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Landwirtschaftliche Betriebe


Inhaltsübersicht
I. Kennzeichnung, Abgrenzung, Besonderheiten
II. Systematik landwirtschaftlicher Betriebe
III. Volkswirtschaftliche Bedeutung der deutschen Landwirtschaft
IV. Europas Agrarpolitik

I. Kennzeichnung, Abgrenzung, Besonderheiten


Landwirtschaft umfasst im weitesten Sinne des Wortes jegliche wirtschaftliche Tätigkeit, die auf die Gewinnung organischer Stoffe aus dem Wachstum der Pflanzen und auf deren biologische oder technische Transformation in höherwertige Güter gerichtet ist. Im engeren Sinne umfasst der Begriff „ Landwirtschaft “ nur den Land- und Gartenbau sowie die Viehhaltung, ergänzt um die speziellen Sondergebiete wie z.B. Fisch- und Teichwirtschaft (Reisch, Erwin 1993). Hinzu kommen in neuerer Zeit mit zunehmender Bedeutung auch Aufgaben der Landschaftspflege sowie die Erzeugung nachwachsender Rohstoffe und erneuerbarer Energien.
Mit den betriebswirtschaftlichen Fragen der Landwirtschaft befassen sich die Agrarwissenschaften im Rahmen der landwirtschaftlichen Betriebslehre, bezogen auf den Einzelbetrieb. Nach vorherrschender Lehrmeinung ist sie zugleich Objekt- und Wirtschaftslehre (Reisch, Erwin 1993). Im Laufe der Entwicklung hat sie sich von einer beschreibenden und systematisierenden Erfahrungswissenschaft (Andreae, Bernd 1964) zu einer entscheidungsorientierten Wirtschaftswissenschaft gewandelt (Reisch, Erwin/Zeddies, Jürgen 1992; Steinhauser, Hugo/Langbehn, Cay/Peters, Uwe 1992; Steffen, Günther/Born, Dietrich 1987; Kuhlmann, Friedrich 2003; Odening, Martin/Bokelmann, Wolfgang 2001).

II. Systematik landwirtschaftlicher Betriebe


Die systematische Gruppierung und Kennzeichnung landwirtschaftlicher Betriebe erfolgt nach den Kriterien Betriebsgröße (Faktorausstattung), Betriebsform (Produktionsprogramm), sozialökonomische Situation und Rechtsform.

1. Betriebsgröße


Die Größe eines Landwirtschaftsbetriebes wird meist mit seiner landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF) angegeben. Große Unterschiede bestehen dabei zwischen den alten und den neuen Bundesländern. So bewirtschaften die Betriebe der neuen Bundesländer (Betriebe größer 2 ha) im Jahr 2003 durchschnittlich etwa 200 ha LF, wobei hier anzumerken ist, dass die Betriebsgröße im Jahr 1991 noch bei ca. 350 ha lag. Diese Entwicklung ist auf die Auflösung ehemaliger landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften zurückzuführen. Demgegenüber liegt die Flächenausstattung in den alten Bundesländern im Jahr 2003 bei etwa 32 ha LF, wobei hier eine Zunahme der Fläche pro Betrieb zu beobachten ist. Im Deutschland ist seit Jahren ein Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe (Strukturwandel) festzustellen. So verringerte sich von 1991 bis 2003 die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe von ca. 541.000 auf 388.000 (Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft 2005a). Eine wichtige Ursache hierfür stellt die Nutzung des technischen Fortschritts dar. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche eines Betriebes gibt zwar wichtige Anhaltspunkte über die verfügbaren Produktionsgrundlagen. Nicht erfasst wird hierbei die z.T. sehr unterschiedliche Ausstattung mit Arbeitskräften (AK) und Besatzvermögen. Diesen Mängeln begegnet die sog. wirtschaftliche Betriebsgröße, sie wird in einer gemeinschaftlichen Maßeinheit, der Europäischen Größeneinheit (EGE), angegeben. Eine EGE entspricht einem Standarddeckungsbeitrag (SDB) von 1.200 Euro. Der SDB je Flächen- oder Tiereinheit entspricht der geldlichen Bruttoleistung abzüglich der entsprechenden variablen Spezialkosten (Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft 2005b).

