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Unterschlagung und Veruntreuung


Inhaltsübersicht
I. Unterschlagungsbegriff
II. Verantwortlichkeit für Unterschlagungen
III. Unterschlagungs- und Verschleierungsarten
IV. Unternehmensexterne Unterschlagungsprüfung

I. Unterschlagungsbegriff


Gemäß § 246 StGB ist eine Unterschlagung die rechtswidrige Zueignung fremder beweglicher Sachen, die der Täter im Besitz oder im Gewahrsam hat. Bricht der Täter fremden Gewahrsam, dann liegt ein Diebstahlsdelikt vor. In Tateinheit mit Unterschlagungen liegen häufig Betrug (§ 263 StGB), Urkundenfälschung (§ 267 StGB) oder Untreue (§ 266 StGB) vor. Die genannten Straftatbestände werden auch als dolose Handlungen zusammengefasst. Mit dem Zweiten Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität sind auch das Ausspähen von Daten (§ 202a StGB), Datenveränderung (§ 303a StGB), Computerbetrug (§ 263a StGB), Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 StGB) und Computersabotage (§ 303b StGB) ausdrücklich unter Strafe gestellt.
Dolose Handlungen und die weiteren genannten strafbaren Handlungen sind eine Teilmenge der wirtschaftskriminellen Handlungen, für die gem. § 74c I GVG Wirtschaftsstrafkammern bei den Landgerichten eingerichtet werden können. Diese Tatbestände werden unter dem Oberbegriff Wirtschaftskriminalität zusammengefasst.
Im Folgenden sprechen wir von Unterschlagungen im wirtschaftlichen Sinne, wenn sich das Management, andere Beschäftigte oder Externe absichtlich einen unberechtigten Vermögensvorteil zum Schaden einer Unternehmung verschaffen. Der Begriff der Unterschlagung beschränkt sich nicht auf einen bestimmten strafrechtlichen Tatbestand und schließt auch Vorgänge mit ein, die außerhalb strafrechtlicher Tatbestände liegen. Diese Unterschlagungen (Vermögensschädigungen) werden vom Berufsstand der Wirtschaftsprüfer, teilweise den internationalen Vorgaben folgend, neben den unabsichtlichen Fehlern, absichtlichen Täuschungen in Buchführung und Jahresabschluss sowie sonstigen Gesetzesverstößen unter dem Oberbegriff Unregelmäßigkeiten zusammengefasst. Der Gesetzgeber unterscheidet in § 317 II HGB nur zwischen Unrichtigkeiten im Jahresabschluss, egal, ob sie absichtlich oder unabsichtlich entstanden sind, und (Gesetzes-)Verstößen.

II. Verantwortlichkeit für Unterschlagungen


1. Verantwortung der Unternehmensleitung


Die Aufgabe der Vermögenssicherung, und damit auch, Unterschlagungen zu verhindern und aufzudecken, fällt in den Verantwortungsbereich der Unternehmensleitung. Nach Rechtsprechung und Kommentierung ist z.B. der Geschäftsführer einer GmbH für die Unterschlagung von Warenbeständen haftbar, wenn diese durch unzureichende Kontrollen erleichtert wurden oder wenn der Geschäftsführer trotz erkannter oder erkennbarer Fehlhandlungen einzelner Mitarbeiter nichts gegen diese unternimmt.
Durch unternehmensinterne Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen, die möglichst fest in die Unternehmensabläufe integriert werden, müssen die Zugriffsmöglichkeiten auf betriebliche Güter in Abhängigkeit vom Unterschlagungsrisiko eingeschränkt und eine Rechenschaftspflicht für den Bestand der von einzelnen Personen verantwortlich verwalteten Güter vorgesehen sein. In Abhängigkeit von der Größe der Unternehmung müssen prozessunabhängige Prüfungsorgane den Informationsfluss über die Wirksamkeit des IKS gewährleisten und verbleibende Kontrolllücken möglichst schließen oder für einen potenziellen Defraudanten unberechenbar machen. In Kleinbetrieben wird diese Aufgabe i.d.R. von den Unternehmern selbst wahrgenommen oder von Fall zu Fall externen Prüfern übertragen. In Großbetrieben muss diese Aufgabe auf die Interne Revision übertragen werden.

