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Arbeitsorganisation


Inhaltsübersicht
I. Begriff und zentrale Themen der Arbeitsorganisation
II. Arbeitsorganisation zwischen Humanität und Wirtschaftlichkeit
III. Arbeitsorganisation als Wettbewerbsvorteil
IV. Ergebnisse empirischer Forschung
V. Zusammenfassung

I. Begriff und zentrale Themen der Arbeitsorganisation


Arbeitsorganisation ist ein Feld, das aus unterschiedlichen Perspektiven bearbeitet wird (insb. Industriesoziologie und Arbeitspsychologie). Aus betriebswirtschaftlicher Sicht kann hier zunächst auf die Aufgabe verwiesen werden, das Verhältnis von Faktoreinsatz und Faktorertrag im Hinblick auf den Einsatz von Arbeitnehmern zu untersuchen (vgl. Ridder, Hans-Gerd  2002). Organisationstheoretisch stellt sich die Frage, wie komplexe Tätigkeiten, Aufgaben und Handlungen zwischen Menschen in einer Organisation aufgeteilt und koordiniert werden. Arbeitsorganisation ist damit abzugrenzen von der Aufbauorganisation einerseits (Formalstruktur der Abteilungen, Stellen, Instanzen) und der (ergonomischen) Gestaltung der Arbeitsplätze andererseits. Im Folgenden wird Arbeitsorganisation als Festlegung der Aufgabenverteilung (Aufgabenanalyse; Stellen- und Abteilungsbildung) zwischen Arbeitnehmern und der Bestimmung der Arbeitsinhalte und -abläufe behandelt. Mit dieser Spezifizierung kann die Beschäftigung mit Arbeitsorganisation an zwei Bearbeitungsstränge angeschlossen werden. Ein durchgängiger Untersuchungsgegenstand beinhaltet die Frage nach der Effizienz der Arbeitsorganisation und ihre Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer (s. Abschnitt II). In jüngerer Zeit wird danach gefragt, ob und in welcher Form Arbeitsorganisation als Wettbewerbsvorteil interpretiert werden kann (s. Abschnitt III). Eine Übersicht über empirische Befunde beschließt dieses Stichwort (s. Abschnitt IV).

II. Arbeitsorganisation zwischen Humanität und Wirtschaftlichkeit


1. Taylorismus und Fordismus


Die Prinzipien der Arbeitsteilung sind untrennbar mit dem Namen F. W. Taylor verbunden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat er durch seine Ideen die lange Zeit dominierende Form der Arbeitsorganisation maßgeblich beeinflusst. Insbesondere in seinem Buch „ Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung “ (Taylor, Frederick Winslow  1913/1977) hat Taylor Prinzipien für die Kombination von Arbeitsteilung und Technikeinsatz entwickelt, die als „ Taylorismus “ im Kern fünf Elemente umfassen:

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Auslese: Hier geht es darum, den „ besten Mann “ für spezifische Verrichtungen herauszufinden.

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Arbeitsanalyse: Alle überflüssigen Bewegungen und Operationen einer Tätigkeit werden eliminiert, geeignete Werkzeuge werden ausgewählt. Anschließend werden mit Zeiterfassungssystemen alle Operationen gemessen, und die Reihenfolge der Teiloperationen wird so angeordnet, dass sie sich auf die schnellste Art und Weise ausführen lassen. Dieser Grundgedanke hat sich im Fließband auf unübersehbare Weise manifestiert.

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Anleitung: Der „ beste Mann “ wird nun darin eingewiesen, wie auf die vorgeschriebene bestmögliche Weise die Teilverrichtung auszuführen ist, wie bestimmte Werkzeuge in einer vorgeschriebenen Reihenfolge zu benutzen und die durch Zeitnehmer festgelegten Zeitvorgaben einzuhalten sind.