2. Betriebsform (betriebswirtschaftliche Ausrichtung)


Die Betriebsform eines landwirtschaftlichen Betriebes wird durch den relativen Beitrag der verschiedenen Produktionszweige des Betriebes zum gesamtbetrieblichen SDB gekennzeichnet (Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft 2005b). Für die Buchführungsergebnisse der Testbetriebe wird in Deutschland seit dem Wirtschaftsjahr 2001/2002 das EU-weite Betriebsklassifizierungssystem verwendet. Wichtigstes Kriterium zur Eingruppierung der Betriebe ist der Anteil des SDB. Ein Spezialbetrieb liegt dann vor, wenn der Anteil eines der folgenden Hauptproduktionsverfahren mehr als zwei Drittel des gesamten SDB umfasst: Ackerbau, Gartenbau, Dauerkulturen, Futterbau (z.B. Milch- und Rindfleischproduktion) und Veredlung (Schweine- und Geflügelproduktion). Die nicht spezialisierten Betriebe werden als Gemischtbetriebe bezeichnet. Hier liegt der Anteil einzelner Zweige am gesamten SDB des Betriebes bei weniger als zwei Drittel.

3. Sozialökonomische Klassifikation


Die Verflechtung des Betriebs- und Haushaltsbereichs über die Faktoren Arbeit und Kapital findet in der Systematik nach sozialökonomischen Kriterien ihren Niederschlag (Reisch, Erwin 1993). Hierbei werden innerhalb der Einzelunternehmen und Personengesellschaften die Haupt- und Nebenerwerbsbetriebe unterschieden. Ein Haupterwerbsbetrieb liegt vor, wenn die wirtschaftliche Betriebsgröße mindestens 16 EGE beträgt (entspricht 19.200 Euro SDB) und mindestens 1,0 AK im Betrieb vorhanden ist. Als Klein- und Nebenerwerbsbetriebe werden alle anderen Betriebe mit mindestens 8 EGE (entspricht 9.600 Euro SDB) und weniger als 16 EGE oder mit weniger als 1,0 AK klassifiziert. Im Jahr 2003 wurden rund 58% der landwirtschaftlichen Betriebe im Nebenerwerb bewirtschaftet (Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft 2005b).

4. Rechtsform


Die landwirtschaftlichen Betriebe werden nach ihrer Rechtsform in Einzelunternehmen, Personengesellschaften und juristische Personen untergliedert. In den alten Bundesländern dominiert das Einzelunternehmen, in den neuen Bundesländern finden sich zu einem Großteil Personengesellschaften und juristische Personen (Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft 2005b).

III. Volkswirtschaftliche Bedeutung der deutschen Landwirtschaft


Der Produktionswert zu Erzeugerpreisen der deutschen Landwirtschaft beläuft sich auf ca. 40 Milliarden Euro, die Bruttowertschöpfung auf rund 17 Milliarden Euro. Der Anteil an der gesamten Bruttowertschöpfung liegt bei 1,2%, der Anteil der Erwerbstätigen beträgt 2,4% (Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft 2005b). Die Landwirtschaft ist essenzieller Bestandteil des Agribusiness. Der Produktionswert des gesamten Agribusiness beläuft sich auf rund 550 Milliarden Euro, davon ca. 50 Milliarden im vorgelagerten Bereich und ca. 450 Milliarden im nachgelagerten Bereich. Der Anteil des Agribusiness am gesamten Produktionswert beläuft sich auf ca. 15%. Mit nahezu 130 Milliarden Euro erwirtschaftet das inländische Agribusiness rund 7% der Bruttowertschöpfung. Die Zahl der im Agribusiness beschäftigten Personen beläuft sich auf etwa 4,3 Millionen bzw. ca. 11% (Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft 2005a).
Neben den monetären Größen ist auf die volkswirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft im Hinblick auf Erhaltung und Pflege der Kulturlandschaft zu verweisen. Diese positiven externen Effekte sind ein Koppelprodukt der Landwirtschaft. Außer den positiven externen Effekten verursacht die Landwirtschaft auch negative externe Effekte (z.B. Eutrophierung der Gewässer durch Nährstoffe). Ziel der Umweltpolitik wird es sein, dass diese internalisiert werden. Ansatzweise erfolgt das durch die 2005 eingeführten Cross-Compliance-Auflagen.

