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Wertschöpfungsrechnung


Inhaltsübersicht
I. Begriff der Wertschöpfung
II. Arten von Wertschöpfungsrechnungen
III. Wertschöpfungsrechnung auf der Grundlage der Gewinn- und Verlustrechnung
IV. Prüfung und Veröffentlichung der Wertschöpfungsrechnung
V. Zwecke der Wertschöpfungsrechnung

I. Begriff der Wertschöpfung


Unter der Wertschöpfung des einzelnen Wirtschaftsbetriebs kann verstanden werden: entweder der Prozess des Schaffens von Werten im Betrieb oder das Ergebnis dieses Prozesses, die durch den Betrieb geschaffenen Werte.
Ist der Prozess des Schaffens von Werten gemeint, wird allerdings selten von Wertschöpfung, sondern üblicherweise von Produktion gesprochen. Unter der Produktion ist, wenn man entsprechend einer funktionalen Betrachtungsweise nach Beschaffung, Produktion und Absatz von Gütern differenziert, die Herstellung von Gütern zu verstehen. Sind die hergestellten Güter (Produkte genannt) veräußerbar oder im eigenen Betrieb einsetzbar, haben sie einen Wert. Bewertet man sie mit ihren Kosten oder ihrem Veräußerungspreis, erhält man deren Bruttowert.
Bei einem Industriebetrieb besteht die Produktion darin, dass von anderen Betrieben übernommene materielle Güter (Roh- und Hilfsstoffe genannt) der Form oder/und der Substanz nach verändert werden. Der den übernommenen Gütern durch die Form- oder/und die Substanzänderung hinzugefügte Wert ist der vom Industriebetrieb geschaffene Wert. Es handelt sich dabei um einen Nettowert, den man erhält, wenn man vom Bruttowert der Produkte den Wert der Roh- und Hilfsstoffe subtrahiert. Dieser Wert wird üblicherweise als die Wertschöpfung des jeweiligen Betriebs bezeichnet. Entsprechendes, wie für den Industriebetrieb ausgeführt, gilt sinngemäß für die anderen Arten von Wirtschaftsbetrieben.
Statt von Wertschöpfung ließe sich also auch sprechen:

-

vom hinzugefügten Wert (so ist im Angelsächsischen treffend vom value added, im Französischen vom valeur ajoutée die Rede);

-

vom Nettoproduktionswert (wobei allerdings zwischen diesem und der Wertschöpfung im Einzelnen Unterschiede gemacht werden);

-

vom Mehrwert (wenn man diesen Begriff nicht im Sinne von Karl Marx, verwendet, der darunter den Wert versteht, den der Arbeiter über den Wert hinaus schafft, den er zur Sicherung seines Existenzminimums vergütet erhält);

-

vom Produktionsmehrwert.