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Trennung von Hand- und Kopfarbeit: Der Arbeitsteilung auf horizontaler Ebene entspricht die Arbeitsteilung auf vertikaler Ebene. Im Taylorismus werden Spezialisierungsvorteile darin gesehen, dass die Leitung eines Unternehmens den Planungs- und Organisationsprozess permanent verbessert, während Arbeiter von diesen Verbesserungen auf der Ausführungsebene durch höhere Produktivität und damit höhere Löhne profitieren.

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Verknüpfung von Lohn und Leistung: Es wird davon ausgegangen, dass Arbeitnehmer in erster Linie durch höhere Löhne zu schnellerer Arbeit motiviert werden können.


Die Anwendung der tayloristischen Prinzipien erfuhr eine erhebliche Breitenwirkung im sog. „ Fordismus “ , als Henry Ford, Henry diese Prinzipien mit mechanischen Abläufen im Fließband verband und in der Automobilindustrie einsetzte. Die Verbindung von tayloristischen Prinzipien der Arbeitsorganisation mit mechanischer Fließbandtechnologie legte das Fundament für die industrielle Massenproduktion. Handlungsspielräume waren durch die getakteten Arbeitsvorgaben weitgehend ausgeschlossen (vgl. Berggren, Christian  1991).

2. Pathologien der tayloristischen Arbeitsorganisation


Aus humanitärer Sicht wird die kollektive Prosperität mit erheblichen individuellen Nachteilen erkauft und führt zu Widerständen in Politik, Gewerkschaften und bei den Arbeitnehmern selbst. Der menschliche Körper wird im Taylorismus einseitig belastet und geschädigt, was sich bspw. in einem hohen Krankenstand niederschlägt. Enge Aufgabenstellungen ohne eigene Dispositionsfähigkeit werden nicht akzeptiert und fördern die Bereitschaft, den Arbeitsplatz bzw. das Unternehmen zu wechseln. Die durch monotone Tätigkeit entstehende psychische Belastung führt zu Resignation und Gleichgültigkeit gegenüber dem Produkt und dem Produktionsablauf. Der Widerstand gegen eine scheinbar durch technische Vorgaben erzwungene Arbeitsorganisation entwickelt sich zur Auseinandersetzung um Arbeitsbedingungen, Lohnhöhe und Kontrolle über den Arbeitsprozess (vgl. Braverman, Harry  1977; Edwards, Richard  1981).
Auch aus ökonomischer Sicht wird der Taylorismus eher kritisch beurteilt (vgl. Ridder, Hans-Gerd  1999, S. 300 ff.):

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hohe Kosten aufgrund von physischen und psychischen Deprivationen (z.B. Fehlzeiten);

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Kosten der personalwirtschaftlichen Anreizsysteme zur Aufrechterhaltung und Erhöhung der Leistung;

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hohe Kontroll- und Qualitätskosten dienen der Aufrechterhaltung einer marktfähigen Produktqualität;

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mangelnde Effizienz aufgrund langer Durchlaufzeiten und hoher Gemeinkosten.


Beide Kritikfelder haben für andauernde Diskussionen über das Spannungsfeld von Humanität und Wirtschaftlichkeit gesorgt und in unterschiedlichem Ausmaß Alternativentwürfe generiert.

3. Flexibilitätskonzepte als Antwort auf Konkurrenz am Arbeitsmarkt


In den 1970er-Jahren gab die Firma Volvo Anstoß für arbeitsorganisatorische Experimente, da sie Schwierigkeiten hatte, für die Fließbandtätigkeit junge Arbeitnehmer zu rekrutieren (vgl. ausführlich Bartölke, Klaus  1992). Vor dem Hintergrund eines ausgereizten Arbeitsmarktes traten bei diesen Formen der Arbeitsorganisation erhebliche Absentismus-, Fluktuations- und Qualitätsprobleme auf. Mit neuen Formen der Arbeitsorganisation, insb. Gruppenarbeit, wollte die Firma Volvo diese Probleme beheben und gleichzeitig ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigern.
Zur selben Zeit wurde in Deutschland von der damaligen Bundesregierung ein Forschungsprogramm aufgelegt, das die Humanisierung des Arbeitslebens fördern sollte (vgl. Gohl, Jürgen  1977). Im Rahmen arbeitswissenschaftlicher Forschung, in Pilotprojekten und betrieblichen Humanisierungsprojekten wurden Grundprobleme der horizontalen Arbeitsteilung identifiziert und neue Formen der Arbeitsorganisation erprobt. Im Ergebnis können drei Standardformen des flexiblen Arbeitseinsatzes unterschieden werden:

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Job enrichment: Erweiterung der Autonomie, indem bestehende Tätigkeiten um vor- und nachgelagerte Tätigkeiten erweitert werden (z.B. Planungs- und Kontrolltätigkeiten).