IV. Europas Agrarpolitik


1. Ursprünge der Agrarpolitik


Die Erfindung der Eisenbahn hat im 19. Jahrhundert die wirtschaftliche Transportentfernung deutlich verringert. Dadurch war es beispielsweise möglich, Getreide von entfernt liegenden Ländern (z.B. aus der Ukraine) bis nach Mitteleuropa zu transportieren und hier unter dem Preis des einheimischen Getreides anzubieten. Die Erkenntnisse eines David Ricardo, David (1772 – 1823) über die komparativen Kostenvorteile des Außenhandels lagen zu dieser Zeit zwar vor, dennoch fiel die Entscheidung in den einzelnen Ländern unterschiedlich aus. England, die Niederlande und Dänemark verzichteten auf Importschutz für Getreide. In Deutschland entschied man sich 1879 zu Gunsten der Landwirte mit Getreideproduktion für die Einführung von Getreidezöllen.

2. Grenzen der protektionistischen Agrarpolitik


Das maßgebliche agrarpolitische Instrument war zunächst der Außenschutz (z.B. durch Zölle). Sehr viel später (in den 1950er-Jahren) kamen in Deutschland und verstärkt nach der Einführung der gemeinsamen Agrarpolitik in der EU folgende Maßnahmen hinzu:

-

staatliche Intervention,

-

Exporterstattungen,

-

Mengenbegrenzungen (z.B. bei Milch) und

-

Verwendungsauflagen.


Solange der Selbstversorgungsgrad unter 100% lag, konnten bei niedrigeren Weltmarktpreisen durch Importzölle nicht unerhebliche Staatseinnahmen verbucht werden. Bei Überschreiten der vollen Selbstversorgung führen staatliche Stützungskäufe zu Konflikten mit den Handelspartnern und Steuerzahlern. Trotz umfangreicher staatlicher Stützungsmaßnahmen wuchs in den 1970er-Jahren die Unzufriedenheit auch bei den Landwirten, weil die Maßnahmen beim Landwirt immer weniger zur Stabilisierung des Einkommens beitragen konnten. Dennoch fehlte die politische Kraft, einen Kurswechsel herbeizuführen. Nach langwierigen Diskussionen erfolgte schließlich 1992 ein grundlegender Wandel in der Agrarpolitik.

3. EU-Agrarreform von 1992


Die geschilderten Konflikte führten zu der Erkenntnis, dass die bisherige Politik der Preisstützung nicht länger aufrecht zu erhalten ist. Es wurde klar, dass der Preis nicht länger eine Doppelfunktion (Steuerung von Angebot und Nachfrage sowie Einkommenssicherung) einnehmen kann. So erfolgte mit der Agrarreform von 1992 nach über 100 Jahren Preisstützung der Einstieg in die Trennung zwischen Markt- und Einkommenspolitik. Der Preis sollte zukünftig in erster Linie dem Ausgleich von Angebot und Nachfrage dienen, während zur Einkommenssicherung Direktzahlungen eingeführt wurden, die größtenteils nicht mehr unmittelbar an die Produktionsmenge gebunden sind. In dieses System noch nicht integriert waren u.a. die Märkte für Zucker und Milch. Hier gibt es noch ein System der Mengenbegrenzung. Nach wie vor aber waren und sind bei vielen Produkten Importzölle wirksam.

