /Schneble,  1991; Kraut,  1996; Schumann, /Presser,  1996). Nicht ganz so offensichtlich ist allerdings die Frage, warum man einen solchen Aufwand betreibt.
Ein Blick in die „ Geschichte “ der Mitarbeiterbefragungen zeigt, dass die dahinterstehende Zielsetzung zum Teil erheblich im Laufe der Zeit variierte (Bungard,  2000). Bereits im 18. Jahrhundert wurden z.B. bei der preußischen Infanterie Soldaten in den sog. Conduitenlisten befragt, um die Stimmung in der Mannschaft zu erfassen. U.a. erkundigte man sich danach, ob der Offizier ein Säufer sei (Neuberger,  2000; Warburg,  1997). Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden in Frankreich systematisch Fabrikarbeiter befragt, um etwas über deren soziale Lebenssituation zu erfahren. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Konzept des Betriebs- bzw. Organisationsklimas populär, dementsprechend hatten großflächige Mitarbeiterbefragungen die Funktion, eben dieses Konstrukt zu messen. In den 1980er-Jahren dominierte das Organisationskultur-Paradigma (Conrad, /Sydow,  1984), wiederum erhielt das Instrument der MAB eine neue Funktion, diesmal sollten durch gezielte Befragungen für den Kulturansatz zentrale kognitive Einstellungssysteme bzw. Werte identifiziert werden.
Eine einschneidende neue „ Epoche “ der Mitarbeiterbefragung begann dann Anfang bzw. Mitte der 1990er-Jahre des vorherigen Jahrhunderts. Zu dieser Zeit wurden im Rahmen der Total-Quality-Management (TQM)-Philosophie neue Systeme zur Bewertung und Steuerung von Unternehmen erarbeitet. In Anlehnung an das amerikanische Vorbild (Baldrige Award) wurde z.B. von der European Foundation for Quality Management (E.F.Q.M.) ein Modell entwickelt, um auf dieser Basis die TQM-Tauglichkeit einer Unternehmung durch externe Juroren bewertbar zu machen (E.F.Q.M. 1996; Bungard, /Jöns,  2000; Verbeck,  1998). Der dahinterstehende Grundgedanke besteht darin, zentrale TQM-relevante Faktoren zu operationalisieren, um mit solchen Kennzahlen über mehrere Jahre hinweg ein Prozess-Controlling vornehmen zu können. Ein solcher wichtiger Faktor betrifft u.a. die Mitarbeiterzufriedenheit und hieraus entstand der Bedarf, ein EFQM-taugliches (Befragungs-)Instrument zu entwerfen.
Zur Steuerung einer Organisation wurde in den USA der sog. Balanced-score-card-Ansatz elaboriert, um neben klassischen ökonomischen Kennzahlen auch soft-facts einbeziehen zu können (Horváth,  1995; Kaplan, /Norton,  1996). Analog zum EFQM-Modell besteht eine naheliegende Lösung zur Erhebung der einzelnen soft-facts darin, kontinuierlich und systematisch MAB einzusetzen, um entsprechende Daten in die „ Cards “ zu integrieren. In den meisten Fällen wurden derartige Kennziffer-Systeme in ein flankierendes Zielvereinbarungskonzept einbezogen (Bungard, /Kohnke,  2002), so dass letztlich je nach incentive-Verträgen die Mitarbeiterbefragungsergebnisse einen unmittelbaren Einfluss auf die Bewertung und folglich auch auf das Einkommen der Führungskräfte haben.