2. Verantwortung des Abschlussprüfers


Der Zweck der Abschlussprüfung, auch wesentliche Unterschlagungen aufzudecken, ist historisch begründet, wird vom Berufsstand der Wirtschaftsprüfer akzeptiert (HFA, 1998), wird von der Rechtsprechung grds. bestätigt (OLG Düsseldorf, 1996; OLG Düsseldorf, 1999) und hat durch das KonTraG auch Eingang in die handelsrechtlichen Prüfungsvorschriften gefunden (§ 317 I Satz 3): „ Die Prüfung ist so anzulegen, daß Unrichtigkeiten und Verstöße ?, die sich auf die Darstellung des sich nach § 264 II ergebenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens wesentlich auswirken, bei gewissenhafter Berufsausübung erkannt werden. “ Der Abschlussprüfer trägt dann keine Verantwortung für die Nichtaufdeckung wesentlicher Fehler und Unregelmäßigkeiten, wenn er sie im Rahmen einer gewissenhaft geplanten und ausgeführten Prüfung nicht erkannt hat:
(a) Der Abschlussprüfer muss verschiedene Unterschlagungsformen kennen und das Unterschlagungsrisiko z.B. als inhärentes Risiko im Rahmen des risikoorientierten (problemorientierten) Prüfungsansatzes beachten;
(b) im Rahmen der Prüfung auftretende Unterschlagungssymptome müssen erkannt werden und machen ergänzende Prüfungshandlungen sowie eine gezielte Würdigung der Prüfungsnachweise auf den Verdacht hin erforderlich (IDW PS 200.17);
(c) auch die Auskünfte des Geschäftsführungsorgans sind zu belegen und vom Abschlussprüfer kritisch zu würdigen. Zweifel an der Integrität oder Kompetenz können begründet sein bei (WPK, 2000)

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Beherrschung der Geschäftsführung durch eine Person ohne wirksame Überwachung,

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undurchsichtigen Organisationsstrukturen,

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fehlender Bereitschaft zur Verbesserung des IKS,

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hoher Personalfluktuation in Schlüsselpositionen des Finanz- und Rechnungswesens,

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dauerhafter Unterbesetzung in der Buchhaltung,

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häufigem Abschlussprüfer- und/oder Beraterwechsel.


In einem Prüfungsprogramm, das den Grundsätzen ordnungsmäßiger Abschlussprüfung (GoA) entspricht, sind Prüfungshandlungen zur Aufdeckung von Unterschlagungen implizit vorgesehen. Vom Abschlussprüfer wird nicht erwartet, dass er ohne besonderen Auftrag und ohne konkreten Verdacht ausgedehnte Untersuchungen zur Aufdeckung und Aufklärung gesetzwidriger Tatbestände sowie außerhalb der Rechnungslegung begangener Verstöße und Ordnungswidrigkeiten vornimmt.

