Faktorangebot des Haushalts
1. Die mikroökonomische Theorie des Haushalts (Mikroökonomik , Haushalt ,
1.) gliedert sich in die Nachfragetheorie und in die Theorie des F. Erstere erklärt die Güternachfrage und gibt die Bedingungen nutzenmaximaler Einkommensaufteilung auf Güter für exogen (exogene Variable) determiniertes Einkommen bei gegebenen anderen Argumentvariablen an (Haushaltsgleichgewicht). Die Theorie des F. erklärt das Faktorangebot in Abhängigkeit von Faktorpreisen (l), Faktorausstattung (FA), Präferenzstruktur (u) und formuliert die Bedingungen für einkommensoptimale Aufteilung der FA bei gegebenen Variablen
. Demzufolge ist das Einkommen (y) i. Ggs. zur Nachfragetheorie endogene Variable . Da Haushalte Arbeit und Kapital anbieten, umfaßt die Theorie des Faktorangebot des Haushalts die Theorie des Arbeitsangebots und die Theorie des Kapitalangebots. Erstere - auf die sich nachfolgende Darstellung konzentriert - kann mit statischen Modellen (statische Analyse, Modell) hinreichend erklären, letztere bedarf dynamischer Analyse . Das gesamtwirtschaftliche Faktorangebot wird in der Makroökonomik analysiert, u. zw. in der Konjunkturtheorie , Wachstumstheorie und für Arbeit neuerdings auch in der Bevölkerungstheorie .
2. Theorie des Arbeitsangebots. Als Arbeitsangebot (LS) werden von Haushalten angebotene Arbeitsleistungen mit der Absicht der Einkommenserzielung definiert, wobei zwischen mengenmäßigem (Arbeitszeit: tL) und qualitativem (Arbeitsart) Angebot (LA) unterschieden wird. Das individuelle mengenmäßige Angebot wird als Entscheidung des Haushalts über sein Zeitbudget = 24 Stunden pro Tag (t24) in Arbeitszeit und Konsumzeit (tC) aufgefaßt und i.d.R. mit Hilfe der Indifferenzkurvenanalyse erklärt. Da Arbeitszeit Arbeitseinkommen (yL) stiftet, besteht zwischen diesem und der Konsumzeit eine Substitutionsbeziehung, die durch die Indifferenzkurven (I0, I1 in Figur 1) dargestellt wird. Die Nutzenfunktion (Nutzenindexfunktion) lautet: U = f(yL, tC) Für ein Arbeitsangebot (auf der Abszisse von rechts abgetragen) von t24 erzielt der Haushalt bei gegebenem Lohnsatz
das Einkommen:
Bei vollständiger Inanspruchnahme der Gesamtzeit als Konsumzeit (vom Ursprung aus abgetragen) wäre das Einkommen Null, so daß sich die Bilanzgerade Bo als geometrischer Ort aller realisierbaren Kombinationen von yL und tC für
,
ergibt.
ist das Angebotsgleichgewicht (Gleichgewicht) des Haushalts. Hier ist die Bilanzgerade Bo mit Steigung
Tangente an die Indifferenzkurve I0, deren Steigung durch die Grenzrate der Substitution von Arbeitseinkommen und Konsumzeit
bestimmt ist, so daß für
gilt:
mit Einkommen
und Konsumzeit
sowie dem Arbeitsangebot
.
Figur 1:Haushaltsgleichgewicht bezüglich Arbeitseinkommen (yL) und Konsumzeit (tC) Eine Änderung des Lohnsatzes, z.B. Erhöhung auf
,ruft eine Drehung der Bilanzgeraden zur B1 sowie Änderung des Haushaltsgleichgewichts zu
hervor sowie Zunahme des Arbeitsangebots auf
. Aufgrund der Lohnsatzerhöhung ist die Arbeitseinheit wertvoller.
in Figur 2 ist die Arbeitsangebotskurve und zeigt die lohnsatzabhängige Reaktion des Haushalts.