Zusammenfassend betrachtet hat sich also die Zielsetzung von MAB in den letzten Jahren deutlich verlagert: Es geht in der Mehrzahl der Fälle nicht mehr um eine allgemeine Beurteilung des Betriebsklimas (Klimabefragung), um die Analyse der Einstellungen (Meinungsumfragen) oder um eine Analyse der individuellen Arbeitszufriedenheit. Im Vordergrund steht vielmehr schwerpunktmäßig die kontinuierliche Erfassung der Beurteilung unternehmensrelevanter Faktoren durch die Mitarbeiter im Sinne eines Wertmanagements, z.B. angelehnt an die TQM-Philosophie, wobei die schnelle dezentrale Rückspiegelung der Ergebnisse für einzelne Abteilungen jeweils im Vergleich zu vorhergehenden Erhebungen entscheidend ist. Zur Interpretation der spezifischen Ergebnisse spielen unternehmensinterne und -externe Benchmark-Daten eine wichtige Orientierungsfunktion (Fies, /Schmitt,  1997). MAB haben somit ihre Bedeutung im Rahmen unternehmungsstrategischer Entwicklungs- oder Anpassungsprozesse in Form regelmäßiger „ Geschäftsberichte von unten “ (Freimuth, /Kiefer,  1995). Sie sind Teil eines Auftau- und Einbindungsmanagement-Programms (Borg,  2003). Von ihrer Zielsetzung bzw. Funktion her betrachtet sind MAB in enger Verbindung zu Vorgesetztenbeurteilungs-Konzepten (Hofmann, /Köhler, /Steinhoff,  1995), zu sog. 360-Grad-Bewertungen (Scherm,  2005) oder zu Management-Audits (Walsh, /Weber,  1996) zu sehen.

II. Ablauf einer Mitarbeiterbefragung


Vor dem Hintergrund der zuvor dargelegten Zielsetzung ergibt sich ein idealtypischer Ablauf einer MAB im Sinne eines Instruments im Rahmen des Prozess-Controllings. Es würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen, detailliert auf einzelne Punkte einzugehen. Folgende Aspekte können angesichts der veränderten Akzentsetzungen in Form eines proaktiven Werkzeugs hervorgehoben werden:
Bei der Auswahl der Inhalte einer MAB müssen zwei Kriterien berücksichtigt werden. Einmal gilt es, die strategisch bedeutsamen Faktoren (z.B. auf der Basis des EFQM-Modells) in Zusammenarbeit mit dem (Top-) Management, Experten und Betriebsrat (Borg,  2003; Schiemann,  1991) zu identifizieren und in entsprechende Themenblöcke bzw. Fragen zu übersetzen. Bei der späteren Auswertung der Fragen können dann mehrere Fragen pro Faktor zu einem Index zusammengefasst werden, um so einen anschaulichen Überblick über die Entwicklung der strategisch relevanten Kennziffern zu ermöglichen. Zum anderen sollten durch Pretests z.B. anhand von qualitativen Gruppeninterviews die Problempunkte erfasst werden, die aus der Perspektive der Mitarbeiter wichtig sind. Ohne die Einbeziehung der Interessen der Belegschaft dürfte es schwer fallen, die notwendige hohe Akzeptanz und damit die Teilnahmebereitschaft zu erzielen (Converse, /Presser,  1986; Krasnik, /Fabrigar,  1997; Paul, /Bracken,  1995; Schumann, /Presser,  1996).
Bei der Formulierung der Fragen sollten einige Regeln beachtet werden: Aus den Fragen bzw. den Antworten sollte jeweils unmittelbar ein Handlungsbedarf ablesbar sein. Die Fragen sollten kurz und verständlich sein, möglichst immer die gleichen Antwortkategorien enthalten, keine doppelten Negationen beinhalten u.v.m., damit der Fragebogen leicht und schnell beantwortet werden kann. Auf die zusätzliche Erhebung von Kommentaren kann verzichtet werden, weil es sehr aufwendig ist, diese zu kategorisieren, die zusätzliche Erkenntnis gering ist (Beimel,  1990) und weil im Übrigen der Diskussion mit den Präsentatoren nicht vorgegriffen werden soll.