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Job enlargement/Job rotation: Erweiterung der Variabilität, indem verschiedene aber gleichartige Tätigkeiten durch den Arbeitnehmer ausgeführt werden.

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Teilautonome Gruppenarbeit: Die Erstellung eines (Teil-)Produktes wird der Gruppe verantwortlich übertragen. Innerhalb der Gruppen können die Arbeitnehmer zwischen verschiedenen Arbeitsplätzen wechseln und den Arbeitsumfang der einzelnen Arbeitsschritte selbst festlegen.


Bereits in diesem Forschungsprogramm wurden positive Auswirkungen der Rücknahme von Arbeitsteilung auf Produktivität, Reduzierung von Krankenstand, Qualität der Produkte etc. festgestellt. Da diese Konzepte aber im Wesentlichen als Motor einer Humanisierung und Demokratisierung der Arbeitswelt konzipiert wurden, war die Akzeptanz in der Industrie eher schwach ausgeprägt, und die Projekte wurden ohne Subventionierung nicht weiter verfolgt (vgl. Ridder, Hans-Gerd/Janisch, Rainer/Bruns, Hans-Jürgen  1993).

III. Arbeitsorganisation als Wettbewerbsvorteil


1. Flexible Arbeitnehmer für flexible Organisationen: Die Entwicklung neuer Produktionskonzepte


Seit den 1980er-Jahren wird Arbeitsorganisation weniger als Abwehr und Überwindung von tayloristischen Pathologien oder Reaktion auf die Konkurrenz um qualifizierte Arbeitnehmer verstanden, sondern Arbeitsorganisation wird Bestandteil von unternehmensstrategischen Neuorientierungen. Vor dem Hintergrund eines sich weltweit verschärfenden Wettbewerbs auf den Produktmärkten fokussieren die Unternehmensstrategien auf höhere Flexibilität in der Anpassung an die Nachfrage und suchen nach Formen der Arbeitsorganisation, in denen die Vorteile der industriellen Massenproduktion mit der Notwendigkeit einer höheren Flexibilität kombiniert werden können. Dieser Zusammenhang wird in neuen Produktionskonzepten unterschiedlich entwickelt:

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Flexible Spezialisierung (vgl. Piore, Michael J./Sabel, Charles F.  1985);

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systemische Rationalisierung (vgl. Kern, Horst/Schumann, Michael  1984);

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anthropozentrische Rationalisierung (vgl. Brödner, Peter  1986);

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schlanke Produktion (vgl. Womack, James P./Jones, Daniel T./Roos, Daniel  1994);

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Business Reengineering (vgl. Hammer, Michael/Champy, James  1996).


Diese Konzepte beinhalten verschiedene Ansatzpunkte, um die Qualifikation von Arbeitnehmern, die Verbreiterung von Arbeitsinhalten und die Integration von indirekten und dispositiven Funktionen in den Arbeitsablauf nach Maßgabe der sich verändernden Markt- und Wettbewerbssituation zu fördern. Im Kern können diese Konzepte als Bestandteil einer Umorientierung gewertet werden, in der schnelle technische Entwicklung und flexible Anpassung an Märkte nur durch flexiblere Organisationsformen und anpassungsfähige Arbeitnehmer erreicht werden können. Entsprechend werden korrespondierende Flexibilisierungspotenziale durch Modularisierung, Enthierarchisierung, Dezentralisierung und Netzwerkbildung in der Binnenstruktur erprobt (vgl. Picot, Arnold/Reichwald, Ralf/Wigand, Rolf T.  2001) und durch neue Formen der Arbeitszeit, z.B. Telearbeit ergänzt. Insbesondere Formen alternierender Telearbeit erweitern die Flexibilitätspotenziale in zeitlicher und räumlicher Hinsicht, wenn Arbeitnehmern eine größere Autonomie im Hinblick auf die Frage eingeräumt wird, ob Tätigkeiten im Betrieb oder (teilweise) in anderen Arbeitsstätten oder an häuslichen Arbeitsplätzen durchgeführt werden (vgl. Ridder, Hans-Gerd/Jensen, Theda  2002).