3. Prüfungsauftrag und Berichterstattung


Gesonderte Aufträge zur Unterschlagungsprüfung empfehlen sich
(a) in Kleinbetrieben, in denen eine Abschlussprüfung nicht stattfindet. Hier bestehen besondere Unterschlagungsrisiken, wenn bei der geringen Mitarbeiterzahl und bei Einsatz von Personalcomputern eine ausreichende interne Kontrolle nicht gewährleistet ist und der Eigentümer nicht alle kritischen Transaktionen selbst durchführen oder kontrollieren kann;
(b) in mittelgroßen Betrieben ohne Innenrevision in regelmäßigen Zeitabständen, um festzustellen, ob die vorgesehenen internen Kontrollen noch angemessen sind und eingehalten werden;
(c) als Zusatzauftrag zur Abschlussprüfung ohne konkreten Verdacht;
(d) als Zusatzauftrag zur Abschlussprüfung oder Sonderauftrag bei Verdacht auf oder bereits festgestellten Unterschlagungen.
Im schriftlichen Prüfungsauftrag zur Unterschlagungsprüfung sollten die zu prüfenden Bereiche und evtl. bestehende Verdachtsmomente festgelegt werden. Neben der Entdeckung kann die Feststellung des Tathergangs und der beteiligten Personen sowie die Quantifizierung des Unterschlagungsschadens, falls Ersatzansprüche ggf. bei Versicherungen durchsetzbar erscheinen, wesentlicher Auftragsbestandteil der Unterschlagungsprüfung sein.
Die Prüfungsfeststellungen werden ausgewertet, um

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die Buchhaltungsunterlagen in Ordnung zu bringen;

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durch geeignete Kontrollmaßnahmen künftig gleichartige Schädigungen zu verhindern;

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Schadensersatzansprüche durchzusetzen;

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eine fristlose Kündigung des Defraudanten zu rechtfertigen;

-

die verantwortlichen Täter strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen.


Der Bericht über die Unterschlagungsprüfung sollte diesen Zwecken gerecht werden. Bei Gefahr im Verzug sowie bei Verdacht auf Management-Unterschlagungen ist umgehende Berichterstattung an betriebliche Aufsichtsorgane erforderlich. Der Unterschlagungsprüfer ist bei Verdacht auf Unterschlagungen oder bereits aufgedeckten Unterschlagungen an die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht gebunden und darf grds. nicht die Staatsanwaltschaft oder andere externe Stellen unterrichten.

III. Unterschlagungs- und Verschleierungsarten


1. Elemente einer Unterschlagung

a) Unterschlagungstäter


Unterschieden wird zwischen externen Tätern, die in keinem Arbeitsverhältnis zum geschädigten Unternehmen stehen, und internen Tätern, bei denen weiterhin zwischen Management-Tätern und Nicht-Management-Tätern differenziert wird. Für diese Tätergruppen bestehen unterschiedliche Zugriffsmöglichkeiten auf Vermögensgegenstände und Verschleierungsmittel; unterschiedliche Abwehrmaßnahmen sind zu ergreifen.
Nach statistisch gestützten Schätzungen eines amerikanischen Versicherungsunternehmens (Comer, 1987) waren nur 25% der Versicherten uneingeschränkt als ehrlich zu klassifizieren. Diese Personengruppe begeht auch in wirtschaftlichen Notlagen und bei vorhandenen Unterschlagungsmöglichkeiten, selbst wenn die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung minimal ist, keine Unterschlagungen. 50% der Versicherten wurden so ehrlich wie unbedingt notwendig, 25% in unterschiedlichen Ausprägungen als unehrlich eingestuft. Unehrliche Personen neigen zur Wiederholung von Unterschlagungen. Die Mehrzahl der aufgedeckten Unterschlagungen wurde von Wiederholungstätern verübt. Neben dem höchstpersönlichen Unehrlichkeitsfaktor können finanzielle Notlagen (Motivationsfaktor) und fehlende betriebliche Kontrollen (Gelegenheitsfaktor) Menschen zu Unterschlagungen veranlassen.
Management-Täter werden von den üblichen Kontrollmechanismen im Unternehmen nicht erfasst; der Schaden, der durch diese Tätergruppe entsteht, ist signifikant höher als bei den anderen Tätergruppen.
Bei EDV-Tätern ist auf das exklusive Fachwissen und die Kenntnis betrieblicher Sicherungsvorkehrungen als Besonderheiten hinzuweisen.

b) Unterschlagungsobjekte


Comer hat folgende Punktbewertung für die Anfälligkeit einzelner Unternehmenswerte für Unterschlagungen (Unterschlagungsrisiko) vorgenommen (Comer, 1987):

-

Geld und geldgleiche Güter, geheime Geschäftsdaten 10;

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hochwertige kleine Gegenstände 9;

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normale Erzeugnisse der Unternehmung, Waren, Rohstoffe 8;

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kleine bewegliche Anlagegüter 7;

-

große bewegliche Anlagegüter 6/3;

-

unbewegliche Anlagegüter 0.


