Sozialbilanzen
Inhaltsübersicht
I. Begriffe und Definition
II. Ziele und Inhalte
III. Methoden und Modelle
IV. Konzeptionelle und methodische Probleme
V. Geschichte und Perspektiven
I. Begriffe und Definition
Unter Begriffen wie „ Corporate Social Accounting “ , „ Corporate Social Reporting “ , „ Sozialbericht “ oder „ gesellschaftsbezogenes Rechnungswesen “ wurden Ende der 1960er- Anfang der 1970er-Jahre zunächst in den USA, später dann auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern vielfältige Konzepte entwickelt, die darauf ausgerichtet waren, die gesellschaftlich relevanten Informationen eines Unternehmens systematisch zu erfassen, regelmäßig zu dokumentieren und öffentlich zu diskutieren (Dierkes, /Bauer, 1973, S. 22 – 35). Für diese Konzepte bürgerte sich im deutschsprachigen Raum sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis sehr schnell das zwar griffige aber auch leicht missverständliche Schlagwort „ Sozialbilanz “ ein (Arbeitskreis „ Sozialbilanz-Praxis “ (AKSP), 1977; Wysocki, v., 1981). Um falschen Erwartungen vorzubeugen, wurde immer wieder davor gewarnt, die „ Sozialbilanz “ als eine Art vollständig quantifizierbares Sozialrechnungstableau fehl zu interpretieren. Demgegenüber wurde dafür plädiert, diesen relativ hermetischen Terminus sowohl im Hinblick auf seine „ Sozial “ - als auch auf seine „ Bilanz “ -Komponente konsequent definitorisch zu öffnen, den Begriff „ Sozialbilanz “ (SB) entschieden weiter zu fassen und im Sinne einer „ gesellschaftsbezogenen Berichterstattung “ zu verstehen und zu gebrauchen (Dierkes, 1974, S. 18 – 26; Hoffmann, 2001, S. 206 – 210).
II. Ziele und Inhalte
Die grundlegende Zielstellung der SB besteht darin, die klassische Rechnungslegung und Berichterstattung eines Unternehmens, die betriebswirtschaftlich basiert ist, inhaltlich zu vertiefen und zwar so, dass transparent wird, wie und in welchem Umfang ein Unternehmen seine gesellschaftliche Verantwortung wahrnimmt (Bauer, /Fenn, 1972). Insofern zunächst die elementare Sozialverantwortlichkeit eines Unternehmens darin besteht, Arbeitsplätze zu schaffen und einen Beitrag zur volkswirtschaftlichen Prosperität zu leisten, stehen traditionelle Bilanz und SB nicht in einem Ausschließungs-, sondern in einem Ergänzungsverhältnis: Erstere dokumentiert die Wahrnehmung notwendiger, Letztere die Übernahme hinreichender sozialer Verantwortung. Ausgehend davon sollen SB die Erfüllung all jener Aufgaben erfassen und dokumentieren, die das Unternehmen freiwillig übernommen hat, die ihm gesetzlich auferlegt wurden oder die ihm zugeschrieben werden, die jedoch in der herkömmlichen betriebswirtschaftlichen Rechnungslegung nur indirekt, unvollständig oder gar nicht erfasst werden (Welbergen, 1978). Um diese Hauptziele der Sozialbilanzierung zu erreichen, wurden sehr unterschiedliche Wege beschritten und eine Vielzahl von Ansätzen entwickelt (Leipert, 1978). Diese Ansätze können danach gruppiert werden, (a), wer die SB aufstellt (Akteure), (b), an wen sie gerichtet sind (Zielgruppen), (c), worauf sie sich beziehen (Gegenstand) und (d), in welcher Form sie dargestellt werden (Design).
(a) Die Akteure, die eine SB erstellen, können sowohl die Unternehmen selbst sein (Self Accounts) (Hoffmann, 2001) als auch unternehmensexterne Gruppen (Public Interest Audits), wie etwa Kapitalanleger (VanCity, 2002; Domini Social Equity Fund (DSEF), 2002) und Firmenallianzen (World Business Council for Sustainable Development (WBCSD), 2002) oder politische Organisationen und soziale Netzwerke (Social and Ethical Reporting Clearinghouse (SERC), 2002).
