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Arbeitszeitmodelle, betriebliche


Inhaltsübersicht
I. Arbeitszeit im Wandel
II. Arbeitszeitmodelle
III. Interessenausgleich als Voraussetzung effizienter Arbeitszeitgestaltung
IV. Zeitorientierte Arbeitsgestaltung
V. Modellimplementierung

I. Arbeitszeit im Wandel


Arbeit ist fassbar durch ihre inhaltliche und zeitliche Dimension. Häufig grenzen wir Arbeit von Nichtarbeit nicht durch Angabe dessen ab, was wir tun, sondern durch Benennung eines Zeitraumes, der in unserem Bewusstsein Arbeitszeit ist.
Mit dem Entstehen industrieller Großorganisationen wurde aus Gründen leichterer Planbarkeit des arbeitsteiligen Leistungsprozesses die Arbeitszeit weitgehend uniform, d.h. bezüglich Länge und Lage einheitlich, geregelt. In der frühen Phase der Industrialisierung bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts beanspruchte die Arbeitszeit dabei den größten Teil der wachen Lebenszeit abhängig Beschäftigter. Mit dem Erstarken der Gewerkschaften als Vertreter der Arbeitnehmerinteressen nach dem 2. Weltkrieg wuchs daher der Druck, die Länge der Arbeitszeit zu verkürzen. Es gelang ihnen, die bis 1956 geltende 48stündige Arbeitswoche in Schritten zunächst auf 45 Stunden (1956) und dann 42 Stunden (1962) zu reduzieren, bis 1967 ein für fast alle Arbeitnehmer einheitliches Zeitraster von 8 Arbeitsstunden am Tag und 40 Arbeitsstunden in der Woche erreicht wurden. Anfang der 1980er-Jahre eröffneten die Gewerkschaften mit der Forderung der Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 35 Stunden erneut die Arbeitszeitdiskussion. Nach dem härtesten Arbeitskampf der Nachkriegsgeschichte erreichten schließlich 1984 die Arbeitnehmer der Metallindustrie eine Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 38,5 Stunden und damit –  wie sich zeigte – den Einstieg in einen Verkürzungsprozess, der bis 1995 zur Verwirklichung der 35-Stunden-Woche führte. Die Arbeitgeber erlangten im Gegenzug für die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit (bei vollem Lohnausgleich) eine gewisse Flexibilisierung der Lage der Arbeitszeit. Zwar wurde dadurch zunächst noch kein größerer Handlungsspielraum eröffnet, aber doch das Augenmerk der deutschen Wirtschaft auf die Arbeitszeit als Gestaltungsvariable gerichtet (Marr,  2001a). Frühere innovative Ansätze zur Arbeitszeitgestaltung sowohl in der Schweiz (z.B. bei Landert, / in Bülach) wie auch in Deutschland (z.B. bei Beck, in München) waren bis dahin weitgehend unbeachtet geblieben.
Für die deutsche Wirtschaft stellte die vereinbarte Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich eine erhebliche Belastung dar. Ihr Wettbewerbsnachteil durch die im globalen Vergleich sehr hohen Arbeitskosten wurde verstärkt durch eine gegenüber anderen Industrieländern sehr kurze jährliche Arbeitszeit. Der sich daraus ergebende Anpassungsdruck zwang die Unternehmen zu verstärkten Bemühungen um eine flexible Anpassung der quantitativen Kapazität ihres Mitarbeiterpotentials, eine stärkere Sicherung imitationsgeschützter Wettbewerbsvorteile durch die qualitative Anhebung des Mitarbeiterpotenzials und eine größere Identifikation der Mitarbeiter mit den Zielen des Unternehmens.
Die Arbeitszeit spielt dabei die Rolle einer wichtigen Gestaltungsvariablen. Sie wird in immer stärkerem Maße vom „ passiven “ , für alle Unternehmen in gleicher Weise geltenden Begrenzungsfaktor ökonomischer Prozesse, zum Gegenstand innovatorischer Überlegungen, der es möglich macht, Wettbewerbsvorteile zu erzielen, aber auch verstärkter Beachtung bedarf, um Wettbewerbsnachteile zu vermeiden.