2. Selbststeuernde Arbeitsgruppen als arbeitsorganisatorische Basis neuer Produktionskonzepte


Als zentrales Element dieser Produktionskonzepte gelten die Einführung und der Ausbau von sich selbststeuernden Arbeitsgruppen. Es werden nicht nur Tätigkeitsspielräume durch Aufgabenintegration, sondern auch Entscheidungsspielräume der Arbeitnehmer erweitert. Damit soll sich auch die abhängige Rolle der Mitarbeiter verändern. Arbeitnehmer einer Gruppe sollen nicht vorgegebenen Regeln und Prozeduren der Arbeitsvorbereitung folgen, sondern zur Bewältigung der Aufgabe eigene Regeln und Arbeitsprozeduren aufstellen. Dieses Empowerment erfordert nicht nur, die beruflichen Fähigkeiten von Arbeitnehmern zu vertiefen, sondern auch deren Eigeninitiative, Selbstdisziplin und Motivation zu fördern (vgl. Lee, Mushin/Koh, Joon  2001). Empowerment wird verstärkt eingesetzt, um die Leistungsfähigkeit dadurch zu erhöhen, dass Anforderungen an die Flexibilität von Unternehmen nicht mehr ausschließlich an das Management, sondern in gleicher Weise an die Koordinations- und Kontrollfähigkeit von Gruppen geknüpft werden. Damit steuern Gruppen ihren Arbeitsprozess selbst und verfügen über Handlungsspielräume, um ihre Arbeitsergebnisse in hohem Maße selbst kontrollieren zu können (vgl. Ridder, Hans-Gerd et al. 2001, S. 90 ff.).
Allerdings differieren die Vorstellungen darüber, in welchen Ausprägungen diese Formen der Arbeitsorganisation zu den wirtschaftlichen Zielen beitragen. Das Spektrum reicht von an tayloristischen Prinzipien ausgerichteten Fertigungsteams, die an japanischen Produktionskonzepten (lean production) orientiert sind, bis zu weitgehend autonomen Gruppen, die Planung, Arbeitsorganisation und Kontrolle in eigener Verantwortung organisieren und die sich an europäisch/skandinavischen Produktionskonzepten (anthropozentrisch/systemisch) orientieren (vgl. Adler, Paul S./Cole, Robert E.  1993). Für die Automobilindustrie verweist bspw. Springer (Springer, Roland  1999) auf Ausprägungen dieses Spektrums als konkurrierende Ansätze: In der partizipativen Rationalisierung wird auf die aktive Beteiligung der Arbeitnehmer bei der Entwicklung neuer Rationalisierungsstrategien gesetzt. Hier werden die damit verbundene Einbeziehung von konkurrierenden Interessen und die positiven Wirkungen auf eine humane Arbeitsorganisation positiv, aber die damit verbundene langsamer greifende wirtschaftliche Wirkung negativ interpretiert. In der spezialisierten Rationalisierung werden Produktivitätsrückstände als Begründung herangezogen, um Standardisierung und Spezialisierung zu intensivieren und den Einfluss der Arbeitnehmer zu relativieren.