Die Wertschöpfung ist Ausdruck der Eigenleistung des jeweiligen Betriebs. Die von einem Betrieb von anderen Betrieben übernommenen Leistungen werden üblicherweise Vorleistungen genannt. Die von einem Betrieb an andere Betriebe abgegebenen Leistungen können als Abgabeleistungen bezeichnet werden. Die Eigenleistung des Betriebs ist demnach die Differenz zwischen den Abgabeleistungen und den Vorleistungen.
Die Vorleistungen können nun allerdings eng oder weit abgegrenzt werden, ebenso wie die Abgabeleistungen. Damit erhält man mehrere Fassungen des Wertschöpfungsbegriffs.
Unter den Abgabeleistungen sind bei einem Industriebetrieb auf jeden Fall die fertigen Erzeugnisse zu verstehen; bei einer Betrachtung Periode für Periode müssen auch die jeweiligen unfertigen Erzeugnisse berücksichtigt werden. Die Abgabeleistungen entsprechen dann dem Bruttoproduktionswert der Erzeugnisse. Stellt man diesem die Vorleistungen gegenüber, erhält man eine in Bezug auf den output eng abgegrenzte Wertschöpfungsgröße und deswegen eine dem Betrag nach niedrige Wertschöpfung.
Fraglich ist, ob auch die selbsterstellten Sachanlagen einbezogen werden sollen. Wenn die Wertschöpfung anhand der handelsrechtlichen GuV zu ermitteln ist, bleibt nichts anderes übrig, als dies zu tun, da z.B. die ausgewiesenen Materialaufwendungen sich sowohl auf Erzeugnisse als auch auf selbsterstellte Sachanlagen beziehen. Die Abgabeleistungen entsprechen dann dem Bruttoproduktionswert des Betriebs insgesamt. Stellt man diesem die Vorleistungen gegenüber, erhält man eine in Bezug auf den output weiter abgegrenzte Wertschöpfungsgröße und deswegen eine dem Betrag nach höhere Wertschöpfung als im vorhergehenden Fall.
Unter den Vorleistungen sind bei einem Industriebetrieb auf jeden Fall die Roh- und Hilfsstoffe zu verstehen. Stellt man nur diese dem Bruttoproduktionswert der Erzeugnisse bzw. des Betriebs insgesamt gegenüber, erhält man eine in Bezug auf den input eng abgegrenzte Wertschöpfungsgröße (= die Wertschöpfung über die Roh- und Hilfsstoffe) und deswegen eine dem Betrag nach hohe Wertschöpfung.
Fraglich ist, ob auch die Betriebsstoffe in die Vorleistungen einbezogen werden sollen. Wenn die Wertschöpfung anhand der handelsrechtlichen GuV zu ermitteln ist, bleibt wiederum nichts anderes übrig, als dies zu tun, da die Aufwendungen für Betriebsstoffe zusammen mit denjenigen für Roh- und Hilfsstoffe ausgewiesen werden. Stellt man nun diese dem Bruttoproduktionswert der Erzeugnisse bzw. des Betriebs insgesamt gegenüber, erhält man eine in Bezug auf den input weiter abgegrenzte Wertschöpfungsgröße (= die Wertschöpfung über die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe bzw. die Wertschöpfung über die Verbrauchsgüter) und deswegen eine dem Betrag nach niedrigere Wertschöpfung als im vorhergehenden Fall. Sie wird auch als Bruttowertschöpfung oder als Nettoproduktionswert bezeichnet.
Fraglich ist, ob man in die Vorleistungen auch noch die eingesetzten Maschinen und die genutzten Patente einbeziehen und die entsprechenden Abschreibungen zusammen mit dem Materialaufwand dem Bruttoproduktionswert der Erzeugnisse bzw. des Betriebs gegenüberstellen soll. Man erhält dann eine in Bezug auf den input noch weiter abgegrenzte Wertschöpfungsgröße (= die Wertschöpfung über die Verbrauchs- und Gebrauchsgüter) und deswegen eine dem Betrag nach noch niedrigere Wertschöpfung als im vorhergehenden Fall. Sie wird auch als Nettowertschöpfung oder als Wertschöpfung schlechthin bezeichnet.
Welcher der skizzierten Fassungen der Wertschöpfungsgröße der Vorzug zu geben ist, hängt von dem mit der Wertschöpfungsrechnung jeweils verfolgten Zweck ab (vgl. Abschnitt V).
Neuerdings wird im Zusammenhang mit der Diskussion über den Shareholder Value von einem economic value added gesprochen, ein Begriff, der demjenigen des value added dem Wortlaut nach ähnlich ist, mit dem aber etwas anderes gemeint ist, nämlich der über die Verzinsung des Eigenkapitals hinausgehende Gewinn, eine Art Mehrgewinn. Warum für die gemeinte Größe die Bezeichnung des economic value added gewählt wurde und die Gefahr der Verwechslung mit dem überkommenen Begriff des value added in Kauf genommen wird, ist unverständlich.

