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Stress und Stressbewältigung


Inhaltsübersicht
I. Bedeutung des Themas und begriffliche Klärung
II. Modelle zur Erfassung von Stress am Arbeitsplatz
III. Ausgewählte empirische Befunde
IV.  Praktische Folgerungen
V. Ausblick

I. Bedeutung des Themas und begriffliche Klärung


\'Arbeitsstress und Gesundheit\' bilden ein aktuelles Thema in der Diskussion um betriebliche Gesundheitsförderung sowie um neue Konzepte des Personalwesens und der Organisationsentwicklung in Betrieben. Es gibt hierfür verschiedene Gründe. Ein für die deutsche Gesundheitspolitik spezifischer Grund liegt in der Neufassung des § 20 des SGB V, welche den Krankenkassen unter bestimmten Bedingungen die Durchführung von Maßnahmen betrieblicher Gesundheitsförderung nahe legt und welche zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit den Berufsgenossenschaften auffordert. Grenzüberschreitende, die EG betreffende Regelungen und Programme tragen zu dieser Aktualität bei. Hinzu kommt die wachsende Zurkenntnisnahme, dass Arbeitsstress vermeidbare Kosten verursacht und dass gesundheitsfördernde Arbeitsgestaltung im sich verschärfenden globalen Wettbewerb zu einem beachtlichen Standortvorteil wird. Von größerer Tragweite für die Aktualität des Themas sind die täglich spürbaren Veränderungen der Arbeitswelt durch technischen Fortschritt, durch die weltumspannende ökonomische Entwicklung, durch Arbeitsmigration sowie eine veränderte demografische Struktur der erwerbsaktiven Bevölkerung. Es stellt sich daher die wichtige Frage, wie man dieses mit dem Begriff \'Stress am Arbeitsplatz\' bezeichnete Phänomen wissenschaftlich erfassen und wie man seine gesundheitsschädigenden Wirkungen nachweisen kann. Von praktischer Bedeutung ist sodann die Frage, welche Konsequenzen für die Prävention von Erkrankungen und die Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz daraus folgen, insbesondere im Hinblick auf eine intensivierte Personalarbeit in Betrieben.
Im Gegensatz zum alltagssprachlichen Verständnis, welches \'Stress\' mit Hektik, Zeitdruck und Überlastung gleichsetzt, müssen krankmachende Stresserfahrungen als Ergebnis einer Transaktion zwischen spezifischen Situationsmerkmalen und den Reaktionen von Menschen auf diese Situationen verstanden werden. Stressreaktionen treten als Folge einer Diskrepanz zwischen dem auf, was gefordert wird, und dem, was geleistet bzw. erreicht werden kann. Sie laufen auf vier Ebenen ab: auf der kognitiven Ebene von Einschätzungs- und Bewertungsprozessen, auf der Ebene von Gefühlen, die durch Konfrontation mit herausfordernden Situationen hervorgerufen werden, auf der Ebene motorischen Verhaltens und auf der Ebene neuronaler und neuroendokriner Aktivierungen im Organismus (den sog. Stressachsen). Kann diese Diskrepanz durch erfolgreiche Anstrengung dennoch beseitigt werden, so geht dies einher mit positiver Wahrnehmung (z.B. Überzeugung der Selbstwirksamkeit) und positiven (Erfolgs)-Gefühlen. Trotz hoher Intensität wird die Beanspruchung des autonomen Nervensystems durch Aktivierung von Stressachsen zeitlich begrenzt, und es erfolgen gegenregulierende Entspannungs- und Regenerationsprozesse. In diesem Fall spricht man von \'Eustress\' (eu = griech. wohltuend). Diese Stressreaktionen sind so lange nicht gesundheitsschädigend, als sie nicht in einen lang andauernden Zustand übermäßiger Beanspruchung hineinführen. Im Gegenteil: ein gewisses Maß an Eustress ist für das vitale Funktionieren des Organismus und für die angemessene psychosoziale Entwicklung förderlich.
Erfolgt dagegen fortgesetzte Verausgabung in einer herausfordernden oder bedrohlichen Situation, ohne dass diese kontrolliert bzw. gemeistert werden kann, entstehen sog. Distressreaktionen (griech. dis = ungünstig, negativ). Trotz hoher Verausgabung gelingt es nicht, die Aufgabe zu bewältigen. Gründe hierfür können sowohl in der Beschaffenheit der Situation (sog. Stressor) wie auch in den Fähigkeiten und Ressourcen der Person liegen. Distressreaktionen gehen einher mit der Wahrnehmung von Gefahr, Unvermögen und Misserfolg sowie mit Gefühlen der Angst, der Verärgerung oder der Verzweiflung. Wenn die Situation kein Ausweichen gestattet und wenn ein wichtiges Ziel mit der Aufgabenbewältigung verbunden ist, gestalten sich Distressreaktionen besonders intensiv und lang andauernd (chronisch). Die Stressachsen im Organismus werden nachhaltig aktiviert. Alarmreaktionen erhöhen die Stoffwechselprozesse, ohne dass diese – z.B. durch motorisches Ausagieren in Kampf- oder Fluchthandlungen – wieder abgebaut werden können. Über längere Zeiträume hinweg führen chronische Distressreaktionen somit zu Fehlregulationen in einzelnen Organsystemen, die im Verein mit anderen Risikofaktoren den Ausbruch einer Krankheit beschleunigen können (Weiner,  1992).
Besonders intensiv sind die Auswirkungen von chronischem Distress im Bereich des Herz-Kreislauf-Systems untersucht worden: Anstieg des Blutdrucks, Veränderung von Blutfettwerten und Blutgerinnung und Veränderung der Herzfrequenz tragen zur Beschleunigung schädlicher Ablagerungen in den Arterien bei (Atherosklerose). Diese Prozesse begünstigen wiederum das Risiko eines Herzinfarktes oder sogar eines plötzlichen Herztodes. Als Folge langandauernder Distressreaktionen kann auch das körpereigene Abwehrsystem geschwächt werden, und es zeigen sich erhöhte Beschwerden im Verdauungsbereich, im muskuloskeletalen Bereich ebenso wie im Bereich von Reproduktions- und Sexualfunktionen. Schließlich werden Erschöpfungszustände, Schlafstörungen und depressive Verstimmungen als Folge von chronischem Distress erfahren.