II. Arbeitszeitmodelle


Auch wenn seit 1984 zahlreiche Arbeitszeitmodelle entwickelt wurden, setzt sich in der deutschen Wirtschaft ein bewusstes Arbeitszeitmanagement “ im Sinne einer aktiven und situationsangemessenen Gestaltung von Arbeitszeit nur langsam durch. Die meisten in den Unternehmen entwickelten Modelle zielen auf eine Kompensation der tariflich vereinbarten Arbeitszeitverkürzung ab und suchen eine konsensorientierte längere Betriebsnutzungszeit zu realisieren. Eine wirkliche Arbeitszeitflexibilisierung durch Nutzung von Gestaltungsspielräumen bezüglich Dauer und Lage der Arbeitszeit stellt auch heute noch für die meisten Unternehmen eine große Herausforderung dar.
Die aktuelle Arbeitszeitdiskussion konzentriert sich auf eine naheliegende Gestaltungsebene: die bedarfsorientierte Zeitgestaltung. Gemeint ist damit die flexible Anpassung der Personalkapazität an den durch die Marktdynamik schwankenden Kapazitätsbedarf. Ansatzpunkte für eine Gestaltung der Arbeitszeit bieten zum einen deren Länge (chronometrische Dimension), zum anderen deren Lage (chronologische Dimension). Dementsprechend lässt sich das Spektrum von Arbeitszeitmodellen, die von einer uniformen Gestaltung des für die Mehrzahl der Arbeitnehmer geltenden Arbeitszeitvolumens abweichen, in Gleitzeitkonzepte und in Teilzeitkonzepte bzw. in Mischformen aus beiden unterscheiden. Durch chronometrische und/oder chronologische Variation der Arbeitszeit, angewendet auf die unterschiedlichen zeitlichen Bezugsebenen (Tag, Woche, Monat, Jahr, Leben), eröffnen sich eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten (vgl. dazu Ackermann, /Hofmann,  1990; Baillod,  1986; Baillod, /Holenweger, /Ley,  1993; Marr,  2001a; Teriet,  1976).
Je nachdem, ob nach einer Veränderung des Arbeitszeitrasters noch ein Dispositionsspielraum für Anpassungen verbleibt, kann von starrer Arbeitszeitvariation oder von Arbeitszeitflexibilisierung gesprochen werden. Letztere kann zusätzlich danach differenziert werden, ob der sie bestimmende Handlungsspielraum allein dem Unternehmen oder allein den Mitarbeitern oder beiden zusteht.
Das bekannteste Beispiel einer chronologischen Arbeitszeitvariation ist die Schichtarbeit, bei der die individuellen Arbeitszeiten in einem festen Rhythmus gegenüber der normalen Tagesarbeitszeit verschoben werden, um dadurch eine Verlängerung der Betriebszeit zu erreichen, ggf. bis zur vollständigen Ausnutzung der 24 Stunden eines Tages durch ein Drei-Schicht-System mit jeweils 8-Stunden-Schichten (Kombischichtbetrieb).
Wegweisend für ein effizienzsteigerndes Schichtsystem bei Verkürzung der individuellen Arbeitszeit wurde das von BMW im Montagewerk Regensburg eingeführte Modell, welches den Schichtwechsel mit einem Arbeitsplatzwechsel verbindet und in das Grundmuster einer 4-Tage-Arbeitswoche einpasst (Bihl, /Berghahn, /Theunert,  2001).