II. Arten von Wertschöpfungsrechnungen


Die Wertschöpfung des Betriebs kann mit Hilfe unterschiedlicher Rechnungen ermittelt werden: bei Ermittlung mit Hilfe von Einzahlungen und Auszahlungen erhält man die liquide Wertschöpfung, bei Ermittlung mit Hilfe von Einnahmen und Ausgaben die realisierte Wertschöpfung, bei Ermittlung mit Hilfe von Aufwendungen und Erträgen die erfolgswirksame Wertschöpfung, bei Ermittlung mit Hilfe von Kosten und Leistungen die kalkulatorische Wertschöpfung.
Lehmann (Lehmann, M. R. 1954), einer der Hauptvertreter der betrieblichen Wertschöpfungsrechnung, empfiehlt, die Wertschöpfung mit Hilfe von Kosten und Leistungen zu ermitteln. Das bedeutet: Beschränkung auf den Haupttätigkeitsbereich des jeweiligen Betriebs, bei einem Industriebetrieb auf das reine Industriegeschäft.
Pohmer (Pohmer, 1958), der andere Hauptvertreter der betrieblichen Wertschöpfungsrechnung, empfiehlt, die Wertschöpfung mit Hilfe von Aufwendungen und Erträgen zu ermitteln. Das bedeutet: Einschluss auch der Nebentätigkeitsbereiche des jeweiligen Betriebs, bei einem Industriebetrieb auch des Handelsgeschäfts und des Finanzgeschäfts.
Die handels- und steuerrechtliche GuV eignet sich allerdings nach Auffassung Pohmers nicht zur Ermittlung der Wertschöpfung, da sie anderen Zielsetzungen entspräche. In ihr würden wertschöpfungsrelevante und wertschöpfungsirrelevante Größen miteinander vermischt werden.
Wenngleich dieser Kritik Pohmers teilweise zuzustimmen ist, so bleibt dem Außenstehenden doch nichts anderes übrig, als eben diese Rechnung zugrunde zu legen, will er die Wertschöpfung eines Unternehmens ermitteln, das selbst keine Wertschöpfungsrechnung veröffentlicht, das aber zur Veröffentlichung seiner GuV verpflichtet ist. Daher sei hier zur Ermittlung der Wertschöpfung von einer solchen Rechnung ausgegangen, wie sie für die große Kapitalgesellschaft vorgeschrieben ist.

III. Wertschöpfungsrechnung auf der Grundlage der Gewinn- und Verlustrechnung


Zur Ermittlung der Wertschöpfung können zwei verschiedene Wege eingeschlagen werden: Entweder geht man von den Erträgen aus, subtrahiert die Aufwendungen mit Vorleistungscharakter und erhält als Saldo den Betrag der Wertschöpfung (= subtraktive Methode). Oder man addiert zum Gewinn oder Verlust die Aufwendungen ohne Vorleistungscharakter und erhält als Summe den Betrag der Wertschöpfung (= additive Methode).
Beide Wege führen naturgemäß zum gleichen Ziel. Die subtraktive Rechnung wird oft Wertschöpfungsentstehungsrechnung genannt, die additive Rechnung Wertschöpfungsverteilungsrechnung oder Wertschöpfungsverwendungsrechnung.
Diese Bezeichnungen sind allerdings missverständlich, denn sie suggerieren, dass es sich bei der Wertschöpfungsentstehung und der Wertschöpfungsverwendung, ähnlich wie bei der Gewinnentstehung und der Gewinnverwendung, um zwei nacheinander verlaufende Prozesse handelt. Dieser Eindruck wäre jedoch falsch. Bei der Wertschöpfungsentstehung und Wertschöpfungsverteilung handelt es sich nur um zwei verschiedene Aspekte ein und desselben Prozesses.
Die subtraktive Ermittlung der Wertschöpfung ist anhand einer GuV nach dem Gesamtkostenverfahren annähernd möglich, anhand einer GuV nach dem Umsatzkostenverfahren dagegen ausgeschlossen.
Als Minuenden sind nahezu alle Erträge der GuV nach § 275 HGB anzusetzen: die Umsatzerlöse zzgl. der Erhöhung, abzgl. der Minderung des Bestands an fertigen und unfertigen Erzeugnissen, die anderen aktivierten Eigenleistungen (welche die aktivierten Aufwendungen der Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs einschließen), die sonstigen betrieblichen Erträge, die Erträge aus Beteiligungen (die in eine Konzernwertschöpfungsrechnung nur insoweit einbezogen werden dürfen, als sie von nicht-konsolidierten Unternehmen stammen), die Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens, die sonstigen Zinsen und ähnlichen Erträge, die aufgrund einer Gewinngemeinschaft, eines Gewinnabführungs- oder Teilgewinnabführungsvertrags erhaltenen Gewinne (die ebenfalls nur teilweise in eine Konzernwertschöpfungsrechnung einbezogen werden dürfen), die außerordentlichen Erträge.
Nicht anzusetzen sind: die sog. Erträge aus Verlustübernahme, denen entgegen ihrer Bezeichnung kein Ertragscharakter zukommt, sowie die erhaltenen Subventionen, die in der Position der Sonstigen Erträge enthalten sein könnten, die jedoch von den Steuern abgezogen werden müssten.
Als Subtrahenden sind folgende Aufwendungen der GuV nach § 275 HGB anzusetzen: der Materialaufwand, die Abschreibungen, die Sonstigen betrieblichen Aufwendungen, die Aufwendungen aus Verlustübernahme und die Außerordentlichen Aufwendungen.
Zur additiven Ermittlung der Wertschöpfung sind aus der GuV nach dem Gesamtkostenverfahren zu übernehmen: der Personalaufwand, die Zinsen und ähnliche Aufwendungen, die Steuern vom Einkommen und vom Ertrag, die sonstigen Steuern sowie entweder mit positivem Vorzeichen die aufgrund einer Gewinngemeinschaft, eines Gewinnabführungs- oder Teilgewinnabführungsvertrags abgeführten Gewinne oder mit negativem Vorzeichen die sog. Erträge aus Verlustübernahme und entweder mit positivem Vorzeichen der Jahresüberschuss oder mit negativem Vorzeichen der Jahresfehlbetrag.
Anhand der GuV nach dem Umsatzkostenverfahren allein ist nicht einmal die additive Ermittlung der Wertschöpfung möglich. Man muss dazu die Angaben des Anhangs über den Personalaufwand zu Hilfe nehmen.
Die ermittelte Wertschöpfung ist in den meisten Fällen positiv, selbst wenn ein Jahresfehlbetrag vorliegen sollte, insbesondere wegen der üblichen Höhe der Personalaufwendungen. Sie wird erst bei einem ungewöhnlich hohen Jahresfehlbetrag negativ. Würde man statt des Begriffs der Wertschöpfung denjenigen des Produktionsmehrwerts oder des Mehrwerts gewählt haben, könnte man im negativen Fall von einem Produktionsminderwert oder einem Minderwert sprechen.

