Programmpolitik
(in der Produktpolitik) befasst sich mit der
(1) Gestaltung der Programmbreite (Programmdiversifizierung als Verbreiterung des Programms bzw. Programmunifizierung als Einengung des Programms). Ersteres soll vor allem die Marktabdeckung verbessern und damit über mehr Kontaktchancen zu Nachfragern die Wahrscheinlichkeit der Umsatzerzielung mit diesen erhöhen, Letzteres soll vor allem durch eine bessere Konzentration auf das verbleibende Angebot und dessen höhere Übereinstimmung mit den Markterfordernissen die Umsatzchancen stärker steigern als es dem ausfallenden Umsatz der nicht mehr angebotenen Produkte entspricht.
(2) Gestaltung der Programmtiefe (Programmdifferenzierung als Ausweitung des Programms bzw. Programmstandardisierung als Abflachung des Programms). Inhalt der Programmbreite sind jeweils Produkte, z.B. nach verschiedenen Funktionen unterschieden. Inhalt der Programmtiefe (Produktlinie) sind hingegen Einzelartikel, d.h. die Anzahl verschiedenenartiger Ausprägungen eines Programmelements, z.B. nach Gestaltung einer Präsentation (z.B. Light, Luxus) oder einer Konsistenz (z.B. Geschmack, Ingredienzen). Das Programm kann aber nicht nur in Breite und Tiefe verändert, sondern auch bereinigt werden (= Programmbereinigung). Dies erfolgt durch
(3) Programmaustausch als Innovation und Elimination von Produkten (auch Einzelartikeln). Eine erhöhte Programmbreite/-tiefe ergibt sich, wenn mehr neue Produkte/Einzelartikel hinzukommen als bestehende wegfallen, eine verringerte Programmbreite/-tiefe, wenn mehr bestehende Produkte/Einzelartikel wegfallen als neue hinzukommen, eine gleich bleibende Programmbreite/-tiefe ergibt sich, wenn gleichviel neue Produkte/Einzelartikel hinzukommen wie bestehende wegfallen.
(4) Programmvariation als Ablösung bestehender durch nachfolgende Produkte. Das Programm kann auch unverändert bleiben (Programmkonstanz). Dies impliziert Aktivitäten zur stetigen Pflege der Produkte zur Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Dabei wird die bestehende Mischung des Programm-Portfeuilles als optimal angesehen, so dass jede Veränderung nur eine Verschlechterung der Situation bewirken könnte. Siehe auch Programmbreite, Programmdiversifizierung, Programmdifferenzierung, Programmtiefe, Programmunifizierung sowie Produktpolitik (mit Literaturangaben).
Als Marketing-Instrument und Teil des Marketing-Mix beinhaltet die Programmpolitik alle Entscheidungen, Realisierungen und Kontrollen in Bezug auf die Konzeption, Ausgestaltung und Veränderung des Absatzsortiments und/oder Produktionsprogramms, in dem ein Unternehmen die Produkte und deren Varianten zusammenfaßt, die es herstellen und/oder anbieten will und worüber es den Markt informiert. Im Handel spricht man von Sortimentspolitik. Mit der Programmpolitik verbunden sind immer zum einen grundlegende Orientierungen, zum zweiten eine Fülle verschiedenartigster Alternativen, zum dritten Zulässig- keits- und Optimalitätsfragen. Realisiert wird die Programmpolitik häufig durch Einzelentscheidungen über einzelne Varianten, Produkte oder Produktgruppen. Von der besonderen Bedeutung des Programms oder Sortiments als der Zusammenfassung einzelner Varianten, Produkte, Produktgruppen kann deshalb nur dort die Rede sein, wo entweder Produktinterdependenzen vorhanden sind oder besondere Wirkungen von der Tatsache ausgehen, dass ein Programm existiert (Programmwirkungen). Orientierungen Wenn Unternehmen Programme gestalten, so können dabei unreflektierte Wünsche ebenso beteiligt sein wie strategische Grundsätze, etwa grundlegende Paradigmen der Gesamtbetrachtung. Unreflektierte Wünsche von Unternehmen findet man in aphoristisch verkürzten Regeln wie den folgenden: Jeder möchte alles“; denn: „Vielfalt erfreut, varietas delectat“; und: „Wer verzichtet schon gern“; vielmehr: „Dabei sein ist alles“; und: „Nur nichts vergessen“; „Abschied tut weh“; und: „Was andere können, können wir auch“. Strategische Grundsätze werden etwa über herrschende Theorien hergeleitet. So führt die Interpretation der Erfahrungskurve zur These der Programmkonzentration, d. h. derBeschnei- dung des Programms auf Marktführerpro- dukte, und die Markowitz-Theorie der Risikokompensation zu breit diversifizierten Sortimenten (Diversifikation). Im Konflikt zwischen Innen- und Außenorientierung bestimmen die Unternehmen den Kern des Programms entweder aus der Technologiesicht oder aus Kunden- und Konkurrenzaspekten, z.B. Polyurethan oder technische Kunststoffe für die Kraftfahrzeugindustrie. Herbert Gross führte hier die Unterscheidung zwischen Problemtreue, Materialtreue und Wissenstreue ein. Solche Programmgrundsätze sind oft auch Basis zur Formulierung einer Corporate Identity. Entscheidungen und Alternativen Geht man zunächst von den Alternativen aus, so bietet die Programmpolitik eine große Vielfalt von Entscheidungssituationen, die in der