(b) Die Zielgruppen, für die die SB primär aufgestellt werden, befinden sich entweder innerhalb des Unternehmens, wie etwa das Management, der Betriebsrat oder die Belegschaft, oder außerhalb desselben wie beispielsweise Bürgerinitiativen, Umweltschutzgruppen, Investoren, staatliche Aufsichts- und Kontrollbehörden oder nichtstaatliche Organisationen. Im ersten Fall spricht man von externer SB, im zweiten von interner SB (Brockhoff, 1975).
(c) Der Gegenstand der SB lässt sich zunächst danach unterscheiden, ob er nur bestimmte Teilbereiche der Beziehungen zwischen dem Unternehmen und seinem gesellschaftlichen Umfeld umfasst (Teilberichte) oder ob er auf eine möglichst vollständige Berichterstattung ausgerichtet ist (Vollberichte). Die Teilberichte können entweder auf ausgewählte innere bzw. äußere Beziehungsfelder oder auf bestimmte Unternehmensfunktionen (Beschaffung, Absatz, Produktion, Investitionen) und deren jeweilige soziale Auswirkungen ausgerichtet sein (Schulte, 1974). Eine weitere Möglichkeit der gegenstandsbezogenen Differenzierung der SB besteht darin, die SB „ vertikal “ aufzuspalten und entweder nur die positiven (gesellschaftlicher Nutzen) oder nur die negativen (gesellschaftliche Kosten) Seiten der gesellschaftlichen Bezüge zu erfassen (Wysocki, v., 1981, S. 13). Schließlich lässt sich die SB ausschließlich auf ein so genanntes Social Program Approach einschränken, bei dem nur jene gesellschaftlichen Bezüge erfasst werden, die das Unternehmen außerhalb der regulären Geschäftstätigkeit durchführt (American Accounting Association, 1971, S. 339).
(d) Das Design der SB kann in zweierlei Richtungen differenziert werden. Zum einen lässt sich zwischen eindimensionaler und mehrdimensionaler SB unterscheiden. Bei der eindimensionalen Sozialbilanz werden sämtliche Daten in einer einheitlichen Maßgröße, zum Beispiel Währungseinheiten, ausgedrückt (Wysocki, v., 1981, S. 92 – 105). Bei der mehrdimensionalen Sozialbilanz wird auf eine solche gemeinsame Maßgröße verzichtet und auf ein System von Sozialindikatoren (Zapf, 1974) zurückgegriffen. Zum anderen unterscheidet sich das Design der SB dahingehend, ob es vorwiegend auf Inputgrößen (inputorientierte SB) oder auf Outputgrößen (outputorientierte SB) basiert (Wysocki, v., 1981, S. 15).
III. Methoden und Modelle
Aus diesen differenzierten inhaltlichen Schwerpunktsetzungen entwickelten sich nicht nur eine Vielzahl unterschiedlicher konzeptioneller Ansätze der Sozialbilanzierung, sondern zwangsläufig auch ein sehr breites Spektrum verschiedener Methoden der SB. Exemplarisch machen die Spannweite dieser konzeptionellen und methodischen Vielfalt drei Modelle der SB deutlich, die im Folgenden stichpunktartig skizziert und erläutert werden:
(a) Das STEAG-Modell: Das Energieversorgungsunternehmen STEAG, Essen, gehörte zu einem der ersten deutschen Unternehmen, die eine SB erstellten und veröffentlichten. Die erstmals für das Geschäftsjahr 1971/72 aufgestellte und publizierte SB, auf die auch in der Folgezeit in der SB-Debatte immer wieder Bezug genommen wurde (Schulte, 1974), hat den in Abb. 1 gezeigten Grundaufbau.
Abb. 1: Das STEAG-Modell
Insofern die im inneren und im äußeren Beziehungsfeld ausgewiesenen Nutzen als Ausgabengrößen in gleicher Maßeinheit gemessen werden, kann das STEAG-Modell als eine eindimensionale Input-Rechnung betrachtet werden. Insofern jedoch der Nutzen für die Gesellschaft unter Bezugnahme auf Outputgrößen quantitativ und/oder qualitativ beschrieben wird, ist es auch gerechtfertigt, dieses Modell als eine mehrdimensionale und outputbezogene SB anzusehen. Der STEAG-Typ der SB fand in Deutschland in den folgenden Jahren viele Nachahmer.