Grundsätzlich sind alle Vermögensgegenstände einer Unternehmung von Unterschlagung bedroht. Ein besonderes Unterschlagungsrisiko besteht jedoch bei Bargeld (Kassenunterschlagungen), leicht transportablen und verwertbaren Konsumgütern (Unterschlagungen im Vorratsvermögen). Besondere Risiken bestehen auch bei Vermögensgegenständen, deren Buchwerte im Rechnungswesen nur unzureichend erfasst werden (Schrott, abgeschriebene Anlagen, Proben für Verkäufer, immaterielle Vermögensgegenstände).

c) Vermögensaneignung


Neben dem direkten Zugriff auf Vermögensgegenstände (Funktion der Vermögensverwaltung) kann es für die Begehung einer Unterschlagung auch ausreichend sein, nur indirekten Zugriff auf die Vermögensgegenstände zu haben. Die unberechtigte Vermögensaneignung geschieht, indem Belege für fiktive Auszahlungsanweisungen, Versandaufträge etc. erstellt werden, die einen regulären Güter- oder Geldausgang vortäuschen, oder reguläre Vermögensabgänge nicht den Berechtigten sondern dem Defraudanten oder einem Mittäter zugeleitet werden. Ebenso können Geld- und Vermögenszuflüsse durch Täuschung umgeleitet werden.
Während beim direkten Zugriff Bestandsabweichungen (bei akkurater Bestandsfortschreibung) unmittelbar feststellbar sind, ist dies bei indirektem Zugriff häufig nicht der Fall.

d) Verschleierung


Als Verschleierung werden alle Handlungen oder Unterlassungen bezeichnet, die von einem oder mehreren Defraudanten zur Verzögerung oder Verhinderung der Aufdeckung eines Unterschlagungsschadens oder der Täteridentifizierung unternommen werden. Aus der Sicht des Defraudanten sind Verschleierungshandlungen zeitlich vor der Vermögensaneignung, bei der keine Belege zu fälschen sind, sondern ggf. vorhandene Originalbelege vernichtet werden können und bei denen keine Bestandsabweichungen im Rechnungswesen feststellbar sind, am erfolgversprechendsten. Eine zeitlich nach der Vermögensaneignung erfolgte Verschleierung, bei der Belege zu fälschen sind und (vorübergehend) Bestandsabweichungen auftreten, bietet viele Ansatzpunkte für eine nachträgliche Aufdeckung.
Verschleierungen können die Auswirkungen von Unterschlagungen auf das Rechnungswesen und ggf. erkennbare Unterschlagungssymptome beeinflussen. Alle Unterschlagungssymptome können vom Täter regelmäßig nicht beseitigt werden, denn der erfolgsmindernde Einfluss einer Unterschlagung auf das Rechnungswesen kann allenfalls verzögert, aber niemals endgültig verhindert werden.
Verschleierungshandlungen im Rechnungswesen sind dann nicht notwendig, wenn Vermögensgegenstände einer Unternehmung

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sich einer physischen Bestandskontrolle entziehen (immaterielle Güter);

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in den Büchern nicht fortgeschrieben werden (z.B. fehlende Lagerbuchhaltung);

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privat genutzt werden;

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gegen qualitativ schlechtere Güter ausgetauscht werden;

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im Geschäftsverkehr mit Dritten die Unternehmung unter Wert verlassen oder über dem tatsächlichen Wert erworben werden.