Da in dem Fragebogen auch „ politisch “ heikle Punkte tangiert werden, wie z.B. die aus TQM-Sicht wichtige Bewertung des Vorstandes, muss die Wahrung der Anonymität oberste Priorität besitzen. Das bedeutet u.a., dass auf alle demographischen Angaben verzichtet werden sollte. Wichtig ist nur, dass die Zuordnung zu einer Abteilung erfolgt, da nur so später ein abteilungsspezifischer Bericht produziert werden kann. Um die Anonymität des Einzelnen zu schützen, sollten Einzelberichte nur dann verschickt werden, wenn mindestens fünf Teilnehmer – so die landläufige Regelung bei derartigen Umfragen in deutschen Unternehmen – geantwortet haben.
Um die Ernsthaftigkeit einer Befragung den Mitarbeitern gegenüber zu demonstrieren, sind zwei Spielregeln ratsam: Der Vorstand bzw. die Geschäftsführung sollte vor der Befragung bereits überzeugend versichern, dass alle Ergebnisse unabhängig von den Ergebnissen (schonungslos) publiziert werden, also nicht bei unliebsamen Befunden in den Schubladen der Managerschreibtische verschwinden. Die Führungsmannschaft sollte unmissverständlich klarstellen, dass aus den Befragungsergebnissen Maßnahmen abgeleitet werden sollen, und dass die Umsetzung dieser Maßnahmen anhand entsprechender Instrumente einem Controlling unterworfen wird.
Der Kerngedanke der MAB besteht in der Initiierung bzw. Aufrechterhaltung eines Veränderungsprozesses. Von daher nehmen bei dieser Prozessunterstützung Techniken der Rückkoppelung eine zentrale Stellung ein. Die Verfahren entsprechen dem survey-feedback Ansatz der Organisationsentwicklung (OE) (Comelli,  1997; French, /Bell,  1990) und erinnern in der Praxis oft an die ebenfalls aus OE bekannten Konfrontationstreffen (Cummings, /Worley,  1997). Unter einem Feedback können verschiedene Dinge gemeint sein. In der (Kommunikations-) Psychologie versteht man unter Feedback die Rückspiegelung des momentanen Verhaltens und dessen Wirkung auf andere. Feedback hat in diesem Sinne Blitzlichtcharakter, es drückt die (gefühlsmäßige) Wirkung auf den Feedbackgeber aus, es können auch Wünsche geäußert werden, usw. (Neuberger,  2000). Eine andere Bedeutung hat Feedback in der Systemtheorie: Rückinformationen an ein System erlauben Schlüsse über den Ist-Zustand, so dass eine Regelung im Sinne der Ziele des Systems vorgenommen werden kann (Wiener,  1972). Bei dem oben geschilderten Mitarbeiterbefragungskonzept ist Feedback eher im letzteren Sinne gemeint: Es werden Informationen (Antworten der Befragten) in das System gegeben (Organisation), um die Erreichung von Systemzielen zu überprüfen und gegebenenfalls (nach-) steuern zu können (Bungard,  2000). Die Ergebnisberichte sollen von den einzelnen Führungskräften den eigenen Mitarbeitern präsentiert werden. Von daher sollte dieser Bericht möglichst anschaulich aufgebaut sein. Dazu gehören leicht verständliche Grafiken, Portfolio-Darstellungen usw. Für die Präsentation mit Hilfe eines Beamers eignet sich der Bericht in Form einer PowerPoint Datei.
Im Übrigen sollte der Vorgesetzte einer Abteilung bzw. eines Bereichs, an den die Ergebnisrückkoppelung delegiert wird, die Präsentation und Diskussion alleine mit seinen Mitarbeitern bewerkstelligen, weil unter dieser Bedingung ein Veränderungs- bzw. Verbesserungsprozess wahrscheinlicher ist, als bei einer Unterstützung durch Dritte (externe Moderatoren, interne Hilfe aus der Personalabteilung), so die eindeutigen Forschungsbefunde (Jöns,  2000).
Im Anschluss an die Präsentation können besondere Workshops oder spätere Gruppendiskussionen in Kleingruppen zur Ableitung von Maßnahmen initiiert werden, wobei dabei dann ein Moderator durchaus hilfreich sein kann (Borg,  2001; Morgan,  1993).