Figur 2:Arbeitsangebotsfunktion (LS) in Abhängigkeit vom Lohnsatz (lL) Die Wirkung der Lohnsatzerhöhung auf die Verteilung von t24 zerfällt in einen Substitutionseffekt (SE) und einen Einkommenseffekt (EE). Der SE ist für das Arbeitseinkommen positiv (SEYL in Figur 2), für die Konsumzeit negativ (
) , da jetzt eine Stunde Konsumzeit im Verhältnis zum entgangenen Einkommen teurer geworden ist. Der EE ist sowohl für Arbeitseinkommen (
), wie für Konsumzeit (
) positiv. Das Ergebnis
tritt nur dann ein, wenn Arbeitseinkommen und Konsumzeit in der Einschätzung des Haushalts superiore Güter (Gut) sind und der negative SE für Konsumzeit größer ist als der positive EE. Kompensieren sich beide Effekte für Konsumzeit, ergibt sich in Figur 2 die Angebotskurve
. Ist der EE größer, wird das Arbeitsangebot mit steigendem Lohnsatz sinken
. Für die Konsumzeit als inferiores Gut (Gut) sind EE und SE gleichgerichtet, d.h. sie sinkt und das Arbeitsangebot steigt. Resultat dieser Überlegungen ist: über den Verlauf der Arbeitsangebotskurve LS läßt sich Allgemeingültiges nicht sagen. Bezieht der Haushalt neben Arbeitseinkommen auch Kapitaleinkommen (yK), verschiebt sich die Bilanzgerade parallel nach rechts mit folgendem Ergebnis:
1. steigende Konsumzeit, sofern diese ein superiores Gut ist;
2. daraus folgt sinkendes Arbeitsangebot und abnehmendes Arbeitseinkommen;
3. i.d.R. steigendes Gesamteinkommen (y = YL + YK), da Kapitaleinkommen die Abnahme des Arbeitseinkommens überkompensieren wird. Gesamtwirtschaftlich wird das Arbeitsangebot in Volkswirtschaften (Wirtschaft) mit niedrigem Lebensstandard bei steigendem Lohnsatz (ab
in Figur 3) zunehmen, weil Konsumzeit ein inferiores Gut ist, und ab einem relativ hohen Niveau
stagnieren und danach abnehmen. Für entwickelte Volkswirtschaften kann aufgrund empirischer Untersuchungen, mehr aber aufgrund plausibel erscheinender Überlegungen die Angebotskurve in Figur 4 gelten. Sie ist wie folgt zu interpretieren: sinkt der Lohnsatz unter
, wird der Haushalt zur Sicherung seiner Existenz mehr Arbeitszeit anbieten, aber nur eine Arbeitszeit bis
, da er die Mindesterholungszeit zur Erhaltung seiner Arbeitskraft nicht unterschreiten kann.
Figur 3:Arbeitsangebotskurve einer Volkswirtschaft mit niedrigem Entwicklungsstand
Figur 4
determiniert sein Mindesteinkommen zur Existenzsicherung. Steigt der Lohnsatz auf
, wird der Haushalt mehr Konsumzeit einem höheren Einkommen vorziehen. Ab irgendeinem relativ hohen Lohnsatz, z.B.
, steht nicht mehr die Erhaltung des aktuellen Lebensstandards, sondern die Erreichung eines höheren im Vordergrund. Der Haushalt wird bis zu einer Sättigungsgrenze
mehr anbieten, danach wieder weniger. Das Angebot von Arbeitsarten wird in derselben Weise mit der Indifferenzkurvenanalyse erklärt.
3. Empirische Relevanz der mikroökonomischen Theorie des F. Die häufig kritisierte Unterstellung freier Entscheidung des Haushalts über sein Arbeitszeitangebot ist angesichts zunehmender Flexibilisierung der Arbeitszeit, wachsender rechtlicher Ansprüche auf Freistellung, Abweichung geleisteter von der Standardarbeitszeit, Verringerung tariflicher Arbeitszeit aufgrund größer gewordenen Einflusses der Arbeitnehmer in den letzten Jahrzehnten u.a. nicht gravierend. Problematisch ist aber die erforderliche Stabilität der Nutzenfunktion gegenüber Veränderungen der Arbeitszeit sowie die unbefriedigende Datenlage für den einzelnen Haushalt. Empirische Analysen legen ein hohes lohnelastisches (Elastizitäten) Angebot von Frauen, aber unelastisches Angebot von Männern, für sie auch bezüglich des Kapitaleinkommens, nahe. Für das Arbeitsangebot von Frauen ist ein starker negativer EE ermittelt worden. Dies deutet darauf hin, daß Frauen bei verbesserter häuslicher Einkommenssituation ihre Erwerbstätigkeit zurücknehmen. Die Arbeitszeitverkürzung in den letzten Jahrzehnten spricht für eine weitgehend negativ geneigte Angebotskurve (
in Figur 2 oder in Figur 4 Kurventeil zwischen
und
).
4. Totales Arbeitsangebot. Es wird von folgenden Größen bestimmt: Wohnbevölkerung, Erwerbsquote , Arbeitszeitpotential , Lohnsatz, nichtmonetäres Einkommen auf dem Arbeitsmarkt , Mobilität, Struktur der Arbeitsqualitäten.Traditionelle Theorien des F. wurden von T. R. Malthus, F. Lassalle (ehernes Lohngesetz), A. Marshall und K. Marx (Verelendungshypothese , Freisetzungseffekt , Marxistische Wachstumstheorie) aufgestellt. Die von Malthus vertretene Auffassung, das Arbeitsangebot ist für Empfänger niedriger Einkommen lohnsatzabhängig, ist vielfach bestätigt, so für Deutschland in der Phase vorindustrieller Entwicklung wie auch für Entwicklungsländer. Mit steigendem Pro-Kopf-Einkommen wird diese Beziehung lockerer.
5. In der Theorie des Kapitalangebots wird die Einkommenserzielung des (der) Haushalts(e) durch Angebot von Humankapital , Geldkapital , sofern gespart wurde, und Sachkapital einschließlich Boden erklärt. In weiterentwickelten Ansätzen werden die Beziehungen zwischen Arbeitsangebot einerseits und dem Angebot von Humankapital bzw. Geldkapital andererseits aufgegriffen.
Literatur: M. R. Killingsworth, Labor Supply. Cambridge/London 1983. H. Luckenbach, Theorie des Haushalts. Göttingen 1975. M. Neumann, Theoretische Volkswirtschaftslehre II. Produktion, Nachfrage und Allokation.
3. A., München 1991. A. Woll, Allgemeine Volkswirtschaftslehre. 11. A., München 1993.
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