(b) Das AKSP-Modell: Aufbauend auf den Erfahrungen mit dem STEAG-Modell sowie mit weiteren, insbesondere auch qualitativen Formen der SB empfahl 1977 der Arbeitskreis „ Sozialbilanz-Praxis “ (Arbeitskreis „ Sozialbilanz-Praxis “ (AKSP), 1977), dem Vertreter namhafter deutscher Unternehmen angehörten, bei der Sozialbilanzierung das Modell einer integrierten mehrgliedrigen SB anzuwenden, welche aus drei Teilen bestehen sollte, und zwar dem „ Sozialbericht “ , der „ Wertschöpfungsrechnung “ und der „ Sozialrechnung “ . Dementsprechend war das AKSP-Modell wie in Abb. 2 dargestellt aufgebaut.
Abb. 2: Das AKSP-Modell
Vom Grundsatz her handelt es sich bei dem für den dritten Teil der SB, der Sozialrechnung, konzipierten Verfahren um ein erweitertes und spezifiziertes STEAG-Modell. Lässt man diese und andere Modelle der SB Revue passieren, zeigt sich, dass die ursprünglich rein quantifiziert angelegte Sozialbilanzierung schrittweise und systematisch um qualitative Formen der Berichterstattung erweitert wurde.
(c) Das Goal-Accounting-Modell: Die Erfahrungen, die mit den zuvor skizzierten Modellen und ähnlich orientierten Ansätzen gesammelt wurden, machten sehr schnell einen grundlegenden Engpass operationalisierter SB deutlich. Entweder die Sozialbilanzierung profilierte sich primär als Bilanzierung und lehnte sich sehr stark an die traditionellen Bilanzierungsverfahren des betrieblichen Rechnungswesens an, dann erreichte sie zwar eine hohe Kompatibilität zu den gewohnten Managementsystemen und hatte kaum Akzeptanzbarrieren zu überwinden, dafür jedoch wurden die grundlegenden sozialen Ziele der SB nur ungenügend erfüllt oder blieben gänzlich auf der Strecke. Wurde demgegenüber versucht, auf jegliche Form einer Bilanzierung zu verzichten und SB faktisch als bloße Statement-Technik zu betreiben, kam es zu einer strukturellen Aus- und Abkopplung der SB aus den zielführenden und handlungsleitenden Managementsystemen der Unternehmen. Auf beiden Wegen drohte die SB in eine Außenseiter- oder Abseitsposition zu geraten. Um dieser Gefahr zu begegnen und einen praktikablen Ausweg aus dem beschriebenen Engpass zu finden, wurde bereits sehr früh das Goal-Accounting entwickelt (Hoffmann, 2001, S. 209 – 210) und auch erfolgreich praktiziert (Task Force on Corporate Social Performance, 1979, S. 32, 80 – 81, 107 – 109). Dieser Ansatz konzentrierte sich darauf, die Erreichung all jener gesellschaftsbezogenen Ziele, die ein Unternehmen verfolgte und zu denen es sich gegenüber seinen internen bzw. externen Bezugsgruppen bekannte, präzise und vollständig zu erfassen, öffentlich zu dokumentieren und regelmäßig zu kontrollieren. Einerseits vermied so dieses Modell formalistische und kontraproduktive Bilanzierungsroutinen, andererseits blieb es nicht in bloßer Unverbindlichkeit stecken, sondern unterwarf die Erfüllung der sozialen Ziele einer exakten, problemzentrierten und objektivierbaren Prüfung vorher bekannt gegebener oder sogar im Diskurs des Unternehmens mit seinen Bezugsgruppen definierten Ziele der Reduzierung gesellschaftlicher Kosten und der Erhöhung des gesellschaftlichen Nutzens der Tätigkeit des Unternehmens.