1. Gleitzeitmodelle


Der Grundgedanke von Gleitzeitmodellen bestand zunächst darin, die tägliche Arbeitszeit in eine für alle Mitarbeiter verbindliche Anwesenheitszeit (Kernzeit) und eine zur individuellen Disposition gestellte Gleitzeit zu unterteilen. Die Größe des dabei gewonnenen Gestaltungsspielraums wird einerseits vom Verhältnis zwischen Gleitzeit und Kernzeit, andererseits von der Länge des Verrechnungszeitraumes bestimmt. Wenig Spielraum bietet ein Modell mit einer kurzen täglichen Gleitzeitspanne, z.B. von einer halben Stunde und fehlender Übertragungsmöglichkeit von Zeitunter- oder -überdeckungen auf andere Tage, viel Spielraum ein Arbeitszeitmodell, das auf feste Kernzeiten völlig verzichtet und große Übertragungszeiträume, z.B. ein Jahr, für Zeitunter- oder -überdeckungen vorsieht. Der letztgenannten Gestaltungsform entspräche z.B. ein Jahresarbeitszeitvertrag, bei dem eine individuell vereinbarte Jahresarbeitszeit nach Bedarfs- bzw. Interessenlage der Vertragspartner unterschiedlich auf die einzelnen Monate und Wochen des Jahres verteilt wird.
Eine besondere Form gleitender Arbeitszeit stellen gleitende Übergänge in der Berufsbiographie dar. Bekannt wurden insb. verschiedene Modelle des gleitenden Übergangs in den Ruhestand (s. insbes. Deters, /Staehle, /Stirn,  1989; Stitzel,  1987). Gleitmodelle dieser Art sind aber nicht nur für eine sozialverträgliche Gestaltung des Berufsausstieges, sondern auch für den Berufseinstieg, insb. den Berufswiedereinstieg nach einer Familienphase bei Frauen oder nach längerer Krankheit, geeignet (Lebenszyklus, individueller und Lebensplanung; Lebensarbeitszeitmodelle, flexible).

2. Teilzeitmodelle


Teilzeitkonzepte beinhalten das Angebot von der Normalarbeitszeit abweichender Arbeitszeitvolumina, wobei Bestimmungsgrößen des Teilzeitangebots entweder lohnsteuerrechtliche oder sozialversicherungsrechtliche Grenzwerte sind oder die davon unabhängigen Interessenlagen der Vertragspartner. Ausgehend von der klassischen Form der Teilzeitarbeit durch Teilung ganzer Arbeitsplätze in Halbtagsarbeitsplätze lassen sich sehr unterschiedliche Teilzeitmodelle entwickeln (vgl. z.B. Gaugler, /Gille, /Paul,  1981; Marr,  2001a).
Von besonderer Bedeutung für die künftige Arbeitszeitgestaltung erscheinen die Modelle der variablen Arbeitszeit sowie der Jahresarbeitszeitvertrag und – etwas eingeschränkt – das Konzept des Job Sharing (Heymann, /Seiwert,  1982).
Ausgangspunkt für das vor allem im Handels- und Dienstleistungsbereich praktizierte Modell der „ variablen Arbeitszeit “ ist ein im Zeitablauf schwankender Arbeitsanfall, dem durch einen möglichst flexiblen, an der jeweiligen Auslastung orientierten Personaleinsatz Rechnung getragen werden soll (Fauth, /Willenegger,  2001). Mit Mitarbeitern, die an einem von der Normalarbeitszeit abweichenden Arbeitszeitvolumen interessiert sind, wird ein Arbeitsvertrag geschlossen, der eine jährlich oder monatlich zu leistende Sollarbeitszeitmenge und das daran gekoppelte Arbeitsentgelt festlegt. Die Inanspruchnahme dieser Sollarbeitszeitmenge variiert im Zeitablauf, abhängig einerseits vom Kapazitätsbedarf des Unternehmens und andererseits von der Interessenlage des Mitarbeiters. Liegt die Entscheidung über die Inanspruchnahme allein beim Unternehmen, wird das Modell als „ kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit “ (Kapovaz) bezeichnet.
Bei der verbreiteteren „ individuellen variablen Arbeitszeit “ erfolgt die Festlegung der Arbeitszeitlage durch einen Abstimmungsprozess zwischen dem Vorgesetzten und den Mitarbeitern bzw. zwischen den Mitarbeitern untereinander. Diese Form der Abstimmung ist auch charakteristisch für das Job-Sharing-Modell, bei dem sich mehrere Mitarbeiter die Aufgaben eines oder mehrerer Arbeitsplätze eigenverantwortlich teilen.
Von seinen theoretischen Möglichkeiten her erscheint das Job-Sharing-Konzept ähnlich attraktiv wie das organisatorische Konzept der (teil-)autonomen Gruppen, insbesondere, wenn man für die Erfüllung komplexer Aufgaben die Verkopplung von Mitarbeitern mit unterschiedlichen Qualifikationsprofilen und mehr als eine Vollzeitarbeitsstelle als Bezugseinheit berücksichtigt. Es wirft aber zweifellos auch dem Konzept der autonomen Gruppen vergleichbare Probleme auf (Marr,  1982), über deren Lösungsmöglichkeiten nur Praxisexperimente Aufschluss geben können.