Manipulationen im Rechnungswesen des Geschädigten spielen bei diesen Unterschlagungen i.d.R. nur eine untergeordnete Rolle.
Verschleierungen werden auch dann unterlassen, wenn Unterschlagungsschäden zwar feststellbar aber nicht verantwortlich bestimmten Personen zugeordnet werden können, wenn sich der Täter der Ergreifung durch Flucht entzieht oder Sanktionsmöglichkeiten fehlen oder vorhersehbar nicht ergriffen werden.
Als wesentliche Verschleierungshandlungen, bei denen versucht wird, den Unterschlagungsschaden zu verheimlichen, sind folgende zu nennen:

-

Inventurmanipulationen, indem Fehlbestände z.B. in der Kasse oder im Vorratslager durch falsche Bestandsangaben verheimlicht werden;

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falsche Angabe von Bestandsveränderungen (Verschiebung von Fehlbeständen auf andere Bestandskonten oder erfolgswirksame Ausbuchung ist die Folge);

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Rechen- und Zahlenmanipulationen;

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Belegmanipulationen;

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Grundbuchmanipulationen (lapping, kiting), indem durch verzögertes oder verfrühtes Buchen Fehlbestände nicht erkennbar werden;

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Hauptbuchmanipulationen (Buchung von Soll-Ist-Abweichungen auf nur schlecht kontrollierte Bestandskonten oder andere Manipulationskonten).


Bei EDV-Unterschlagungen sind zu unterscheiden:

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Input-Manipulationen (absichtlich falsche Übertragung von Informationen auf Eingabemedien bzw. absichtlich falsche oder zusätzliche Eingabe von Daten);

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Programm-Manipulationen (absichtliche Änderung von Programmen oder Programmteilen);

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Konsoleingriffe (absichtlich falsche Bedienung der Maschine);

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Stammdaten-Manipulationen (unzulässige Änderung der in gesonderten Dateien enthaltenen Stammdaten);

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Output-Manipulationen (beabsichtigt falsche Ausgabe von Informationen und Belegen).


In der Praxis findet man vorstehende Verschleierungshandlungen häufig in Kombination vor.

IV. Unternehmensexterne Unterschlagungsprüfung


1. Im Rahmen der Abschlussprüfung


Der Prozess der Planung und Ausführung der Abschlussprüfung wird von Risikoüberlegungen dominiert. Als Bestandteil des (inhärenten) Fehlerrisikos ist das Unterschlagungsrisiko zu berücksichtigen. Als Unterschlagungsrisiko wird die bereits vor der Prüfung bekannte Wahrscheinlichkeit der Anfälligkeit einzelner Transaktionen und Bestände der zu prüfenden Unternehmung für wesentliche Unterschlagungen bezeichnet.
Der Prüfer darf sich nicht scheuen, bei begründeten Verdachtsmomenten die Integrität des Managements in Frage zu stellen.

a) Analytische Prüfungshandlungen


Durch globale analytische Prüfungshandlungen, wie die Besichtigung wertvoller Vermögensgegenstände und physischer Sicherungsvorkehrungen sowie analytischer Kontrollrechnungen können Risikobereiche erkannt und Zahlen in ihrer absoluten und relativen Entwicklung auf Plausibilität überprüft werden. Der Prüfer sichert sich gegen auffällige wesentliche Unterschlagungen und Fehler.
Analytische Prüfungshandlungen sind nicht geeignet, Unterschlagungen zu indizieren, die nur geringe Auswirkungen auf einzelne Konten und den Jahresabschluss haben, auf viele Konten und Jahresabschlusspositionen verstreut sind oder durch gegenläufige Entwicklungen überlagert werden.