III. Bisherige Erfahrungen


Der in diesem Beitrag skizzierte MAB-Typ wird nunmehr seit über zehn Jahren in vielen Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen praktiziert, so dass aufgrund konkreter Erfahrungen bei der Durchführung solcher Erhebungen und auf der Basis erster empirischer Forschungsbefunde (Bungard,  2000; Jöns, /Bungard,  2005; Jöns,  2000; Trost, /Jöns, /Bungard,  1999) ein erstes Fazit über die bisherigen Erfahrungen gezogen werden kann.
Auffallend ist, dass der Professionalität der Datenerhebung oft eine Provinzialität in der Feedbackphase gegenübersteht. Die Daten werden anspruchsvoll z.B. mit Hilfe von online-Befragungen erhoben, die Ergebnisberichte aufwendig von Lay-out-Spezialisten gestaltet und unter Einsatz moderner (Multi-Media-) Technik präsentiert, aber danach erfolgt die eigentlich entscheidende Ableitung von Maßnahmen nur halbherzig, ohne Verwendung spezifischer Problemlösungstechniken, ohne institutionell abgesichertes Protokollieren bzw. Dokumentieren, ein rigoroses Maßnahmen-Controlling hat eher Seltenheitswert. Symptomatischerweise werden auch in der MAB-Literatur Methoden zur Planung der Aktionen kaum erwähnt (Borg,  2001; Futrell,  1994).
Fast überall wird im Umgang mit den MAB-Ergebnissen die höchst ambivalente Rolle der Führungskräfte transparent: Der Konflikt zwischen Implementeur und Betroffenem (Ridder, /Bruns,  2000; Jöns,  2000).
Bei der Interpretation der Daten neigen die Führungskräfte des Öfteren zu einem Zahlenfetischismus, indem die Prozentzahlen und Mittelwerte peinlich genau erörtert werden. Neuberger (Neuberger,  2000) vermutet, dass es sich hierbei um die typischen Techniken des symbolischen Managements handelt: Durch quantitative Pseudoexaktheit soll die Akzeptanz des Verfahrens erhöht, Wissenschaftlichkeit und Professionalität dokumentiert werden.
Der zuvor genannte Punkt verweist auf einen weiteren oft anzutreffenden Schwachpunkt: Die (oberen) Führungskräfte derjenigen, die ihrerseits als Führungskräfte die Präsentation vornehmen, nehmen ihre Coachingfunktion zu selten wahr. Dies beginnt bereits mit der Geschäftsführung. Wenn sie den Prozess nicht beobachtet, wenn keine Fragen zum MAB-Prozess bzw. zu konkreten Maßnahmen „ nach unten “ gestellt werden, dann wird dies in der unteren Führungsmannschaft als Desinteresse interpretiert, so dass in diesem Informationsvakuum die oben beschriebenen Immunisierungsstrategien angesetzt werden. Die oberen Führungskräfte müssen also als Coaches die eigenen Führungskräfte im MAB-Prozess unterstützen, auch kontrollieren und vor allem auch richtige Signale senden: Entscheidend sind nicht die Bewertungen in der MAB als solche in den einzelnen Abteilungen (womöglich in direkter Konkurrenz zur Nachbarabteilung), es kommt darauf an, über mehrere Zeitpunkte hinweg einen positiven Trend in Gang zu setzen.
Auch die Mitarbeiter tun sich nach der Präsentation der Befunde schwer, in der Diskussion die einzelnen Punkte zu interpretieren oder Ursachen zu benennen. Denn an dieser Stelle müssen die Mitarbeiter die Schutzmauer der Anonymität verlassen und kritische Punkte offen ansprechen. Gesellschaftliche Höflichkeitskonventionen und konkrete Ängste vor subtilen Repressalien provozieren in der „ Kommunikationsphase “ Verklausulierungen und Beschönigungen, die nur schwer dechiffrierbar sind (Comelli,  1997; Neuberger,  2000).