IV. Konzeptionelle und methodische Probleme
Insbesondere die ersten zwei Modelle machen bereits sehr anschaulich deutlich, dass es bei der Sozialbilanzierung eine ganze Reihe konzeptioneller und methodischer Schwierigkeiten gibt. Dabei zeigt sich, dass es vor allem vier Problemkreise sind, die sich bei der Aufstellung von SB ergeben, und zwar Quantifizierungs-, Abgrenzungs-, Mess- und Bewertungsprobleme.
(a) Quantifizierungsprobleme: Die Bezeichnung „ Sozialbilanz “ suggeriert die Vorstellung, dass es möglich sei, sämtliche gesellschaftsbezogene Sachverhalte und Prozesse, in die ein Unternehmen eingebunden ist, zu quantifizieren und dann nach dem Vorbild betriebswirtschaftlicher Rechnungsführung zu saldieren, um so einen „ Gesamtnettonutzen/-schaden “ zu ermitteln. Die Erfahrungen mit SB machten indes sehr schnell und definitiv deutlich, dass eine solche Erwartung nicht nur grundsätzlich unerfüllbar ist, sondern dass sie darüber hinaus im Hinblick auf die oben beschriebenen Zielstellungen kontraproduktiv wirkt, weil sie die den SB zugrunde liegenden Absichten konterkariert.
(b) Abgrenzungsprobleme: Ein kaum eindeutig lösbares Problem stellt die Abgrenzung der Berichtsgegenstände dar, die in eine SB aufgenommen werden sollen. In den SB-Debatten haben sich unterschiedliche Lösungsversuche heraus kristallisiert (Wysocki, v., 1981, S. 28 – 53). Bei der Abgrenzung nach Sollvorgaben, wie etwa Rechtsvorschriften, technische Normen oder freiwillige Sozialleistungen, werden nur jene Berichtsgegenstände in die SB aufgenommen, bei denen die Vorgaben entweder übererfüllt oder nicht erreicht werden. Bei der Abgrenzung nach Zielsystemen sollen nur die Maßnahmen oder Versäumnisse in die Berichterstattung aufgenommen werden, die ursprünglich nichts mit den betriebswirtschaftlichen Kernaufgaben zu tun haben, wie beispielsweise das oben erwähnte „ Social Program Approach “ . Bei der Abgrenzung nach der Gegenseitigkeit der Leistungsbeziehungen zwischen dem Unternehmen und seiner Umwelt wird danach unterschieden (Schulte, 1974, S. 279 – 281), ob ein Unternehmen Leistungen empfängt, ohne entsprechende Gegenleistungen zu erbringen oder ob es Leistungen für die Umwelt erbringt, ohne dafür honoriert zu werden. Mit Blick auf diese und ähnliche Lösungsversuche ist eine absolut trennscharfe Abgrenzung der Berichtsgegenstände mit großer Sicherheit nicht erreichbar.
(c) Messprobleme: Dieses Problem steht in engem Zusammenhang mit den beiden zuvor skizzierten Schwierigkeiten, lässt sich jedoch nicht auf diese reduzieren (Dierkes, 1974, S. 172 – 181). Bei dem Versuch, die Berichtsgegenstände einer SB zu messen, sind vier grundlegende Aufgaben zu lösen: erstens sind operationale Definitionen und praktikable Indikatoren für den jeweiligen Berichtsgegenstand zu finden, zweitens müssen geeignete Verfahren und Techniken der Datenerhebung bereitgestellt und entwickelt werden, drittens kommt es darauf an, die ermittelten Einzeldaten sinnvoll zu aggregieren, und viertens schließlich muss eine Vergleichbarkeit zwischen den gemessenen Berichtsgegenständen hergestellt werden. Eine endgültige Lösung für alle vier Aspekte des Messproblems ist gegenwärtig nicht in Sicht, müsste aber zu erreichen sein durch weitere Forschung, Bildung von Konventionen und praktische Experimente, ähnlich denen der ersten Jahrzehnte der Entwicklung der Grundlagen finanzwirtschaftlicher Rechnungslegung.