b) Systemprüfung


Aufgrund der Systemprüfung gewinnt der Prüfer konkrete Hinweise auf Fehler- und Unterschlagungsmöglichkeiten, die es ihm erlauben, Art, Umfang und Timing der nachfolgenden Prüfungshandlungen festzulegen. Bei einem allgemeinen Zusatzauftrag, auch auf Unterschlagungen zu achten (ohne konkreten Verdacht), sind auch physische Vermögenssicherungen und Kontrollen bei der Besetzung sensitiver Personalstellen in die Prüfung einzubeziehen. Von besonderer Bedeutung ist, dass das Kontrollsystem an sich verändernde Erfordernisse zeitnah angepasst wird (EDV-Umstellungen, Internationalisierung des Geschäfts). Auch (noch) nicht buchungspflichtige schwebende Geschäfte, z.B. Aufträge und Kurssicherungsgeschäfte, sind zuverlässig und prüfbar zu erfassen.
Die Systemprüfung bringt dann keine zuverlässigen Ergebnisse, wenn das vom Kontrollsystem nicht erfasste Management nicht integer (oder inkompetent) ist, durch das Vier-Augen-Prinzip und Funktionstrennungen vorgesehene Kontrollen durch unternehmensinterne Zusammenarbeit von Tätern (Kollusion) umgangen werden oder das Kontrollsystem im Zeitablauf vorübergehend (Personalwechsel, Urlaub, Krankheit, EDV-Umstellung) nicht erkennbar zusammengebrochen war.
Bei EDV-Anwendung ist insbes. auf fehlende oder veraltete Dokumentation (des Aufbaus der Dateien oder der Programme) sowie nicht dokumentierte, genehmigte oder getestete Programmänderungen zu achten.

c) Einzelfallprüfungen


Direkte Beleg- und Kontenprüfungen dienen der Konkretisierung und Bestätigung bestehender Fehler- und Unterschlagungsvermutungen. Extremwerte werden regelmäßig vollständig und homogene Grundgesamtheiten repräsentativ in Stichproben geprüft. Wesentliche Abweichungen in Bestandskonten werden durch Inventurprüfungen (Beobachtung und Testzählungen; Inventur) und Saldenbestätigungen aufgedeckt. Detaillierte Kontenanalysen sind erforderlich, wenn der Prüfer wesentliche Fehler und Unterschlagungen vermutet. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn ungewöhnlich viele Transaktionen und hohe Bestände (evtl. fiktiv) oder ungewöhnlich wenige Transaktionen (evtl. weggelassen) oder Fehlbestände vorliegen; ebenso, wenn Geschäfte zu atypischen oder erkennbar ungünstigen Konditionen abgeschlossen wurden, Belege fehlen oder Buchungsrückstände vorliegen. Bei ungewöhnlichen oder nicht erklärbaren Veränderungen einzelner Erfolgs- oder Bestandskonten können auch im Rahmen der Abschlussprüfung Vollprüfungen dieser Konten erforderlich werden. Von den bewussten Methoden der Stichprobenauswahl ist insbes. die Auswahl nach dem Fehlerrisiko oder auditing by exceptions, insbes. bei Einsatz von EDV-Prüfprogrammen sehr effektiv für die Aufdeckung von Unterschlagungen einsetzbar. So können z.B. mit einem Sequenztest der Eingangs- und Ausgangsrechnungen fehlende Belege (Güterausgang ohne Rechnungserteilung) oder doppelt bezahlte Eingangsrechnungen aufgespürt werden. Auch können bei den Kreditorenkonten Haben-Buchungen, denen kein Gütereingang, oder Sollbuchungen, denen kein Geldeingang zugrunde liegt, wichtige Hinweise auf Verschleierungsbuchungen oder Unterschlagungen geben.
Passiv verschleierte Transaktionen und durch Kollusion perfekt gefälschte Dokumente für fiktive Transaktionen werden häufig nur zufällig aufgedeckt. Derartige fiktive oder nicht erfasste Transaktionen sind nur durch umfangreiche interne Belegabstimmungen, progressive und retrograde Prüfungshandlungen sowie externe Transaktionsbestätigungen nachzuweisen.