IV.  Gütekriterien


Durch MAB soll die Qualität eines Unternehmens bzw. sollen Arbeitsplätze und Tätigkeiten bewertet werden, was aber macht die Qualität einer MAB aus, wie sie in diesem Beitrag dargestellt wurde? In den Lehrbüchern der empirischen Sozialforschung bzw. der psychologischen Methodenlehre wird die Frage der Gütekriterien bezüglich einzelner Erhebungsinstrumente schon seit langem intensiv behandelt. Dabei hat sich die klassische Differenzierung zwischen der Validität und der Reliabilität von Messverfahren etabliert (Brandstätter,  1978; Lienert,  1989). Die Validität sagt etwas darüber aus, ob wirklich das gemessen wird, was vom Konstrukt her erfasst werden soll. Die Reliabilität bzw. Zuverlässigkeit weist darauf hin, ob ein Verfahren z.B. bei Wiederholungsmessungen stabil ist, d.h. bei gleichen Bedingungen auch zum gleichen Ergebnis führt.
Nun soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden, wie ernsthaft diese Kriterien tatsächlich im Forschungsalltag beherzigt werden. Im Zusammenhang mit MAB stellt sich analog die gleiche Frage: Welches sind die Gütekriterien für diese Art von Erhebungsinstrument?
Ein Blick in die einschlägige Literatur zeigt, dass in vielen Fällen offenbar reflexartig viele Autoren vor dem Hintergrund ihrer „ methodischen Sozialisierung “ die „ bewährten “ Kriterien, nämlich Validität und Reliabilität hervorheben, um auch MAB entsprechend zu bewerten. Ein solches Vorgehen scheint aus verschiedenen Gründen nicht unproblematisch zu sein (Bungard, /Jöns,  1997):
Die Validität spielt insofern nur eine eingeschränkte Rolle, da bei MAB z.B. explizit spezifische Sachverhalte direkt bewertet werden, insofern also keine abstrakten hypothetischen Konstrukte erfasst werden sollen.
Das Reliabilitätsproblem ist aus den gleichen Überlegungen auch nur begrenzt sinnvoll. Selbstverständlich sollten bei Wiederholungsmessungen möglichst identische Resultate erzielt werden, aber bei den üblicherweise gestellten Fragen ist dies in der Praxis kein Problem.
Die rigide Orientierung an dem Validitäts- bzw. Reliabilitätskriterium fördert im Übrigen die Tendenz, möglichst auf fertige und überprüfte, evaluierte Instrumente zurückzugreifen. Solche universellen Fragebögen werden aber den spezifische Anforderungen an eine MAB in einem konkreten Unternehmen nur selten gerecht.
Es wird also deutlich, dass die Zielsetzung von MAB mit den Intentionen bei Forschungsaktivitäten nur bedingt kompatibel ist. Von daher sollten weitere Gütekriterien herangezogen werden:
Ein sehr wichtiger Aspekt betrifft die Relevanz der Fragen für den Zweck der MAB. Eine MAB bemisst sich u.a. danach, inwiefern die zentralen Bewertungsdimensionen und betrieblichen Prozesse durch die Auswahl der Fragen abgebildet werden.
Aus der zentralen Zielsetzung einer MAB leitet sich ein weiteres Gütekriterium ab, nämlich das Veränderungspotential einer MAB durch die entsprechende Auswahl von Fragen. Der Fragebogen sollte Inhalte betreffen, die beeinflussbar, also veränderbar sind.
Der Erfolg einer MAB hängt letztlich entscheidend davon ab, dass das Instrument auch von allen Beteiligten akzeptiert wird. Die Akzeptanz von MAB wird damit zu einem zentralen Gütekriterium. Sie lässt sich u.a. an der Beteiligungsquote ablesen, wenn die Freiwilligkeit gewährleistet ist. Die Sicherung bzw. Erhöhung der Akzeptanz hängt von einer Fülle verschiedener Faktoren ab: Transparenz des gesamten Prozesses, Einbeziehung des Betriebsrats, Partizipation bei der Instrumentenentwicklung, Zusicherung der Publikation der Ergebnisse, Garantie des Top-Managements, dass Maßnahmen abgeleitet werden und der Erfolg evaluiert wird. Die Akzeptanz hängt letztendlich von den Vorerfahrungen der Betroffenen und der Glaubwürdigkeit der Durchführenden ab.