(d) Bewertungsprobleme: Hinreichend genaue und praktikable Lösungen der zuvor beschriebenen drei Probleme können die Bewertung einer SB zwar wesentlich erleichtern, keinesfalls jedoch ersetzen. Wie immer auch die Berichtsgegenstände einer Sozialbilanzierung quantifiziert, gemessen und voneinander abgegrenzt werden, in jedem Fall müssen sie interpretiert und bewertet werden. Dabei besteht die Hauptschwierigkeit nicht primär darin, dass SB zwangsläufig aus unterschiedlichen und oft auch gegenläufigen Interessenlagen begutachtet werden; dies gilt ja im Prinzip auch für die betriebswirtschaftliche Rechenschaftslegung des Unternehmens. Als komplizierter erweist sich die Frage, wie mit möglichen indirekten, nicht intendierten Folgewirkungen umgegangen wird, die sich in einer SB zunächst nur vage abzeichnen, die jedoch langfristig gravierende Auswirkungen haben können (Dierkes, 1974, S.181 – 186).
Diese vier Probleme und die Tatsache, dass sie letztlich nie endgültig, sondern immer nur näherungsweise gelöst werden können, dienen häufig Gegnern der SB als Vorwand, jedwede Form der Sozialbilanzierung abzulehnen. Eine solch pauschale Ablehnung ist jedoch insbesondere mit Blick auf solche Ansätze wie das „ Goal Accounting “ und die praktischen Erfahrungen damit (Hoffmann, 2001, S. 209 – 210) nicht nur ungerechtfertigt, sondern auch unproduktiv.
V. Geschichte und Perspektiven
Etwas schematisch und vereinfachend lässt sich die bisherige Geschichte der SB in folgende vier Phasen einteilen:
1. Phase (Ende der 1950er- bis Ende der 1960er-Jahre): In dieser Zeit griffen drei gesellschaftsweite Prozesse ineinander, die sich für die Herausbildung der SB als sehr günstig erwiesen. Erstens schwand das Vertrauen in die Fähigkeit des Staates, die großen sozialen Probleme der Gesellschaft schnell, effektiv und nachhaltig zu lösen. Zweitens wuchs der Druck auf die Unternehmen, die gesellschaftlichen Konsequenzen ihrer Tätigkeit stärker, rechtzeitig und dauerhaft in ihre Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Drittens schließlich wuchs in den Unternehmen selbst eine Managergeneration heran, die bereit und in der Lage war, sich den Forderungen nach einer größeren und transparenten Sozialpflichtigkeit ihres Handelns zu stellen. In dieser Atmosphäre wurden sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis unter wechselnder Begrifflichkeit Ideen, Vorschläge und Ansätze entwickelt, die auf eine Sozialbilanzierung hinaus liefen (Dierkes, 1974, S. 11 – 17).
2. Phase (Ende der 1960er- bis Mitte der 1980er-Jahre): In dieser Entwicklungsetappe stießen all diese Sozialbilanzierungansätze, die zuvor nur ein Nischendasein geführt hatten, zunehmend auf öffentliches Interesse, fanden wachsende gesellschaftliche Anerkennung und Verbreitung. SB war en vogue, wurde zu einem neuen unternehmens- wie gesellschaftspolitischen Modewort und machte eine rasante diskursive Karriere. In Wissenschaft, Wirtschaft und Politik arbeiteten Initiativgruppen an der Aufstellung, Bekanntmachung und Weiterentwicklung der SB (Dierkes, 1974; Deutscher Gewerkschaftsbund Arbeitskreis der Sacharbeiter, 1979). Immer mehr Unternehmen schlossen sich teils freiwillig teils aufgrund von öffentlichem Druck in dieser oder jener Form der SB-Bewegung an (Saarbergwerke AG, 1974; Hoffmann, 2001). Der vorläufige Höhepunkt, den die Karriere der SB Mitte der 1980er-Jahre erreichte, gipfelte in der Frage „ Is it Time to Legislate? “ (Dierkes, /Berthoin Antal, 1986).