IV. Prüfung und Veröffentlichung der Wertschöpfungsrechnung


Eine Pflicht zur Veröffentlichung einer Wertschöpfungsrechnung besteht nicht. Die Aufnahme einer Wertschöpfungsrechnung in den Geschäftsbericht ist jedoch empfehlenswert, da sie dessen Informationswert erhöht.
Wenn ein Unternehmen das GKV für seine GuV gewählt hat, kann es auf dieser Grundlage leicht sowohl eine subtraktive als auch eine additive Wertschöpfungsrechnung erstellen und veröffentlichen. Dadurch würde es keine anderen Informationen preisgeben als ohnehin schon durch die GuV.
Anderes gilt für ein Unternehmen, das das UKV für seine GuV gewählt hat. Würde es eine subtraktive Wertschöpfungsrechnung veröffentlichen wollen, müsste es für diese eine Reihe von Angaben machen, die seiner GuV nicht zu entnehmen sind. Daher ist ein solches Unternehmen allenfalls zur Veröffentlichung einer additiven Wertschöpfungsrechnung bereit.
Wird eine Wertschöpfungsrechnung durch ein publizitätspflichtiges Unternehmen veröffentlicht, ist diese in die obligatorische Prüfung einzubeziehen. Da aber alle Größen, die in die Wertschöpfungsrechnung eingehen, ohnehin bereits im Zusammenhang mit dem JA geprüft werden müssen, entsteht kaum ein zusätzlicher Prüfungsaufwand.
Bei der Gestaltung einer Wertschöpfungsrechnung wird man dem publizierenden Unternehmen einen großen Spielraum zugestehen müssen. Zu prüfen hat ein Abschlussprüfer vor allem, ob durch die Wertschöpfungsrechnung nicht ein falscher Eindruck über die vom jeweiligen Unternehmen tatsächlich erzielte Wertschöpfung vermittelt wird. Insbesondere ist darauf zu achten, ob das publizierende Unternehmen die abgeführten Gewinne ebenso wie einen etwaigen Jahresüberschuss bzw. die sog. Erträge aus Verlustübernahme ebenso wie einen etwaigen Jahresfehlbetrag behandelt und ob es die erhaltenen Subventionen mit den Steuern verrechnet hat.