V. Fazit


Die Etablierung eines Mitarbeiterbefragungs-Konzepts beinhaltet eine nicht zu unterschätzende Gratwanderung. Die bisherigen Erfahrungen zeigen einerseits, dass eine Organisation ohne vorherige „ Feedback-Erfahrungen “ erst lernen muss, mit diesem Instrument umzugehen. Zentraler personalpolitischer Ansatzpunkt hierfür ist die Qualifizierung aller Führungskräfte für diese Aufgabe und zwar in Form einer „ top-down “ Strategie. Werden derartige Personal-Entwicklungs-Maßnahmen im wahrsten Sinne des Wortes eingespart, dann werden die Mitarbeiterbefragungs-Aktivitäten nicht in die vorhandene Organisationskultur hinein passen, der „ kommunikative Quantensprung “ findet nicht statt, die MAB wird unterlaufen und löst nicht weiter sanktionierte Gegenaktivitäten aus, und an deren Ende stehen die Gegner einer Mitarbeiterbefragung aufgrund des offensichtlichen Scheiterns dieser „ basisdemokratischen Umtriebe “ als Sieger da.
Der Schaden ist insgesamt größer, als wenn man keine MAB durchgeführt hätte. Es bleibt der fade Beigeschmack, als wäre die MAB bestenfalls eine Gelegenheit zum Dampfablassen gewesen. Die Obrigkeit gewährt huldvoll den gespielten Staatsstreich (Sprenger,  1997), um die Katharsisfunktion zur Wirkung kommen zu lassen.
Literatur:
Beimel, J. : Qualitative und quantitative Analysen von Fragebogenkommentaren zur Arbeitszufriedenheit, unveröff. Diplomarbeit, Universität Giessen 1990
Böhm, W. : Mitarbeiterbefragung – Juristische Rahmenbedingungen, in: Mitarbeiterbefragung. Ein Instrument des Innovations- und Qualitätsmanagements, hrsg. v. Bungard, W./Jöns, I., Weinheim 1997, S. 236 – 245
Borg, I. : Mitarbeiterbefragungen, in: Lehrbuch der Personalpsychologie, hrsg. v. Schuler, H., Göttingen 2001, S. 371 – 396
Borg, I. : Führungsinstrument Mitarbeiterbefragung, Göttingen 2003
Brandstätter, H. : Organisationsdiagnose, in: Organisationspsychologie, hrsg. v. Mayer, A., Stuttgart 1978, S. 43 – 71
Bungard, W. : Mitarbeiterbefragung als Feedbackinstrument im Rahmen eines systematischen Prozess-Controllings, in: Wirtschaftspsychologie, Jg. 7, Bd. 3, 2000, S. 4 – 15
Bungard, W./Jöns, I. : Mitarbeiterbefragung. Ein Instrument des Innovations- und Qualitätsmanagements, Weinheim 1997
Bungard, W./Jöns, I. : Der European Quality Award als Herausforderung für das Personalmanagement, in: Personalmanagement in Europa, hrsg. v. Regnet, E./Hoffmann, L. M., Göttingen 2000
Bungard, W./Kohnke, O. : Zielvereinbarungen erfolgreich umsetzen, Wiesbaden 2002
Comelli, G. : Mitarbeiterbefragungen und Organisationsentwicklungsprozesse, in: Mitarbeiterbefragung. Ein Instrument des Innovations- und Qualitätsmanagements, hrsg. v. Bungard, W./Jöns, I., Weinheim 1997
Conrad, P./Sydow, J. : Organisationsklima, Berlin 1984
Converse, J./Presser, S. : Survey questions: handcrafting the standardized questionnaire, Newbury Park, CA 1986
Cummings, T. G./Worley, C. G. : Organization Development and Change, Cincinnati 1997
Church, A./Waclawski, J. : Designing and using organizational surveys, Aldershot 1998
Domsch, M./Schneble, A. : Mitarbeiterbefragungen, Heidelberg 1991