2. Gesonderte Unterschlagungsprüfung

a) Prüfungsplanung


Die Unterschlagungsprüfung muss unter Beachtung bestehender Verdachtsmomente flexibel geplant werden. Da Defraudanten zur Vermeidung von Sanktionen ständig bemüht sein werden, entstandene Schäden und ihre persönliche Verantwortung hierfür zu verschleiern und sie belastende Beweise zu vernichten, ist es erforderlich, bei der Planung folgende Punkte zu beachten:

-

überraschende Prüfung, damit zu prüfende Personen Art und Zeitpunkt der Prüfungshandlungen nicht antizipieren können und der Prüfer ein repräsentatives Bild von den Geschehnissen im Prüfungsbereich erhält;

-

getarnte Prüfung, ggf. als Zwischenprüfung oder unter anderem Vorwand;

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Sicherung von Beweismitteln; insbes. die interne Dokumentation muss als Prüfungsobjekt und Beweismittel vor weiteren Manipulationen und vor Vernichtung gesichert werden;

-

Entbindung verdächtiger Personen (ggf. vorübergehend) von ihren Positionen.


Unterschlagungsprüfer sollten mit detektivischem Spürsinn und einer gesunden Portion Skepsis (Misstrauen) ausgestattet sein. Unterschlagungssymptome sollten als solche erkannt werden; der Unterschlagungsprüfer muss ihnen nachgehen und darf sich nicht mit der erstbesten Erklärung oder Entschuldigung zufrieden geben. Für Unterschlagungsprüfungen muss i.d.R. ein EDV-Experte zur Verfügung stehen.

