Dividendenpolitik
Inhaltsübersicht
I. Problemstellung
II. Funktionen der Dividendenpolitik
III. Fazit
I. Problemstellung
1. Begriffliches
Im Rahmen der Dividendenpolitik geht es um die optimale Ausgestaltung von Dividendenzahlungen einer Kapitalgesellschaft im Zeitablauf. Die Dividendenzahlungen stellen Ausschüttungen von Gewinnteilen an die Anteilseigner der Gesellschaft dar. Optimal ist eine solche Dividendenpolitik, die aus Sicht der jeweiligen Anteilseigner zu den für sie höchstmöglichen Zielerreichungsgraden führt. Auf die hierbei zu beachtenden gesetzlichen Restriktionen soll im Folgenden nicht weiter eingegangen werden.
2. Mögliche Entscheidungssituationen
Grundsätzlich stellt sich die Frage nach der Herkunft der zur Ausschüttung vorgesehenen Mittel. Sei Kt der in einem Zeitpunkt t vorhandene Bestand liquider Mittel unter Einschluss laufender Einzahlungsüberschüsse aus der unternehmerischen Geschäftstätigkeit und der monetären Konsequenzen von in Vorperioden bereits beschlossenen Finanzierungsmaßnahmen. Ft sei der durch im Zeitpunkt t initiierte Finanzierungsmaßnahmen zusätzlich eingehende Mittelbetrag. Ft > 0 bezeichne hierbei Mittelabflüsse durch Sondertilgungen oder Rückkäufe von Finanzierungstiteln. Mit It als dem in t geplanten Investitionsvolumen und Dt als der in t vorgesehenen Dividendenausschüttung muss gelten:
Kt+Ft = It+Dt.
Eine ceteris paribus erfolgende Erhöhung der geplanten Dividendenzahlung Dt erfordert demnach die Anpassung mindestens einer weiteren Plangröße. Bei exogen gegebenem Kassenbestand Kt muss It reduziert und/oder Ft erhöht werden. Damit lässt sich die Bestimmung der optimalen Dividendenpolitik einer Unternehmung situationsabhängig grundsätzlich zurückführen auf drei verschiedene Varianten von Auswahlentscheidungen:
1. | Für gegebenes Investitionsvolumen It und Kt > It ist abzuwägen zwischen Dividendenausschüttung und Rückkauf von Finanzierungstiteln. | 2. | Für gegebenes Investitionsvolumen It und Kt < It ist die Vorteilhaftigkeit einer durch Ausgabe weiterer Finanzierungstitel finanzierten Dividendenausschüttung zu beurteilen. | 3. | Für gegebene sonstige Finanzierungsmaßnahmen Ft und gegebenes Kt geht es um die Vorteilhaftigkeit einer durch Investitionsreduktion finanzierten Dividendenausschüttung. |
Zur Beantwortung der Frage nach sachgerechter Ausgestaltung von Dividendenzahlungen ist neben der Charakterisierung des jeweils zugrunde gelegten Szenarios überdies zu prüfen, welche Funktionen durch unternehmerische Finanzierungsmaßnahmen im Allgemeinen und die Dividendenpolitik im Speziellen ausgeübt werden können oder sollen (vgl. generell Breuer, W. 2002).
II. Funktionen der Dividendenpolitik
1. Pufferfunktion
Am einfachsten lässt sich die Dividendenpolitik im Kontext des Szenarios 3) diskutieren. Dividendenzahlungen erfüllen hier lediglich eine gewisse Pufferfunktion: Mittel, die nicht sinnvoll im Unternehmen investiert werden können, sind auszuschütten, der Restbetrag ist einzubehalten (Gordon, M. J./Shapiro, E. 1956; Gordon, M. J. 1959; Gordon, M. J. 1962). Einwenden lässt sich sofort, dass grundsätzlich auch durch eine Anpassung von Ft beliebige Investitionsvolumina finanziert werden können, ohne dass eine Änderung der Dividendenzahlung erfolgen müsste. Dieser Gedanke führt zur Diskussion der Szenarien 1) und 2), in denen von gegebener Mittelverwendung für investive Zwecke ausgegangen wird und nur noch über die Mittelbeschaffung im Rahmen unternehmerischer Finanzierungsentscheidungen zu befinden ist.
2. Transformationsfunktion
Eine weitere generelle Aufgabe der Finanzierungspolitik einer Unternehmung besteht in der Wahrnehmung von Transformationsfunktionen. Grundsätzlich sollte eine derartige Finanzierungsweise gewählt werden, dass den Zeit- und Risikopräferenzen der Kapitalgeber sowie ihren Anfangsausstattungen bestmöglich entsprochen wird. Dieses Ziel wird erreicht durch die Erfüllung von Fristen-, Risiko- und Losgrößentransformation über Maßnahmen der Unternehmensfinanzierung (Breuer, W. 1998). In diesem Zusammenhang ist neben den Zahlungsströmen aller übrigen Finanzierungstitel der auf Beteiligungstitel im Rahmen der Eigenfinanzierung zu leistende Zahlungsstrom zu bestimmen. Auch unter diesem Aspekt erweist sich die Dividendenpolitik als Teil der unternehmerischen Finanzierungspolitik.