III. Interessenausgleich als Voraussetzung effizienter Arbeitszeitgestaltung


1. Kriterien des Arbeitszeitmanagements


Das Management flexibler Arbeitszeiten berührt zwangsläufig ein breites Spektrum von Interessen sowohl auf Seiten der Mitarbeiter als auch auf Seiten des Betriebes (s. dazu Cohen, /Gadon,  1978; Marr,  2001b).

a) Bewertungskriterien der ökonomischen Effizienz


Über die Kosten- und Produktivitätswirkungen von Konzepten flexibler Arbeitszeit im Vergleich zu starrer Vollzeitarbeit lassen sich aufgrund des Mangels an theoretischen Erklärungsmodellen wie an ausreichenden empirischen Untersuchungen nur erfahrungsgestützte Schätzwerte abgeben. Bereits 1980 wurde von Unilever (1980) eine Studie über die Effekte der Umwandlung von Vollzeitstellen in „ klassische “ Halbtagsstellen veröffentlicht, die zu dem Ergebnis gelangte, dass einer geringen Kostenmehrbelastung deutliche Produktivitätsgewinne gegenüberstehen. Eine McKinsey-Studie von 1994 hält bei der Schaffung von mehr Teilzeitarbeitsplätzen Produktivitätsgewinne von ca. 20% für möglich (McKinsey&Co.,  1994).
Die Akzeptanz eines Konzepts flexibler Arbeitszeitgestaltung setzt bei den betroffenen Mitarbeitern die (subjektive) Einschätzung voraus, dass die individuellen Vorteile des Konzeptes seine Nachteile überwiegen oder ihnen zumindest äquivalent sind. Ist die Akzeptanz nicht gegeben, entstehen zusätzliche Implementierungs- bzw. „ Durchsetzungskosten “ . Für die Promotoren eines Modells flexibler Arbeitszeitgestaltung ist daher die Kenntnis der arbeitszeitbezogenen Interessen der Mitarbeiter von besonderer Bedeutung.

b) Bewertungskriterien der sozialen Effizienz


Im Vordergrund der Diskussion über das mögliche Interesse der Mitarbeiter an einer Arbeitszeitvariation steht das Schlagwort der „ Zeitsouveränität “ , wenn auch Souveränität im eigentlichen Sinne selbst durch das fortschrittlichste Arbeitszeitmodell nicht zu erfüllen ist. Gemeint ist mit Zeitsouveränität ein Abbau von Fremdbestimmung und Schaffung neuer Freiheitsgrade für die Mitarbeiter bei ihrer Arbeitszeitentscheidung (Hörning, /Gerhardt, /Michailow,  1990; Kick,  1992; Teriet,  1976).
Konkretere Orientierungspunkte für die Einschätzung der Interessenlagen der Mitarbeiter liefert die Beantwortung der Frage nach den durch eine Arbeitszeitvariation tangierten Bedürfnissen (Marr,  2001b). Neben dem wohl im Vordergrund stehenden Interesse an der Erzielung eines als ausreichend betrachteten und hinlänglich sicheren Einkommens dürften insbesondere zu nennen sein:

-

Wahrnehmung einer fähigkeits- und neigungsentsprechenden Tätigkeit,

-

Vermeidung physischer, psychischer und intellektueller Über- und Unterforderung (Gesundheitsstrategien/-management; Stress und Stressbewältigung),

-

Möglichkeit zur Kommunikation und Interaktion,

-

soziale Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte,

-

Möglichkeit der individuellen fachlichen wie persönlichen Weiterentwicklung und damit des Erwerbs von Ansehen,

-

Vereinbarkeit von berufsbezogenen und freizeit- bzw. familienbezogenen Interessen.


Flexible Arbeitszeitstrukturen können hinsichtlich ihrer ökonomischen und sozialen Effizienzwirkungen nicht generalisierend beurteilt werden. Das Ergebnis einer Kosten-Nutzen-Analyse eines Arbeitszeitmodells hängt immer von den konkreten Bedingungen des Einzelfalls ab (wirtschaftliches, betriebliches, produktionstechnisches, soziales, tarifpolitisches etc. Umfeld) (Marr,  1989).