II. Modelle zur Erfassung von Stress am Arbeitsplatz


Distresserfahrungen am Arbeitsplatz variieren nach Branchenzugehörigkeit, Aufgabenprofil und betrieblichem Kontext im starken Maße. Die zu ihrer Bewältigung von den Beschäftigten eingesetzten inneren und äußeren Ressourcen erhöhen die Komplexität eines Zusammenhangs zwischen Arbeitsstress und Gesundheit weiter. Dennoch ist es in gewissem Umfang möglich, \'toxische\' Elemente von Arbeitsorganisation, Arbeitsablauf und makroökonomischem Kontext auf einer allgemeineren Ebene zu identifizieren, wodurch vergleichende Aussagen über verschiedene Arbeitsplätze und Berufsgruppen hinweg ermöglicht werden. Hierzu ist es allerdings erforderlich, von dem erwähnten präzisierten Verständnis von Stress auszugehen und dessen \'toxische\' Komponenten anhand theoretischer Modelle zu erfassen.
In der gegenwärtigen Forschung wird in diesem Zusammenhang das sog. Anforderungs-Kontroll-Modell mit besonderer Intensität untersucht. Nach diesem Modell treten Distresserfahrungen am Arbeitsplatz dann vermehrt auf, wenn hohe Anforderungen (v.a. infolge von Zeitdruck) mit einem geringen Grad an Kontrolle über den Arbeitsablauf bzw. einem geringen Entscheidungsspielraum am Arbeitsplatz zusammentreffen (Karasek, /Theorell,  1990). Klassisches Beispiel hierfür ist die Fließbandarbeit, jedoch finden sich ähnliche Konstellationen auch in statusniedrigen Dienstleistungsberufen. Fehlt an solchen Arbeitsplätzen zusätzlich ein sozialer Rückhalt durch Kollegen oder Vorgesetzte, dann wird die Distressbelastung weiter verschärft. In einer Vielzahl wissenschaftlicher Studien sind gesundheitliche Folgen dieser Form von Stressbelastungen am Arbeitsplatz belegt worden, von denen immerhin, je nach Branche und Berufsposition, zwischen 10 und 30% der Beschäftigten betroffenen sind (Karasek, /Theorell,  1990; Schnall, et al. 2000).
Einen weiteren, gegenwärtig ebenfalls intensiv untersuchten Ansatz zur Erfassung gesundheitlicher Auswirkungen von Stressbelastungen am Arbeitsplatz stellt das Modell beruflicher Gratifikationskrisen dar. Dieses Modell geht von der in der Tauschbeziehung der Erwerbsrolle angelegten sozialen Reziprozität aus: für erbrachte Leistungen werden Gratifikationen in Form dreier gesellschaftlich sanktionierter \'Transmitter\' gewährt: Lohn bzw. Gehalt, Achtung und Wertschätzung sowie beruflicher Aufstieg und Arbeitsplatzsicherheit (Siegrist,  1996). Ausgeprägte Stressreaktionen sind nach diesem Modell dort zu erwarten, wo fortgesetzt hohen Verausgabungen keine angemessenen Gratifikationen gegenüberstehen, Situationen also, die durch hohe Kosten bei niedrigem Gewinn gekennzeichnet sind.
Dieses Modell trägt neueren Entwicklungen des Erwerbslebens Rechnung, die sich im Zeitalter der Globalisierung durch hohe Arbeitsplatzunsicherheit, starke, häufig erzwungene Arbeitsplatzmobilität, eine Ausdifferenzierung von Belegschaften in Kern- und Randbelegschaften sowie wachsende Lohn- bzw. Gehaltsdifferenzierungen auszeichnen. Es erfasst chronische Distresserfahrungen durch eine Verknüpfung von arbeitplatz- und arbeitsmarktbezogenen Belastungen. Ferner trägt es der Komplexität individueller Belastungserfahrungen dadurch Rechnung, dass individuenspezifische und situationsbezogene Informationen kombiniert werden. Auch zu diesem Modell sind umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt worden, welche erhöhte gesundheitliche Folgelasten belegen (Dunham,  2000; Schnall, et al. 2000; Siegrist,  2005).
Durch die Analyse der getrennten und der kombinierten Wirkungen, die von Distresserfahrungen im Sinne der beiden beschriebenen Modelle ausgehen, sowie durch die Einbeziehung außerberuflicher Belastungen und der zu ihrer Verminderung oder Steigerung beitragenden Regenerationsmöglichkeiten in der Freizeit werden Erkenntnisse in diesem Gebiet weiter präzisiert.