V. Zwecke der Wertschöpfungsrechnung


Die Wertschöpfung ist keine Zielgröße von Unternehmen, da diese im Allgemeinen nicht nach einer hohen Wertschöpfung, sondern nach einem hohen Gewinn bezogen auf das eingesetzte Eigenkapital streben. Daher kommt der Wertschöpfungsrechnung nicht eine solche Bedeutung wie der GuV zu, gleichwohl keine geringe.

1. Wertschöpfung als Maßstab der Betriebsgröße


Die Wertschöpfung ist als Ausdruck der Eigenleistung des Betriebs sehr gut zur Messung der Betriebsgröße und der Betriebsgrößenvariationen geeignet. Sie ist insbesondere gegenüber dem Umsatz, der häufig als Größenmerkmal dient, vorzuziehen. Denn nach dem Umsatz erscheinen Betriebe am Ende einer Produktions- und Wertschöpfungskette (z.B. Betriebe der kunststoffverarbeitenden Industrie) unter sonst gleichen Umständen größer als Betriebe am Anfang einer solchen Kette (z.B. Betriebe der kunststofferzeugenden Industrie), da in die Umsätze der nachgelagerten Betriebe die Umsätze der vorgelagerten Betriebe eingehen. Daher sollte man in den Größenvorschriften des HGB die Bruttoumsatzerlöse zumindest durch die Nettoumsatzerlöse, d.h. durch den Saldo aus Bruttoumsatzerlösen und Materialaufwendungen, noch besser durch den Nettoproduktionswert bzw. die Wertschöpfung selbst, ersetzen.

2. Nettoquote als Maßstab der Betriebstiefe


Spaltet man die Betriebsgröße in eine Betriebsbreite und eine Betriebstiefe auf und misst man die Betriebsbreite mit Hilfe des Bruttoproduktionswerts, dann kann man die Betriebstiefe als relative Größe durch den Anteil des Nettoproduktionswerts bzw. der Wertschöpfung am Bruttoproduktionswert ausdrücken. Je höher dieser Anteil, der in der amtlichen Statistik als Nettoquote bezeichnet wird, umso tiefer ist ein Betrieb.

3. Wertschöpfung zur Produktivitätsmessung


Die Wertschöpfung bzw. der Nettoproduktionswert kann zur Messung der Produktivität herangezogen werden, insbesondere zur Messung der sog. Teilproduktivitäten, d.h. der Arbeitsproduktivität, der Maschinenproduktivität, der Materialproduktivität. Sie ist für diesen Zweck besser geeignet als der Umsatz oder der Bruttoproduktionswert. Wird z.B. die Arbeitsproduktivität durch den Nettoproduktionswert pro Arbeitskraft ausgedrückt, dann nimmt sie ab, wenn bisher selbsterstellte Teile durch fremdbezogene Teile ersetzt werden, während sie trügerischerweise gleich bliebe, würde sie durch den Bruttoproduktionswert pro Arbeitskraft ausgedrückt werden.

4. Wertschöpfungsrechnung zur Einkommensdarstellung


Die additive Wertschöpfungsrechnung, die sog. Wertschöpfungsverteilungs- oder Wertschöpfungsverwendungsrechnung, dient häufig der Einkommensdarstellung.
So definiert Lehmann (Lehmann, M. R. 1954) die Wertschöpfung des Betriebs als die Summe der Gemeinerträge (die dem Staat zufließen), der Arbeitserträge (die den Arbeitskräften zufließen) und der Kapitalerträge (die den Fremd- und Eigenkapitalgebern zufließen).
In einem Vorschlag des Arbeitskreises „ Das Unternehmen in der Gesellschaft “ des Verbandes der Chemischen Industrie (Arbeitskreis „ Das Unternehmen in der Gesellschaft “ im Betriebswirtschaftlichen Ausschuss des Verbandes der Chemischen Industrie e. V., 1975), dem in der Praxis oft gefolgt wird, werden der öffentlichen Hand die Steuern vom Einkommen und Ertrag sowie die sonstigen Steuern zugerechnet, den Mitarbeitern die Löhne und Gehälter, die sozialen Abgaben sowie die Aufwendungen für Altersversorgung und Unterstützung, den Darlehnsgebern die Zinsen und ähnliche Aufwendungen, den Gesellschaftern die abgeführten und ausgeschütteten Gewinne, dem Unternehmen die gebildeten Rücklagen.
Zu kritisieren ist vor allem die vorgeschlagene Aufspaltung der Gewinne. Denn auch die einbehaltenen Gewinne stehen den Gesellschaftern zu. Zudem verhält man sich widersprüchlich, wenn man zunächst nach einzelnen Wertschöpfungsempfängern differenziert, aber dann das Unternehmen doch wieder als Ganzes sehen will.
Die Steuern müsste man entweder verkürzen um die auf die ESt der Gesellschafter anrechenbaren Teile und diese den Gesellschaftern zurechnen oder erhöhen um die in den Löhnen und Gehältern enthaltene LSt, damit man jeweils vergleichbare Größen erhält. Im Übrigen wäre es angebracht, die Steuern um die Mehrwertsteuer zu ergänzen.
Auf jeden Fall müssten etwaige Subventionen, die der Betrieb erhalten hat, gegen die Steuern aufgerechnet werden. Sie verkürzen die Gemeinerträge. Waren sie höher als die Steuern, hat der Betrieb keine Gemeinerträge erwirtschaftet, sondern hat Gemeinlasten verursacht.