2. Ansätze für ein interessenausgleichsorientiertes Arbeitszeitmanagement


Als eine der Grundvoraussetzungen erfolgreicher Arbeitszeitvariation erscheint aufgrund der vielfältig betroffenen Interessen die frühzeitige Information und Beteiligung der Mitarbeiter bzw. ihres Vertretungsorgans, des Betriebs- bzw. Personalrats. Durch die Möglichkeit der Mitgestaltung im Rahmen einer Strategie partizipativer Konzeptentwicklung können nicht nur Widerstände am ehesten vermieden, sondern auch das Erfahrungspotential der Mitarbeiter problemgerecht integriert werden.
Um ausreichende Akzeptanz auf Seiten der Mitarbeiter sicherzustellen, ist es im Rahmen der Modellentwicklung erforderlich, nicht nur die verhaltensbezogenen Konsequenzen der verschiedenen Modellalternativen einzubeziehen, sondern auch mögliche personalwirtschaftliche, insbesondere anreizpolitische Handlungsparameter, mit deren Hilfe ein aus der Sicht der Mitarbeiter möglicherweise gestörtes arbeitsbezogenes Anreiz-Beitrags-Verhältnis wieder in ein Gleichgewicht gebracht werden kann. Zum einen ist dabei zu denken an flexibilitätsfördernde personalwirtschaftliche Maßnahmen, um eine ausreichende Anpassungsfähigkeit der Mitarbeiter sicherzustellen, zum anderen an anreizpolitische Maßnahmen, die auf die Anpassungsbereitschaft der Mitarbeiter abzielen.
Die Entwicklung eines Programms zur Erhöhung der individuellen Anpassungsfähigkeit kann sich insbesondere auf die folgenden Elemente beziehen:

-

schrittweise Erweiterung der Aufgabeninhalte im Sinne einer Erhöhung der individuellen Handlungsautonomie, um dadurch Lernfähigkeit und Lernbereitschaft zu fördern;

-

systematische Personalentwicklung, bei der aber weniger spezifische funktionale Qualifikationen im Vordergrund stehen sollten, als vielmehr die sog. „ extra-funktionalen “ Qualifikationen wie Selbständigkeit, Kooperationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit.


Die Akzeptanz und Anpassungsbereitschaft der Mitarbeiter wird ohne flankierende anreizpolitische Maßnahmen dann in Frage gestellt sein, wenn als Konsequenz des einzuführenden Arbeitszeitmodells

-

eine Verlagerung von Arbeitszeit in bisherige Freizeiträume erfolgt und dieser Zeittausch vor dem Hintergrund der individuellen Interessen negativ bewertet wird,

-

eine Erhöhung der Belastungsintensität eintritt oder eine subjektiv größere Flexibilitätsleistung erbracht werden muss,

-

sich Einkommensverluste oder sonstige Anspruchseinschränkungen hinsichtlich betrieblicher Leistungen ergeben oder

-

realisierbare Produktivitäts- und Flexibilitätsvorteile ausschließlich dem Betrieb zugute kommen.


Als Kompensationsangebote zur Wiederherstellung eines arbeitszeitbezogenen Anreiz-Beitrags-Gleichgewichts aus Mitarbeitersicht können in Erwägung gezogen werden (Marr,  2001b):

-

bei chronologischer Variation: Umbewertung von Zeiteinheiten, die in den Augen der Mitarbeiter wenig attraktiv sind, sei es durch ein Zuschlagssystem, ähnlich den Feiertags- oder Nachtzuschlägen, sei es durch eine relative Verkürzung des Arbeitszeitblockes bei vollem Lohnausgleich bzw. Gewährung von Freischichten;

-

bei chronometrischer Variation kommt insb. dem Lohnausgleich sowie (bei an Nachfrageschwankungen angepassten Flexibilisierungskonzepten) einer Beschäftigungsgarantie auf der Basis eines Mindestarbeitszeitkontingents besondere Bedeutung zu.