III. Ausgewählte empirische Befunde


Zu den beiden genannten Modellen hat die internationale Forschung eine Reihe neuer Erkenntnisse beigetragen. Will man überprüfen, ob psychosoziale Arbeitsbelastungen ursächlich am Zustandekommen erhöhter Erkrankungsrisiken beteiligt sind, so bildet die prospektive epidemiologische Studie den methodischen Goldstandard. Hierbei handelt es sich um einen Studienplan, in dem eine möglichst umfangreiche, bezüglich der Zielkrankheiten gesunde Beschäftigtengruppe, deren Arbeitsbelastungen zu Beginn festgestellt werden, über einen längeren Zeitraum verfolgt wird. Treten in diesem Zeitraum in der Gruppe der durch hohe Belastung charakterisierten Beschäftigten mehr neue Erkrankungen auf als nach dem Zufallsprinzip zu erwarten wäre, so ist dies ein deutlicher Hinweis auf die unterstellte Ursache-Wirkungs-Beziehung. Dieses \'mehr\' an neuen Krankheiten kann man anhand des sog. relativen Risikos (odds ratio) quantifizieren. Die Zahl drückt aus, um wie viel höher die Wahrscheinlichkeit eines Krankheitsereignisses bei den durch beruflichen Distress belasteten im Vergleich zu den nicht oder nur geringfügig belasteten Beschäftigten ist. Im letzteren Fall beträgt das relative Risiko 1.0.
Prospektive epidemiologische Studien sind sehr zeitaufwendig und kostspielig. Daher werden häufig sog. Querschnittstudien durchgeführt, bei denen statistische Zusammenhänge zwischen Indikatoren von chronischem Distress im Arbeitsleben und Gesundheitsindikatoren überprüft werden, ohne eine Aussage über eine mögliche kausale Verknüpfung machen zu können. Umso wichtiger ist es, die epidemiologische Forschungsrichtung um experimentelle Untersuchungen zu ergänzen, die entweder in Laborsituationen Stressreaktionen analysieren oder aber anhand ambulanter Registriergeräte Stressreaktionen unter realen Arbeitsbedingungen aufzeichnen. Beide Verfahrensweisen sind auch bereits unter Verwendung der erwähnten Stressmodelle praktiziert worden. Nachfolgend sollen einige ausgewählte Forschungsergebnisse zu beiden Modellen referiert werden.
Bezüglich des Anforderungs-Kontroll-Modells konnte die Hypothese eines Zusammenhangs zwischen Arbeitsstress und koronarer Herzkrankheit in sechs von zehn Studien bestätigt werden. Allerdings zeigte die Variable \'geringe Kontrolle\' den erwarteten Effekt durchgängiger als die Kombination der beiden Variablen \'Anforderung\' und \'Kontrolle\'. Am stärksten war der Zusammenhang bei männlichen Beschäftigten unterer sozialer Schichten ausgeprägt. Das relative Risiko, bei Arbeitsstress einen Herzinfarkt zu erleiden, lag dort zwischen 1.5 und 4.0. Andere Untersuchungen zeigten einen Zusammenhang zwischen hoher Anforderung, niedriger Kontrolle am Arbeitsplatz und hohem Blutdruck. Ferner gibt es Hinweise auf entsprechende Zusammenhänge bezüglich Stoffwechselstörungen ebenso wie gesundheitsschädigende Verhaltensweisen (v.a. Zigarettenrauchen). Schließlich wurde Arbeitsstress im Sinn des Modells mit erhöhter Depressionsneigung, vermehrten muskuloskeletalen Beschwerden sowie einem vermehrten Fernbleiben vom Arbeitsplatz (Fehlzeiten) in Zusammenhang gebracht (Schnall, et al. 2000).
Die empirische Evidenz zur Erklärungskraft des Modells beruflicher Gratifikationskrisen ist in jüngster Zeit stark gewachsen. Gegenwärtig belegen vier prospektive Studien, dass das relative Risiko eines Herzinfarktes bei Vorliegen beruflicher Gratifikationskrisen zwei- bis vierfach erhöht ist (Schnall, et al. 2000; Siegrist,  2005). Eine weitere Studie zeigte einen Zusammenhang mit der Zunahme atherosklerotischer Ablagerungen in der Halsschlagader. Verschiedene Untersuchungen weisen außerdem auf Einflüsse chronischer beruflicher Distresserfahrungen auf bedeutsame koronare Risikofaktoren hin, vor allem das gemeinsame Auftreten von Bluthochdruck und erhöhten Blutfettwerten.
Weitere Forschungsergebnisse beziehen sich auf verstärkte Depressionsneigung, verstärkte Suchtneigung (Alkohol), eine höhere Rate muskuloskeletaler Beschwerden und eine schlechtere, subjektiv eingeschätzte Gesundheit. So fand z.B. eine groß angelegte Studie in Großbritannien, dass bei Männern, die unter beruflichen Gratifikationskrisen litten, das Risiko, alkoholabhängig zu sein, um das knapp Zweifache gegenüber beruflich nicht Belasteten erhöht war.