IV. Ergebnisse empirischer Forschung


Empirische Untersuchungen zur Verbreitung und zu den Wirkungen von neuen Formen der Arbeitsorganisation haben als grundsätzliches Problem unterschiedliche Definitionen und Typologisierungen. In einer Durchsicht von Überblicks- und Metaanalysen kommt Antoni (Antoni, Conny H.  1997) zu dem Ergebnis, dass die dort referierten Effekte mit unterschiedlichen Methoden erhoben wurden, was ihre Vergleichbarkeit erschwert. Auch im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen werden widersprüchliche Untersuchungsergebnisse vorgestellt.
Im Hinblick auf den Verbreitungsgrad kann festgestellt werden, dass die Diskrepanz zwischen der publizistischen Aufmerksamkeit und der realen Verbreitung erheblich ist. In einer vergleichenden europäischen Untersuchung (vgl. Friedrich, Andrea et al. 2000) geben nur ein Fünftel der befragten Unternehmen an, dass sie systematisch Job rotation durchführen. Im Hinblick auf Gruppenarbeit zeigt sich, dass Zahlen zu ihrer Verbreitung in Abhängigkeit von herangezogenen Kriterien differieren. In der zehn europäische Länder umfassenden EPOC-Studie (32.000 Betriebe; Rücklaufquote 18%) wird auf der Basis von Schlüsselkategorien die Verbreitung von Gruppenarbeit vergleichend untersucht. Bei diesen Schlüsselkategorien handelt es sich um die Entscheidungsvollmacht der Gruppe im Hinblick auf Arbeitszuweisung, Arbeitsplanung, Arbeitsqualität, Einhaltung von Terminen, An- und Abwesenheitskontrolle, Job rotation, Arbeitsabsprachen mit anderen betriebsinternen Gruppen, Verbesserung von Arbeitsabläufen. Die Autoren stellen fest, dass lediglich 4% der befragten Betriebe europaweit Gruppenarbeit als dominierendes Arbeitsorganisationsprinzip aufweisen. Nur hier werden die o.a. Kategorien überwiegend erreicht, und es sind mehr als 70% der Kernbelegschaft in Gruppenarbeit einbezogen. Als wesentliche Motive zur Einführung von Gruppenarbeit werden Qualität und kontinuierliche Verbesserung genannt. Die Verbreitung in Deutschland wird als unterdurchschnittlich ausgezeichnet, und es dominieren ökonomische Ziele. Als ökonomische Effekte werden im Wesentlichen die Verbesserung der Qualität von Gütern und Dienstleistungen, höhere Produktivität und verbesserte Durchlaufzeiten hervorgehoben (vgl. Benders, Jos et al. 1999).
Bei der Analyse der Wirkungen unterschiedlicher Formen der Arbeitsorganisation haben Großunternehmen im Automobilbau besondere Aufmerksamkeit erhalten, da hier aufgrund des internationalen Konkurrenzdrucks und der Überschaubarkeit der Branche eine Vielzahl von Pilotprojekten durchgeführt wurde. In einer Untersuchung der Gruppenarbeitsprojekte der Mercedes Benz AG wird die betriebswirtschaftliche Vorteilhaftigkeit