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Bildungsökonomik


1. Definition. Als B. wird jene Teildisziplin der Wirtschaftswissenschaften bezeichnet, die sich mit den speziellen allokations- (Allokation) und distributionstheoretischen Problemen des Bildungssektors, den volkswirtschaftlichen Fragen der staatlichen Bildungspolitik und den einzelwirtschaftlichen Problemen der Bildungsbetriebe und der Bildungsnachfrage (Haushalte) befaßt. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wieviel knappe Ressourcen für Bildungs- und Ausbildungszwecke wann, wo und wie zur Verfügung gestellt werden müssen, um den wirtschaftlichen und kulturellen Wohlstand eines Landes bestmöglich zu mehren.
2. Entstehung. Die Ursprünge der B. gehen auf die Klassiker der politischen Ökonomie (besonders A. Smith, J. St. Mill) zurück, die sich erstmals grundlegenden volkswirtschaftlichen Fragen des Bildungswesens zugewandt haben. Erst in den fünfziger Jahren gewann die B. als eigenständige Disziplin an Bedeutung. Sie entfaltete sich unter dem Einfluß der vorherrschenden nationalökonomischen Schulen in eine neoklassische und keynesianische Variante. Entsprechend standen die individuelle Humankapitalbildung (Arbeitskapital) (Ertragsratenansatz) und der makroökonomische (Makroökonomik) Zusammenhang zwischen Bildungsinvestitionen und wirtschaftlichem Wachstum (Wachstumstheorie) im Vordergrund der Analyse. Die ordnungstheoretischen Aspekte der Klassiker wurden dabei vernachlässigt.
3. Preisbildung. Ein zentrales allokationstheoretisches Problem der B. ist es, ob die Preisbildung auf Bildungsmärkten hinreichend gut funktioniert, um die knappen Ressourcen über den Markt statt staatlich-administrativ zu allozieren. Gegen eine freie marktliche Preisbildung wird eingewendet, daß positive externe Effekte (öffentliche Güter ; Gut) der Bildungsgüter sowie natürliche und räumliche Monopolsituationen der Bildungsbetriebe (Schulen, Hochschulen, Ausbildungsstätten) die Effizienz dieses Allokationsverfahrens erheblich beeinträchtigen. Würden sich die Preise (Schul-, Unterrichts-, Studien-, Lehrgeld) für Bildungsgüter frei bilden, käme es bei Existenz positiver externer Effekte zu einer suboptimalen Nachfrage (Unterversorgung) nach Bildungsgütern, da der einzelne Nachfrager sich nicht alle Nutzenbestandteile dieser Güter aneignen könne und er nur bereit sei, soviel für diese Güter zu zahlen, wie ihm selbst an (erwartetem) Nutzen aus ihnen zukomme. Bisher ist es nicht gelungen, die Existenz externer Effekte von Bildungsgütern nachzuweisen, um die marktliche Preisbildung als Allokationsverfahren und eine entsprechende Verfassung des Bildungssystems gegenüber einem politisch-administrativen System als ineffizient zurückzuweisen. Vielmehr ist die Frage der externen Effekte der Bildungsgüter häufig mit den Schwierigkeiten der Finanzierung der Bildungsnachfrage vermengt worden, die wg. der individuellen Eigentumsrechte am erworbenen geistigen Kapital (es kann nicht wie Sachkapital als bankübliche Sicherheit dienen) bei der Beleihung und Kreditfinanzierung über den Markt Probleme bereitet. Aus den Schwächen einer Finanzierung von Bildungsinvestitionen über den Markt lassen sich aber keine Interventionen des Staates auf dem Bildungsmarkt ableiten. Die These vom natürlichen Monopol (langfristig fallende Durchschnittskosten; Kosten) der Bildungsbetriebe gilt inzwischen als widerlegt, wogegen räumliche Monopole und monopolistische Spielräume (etwa in ländlichen Regionen) zu Ineffizienzen führen können.
4. Dispositionsrechte der Bildungsproduzenten und -nachfrager . Eine bisher wenig untersuchte Frage lautet, wie die Entscheidungsbefugnisse im Bildungssystem in ökonomischen und bildungsinhaltlichen Fragen zu regeln sind, um eine bestmögliche Versorgung mit Bildungsgütern zu erreichen. Soll eine solche Abstimmung freiwillig und spontan ohne staatliche Intervention erfolgen oder hat der Staat hier Funktionen zu übernehmen, die über den Markt als ein sich selbst regulierendes System nicht oder nicht wirtschaftlich gelöst werden können? Besonders gehen die Meinungen darüber auseinander, wie weit informationsökonomische Gesichtspunkte (Informationsökonomik) es angezeigt erscheinen lassen, die Nachfragesouveränität einzuschränken, weil die Präferenzen (Haushaltstheorie) der Bildungsnachfrager teilweise verzerrt (schichtspezifisches Desinteresse) und die Informationskosten hoch sind. Die Befürworter dieses Standpunktes müssen sich aber entgegenhalten lassen, daß gerade die staatliche