4. Agenda 2000


In der Agenda 2000 erfolgte weitgehend eine Fortschreibung der Agrarreform von 1992. Als neues Element kam die Modulation als von den Mitgliedstaaten freiwillig durchzuführende Maßnahme hinzu. Damit konnten die zum Preisausgleich gewährten Direktzahlungen um bis zu 10% gekürzt und nach Kofinanzierung zur Förderung des ländlichen Raumes eingesetzt werden.
Ein besonders einschneidendes Ereignis stellte die BSE-Krise im Jahr 2001 dar. Die agrarpolitischen Rahmenbedingungen wurden aus diesem Anlass kontrovers diskutiert. Der Begriff der „ Agrarwende “ ist Ausdruck dieser Diskussion. Insbesondere der ökologische Landbau sollte zukünftig eine größere Rolle spielen. Insgesamt gesehen führte die Diskussion im Zusammenhang mit der „ Agrarwende “ zur Forderung nach einer Verschärfung von gesetzlichen Vorgaben in den Bereichen Umwelt- und Tierschutz.

5. EU-Agrarreform 2003


Die Agrarreform von 1992 hatte einen grundsätzlichen Kurswechsel der Agrarpolitik vorgenommen. Dennoch blieben Probleme, die von einigen Ländern, speziell den Exporteuren von Agrarprodukten, in der WTO angeprangert wurden. Folgende Punkte standen in der Kritik:

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Interne Stützung


Die Preise bestimmter Erzeugnisse (z.B. Getreide) liegen zwar weitgehend auf Weltmarktniveau, neben dem Verkaufserlös bekommen aber die Landwirte in der EU noch zusätzlich produktbezogene Direktzahlungen.

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Exportsubventionen


Die Preise wichtiger Agrarerzeugnisse werden nach wie vor gestützt. Soweit Überschüsse entstehen, können diese auf dem Weltmarkt deshalb nur mit Subventionen abgesetzt werden. Im Mittelpunkt der Kritik stehen hier Milcherzeugnisse, Rindfleisch und Zucker.

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Importzölle


Die EU führt das 1879 in Deutschland begonnene System der Schutzzölle bei einigen Erzeugnissen bis in die Gegenwart hinein fort.
Aus den beschrieben Kritikpunkten resultierte die Agrarreform von 2003; deren Kernpunkte (vgl. Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft 2005b) sind im Einzelnen:

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Entkoppelung der Direktzahlungen,

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Cross Compliance,

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Absenkung der Interventionspreise,

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Modulation.


Die Entkoppelung der Zahlungen der sog. 1. Säule (diese Zahlungen wurden ursprünglich als produkt- bzw. flächenbezogene Zahlungen zum Ausgleich der Preissenkungen der Agrarreform von 1992 gewährt) soll es dem Landwirt ermöglichen, die Produktion nach den Erfordernissen des Marktes auszurichten, ohne durch die Direktzahlungen veranlasst zu werden, Produkte zu erzeugen, deren Preis nicht einmal die variablen Kosten deckt. Der Erhalt der Direktzahlungen ist nun generell an die Einhaltung der Bewirtschaftungsauflagen im Bereich des Umwelt- und Tierschutzes entsprechend den Cross-Compliance-Vorschriften gekoppelt. Im Extrem ist auch „ Nicht-Produktion “ möglich, soweit der Erhalt der Flächen in einem guten Kulturzustand gesichert ist. Die Absenkung der Interventionspreise (z.B. bei Milch) soll die Exportchancen verbessern, wenngleich damit auch ein Rückgang der Erzeugerpreise verbunden sein wird, was sich auf die Einkommenssituation ungünstig auswirkt. Die Modulation wird nun verpflichtend vorgeschrieben und als Mittel gesehen, Gelder der 1. Säule in die 2. Säule (Entlohnung von Umweltleistungen) umzuschichten. Dem landwirtschaftlichen Betrieb fließt damit weniger Geld zu, es kommt aber dem ländlichen Raum als Ganzes wieder zugute.
Die Agrarreform von 2003 trat 2005 in Kraft. Die Umsetzung zieht sich bis 2013 hin, d.h. die bisherigen produktbezogenen Direktzahlungen werden in Deutschland in produktionsunabhängige, innerhalb eines Bundeslandes je Flächeneinheit gleich hohe Zahlungen überführt.