IV. Praktische Folgerungen


Die anhand neuer Stressmodelle im Arbeitsleben erzielten Erkenntnisse zu gesundheitlichen Gefährdungen legen präventive Maßnahmen nahe. Üblicherweise beschränken sich solche Maßnahmen auf die individuelle oder gruppenbezogene Stressbewältigung. So sinnvoll ein verbesserter Umgang mit Stressbelastung und eine verbesserte Entspannungsfähigkeit sind, so sehr bedürfen sie doch einer Ergänzung um Maßnahmen auf struktureller Ebene. Innerhalb des Betriebs sind in erster Linie Maßnahmen der Organisationsentwicklung und der Personalentwicklung angesprochen, zweier Maßnahmenbündel, die bisher kaum in ihrer engen Verbindung mit der Gesundheit der Beschäftigten konzipiert und realisiert worden sind.
Spezifische Maßnahmen der Organisationsentwicklung werden durch das Anforderungs-Kontroll-Modell nahegelegt. Hier geht es vorrangig darum, den Handlungsspielraum innerhalb des Tätigkeitsprofils von Beschäftigten zu erweitern. Hierzu zählen Maßnahmen des Job-enrichment, Job-enlargement, ggf. der Einführung teilautonomer Gruppenarbeit. Verschiedene Interventionsstudien haben günstige, auch gesundheitsförderliche Wirkungen solcher Maßnahmen belegt (Karasek, /Theorell,  1990). Eine Erhöhung von Kommunikations- und Partizipationschancen, ein verbesserter Informationsfluss und eine Verflachung innerbetrieblicher Hierarchien bilden weitere Elemente eines solchen Maßnahmenkatalogs. Schließlich sind die inner- und überbetrieblichen Fort- und Weiterbildungsangebote auszubauen, um auf diese Weise den Beschäftigten Lern- und Entwicklungschancen und eine damit verbundene berufliche Aufstiegschance zu ermöglichen.
Bei strukturellen Maßnahmen, die sich aus dem Modell beruflicher Gratifikationskrisen ableiten lassen, geht es zum einen um befriedigendere Regelungen der Lohn – Leistungsrelation bei entsprechend benachteiligten, d.h. besonders belasteten Beschäftigtengruppen. Hierzu zählen der Ausbau kompensierender Lohndifferentiale, eine stärkere Verknüpfung von Beschäftigungsdauer und Lohnhöhe bzw. eine stärkere Berücksichtigung erwerbsbiographischer Investitionen in das aktuell verfügbare Leistungsspektrum sowie der Ausbau von Bonussystemen einschließlich Gewinnbeteiligung. Zum anderen wird auch ein Ausbau nicht-monetärer Gratifikationen notwendig, z.B. die Förderung eines innerbetrieblichen \'Achtungsmarktes\', eine Flexibilisierung und Individualisierung von Arbeitszeiten oder die kompensierende bzw. flankierende Darbietung betriebsinterner Dienstleistungen (z.B. Betriebssport, Betriebskindergarten). Verbesserte, unter gesundheitsförderlichen Aspekten konzipierte Personalentwicklungsmaßnahmen sind ebenso notwendig, so beispielsweise qualifikationsgerechte Aufstiegsmöglichkeiten im Betrieb, Honorierung von Betriebstreue und Leistungsqualität durch gewährte Arbeitsplatzsicherheit (Dunham,  2000; Siegrist,  1996).