5. Wertschöpfungsrechnung zur Einkommensbemessung


Kann die Wertschöpfungsrechnung nicht nur der Einkommensdarstellung, sondern auch der Einkommensbemessung dienen? Eine solche Funktion haben ihr Nicklisch (Nicklisch, 1932 ) und Lehmann (Lehmann, M. R. 1954) zugewiesen. Allerdings legen sich beide nicht fest, welche Anteile an der vom Unternehmen erzielten Wertschöpfung den einzelnen Wertschöpfungsempfängern jeweils zufließen sollen. Zudem sehen sie eine Beteiligung der Nichteigentümer zwar am Gewinn, nicht jedoch eine entsprechende Beteiligung der Nichteigentümer am Verlust vor, was einseitig ist.
Auch mit Hilfe der Wertschöpfungsrechnung kommt man m.E. nicht zu einer besseren Lösung als derjenigen, die sich im Laufe der Zeit herausgebildet hat. Sie besteht in der Unterscheidung zwischen Kontrakteinkommensbeziehern und Residualeinkommensbeziehern. Die einen (Arbeitskräfte, Kreditgeber) erhalten für eine oder mehrere Perioden im voraus ein Einkommen zugesagt, den anderen (Eigentümern) steht der Gewinn zu, falls sich ein solcher am Ende der Periode ergibt; sie müssen aber auch einen etwaigen Verlust tragen. Die damit möglicherweise verbundene Ungerechtigkeit lässt sich nur dadurch beseitigen, dass die Arbeitskräfte gleichzeitig mit Eigenkapital an ihrem Unternehmen beteiligt sind. Die Wertschöpfungsrechnung eignet sich also nicht zur Einkommensbemessung, sondern nur zur Einkommensdarstellung.