6. Perspektiven für die EU-Agrarpolitik


Der Agrarhaushalt der EU beläuft sich im Jahr 2004 auf ca. 38 Milliarden Euro, davon bekommen die Landwirte rund 66% in Form von Direktzahlungen (Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft 2005b). Diese teilen sich auf in Zahlungen der sog. 1. und 2. Säule. Die Zahlungen der 1. Säule sind nun von der Produktion entkoppelt und werden entweder als Betriebsprämie in Höhe der bisherigen Direktzahlungen (z.B. in Frankreich und Österreich) oder als weitgehend einheitliche Flächenprämie (z.B. in Deutschland) gewährt. Die Zahlungen der 2. Säule dienen zur Entlohnung von umweltbezogenen Leistungen.
Nach Entkoppelung der Direktzahlungen der 1. Säule durch die Agrarreform von 2003 stellt sich die Frage nach deren Legitimierung. Es wird als unumgänglich angesehen, die Direktzahlungen gesellschaftspolitisch zu begründen. Den Zahlungen müssen definierte Leistungen gegenübergestellt werden. In diesem Zusammenhang ist von Targeting (Tangermann, Stefan 2004) die Rede.

7. Besonderheiten der europäischen Landwirtschaft

a) Multifunktionalität


Das primäre Ziel der Landbewirtschaftung besteht in der Erzeugung von Lebensmitteln und Rohstoffen. Ein Koppelprodukt der Landwirtschaft ist die dabei entstehende Kulturlandschaft im Unterschied zur Naturlandschaft. Das Erscheinungsbild der Kulturlandschaft ergibt sich aus dem Zusammenwirken von natürlichen und wirtschaftlichen Standortbedingungen. Die so genannten Grenzertragsstandorte stellen den Übergang von der Kultur- zur Naturlandschaft dar. Als Grenzertragsstandort gilt ein Standort, der aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr bewirtschaftet wird, die Grundrente liegt hier bei Null. Eine Veränderung der wirtschaftlichen Bedingungen beeinflusst auch die Lage des Grenzertragsstandortes. Dies kann zu einer Einschränkung der Kulturlandschaft führen.
In den vergangenen Jahrzehnten haben sich aus betrieblicher Sicht die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen tendenziell ungünstiger gestaltet. Dies betrifft in Europa häufig die landschaftlich reizvollen, vom Tourismus beanspruchten Regionen. Mit einer Einstellung der landwirtschaftlichen Produktion ist auch ein Verschwinden des bisherigen Koppelproduktes verbunden (Heißenhuber, Alois/Lippert, Christian 2000). Diese Entwicklung führte in den 1970er-Jahren zur Etablierung von Umweltprogrammen, die zwischenzeitlich in der gesamten EU angeboten werden.
Im Rahmen der WTO-Verhandlungen werden diese Zahlungen akzeptiert, wenn sie keine überhöhte Einkommensübertragung darstellen, sondern ausschließlich zur Abdeckung der mit der Bereitstellung der erwünschten Form der Kulturlandschaft verbundenen Kosten dient. Zahlungen dieser Art zählen zur so genannten Green Box. Im Gegenzug dazu zählen Zahlungen mit handelsverzerrender einkommensstützender Wirkung zur Amber Box bzw. zur Blue Box. Diese müssen abgebaut werden.