Diese Maßnahmen der Personal- und Organisationsentwicklung sind auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten positiv zu beurteilen. So hat eine amerikanische Studie, welche mehrere Dutzend unterschiedliche Firmen bezüglich der Entwicklung ihres wirtschaftlichen Erfolges vergleichend analysierte, gezeigt, dass die Gruppe der wirtschaftlich besonders erfolgreichen Unternehmen die folgenden Gemeinsamkeiten aufwies: 1. Arbeitsplatzsicherheit; 2. gezieltes Einstellen von neuem Personal; 3. eigenverantwortliche Arbeitsgruppen, Dezentralisierung; 4. angemessene Bezahlung; 5. umfassende Fortbildung; 6. geringe Statusunterschiede; 7. transparente Unternehmensinformation (Pfeffer,  1998).

V. Ausblick


Trotz der vorgestellten wissenschaftlichen Befunde muss eine umfassende Wirksamkeit betrieblicher Gesundheitsförderung durch gezielte Stressprävention am Arbeitsplatz kritisch betrachtet werden. Es scheint sicher, dass Randbelegschaften, prekär und instabil Beschäftigte, von Arbeitslosigkeit betroffene oder sie befürchtende Personen von solchen Verbesserungen am wenigsten spüren werden. Je mehr die Mobilität von Arbeitsplätzen, einschließlich Heimarbeit oder Fahrberufen, zunimmt, desto schwieriger dürfte es sein, gesundheitsfördernde Maßnahmen der Arbeit zu realisieren. Ähnliches gilt für viele Kleinbetriebe. In realistischer Einschätzung scheinen daher die Kernbelegschaften der Mittel- und Großbetriebe in den Hochlohnländern Hauptadressaten betrieblicher Gesundheitsförderung durch vermehrte Stressbewältigung zu sein. Angesichts dieser Begrenzungen ist es umso wichtiger, diejenigen Berufsgruppen für diese Aufgaben zu qualifizieren und zu motivieren, welche für die Qualität der Arbeit sowie die Leistungsfähigkeit und Gesundheit der Beschäftigten verantwortlich sind.
Literatur:
Dunham, J. : (Hrsg.) Stress in the Workplace. Past, Present and Future, London 2000
Karasek, R. A./Theorell, T. : Healthy Work, Stress, Productivity, and the Reconstruction of Working Life, New York 1990
Pfeffer, J. : Human Equation. Building Profit by Putting People First, Boston 1998
Schnall, P. L. : (Hrsg.) The Workplace and Cardiovascular Disease. Occupational Medicine: State of the Art Reviews, Philadelphia 2000, S. 1 – 334
Siegrist, J. : Soziale Krisen und Gesundheit, Goettingen 1996
Siegrist, J. : Social Reciprocity and Health: New Scientific Evidence and Policy Implications. Psychoneuroendocrinology 30, 2005, S. 1033 – 1038
Weiner, H. : Perturbing the Organism. The Biology of Stressful Experience, Chicago 1992

 

 


 

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