IV. Zeitorientierte Arbeitsgestaltung


Im Hintergrund dieser Gestaltungsebene steht die Grundsatzfrage, ob ein Arbeitszeitmodell auf eine gegebene Aufgaben- und Stellenstruktur „ aufgepfropft “ oder ob eine Anpassung der Aufgabenstruktur an das veränderte, modellimmanente Zeitraster vorgenommen werden soll (Marr,  2001a). Ein effektives (i.S. ökonomischer und sozialer Effizienz) Arbeitszeitmanagement kann nur auf der Basis eines arbeitszeit- und arbeitsinhaltsorientierte Aspekte integrierenden Konzeptes der Arbeitsorganisation realisiert werden. Die zentrale Frage zeitorientierter Arbeitsgestaltung lautet: „ Wie lassen sich die einzelnen Aufgabenelemente im Hinblick auf das Ziel der ökonomischen und sozialen Effizienz unter Berücksichtigung von personellen und/oder zeitlichen Teilbarkeitsaspekten zu stellenbezogenen Aufgabenkomplexen zusammenfassen? “
Grundgedanke hierbei ist, Aufgabenelemente derart zu Teilaufgaben zusammenzufassen, dass nach Erfüllung bestimmter Teilaufgaben der Vollzug der Gesamtaufgabe unterbrochen werden kann. Zeitliche Teilbarkeit bedeutet, dass die der Teilaufgabe n im Sinne der Ablauflogik folgende Teilaufgabe n + 1 auch nach einer zeitlichen Unterbrechung zielgerecht erfüllt werden kann; personelle Teilbarkeit heißt, dass die Teilaufgabe n + 1 ohne Effizienzeinbuße einem anderen als dem mit der Erfüllung der Teilaufgabe n beauftragten Mitarbeiter übertragen werden kann.
Die Zwecksetzung zeitorientierter Arbeitsgestaltung (und der Unterschied gegenüber traditionellen Arbeitsstrukturierungsprinzipien) liegt zum Einen in einer sowohl ökonomisch (Vermeidung von Leerzeiten oder Doppelarbeit) wie sozial (Zusammenstellung inhaltlich befriedigenderer Arbeits „ pakete “ ) effizienteren Zeitnutzung und zum Anderen darin, bei Anpassungserfordernissen nicht erst prüfen zu müssen, welche Aufgabenkomplexe teilbar sind, sondern auf die mit der Modulzusammenstellung von vornherein eingebauten Teilungspunkte zurückgreifen zu können.
Auch bei veränderter Auslastung des betrieblichen Arbeitszeitpotentials lässt sich durch situationsgerechte Zusammenfassung verschiedener Aufgabenmodule das Zeitbudget optimal ausfüllen. Durch flexibel einsetzbare Module kann insbesondere die mit der Arbeitszeitflexibilisierung im Regelfall einhergehende Entkoppelung von individueller Arbeits- und Betriebszeit wesentlich erleichtert werden.
Die Konsequenz einer Dynamisierung des Arbeitszeitvolumens im oben angedeuteten Sinne ist, dass zum Einen auch der Stellenplan flexibel sein muss, was neben Qualifikations- auch Kompetenzprobleme zur Folge haben kann; zum Anderen, dass die herkömmlich feste Zuordnung von Person und Stelle bzw. von Person und Funktion tendenziell aufgelöst wird.