b) Ökologischer Landbau


Seit Beginn der 1990er-Jahre spielt der ökologische Landbau als besonders nachhaltige Form der Landnutzung in Europa eine zunehmend wichtigere Rolle. Eine Ursache dafür ist die damals etablierte staatliche Förderung dieser Produktionsmethode. Der ökologische Landbau verzichtet z.B. auf den Einsatz von chemisch-synthetischen Dünge- und Pflanzenschutzmitteln und versucht weitgehend geschlossene betriebliche Stoffkreisläufe zu schaffen. Boden, Wasser und Luft werden weniger belastet. Seit 1992 ist die EG-Ökoverordnung in Kraft. Nur wer diese Richtlinie einhält und seinen Betrieb jährlich von staatlich anerkannten Kontrollstellen überprüfen lässt, darf seine Produkte entsprechend vermarkten. Betriebe, die sich einem Bioanbauverband anschließen, müssen zusätzliche, strengere Richtlinien einhalten. Der Anteil der Ökofläche in Deutschland stieg von ca. 80.000 ha LF im Jahr 1990 auf ca. 734.000 ha LF im Jahr 2003. Das entspricht 4,3% der LF in Deutschland. Die ca. 16.500 Öko-Betriebe umfassten im Jahr 2003 3,9% der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland (Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft 2005b). Die zukünftige Bedeutung hängt in erster Linie von der Nachfrage nach Ökoprodukten ab.

c) Nachwachsende Rohstoffe


Geschichtlich betrachtet hat die Landwirtschaft nicht nur Lebensmittel erzeugt, sondern auch Rohstoffe, die stofflich (z.B. Lein oder Hanf für Fasern) oder energetisch verwertet wurden (z.B. Futter als Energie für Zugtiere). Das kostengünstige Angebot fossiler Rohstoffe sorgte sowohl im stofflichen als auch im energetischen Bereich für eine Substitution landwirtschaftlicher Rohstoffe. Drei Gründe führen heute zu einer intensiven Diskussion um den Einsatz erneuerbarer Rohstoffe bzw. Energieträger:

-

zunehmender Treibhauseffekt durch die Nutzung fossiler Energieträger,

-

starke Importabhängigkeit bei fossilen Energieträgern,

-

starker Anstieg der Preise fossiler Energien.


In einigen Ländern können Treibstoffe aus pflanzlichen Ausgangsstoffen (z.B. in Brasilien Ethanol aus Zuckerrohr) bereits mit den fossilen Rohstoffen konkurrieren. In Deutschland ist dies noch nicht möglich. Nur durch staatliche Eingriffe (z.B. Steuerbefreiung von Biodiesel) konnte sich hier ein Markt entwickeln. Dagegen sind land- und forstwirtschaftlich erzeugte Festbrennstoffe, z.B. Getreide oder zu Hackschnitzeln zerkleinertes Holz, als Heizölersatz zur Wärmeerzeugung schon unter den gegenwärtigen Preis-Kosten-Relationen wettbewerbsfähig. Getreide ist aber derzeit noch nicht als Regelbrennstoff zugelassen. Aus wirtschaftlicher Sicht wird man zur Minderung der CO2-Emission den Weg wählen, der die geringsten Kosten verursacht. Als Kriterium dienen die CO2-Minderungskosten. Bei nachwachsenden Rohstoffen liegen diese im Falle der Festbrennstoffe schon auf einem sehr niedrigen Niveau, während sie z.B. bei Rapsöl oder Ethanol als Treibstoffersatz noch relativ hoch anzusetzen sind. Ein weiterer Anstieg der Rohölpreise führt dazu, dass zunehmend mehr nachwachsende Rohstoffe bzw. Energieträger auch ohne Subventionen konkurrenzfähig werden (Heißenhuber, Alois/Berenz, Stefan 2005). Insgesamt ist aber die Menge nachwachsender Rohstoffe begrenzt bzw. es besteht eine direkte Konkurrenz zur Nahrungserzeugung.