b) Prüfungsbeweise


An die Nachweispflichten sind bei Unterschlagungsprüfungen erhöhte Anforderungen zu stellen, um ggf. in nachfolgenden Gerichtsverfahren zu stellende Anträge auch durchsetzen zu können. Zuverlässige Prüfungsbeweise (Dokumentation, Auskünfte oder Bestätigungen, eigene Beobachtungen) müssen ihren Ursprung möglichst außerhalb des Kontrollbereichs verdächtiger Personen haben.
Bei vielen Systemschwächen, die durch eine unzureichende Funktionstrennung oder durch einen unzureichenden Belegfluss gekennzeichnet sind, ist der Beweiswert der so entstandenen unternehmensinternen Dokumentation eher gering. Die Beweiskraft interner Dokumente hängt neben der Wirksamkeit des IKS von der Existenz interner Zusammenarbeit und der Integrität des Managements ab. Für den Unterschlagungsprüfer bedeutet dies, dass er sich bei seiner Urteilsbildung erst dann auf die Dokumentation stützen kann, wenn er ihr aufgrund einer Systemprüfung eine hinreichende Beweiskraft zuerkennen kann. Beurkundete prüfungsrelevante (notarielle) Verträge sollte der Prüfer immer im Original einsehen; Mitteilungen öffentlicher Stellen (Grundbuchauszüge, Handelsregisterauszüge) sollten immer neuesten Datums sein. Bei ausländischen Dokumenten können ergänzende Feststellungen geboten sein.
Beobachtungen des Prüfers sind zur Ergänzung der übrigen Prüfungshandlungen unerlässlich; auf eigenen Bestandsermittlungen und -vergleichen können in völlig undurchsichtigen Situationen häufig weitere Prüfungsfeststellungen aufbauen.
Die Beweiskraft externer Bestätigungen kann durch bestehende Abhängigkeiten und Zusammenarbeit interner und externer Täter sowie Schwächen im IKS beeinträchtigt sein. Der Unterschlagungsprüfer sollte dort, wo Manipulationen aufgrund von Systemschwächen möglich sind und andere beweiskräftige unternehmensinterne Unterlagen nicht vorliegen und darüber hinaus Saldenbestätigungen und andere Bestandskontrollen nicht möglich oder nicht ausreichend sind, externe Transaktionsbestätigungen verwenden.
Interne Befragungen sind für den Unterschlagungsprüfer sehr wichtig, um Hinweise zu erhalten, vorliegende Informationen zu bestätigen oder Unklarheiten vorzuklären. Liegen Aussagen von Personen vor, die erkennbar Gelegenheit zur Begehung von Unterschlagungen hatten oder von einem potenziellen Defraudanten abhängig sind, dann erhält der Unterschlagungsprüfer ohne weitere Prüfungshandlungen keine ausreichende Beweiskraft.
Manche Prüfungsbeweise wird der Unterschlagungsprüfer nur mit der Unterstützung von Ermittlungsexperten einsetzen. Hierzu zählen insbes. chemische oder graphologische Untersuchungen vorgelegter Dokumente, wenn geschickte Belegfälschungen vermutet werden. Durchsuchungen von verschlossenen Räumen und verdächtigen Personen auf unerfasste oder unterschlagene Vermögensgegenstände, Beschlagnahmen sowie die Einschleusung von Beobachtungspersonen werden ausschließlich von Ermittlungsexperten vorgenommen. Die Beobachtung eines Täters bei der Tat, der Verschleierung oder der Vermögensübergabe an einen Hehler kann im Rahmen einer Unterschlagungsprüfung gezielt eingesetzt werden, wenn der Zeitpunkt dieser Ereignisse ungefähr abschätzbar ist. Befragungen von Verdächtigen sollten niemals zu Beschuldigungen oder Kreuzverhören durch den Prüfer führen. Diese Maßnahmen sollten Ermittlungsbeamten vorbehalten bleiben. Falls während der Unterschlagungsprüfung Maßnahmen erforderlich erscheinen, die ggf. die Rechte anderer verletzen könnten, sollte der Prüfer vorher juristischen Rat einholen. Das gilt auch, um gerichtsrelevante Sachverhalte rechtzeitig abzuklären.
Literatur:
AICPA, : The Auditor\'s Responsibility to Detect and Report Errors and Irregularities, in: JoA 1988, July, S. 148 – 154
Braiotta, L. : The Audit Committee Handbook, New York u.a. 1994
Carmichael, D. R. : The Auditor\'s New Guide to Errors, Irregularities and Illegal Acts, in: JoA 1988, September, S. 40 – 48
Comer, M. : Betrug im Unternehmen, Hamburg u.a. 1987
Ebeling, R./Böhme, C. : Methoden gerichtsrelevanter Unterschlagungsprüfungen, in: WPg 2000, S. 467 – 477
HFA, : Stellungnahme HFA 7/1997: Zur Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten im Rahmen der Jahresabschlußprüfung, in: IDW-FN 1998, S. 7 – 14
Meyer zu Lösebeck, H. : Prüfung der Vorratsinventur unter besonderer Berücksichtigung von Unterschlagungsrisiken, in: WPg 1988, S. 153 – 160 und S. 201 – 209
Meyer zu Lösebeck, H. : Unterschlagungsverhütung und Unterschlagungsprüfung, 2. A. Düsseldorf 1990
OLG Düsseldorf, : Urteil v. 27.06.1996, in: MittBl. der WPK 1996, S. 342
OLG Düsseldorf, : Urteil v. 19.11.1998, in: IDW-FN 1999, S. 526
Post, K./Post, M. : Die Unterschlagung im Betrieb und ihre Bekämpfung, Köln 1971
Schildbach, T. : Die Prüfung bei Verdacht deliktischer Handlungen, in: Steuerberaterkongreßreport 1985, hrsg. v. Bundessteuerberaterkammer, , München 1985, S. 239 – 256
Sieber, U. : Computerkriminalität und Strafrecht, 2. A. Köln u.a. 1980
WPK, : International Standards on Auditing (ISA), Internationale Prüfungsgrundsätze, autorisierte Übersetzung der Verlautbarungen der IFAC, Stand Januar 2000, Stuttgart 2000
Zirpins, W./Terstegen, O. : Wirtschaftskriminalität, Lübeck 1963

 

 


 

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