von Gruppenarbeit bestätigt (vgl. Schumann, Michael/Gerst, Detlef  1997). In der wissenschaftlichen Begleitforschung zeigen sich allerdings Unterschiede im Hinblick auf die Durchsetzung und Akzeptanz der Gruppenarbeitskonzepte. So wurde festgestellt, dass in teilautomatisierten Fertigungsbereichen Gruppenarbeit leichter zu realisieren ist als in der manuellen Fertigung. Dort wird an kurzgetakteten Bewegungsroutinen festgehalten, auch wenn das Bearbeitungsspektrum durch vor- und nachgelagerte Arbeiten erweitert wird. In einer Untersuchung von Antoni (Antoni, Conny H.  1995) werden in Bezug auf teilautonome Arbeitsgruppen zwei Effekte genannt. In personeller Hinsicht nennen die befragten Unternehmen eine höhere Motivation und Verantwortung der Arbeitnehmer, eine Steigerung der Identifikation und eine höhere Arbeitszufriedenheit. In wirtschaftlicher Hinsicht nennen die Unternehmen eine Steigerung der Produktivität und Flexibilität, die Verbesserung der Qualität und die Reduzierung von Fehlzeiten. Als Hauptprobleme benennt Antoni im Hinblick auf teilautonome Arbeitsgruppen mangelnde Akzeptanz und Qualifikation bei den Arbeitnehmern und Widerstände beim mittleren Management (insb. Meister), das einen Funktionswandel zu durchlaufen hat. In eine ähnliche Richtung weisen Befunde von Bungard und Jöns (Bungard, Walter/Jöns, Ingela  1997). In ihrer empirischen Untersuchung in 84 Unternehmen überwiegt die Einführung von Gruppenarbeit, die sich an dem Konzept der lean production orientiert. Negativ werden Zeitdruck und geringere zeitliche Autonomie bewertet. Positiv werden größere Selbständigkeit, mehr Abwechslung und eine verbesserte Zusammenarbeit gesehen.
Ein Systemvergleich im Hinblick auf ökonomische und humane Effekte fällt schwer. Antoni (Antoni, Conny H.  1994) weist darauf hin, dass empirische Untersuchungen den Fertigungsteams in vielen Bereichen eine höhere Produktivität bescheinigen. Es bleibt aber unklar, ob diese höhere Produktivität auf den Einfluss der Fertigungsteams oder auf vorgelagerte Entscheidungen über die technische Infrastruktur und die Einbeziehung der Vorlieferanten zurückzuführen ist. Im Rahmen einer dreijährigen Studie untersuchen Frieling und Freiboth (Frieling, Ekkehart/Freiboth, Michael  1997) in zwölf Automobilwerken die Auswirkungen von Gruppenarbeit auf Arbeitszufriedenheit und Mitbestimmung in betrieblichen Fragen. Hierbei zeigt sich, dass trotz aller Diskussionen um Arbeitsanreicherung die rein ausführende Montagetätigkeit bei 90% liegt. Bei Taktzeiten zwischen 15 und 120 Sekunden ist die Integration vor- und nachgelagerter Arbeiten nur begrenzt möglich, auch die Qualifizierung der Arbeitnehmer kann nur bescheiden beeinflusst werden.