d) Precision Farming


Der Strukturwandel in der Landwirtschaft und die Nutzung leistungsfähiger Maschinen bedingt eine Vergrößerung der Felder, die dazu führt, dass die durch unterschiedliche Bodeneigenschaften hervorgerufene Standortheterogenität zunimmt. Diese Entwicklung macht es notwendig, dass sowohl aus ökonomischen wie aus ökologischen Gesichtspunkten die Intensität des Betriebsmitteleinsatzes (z.B. Dünge- oder Pflanzenschutzmittel) innerhalb eines Feldes an die vorherrschenden Bedingungen angepasst wird. Die Nutzung des Satellitennavigationssystems GPS ermöglicht dabei eine gezielte Applikation der Betriebsmittel. Die standortangepasste Applikation der Betriebsmittel wird Precision Farming, kleinräumige Bestandsführung oder auch teilflächenspezifische Bewirtschaftung genannt und bezeichnet eine moderne informationsgeleitete Landbewirtschaftung (Gandorfer, Markus/Meyer-Aurich, Andreas/Heißenhuber, Alois 2004; Auernhammer, Hermann 2001). Das Ziel des Precision Farming besteht darin, die Produktion nach ökonomischen aber auch ökologischen Gesichtspunkten zu optimieren. Neben der reinen teilflächenspezifischen Bewirtschaftung zählen im weiteren Sinne auch die Aspekte Dokumentation des Produktionsprozesses (gläserne Produktion) sowie Feldrobotik (z.B. automatische Lenkhilfen) zum Bereich des Precision Farming.
Literatur:
Andreae, Bernd : Betriebsformen in der Landwirtschaft, Stuttgart 1964
Auernhammer, Hermann : Precision Farming – The Environmental Challenge, in: Computers and Electronics in Agriculture, H. 30/2001, S. 31 – 43
Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft : Statistisches Jahrbuch Über Ernährung, Landwirtschaft Und Forsten Der Bundesrepublik Deutschland, 49. A., Münster-Hiltrup 2005a
Bundesminsterium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft : Agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung 2005, Berlin 2005b
Gandorfer, Markus/Meyer-Aurich, Andreas/Heißenhuber, Alois : Der Einsatz moderner Informationstechnologien im Pflanzenbau – Ein Beispiel aus der teilflächenspezifischen Stickstoffdüngung, in: Zeitschrift für Agrarinformatik, Jg. 12, H. 2/2004, S. 27 – 33
Heißenhuber, Alois/Berenz, Stefan : Energieproduktion in landwirtschaftlichen Unternehmen, Konsequenzen und Strategien – Mehr Markt für Landwirte, in: Archiv der DLG, Bd. 99, 2005, S. 189 – 198
Heißenhuber, Alois/Lippert, Christian : Multifunktionalität und Wettbewerbsverzerrungen, in: Zeitschrift für Agrarwirtschaft, Jg. 49, H. 7/2000, S. 249 – 252
Kuhlmann, Friedrich : Betriebslehre der Agrar- und Ernährungswirtschaft, Frankfurt a.M. 2003
Odening, Martin/Bokelmann, Wolfgang : Agrarmanagement- Landwirtschaft, Gartenbau, 2. A., Stuttgart 2001
Reisch, Erwin : Landwirtschaft, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, hrsg. v. Wittmann, Waldemar/Kern, Werner/Köhler, Richard et al., 5. A., Stuttgart 1993, Sp. 2529 – 2545
Reisch, Erwin/Zeddies, Jürgen : Einführung in die landwirtschaftliche Betriebslehre, Band 2, 3. A., Stuttgart 1992
Steffen, Günther/Born, Dietrich : Betriebs- und Unternehmensführung in der Landwirtschaft, Stuttgart 1987
Steinhauser, Hugo/Langbehn, Cay/Peters, Uwe : Einführung in die landwirtschaftliche Betriebslehre, Band 1, 5. A., Stuttgart 1992
Tangermann, Stefan : Agricultural Policies in OECD Countries: An Agenda for Reform, in: The Global Competitiveness Report 2004 – 2005, hrsg. v. Lopez-Claros, Augusto, Houndmills, for the World Economic Forum 2004

 

 


 

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