6. Wertschöpfungsrechnung zur Steuerbemessung


Als die Brutto-USt, die die vertikale Konzentration begünstigte, 1968 durch die diesen Effekt vermeidende Netto-USt oder Mehrwertsteuer abgelöst wurde, hätte es nahe gelegen, die Wertschöpfung als Bemessungsgrundlage vorzusehen. Dies hätte der Wertschöpfungsrechnung einen starken Auftrieb gegeben. Der Steuergesetzgeber hat jedoch einen anderen Weg gewählt: nämlich die Besteuerung des Bruttoumsatzes mit der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs. Damit wird annähernd das gleiche Ziel erreicht, zudem auf eine rechentechnisch einfachere Art und Weise, was anzuerkennen ist.
Bedauerlich ist allerdings, dass der Handelsgesetzgeber vorschreibt, die Umsatzerlöse ausschließlich der Umsatzsteuer auszuweisen. Dementsprechend sind auch die Materialaufwendungen und ähnlichen Aufwendungen ausschließlich der darauf liegenden Vorsteuer auszuweisen sowie die sonstigen Steuern ohne die Mehrwertsteuer. Daher kann die volle Steuerlast des Unternehmens der GuV nicht entnommen werden.
Dieser verkürzte Steuerausweis wird oft damit begründet, dass bei der Mehrwertsteuer nicht das verkaufende Unternehmen die Steuerlast zu tragen habe, sondern der Käufer. Aber ein Unternehmen versucht bei allen Steuern, die Steuerlast über den Preis seiner Produkte auf die Käufer zu überwälzen. Dies gelingt nicht immer. Dann deckt der erzielte Preis nicht die in den gewünschten Preis einkalkulierten Steuern und Kosten. Bei der Mehrwertsteuer scheint dies anders zu sein, weil die Steuerschuld erst bei Verkauf entsteht und der Steuerbetrag oft getrennt von einem Nettopreis in Rechnung gestellt wird. Aber fraglich bleibt, ob es dem Unternehmen gelingt, seine Produkte zum gewünschten Preis zu verkaufen, d.h. zu einem Bruttopreis, der sowohl die Steuern als auch die Kosten deckt. Denn einem möglichen Käufer könnte ein solcher Preis zu hoch sein. Dies gilt vor allem für einen Käufer, der keinen Vorsteuerabzug mehr geltend machen kann, d.h. für einen Haushalt, aber auch für einen vorgelagerten Betrieb, der das mögliche Verhalten des Endkäufers antizipiert. Das Unternehmen müsste dann bereit sein, auf die Deckung eines Teils seiner Kosten zu verzichten, damit überhaupt ein Verkauf zustande kommt. Handelt es so, könnte man zwar sagen, dass ihm die Überwälzung der Mehrwertsteuer gelungen ist; aber dafür ist die Überwälzung der Kosten misslungen. Insofern unterscheidet sich die Überwälzung der Steuerlast bei der Mehrwertsteuer materiell nicht von der Überwälzung der Steuerlast bei anderen Steuern. Daher müsste die Mehrwertsteuer wie jede andere Steuer in die GuV sowie in die Wertschöpfungsrechnung einbezogen werden.

7. Wertschöpfungsrechnung zur Sozialproduktmessung


Die Wertschöpfung und der Nettoproduktionswert sind wichtige Ausgangsgrößen für die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. Soll das Sozialprodukt in den üblichen Varianten entsprechend seiner Entstehung ermittelt werden, müssen die Beträge der Wertschöpfung bzw. die Nettoproduktionswerte aller einzelnen Betriebe addiert werden. Bei Addition der Umsätze oder der Bruttoproduktionswerte käme es zu Mehrfachzählungen.
Literatur:
Arbeitskreis „ Das Unternehmen in der Gesellschaft “ im Betriebswirtschaftlichen Ausschuss des Verbandes der Chemischen Industrie e.V., : Das Unternehmen in der Gesellschaft, in: DB 1975, S. 161 – 173
Cox, B. : Value Added, London 1979
Göckeler, W. : Die Wertschöpfung der Kreditinstitute, Berlin 1975
Haller, A. : Wertschöpfungsrechnung, Stuttgart 1997
Kröber-Riel, W. : Die betriebliche Wertschöpfung unter besonderer Berücksichtigung der Wertschöpfung des Handels, Berlin 1963
Kroenlein, G. : Die Wertschöpfung der Aktiengesellschaft und des Konzerns, Berlin 1975
Lehmann, M. R. : Leistungsmessung durch Wertschöpfungsrechnung, Essen 1954
Nicklisch, H. : Die Betriebswirtschaft, 7. A., Stuttgart 1932
Pohmer, D. : Betriebswirtschaftliche Bedeutung und Ermittlung der betrieblichen Wertschöpfung, in: ZfB 1958, S. 148 – 156
Pohmer, D./Kroenlein, G. : Wertschöpfungsrechnung, betriebliche, in: HWR, 1. A., hrsg. v. Kosiol, E., Stuttgart 1970, Sp. 1913 – 1921
Schäfer, E. : Vom „ Mehrwert “ zur „ Wertschöpfung “ , in: ZfB 1951, S. 449 – 459
Stobbe, A. : Volkswirtschaftliches Rechnungswesen, 8. A., Berlin u.a. 1994
Weber, H. K. : Wertschöpfungsrechnung, Stuttgart 1980
Weber, H. K. : Die Wertschöpfungsrechnung auf der Grundlage des Jahresabschlusses, in: HdJ, v. Wysocki, K./Schulze-Osterloh, J., 3. A., Köln 1999, Abt. IV 7
Wedell, H. : Die Wertschöpfung als Maßgröße für die Leistungskraft eines Unternehmens, in: DB 1976, S. 205 – 213
Weinstock, H. : Die Wertschöpfung der Versicherungsunternehmungen, Berlin 1986

 

 


 

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