EFQM, : Selbstbewertung 1996 – Richtlinien für Unternehmen, Brüssel 1996
Fies, N./Schmitt, V. : Mitarbeiterbefragungen – Ausgangsbasis für Benchmarking?, in: Mitarbeiterbefragungen. Ein Instrument des Innovations- und Qualitätsmanagements, hrsg. v. Bungard, W./Jöns, I., Weinheim 1997
Freimuth, J./Kiefer, B. : Geschäftsberichte von unten: Konzepte für Mitarbeiterbefragungen, Göttingen 1995
French, W. L./Bell, C. H. : Organisationsentwicklung: Sozialwissenschaftliche Strategien zur Organisationsveränderung, Bern 1990
Futrell, D. : Ten reasons why surveys fail, in: Quality Progress, April/1994, S. 65 – 69
Hofmann, K./Köhler, F./Steinhoff, V. : Vorgesetztenbeurteilung in der Praxis, Weinheim 1995
Horváth, P. : Das Balanced-Scorecard-Managementsystem, in: Die Unternehmung, H. 5/1995, S. 303 – 319
Jöns, I. : Organisationales Lernen aus selbstmoderierten Survey-feedback-Prozessen, Lengerich 2000
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Kaplan, R. S./Norton, D. P. : Balanced-Scorecard – Translating Strategy into Action, Boston 1996
Krasnik, J. A./Fabrigar, L. R. : Designing rating scales for effective measurement in surveys, in: Survey measurement and process quality, hrsg. v. Lyberg, L./Biemer, P./Collins, H. et al., New York 1997, S. 141 – 164
Kraut, A. : Organizational surveys. Tools for assessment and change, San Francisco 1996
Lienert, G. : Testaufbau und Testanalyse, München 1989
Morgan, D. L. : Successful focus groups: Advancing the state of art, Newbury Park 1993
Neuberger, O. : Das 360 Grad-Feedback, München 2000
Paul, K./Bracken, D. : Everything you always wanted to know about employee surveys, in: Training & Development, 1/1995, S. 45 – 49
Ridder, H./Bruns, H. : Zur Rolle von Führungskräften bei der Konzeption und Durchführung von Mitarbeiterbefragungen, in: Zeitschrift für Personalforschung, H. 1/2000, S. 28 – 51
Scherm, M. : 360-Grad-Beurteilungen. Diagnose und Entwicklung von Führungskompetenzen, Göttingen 2005
Schiemann, W. A. : Using employee surveys to increase organizational effectiveness, in: Applying psychology in business: The handbook for manager and human ressource professionals, hrsg. v. Jones, J. W./Steffy, B. D./Bray, D. W., Lexington 1991, S. 623 – 639
Schumann, H./Presser, S. : Questions and answers in attitude surveys. Experiments on question form, wording and context, 2. A., New York 1996
Sprenger, R. : Wie geht\'s?, in: Mitarbeiterbefragungen – Ein Instrument des Qualitäts- und Innovationsmanagements, hrsg. v. Bungard, W./Jöns, I., Weinheim 1997, S. 435 – 440
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Verbeck, A. : TQM vs. QM: Wie Unternehmen sich richtig entscheiden, Zürich 1998
Walsh, I./Weber, G. F. : Management Audit. Anforderungen und Profile im Zeitalter der schlanken Führung, Göttingen 1996
Warburg, W. : Modernes Personalmanagement als Chance für die Verwaltungsreform, in: Die Beurteilung vom Ritual zum Personalmanagement, hrsg. v. Reinermann, H./Uhland, H., Baden-Baden 1997, S. 35 – 45
Wiener, N. : Mensch und Menschmaschine, Frankfurt 1972

 

 


 

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