V. Modellimplementierung


Der Erfolg einer Arbeitszeitinnovation wird nicht nur durch die Konzeption des Arbeitzeitmodells und das darin konkretisierte Bemühen, den unterschiedlichen Interessen Rechnung zu tragen, bestimmt, sondern in hohem Maße durch die Gestaltung des Implementationsprozesses. Dieser ist grundsätzlich als Prozess der Organisationsentwicklung zu konzipieren. Nur wenn es gelingt, die Betroffenen zu Beteiligten zu machen, können innovative Arbeitszeitmodelle ihr Potential voll entfalten (Marr,  2001b).
Literatur:
Ackermann, K. F./Hofmann, M. : Innovatives Arbeitszeit- und Betriebszeitmanagement, Frankfurt 1990
Baillod, J. : Arbeitszeit – Humanisierung der Arbeit durch Arbeitszeitgestaltung, Stuttgart 1986
Baillod, J./Holenweger, T./Ley, K. : Handbuch Arbeitszeit 2, Zürich 1993
Bihl, G./Berghahn, A./Theunert, M. : Zukunftsorientierte Arbeitszeitgestaltung am Beispiel BMW Werk Regensberg, in: Arbeitszeitmanagement, hrsg. v. Marr, R., Berlin et al. 2001, S. 241 – 258
Blum, A. : Integriertes Arbeitszeitmanagement. Ausgewählte personalwirtschaftliche Massnahmen zur Entwicklung und Umsetzung flexibler Arbeitszeitsysteme, Bern et al. 1999
Blum, A./Zaugg, R. : Praxishandbuch Arbeitszeitmanagement. Beschäftigung durch innovative Arbeitszeitmodelle, Chur, Zürich 1999
Cohen, A./Gadon, H. : Alternative Work Schedules: Integrating Individual and Organisational Needs, Reading 1978
Deters, J./Staehle, W. H./Stirn, U. : Die Praxis des gleitenden Übergangs in den Ruhestand, Berlin 1989
Dingler, M. : Arbeitszeitmanagement: Gestaltung und Implementierung von Arbeitszeitmodellen, Wiesbaden 1997
Ergenzinger, R. : Arbeitszeitflexibilisierung – Konsequenzen für das Management, Bern 1993
Fauth, A./Willenegger, A. : Erfahrungen aus einem mittelständischen Handelsunternehmen: Individuelle Arbeitszeit im Textilhaus Ludwig Beck, in: Arbeitszeitmanagement, hrsg. v. Marr, R., Berlin 2001, S. 217 – 227
Fauth-Herkner, A. : Flexibel ist nicht genug! Vom Arbeitszeitmodell zum effizienten Arbeits(zeit)management, Frechen 2001
Fiedler-Winter, R. : Flexible Arbeitszeiten. Beispiele aus der Praxis, Landsberg/Lech 1995
Gaugler, E./Gille, G./Paul, H. : Teilzeitarbeit, Mannheim 1981
Haller, W./Neher, H. : Arbeiten wir zeitgemäß?, Wiesbaden 1986
Heymann, H. H./Seiwert, L. : Job Sharing: Flexible Arbeitszeit durch Arbeitsplatzteilung, Grafenau 1982
Hörning, K. H./Gerhardt, A. L./Michailow, M. : Zeitpioniere, Flexible Arbeitszeiten – neuer Lebensstil, Frankfurt/Main 1990
Kick, T. : Individuelles Lebensarbeitszeitmanagement, Frankfurt 1992
Marr, R. : Konfliktaspekte des Job Sharing, in: Job Sharing: Flexible Arbeitszeit durch Arbeitsplatzteilung, hrsg. v. Heymann, H./Seywert, L., Grafenau 1982, S. 304 – 313
Marr, R. : Chancen und Probleme einer Individualisierung der Arbeitszeit durch Zeitsparmodelle, in: Zeitaspekte in betriebswirtschaftlicher Theorie und Praxis, hrsg. v. Hax, H./Kern, W./Schröder, H. H., Stuttgart 1989, S. 315 – 329
Marr, R. : Arbeitszeitmanagement – Grundlagen und Perspektiven der Gestaltung flexibler Arbeitszeitsysteme, 3. A., Berlin et al. 2001a
Marr, R. : Die Implementierung eines flexiblen Arbeitszeitsystems als Prozess organisatorischer Entwicklung, in: Arbeitszeitmanagement, hrsg. v. Marr, R., Berlin 2001b, S. 391 – 404
McKinsey & Co., : Teilen und Gewinnen – Das Potenzial der flexiblen Arbeitszeitverkürzung, München 1994
Stitzel, M. : Der gleitende Übergang in den Ruhestand, Frankfuirt 1987
Teriet, B. : Neue Strukturen der Arbeitszeitverkürzung, Göttingen 1976
Then, W./Denkhaus, G. : Zeitarbeit. Flexibel arbeiten und beschäftigen, München 1994
Thon, N./Blum, A./Zaugg, R. J. : Arbeitszeitmanagement. Zur Verbreitung und Beschäftigungswirksamkeit von Arbeitszeitsystemen aus personalwirtschaftlicher Sicht, Bern 2000
Unilever, : Studie über die Möglichkeiten der Schaffung von mehr Teilzeitarbeitsplätzen, Hamburg 1980
Wildemann, H. : Arbeitszeitmanagement – Einführung und Bewertung flexibler Arbeits- und Betriebszeiten, München 1995

 

 


 

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