Übersicht zusammengefaßt sind. Die Idee des monolithischen Markenartikels (Solitärmarke) ist von der Marketingseite her der Versuch, jedes Produkt so zu profilieren, dass es einen eigenständigen Platz einnimmt, so dass die Tatsache, dass von der Firma noch andere Produkte produziert und distribuiert werden, für den Kunden nicht von Bedeutung ist (Markenpolitik). Solche Firmen haben dann zwar ein Produktionsprogramm, aber kein Absatzprogramm. Dieser Weg ist der klassische Weg der Marketingorientierung. Neben der Stärkung durch die psychologische Theorie der Profilierung wird für eine solche Strategie häufig auch die Chance einer schnelleren Globalisierung einer solchen Marke als Begründung herangezogen, jedenfalls von der Mehrzahl der angelsächsischen Markenartikelfirmen, die weitgehend einer solchen Strategie folgen. Coca-Cola war z. B. in den Augen der Verbraucher bis zu seinem 100. Jahre ein solcher monolithischer Markenartikel. Die Coca-Cola-Company hat dann in einer der interessantesten Geschichten des Marketings aus Coca-Cola eine Megabrand gemacht, unter deren Dach (Konzept der Dachmarke) es in den USA nun Coca-Cola, Cola-Classic, Cola-Diet, Cola- Cherry und Cola-Orange gibt. Über die Breite des Sortiments versuchen sich insb. Handelsunternehmen zu profilieren, da das Sortiment bei ihnen gewissermaßen an die Stelle des Produktes tritt (Sortimentspolitik). Dabei werden ganz unterschiedliche Wege gegangen: Aldi führt nur etwa 400 Artikel, der Kaufhof bietet alles unter einem Dach. Gleiches gilt auch für die Sortimentstiefe. Sportläden führen auch Golfartikel, haben aber gegenüber speziellen Golfshops ein eher flaches Sortiment. Der Profilierungsthese entgegen steht die These des Imagetransfers als einer speziellen Programm wirkung. Wenn gute Erfahrungen mit einem Produkt sich auf ein anderes übertragen lassen, dann ist es sinnvoll, diese Wirkungen zu nutzen, entweder vom Gesamtunternehmen auf alle Produkte, wie z.B. im Hause Oetker, was weniger gelingt, oder von erfolgreichen Produkten auf das Unternehmen und von dort auf ein anderes Produkt, wie z. B. Persil aus dem Hause Henkel, und Pritt aus dem Hause Henkel. Imagetransfer kann nur von der Marktseite kommen. Produkte können aber auch aus gleichen Rohstoffen resultieren oder auf gleichen Anlagen hergestellt werden. Dann er- gibt sich die Frage der Außen- und Innenorientierung. Sie spielt sowohl beim Produktkern eine Rolle wie bei dem Grad der erforderlichen Variantenvielfalt (Produktdifferenzierung), die im Produktionsbereich durch Komponenten und Baugruppen über Vielfaltsreduktion Kostensenkung bewirkt und über Differenzierung der käuferrelevanten Eigenschaften Eingehen auf Kundenwünsche erlaubt, nach der Regel: So viel Differenzierung wie nötig, soviel Standardisierung wie möglich. Sie spielt auch eine Rolle bei der Frage, ob man alles selber produzieren muß, wie es etwa das „made in Germany “ nahelegt, oder nur für die Qualität des Gelieferten einstehen muß: „By Ford“. Zulässigkeit und Optimalität Beschränkungen der Programmpolitik resultieren aus den vielfältigsten Quellen. Auch hier können sowohl interne wie externe Ursachen eine Rolle spielen. Neben den grundsätzlichen Beschränkungen, die aus verbundener Nachfrage, verbundener Produktion und verbundener Finanzierung resultieren, werden häufig bisherige Erfolge und Gepflogenheiten als Begrenzungen angeführt. So werden Erweiterungen des Produktionsprogramms oft unterlassen, wenn sie den Eintritt in eine weitere Wirtschaftsstufe bedeuten, weil man damit den bisherigen Kunden Konkurrenz machen würde. In den meisten Fällen hat sich eine solche Selbstbeschränkung als wenig sinnvoll erwiesen, weil in solchen Fällen dann häufig Konkurrenten diesen Weg gegangen sind und man dadurch die eigenen Kunden verlor, weil diese verloren. Eine sinnvolle Begrenzung der Programmpolitik sollte dagegen in der Tatsache bereits besetzter Segmente gesehen werden, weil man sonst Gefahr läuft, über das „me too“ einen Flop zu landen. Finanzielle Begrenzungen stellen bei guten Ideen i. a. keine wirklichen Schranken dar. Die Kriterien der Optimalität sind keine anderen als bei sonstigen ökonomischen Entscheidungen, nämlich Maße der Rentabilität und des Risikos, deren unterschiedliche Interpretation von Datenstruktur, Planungshorizont und Struktur des Entscheidungsproblems abhängt, und deren Reichweite von gegebenen Konkurrenzstrukturen bis zu deren Veränderung, bis zur Marktführerschaft, ja bis zur Errichtung von Eintrittsbarrieren reicht. Besondere Probleme bereiten dabei nur die Fragen der dynamischen Veränderungen. Sie werden unter dem Stichwort Programmvariationen behandelt.
Literatur: Brockhoff, K., Produktpolitik, 2. Aufl., Stuttgart, New York 1988. Kilger, W., Optimale Produktions- und Absatzplanung, Opladen 1973. Nieschlag, R.; Dichtl, E.; Hörschgen, H., Marketing, 15. Aufl., Berlin 1988.
|