V. Zusammenfassung


Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Annahmen des Managements über die Vorteilhaftigkeit spezifischer Formen der Arbeitsorganisation differieren. Auch die empirischen Befunde zeigen weitgehend übereinstimmend, dass sich die ökonomische Vorteilhaftigkeit von Konzepten der Arbeitsorganisation in unterschiedlichen Produktionsstrukturen different erschließt und die Frage der Erweiterung von Handlungs- und Entscheidungsspielräumen nicht grundsätzlich, sondern in Abhängigkeit von Produktivitätserwartungen entschieden wird. Damit unterliegt die Arbeitsorganisation Erwartungen im Hinblick auf die Frage, wie die Ergiebigkeit der Arbeitsleistung in Abhängigkeit von Produkt/Markt-Konstellationen gesteigert werden kann. Allerdings enthält diese Disposition immer auch das Problem der Transformation der Arbeitsorganisation in konkrete Arbeitsleistung. Langfristig – dies könnte eine der Lehren aus dem Taylorismus sein – ist die Berücksichtigung der individuellen und kollektiven Interessen der Arbeitnehmer notwendig, um die Erschließung der menschlichen Arbeitsleistung zu gewährleisten.
Literatur:
Adler, Paul S./Cole, Robert E. : Designed for Learning: A Tale of Two Auto Plants, in: SMR, Jg. 34, 1993, S. 85 – 94
Antoni, Conny H. : Soziale und ökonomische Effekte der Einführung teilautonomer Arbeitsgruppen – eine quasi-experimentelle Längsschnittstudie, in: Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, Jg. 41, 1997, S. 131 – 142
Antoni, Conny H. : Gruppenarbeit in Deutschland – eine Bestandsaufnahme, in: Erfolgreiche Konzepte zur Gruppenarbeit – aus Erfahrung lernen, hrsg. v. Zink, Klaus J., Neuwied et al. 1995, S. 23 – 37
Antoni, Conny H. : Gruppenarbeit – mehr als ein Konzept. Darstellung und Vergleich unterschiedlicher Formen der Gruppenarbeit, in: Gruppenarbeit in Unternehmen, hrsg. v. Antoni, Conny H., Weinheim 1994, S. 19 – 48
Bartölke, Klaus : Teilautonome Arbeitsgruppen, in: HWO, hrsg. v. Frese, Erich, 3. A., Stuttgart 1992, Sp. 2384 – 2399
Benders, Jos : Useful but Unused – Group Work in Europe, Dublin 1999
Berggren, Christian : Von Ford zu Volvo: Automobilherstellung in Schweden, Berlin 1991
Braverman, Harry : Die Arbeit im modernen Produktionsprozeß, Frankfurt am Main 1977
Brödner, Peter : Fabrik 2000: Alternative Entwicklungspfade in die Zukunft der Fabrik, 3. A., Berlin 1986
Bungard, Walter/Jöns, Ingela : Gruppenarbeit in Deutschland – Eine Zwischenbilanz, in: Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, Jg. 41, 1997, S. 104 – 119
Edwards, Richard : Herrschaft im modernen Produktionsprozeß, Frankfurt am Main 1981
Friedrich, Andrea : Job Rotation: An Empirical Analysis on the Utilisation and Strategic Integration in European Companies, in: New Challenges for European Human Resource Management, hrsg. v. Brewster, Chris/Mayrhofer, Wolfgang/Morley, Michael, New York 2000, S. 56 – 71
Frieling, Ekkehart/Freiboth, Michael : Klassifikation von Gruppenarbeit und Auswirkungen auf subjektive und objektive Merkmale der Arbeitstätigkeit, in: Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, Jg. 41, 1997, S. 120 – 130
Gohl, Jürgen : Arbeit im Konflikt, München 1977
Hammer, Michael/Champy, James : Business Reengineering: Die Radikalkur für das Unternehmen, 6. A., Frankfurt am Main 1996
Kern, Horst/Schumann, Michael : Das Ende der Arbeitsteilung? Rationalisierung in der industriellen Produktion, München 1984
Lee, Mushin/Koh, Joon : Is Empowerment Really a New Concept?, in: International Journal of Human Resource Management, Jg. 12, 2001, S. 684 – 695
Picot, Arnold/Reichwald, Ralf/Wigand, Rolf T. : Die grenzenlose Unternehmung, 4. A., Wiesbaden 2001
Piore, Michael J./Sabel, Charles F. : Das Ende der Massenproduktion, Berlin 1985
Ridder, Hans-Gerd : Vom Faktoransatz zum Human Resource Management, in: Theorien des Managements, hrsg. v. Schreyögg, Georg/Conrad, Peter, Berlin 2002, S. 211 – 240
Ridder, Hans-Gerd : Strategisches Personalmanagement, Landsberg/Lech 2001
Ridder, Hans-Gerd : Personalwirtschaftslehre, Stuttgart et al. 1999
Ridder, Hans-Gerd/Janisch, Rainer/Bruns, Hans-Jürgen : Arbeitsorganisation und Qualifikation, München et al. 1993
Ridder, Hans-Gerd/Jensen, Theda : Telearbeit und Führung, in: Neue Formen der Beschäftigung und Personalpolitik, hrsg. v. Martin, Albert/Nienhüser, Werner, München et al. 2002, S. 207 – 246
Schumann, Michael/Gerst, Detlef : Innovative Arbeitspolitik – Ein Fallbeispiel. Gruppenarbeit in der Mercedes-Benz AG, in: Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, Jg. 41, 1997, S. 143 – 156
Springer, Roland : Rückkehr zum Taylorismus?, Frankfurt am Main et al. 1999
Taylor, Frederick Winslow : Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung, Weinheim et al. 1913/1977
Womack, James P./Jones, Daniel T./Roos, Daniel : Die zweite Revolution in der Autoindustrie, 8. A., Frankfurt am Main 1994

 

 


 

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