Bildungsplanung und -produktion an Informationsproblemen scheitert, die denen der Zentralverwaltungswirtschaft ähnlich sind. Spezielle Schwierigkeiten bereitet die Frage, wie bei Minderjährigen zu verfahren ist, die als Nachfrager nach Bildungsgütern eine besondere Rolle spielen, auf die aber das Prinzip der Vertragsfreiheit nicht angewendet werden kann. Dieses Agentenproblem (Problem der Vertretungsbefugnis durch Eltern oder Staat) ist bisher von der B. wenig untersucht worden. In dem Zusammenhang ist auch die Frage von Bedeutung, wie sich der Minderjährigenschutz vor Bildungsmangel und Unwissenheit relativ effizient organisieren läßt und welche volkswirtschaftlichen und privaten Kosten und Nutzen mit der Schulpflicht, die diesem Zweck dient, verbunden sind. Ihre Wirkungen auf das Kosten- und Leistungsverhalten der Bildungsproduzenten und -nachfrager ist bisher wenig untersucht worden. Durch den Einfluß der neueren institutionellen Ökonomie wendet sich die B. auch Fragen zu, wie bestimmte Entscheidungsrechte der Eltern (Schulwahlfreiheit, Mitwirkungsrechte), der Studenten (Freizügigkeit des Studiums), der Lehrer und Professoren (freie Wahl der Wirkungsstätte, pädagogische Freiheit, Wissenschaftsfreiheit), der Schulen und Hochschulen (Schüler-, Studenten-, Lehrerwahlfreiheit, wirtschaftliche und bildungsinhaltliche Handlungsspielräume) die Effizienz des Bildungssystems beeinflussen.
5. Bildungsplanung. Die Bildungsplanung versucht i.Ggs. zu marktlich orientierten Ansätzen der B. ohne theoretische Grundlagen durch Vorausschätzungen des quantitativen und qualitativen Bedarfs der Wirtschaft und des Staates an Arbeitskräften (Manpower-Ansatz) oder durch Vorausschätzung der Nachfrage von Eltern (für ihre Kinder) und anderen Nachfragern nach Bildungsplätzen (social demand) die Bildungs- und Ausbildungskapazitäten zu ermitteln und eine Grundlage für die staatliche Bildungspolitik zu schaffen. Beim Manpower-Bedarfsansatz wird eine bestimmte Wachstumsrate des Sozialprodukts , gegliedert nach Wirtschaftsbereichen, unterstellt und eine sektorale Prognose der Arbeitsproduktivitäten und der zukünftigen Berufsstrukturen einschließlich der Ausbildungsvoraussetzungen vorgenommen. Ziel der beiden Ansätze, die miteinander kombiniert werden können, ist es, Bildungssystem, Arbeits - und Gütermarkt in einen umfassenden Rechnungszusammenhang zu stellen. Die Bildungsplanung scheitert jedoch als rationale Grundlage der staatlichen Bildungspolitik (zentrale Planung) an dem mangelnden theoretischen Fundament und der wissenschaftlichen Unmöglichkeit der Vorhersage zukünftiger historischer Zustände von Volkswirtschaften. Für die Durchsetzung der Planungsdaten fehlen außerdem in einer freiheitlichen Gesellschaft und Marktwirtschaft die notwendigen politischen Rahmenbedingungen.
6. Bildungsfinanzierung. Die Bildungsfinanzierung umfaßt nicht nur die Finanzierung der institutionellen Kosten (Kosten der Bildungsbetriebe), sondern auch der Lebenshaltungskosten während der Bildung- und Ausbildungsphase. Die zentrale Frage lautet hier: Wie läßt sich die Finanzierung der volkswirtschaftlich richtigen Größenordnung und Art von Bildung bestmöglich gewährleisten? Gegenstand der Untersuchung sind alternative Formen der Schul-, Hochschul- und Berufsaus- und Weiterbildungsfinanzierung, also Möglichkeiten der Eigenfinanzierung (u.a. Ausbildungsversicherung, Bildungssparen, einzelbetriebliche Finanzierung), der Fremdfinanzierung (staatliche, private Darlehensfinanzierung, Stipendien privater Stiftungen, Stipendien aus Arbeitsverhältnissen, Umlagenfinanzierung) und der Steuerfinanzierung (direkte staatliche Finanzierung der Bildungsbetriebe, sei es diskretionär oder nach Kennziffern, Fondsfinanzierung; Finanzierung der Bildungsnachfrage durch Bildungsgeld, Abzug der Bildungsausgaben von der Einkommensteuer und/od. vom zu versteuernden Einkommen ,  Bildungsgutscheine , staatliche Stipendien, Gebührenerlaß, Zinssubventionen (Subventionen) und Bildungssparprämien). Auch die Frage der Versicherbarkeit von Bildungsfinanzierungsrisiken spielt dabei eine Rolle.

Literatur: M. Blaug, An Introduction to the Economics of Education. London 1970. U. v. Lith, Der Markt als Ordnungsprinzip des Bildungsbereichs  Verfügungsrechte, ökonomische Effizienz und die Finanzierung schulischer und akademischer Bildung. München 1985. A. Smith, Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen. Aus dem Engl. v. H. C. Recktenwald. München 1975, 645ff.

 

 


 

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