3. Phase (Mitte der 1980er- bis Ende der 1990er-Jahre): In dieser Stagnations- und Regressionsphase erlosch das Interesse an der SB. Dies hatte vor allem drei Ursachen. Erstens wuchs der Widerstand etablierter Gruppen in der Wissenschaft, den Unternehmen, den Gewerkschaften und der Politik, die um ihre Vormachtstellungen fürchteten und die SB als eine Bedrohung ansahen (Hoffmann, 2001, S. 214 – 215). Zweitens fanden trotz dieser vielfältigen Widerstände eine ganze Reihe von SB-Ansätzen Eingang in den Unternehmensalltag und wurden, wenn auch unter anderen Begriffen, fortentwickelt (Shell Group, 2002; Hoffmann, 2001, S. 215 – 216). Drittens entwickelte sich mit dem Zusammenbruch der ehemals staatssozialistischen Wirtschaften einerseits und der neoliberalen Globalisierungsoffensive andererseits ein ideologisches Klima, in dem einer SB tendenziell reserviert und stellenweise auch offen feindselig begegnet wurde.
4. Phase (ab Ende der 1990er-Jahre): Da zunehmend deutlicher wurde, dass pure marktradikale Strategien bei der Lösung sozialer Probleme versagten und aus bloßer Shareholder-Value-Maximierung nicht automatisch gesellschaftliche Wohlfahrt resultierte, artikulierten sich wieder verstärkt breitere Stakeholder-Interessen. Im Zuge dieses diskursiven Stimmungsumschwunges und infolge der Entwicklung neuer Medien, wie des Internet, findet die Problematik der Sozialbilanzierung sowohl bei Unternehmen und in der Wissenschaft als auch in der Öffentlichkeit und der Politik wieder verstärkt Resonanz (Bart, 1998; Corporate Watch, 2002; AccountAbility, 2002). Dabei konzentriert sich die Aufmerksamkeit nicht nur auf klassische Konzepte, sondern auch auf neuere SB-Ansätze wie etwa das „ Ethical Benchmarking “ (Skorecki, 2002; EthicScan, 2002; London Benchmarking Group, 2002) oder die sozialen Bewertungsregeln (Social Accountability International (SAI), 2002). In diesem breiten Spektrum kristallisiert sich ein Ansatz heraus, der perspektivisch an Bedeutung gewinnen kann, nämlich das Vision-Controlling (Dierkes, 2001).
Ausgehend davon, dass heute im Zeitalter der Globalisierung eine effektive Sozialbilanzierung nicht mehr auf nationalstaatlicher Ebene durchgesetzt werden kann, ist dieser Ansatz darauf gerichtet, Erfahrungen und Methoden des oben skizzierten „ Goal Accounting “ (Hoffmann, 2001, S. 209 – 210) weiterzuentwickeln, in den Raum der global operierenden Unternehmen zu übertragen und mit den Potenzialen der neuen IuK-Techniken, speziell dem Internet, zu verbinden. Ein solcher Rückgriff auf die Konzepte des „ Goal Accounting “ ermöglicht es global tätigen Unternehmen, leitbildzentrierte Leistungsbilanzen zu entwickeln, um auf deren Basis mit den unterschiedlichsten Bezugsgruppen in einen öffentlichen Dialog über Erreichtes, Nichterreichtes und Erreichbares einzutreten. Für private und institutionelle Anleger bietet das „ Vision Controlling “ einen langfristigen Referenzrahmen für ihre globalen Anlagestrategien. Analysten haben darüber hinaus die Möglichkeit, diese Kriterien in ihre Bewertungen einzubeziehen.
In dieser Entwicklung zum Vision-Controlling sollten somit nicht die Nationalstaaten, sondern die Börsen und Börsenaufsichten, vor allem die SEC in New York, eine Vorreiterrolle bei der Förderung und Durchsetzung einer solchen globalen Sozialbilanzierung spielen, denn es ist durchaus vorstellbar, dass die Zulassungsbedingungen zur Börse künftig auch solche erweiterten SB-Kriterien umfassen. Parallel dazu können auch die multinationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sowie die Rating-Agenturen ihre Kompetenzen nutzen, um dem Vision Controlling den Weg zu ebenen.
Literatur:
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Dierkes, M./Berthoin Antal, A. : Whiter Corporate Social Reporting: Is it Time to Legislate?, in: California Management Review, H. 3/1986, S. 106 – 121
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