Problematisch an dieser Sichtweise ist zum einen, dass operationale und damit für praktische Entscheidungen hilfreiche Handlungsempfehlungen aus diesem Ansatz kaum hergeleitet werden können und insbesondere die zugrunde gelegte Präferenzstruktur der Kapitalgeber die Art der optimalen Finanzierungsweise determiniert. Überdies braucht die Unternehmensfinanzierung wenigstens dann keinerlei Transformationsfunktionen zu erfüllen, wenn ein friktionsfreier ( „ vollkommener “ ) Sekundärmarkthandel von Finanzierungstiteln nach ihrer (Primärmarkt-) Emission möglich ist. In diesem Falle können alle Kapitalgeber durch Kapitalmarkthandel solche Zahlungsstromstrukturen realisieren, wie es am besten ihren Präferenzen entspricht, und zwar unabhängig von der ursprünglich gewählten Art der Unternehmensfinanzierung. Aus dieser Überlegung ergibt sich unmittelbar die Irrelevanz unternehmerischer Finanzierungsentscheidungen und damit auch der Dividendenpolitik in den Szenarien 1) und 2) (Miller, M. H./Modigliani, F. 1961). Unter der Annahme eines friktionsfreien Kapitalmarkthandels resultiert ferner als adäquater Maßstab für die Gesamtwohlfahrt aller Kapitalgeber der Marktwert des jeweiligen Unternehmens und liegt das optimale unternehmerische Investitionsprogramm finanzierungsunabhängig als marktwertmaximierend fest (Breuer, W. 1997), sodass damit sogar der Ausschluss des Szenarios 3) eine weitere (tiefer gehende) Begründung erfährt.
Die Irrelevanz der Dividendenpolitik bedeutet nicht, dass statt Dividendenzahlungen die Gewinnausweise die Wohlfahrtsposition von Anteilseignern bestimmen (Gewinnthese). In der Tat zählen auch bei Irrelevanz der Dividendenpolitik für die Anteilseigner vielmehr die ihnen letztlich zufließenden Ausschüttungen (Dividendenthese). Die Aussage lautet nun aber, dass Anteilseigner beispielsweise indifferent sind zwischen Ausschüttungen in Form von Dividenden oder Aktienrückkäufen (Szenario 1)) und dass eine über eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen finanzierte Dividendenerhöhung ebenfalls keinerlei Wohlfahrtswirkung aus Sicht der Anteilseigner entfaltet (Szenario 2)). Im letztgenannten Fall liegt eine Auswahlentscheidung zwischen Selbstfinanzierung von Investitionen und deren externer Eigenfinanzierung vor. Hierbei haben die Anteilseigner bei Unterlassung der extern finanzierten Dividendenzahlung stets die Möglichkeit, einen Teil ihrer Beteiligungstitel auf dem Sekundärmarkt zu verkaufen, um auf diese Weise zusätzliche Einzahlungen für Konsumzwecke im jeweiligen Betrachtungszeitpunkt zu realisieren. Zwar reduziert sich damit ihre Beteiligungsquote und dementsprechend ihre Anwartschaft auf künftige Einzahlungsüberschüsse, doch ergäben sich grundsätzlich identische Konsequenzen für den Fall einer extern eigenfinanzierten Dividendenzahlung. Insofern bezieht sich die Irrelevanzaussage nicht auf die Irrelevanz von Dividendenzahlungen schlechthin, sondern lediglich auf die Irrelevanz ihrer zeitlichen Verteilung über die Lebensdauer einer Unternehmung und die Äquivalenz von Dividenden und Aktienrückkäufen. In der Tat gilt Entsprechendes sogar bei fremdfinanzierter Dividendenzahlung, da auch hierdurch für die Anteilseigner (nach Bedienung der Forderungstitel) in Zukunft geringere Dividendenzahlungen resultieren.
3. Minimierung des Marktwerts von Steuerzahlungen und Transaktionskosten
Die behauptete Irrelevanz der Dividendenpolitik ist schon früh als wenig befriedigend und nur schwer mit der Realität vereinbar empfunden worden. Insofern wurde stets nach weiteren Funktionen unternehmerischer Dividendenpolitik gesucht, die nicht durch Kapitalmarkthandel substituiert werden können.
Mangelnde Substitutionsmöglichkeit resultiert dabei schon dann, wenn man ausschüttungsabhängige Steuern und Transaktionskosten externer Finanzierungsmaßnahmen in die Überlegungen einbezieht. In einigen Ländern etwa werden einbehaltene Gewinne von Kapitalgesellschaften anders besteuert als über Dividendenzahlungen ausgeschüttete. Andererseits verursachen externe Finanzierungsmaßnahmen, namentlich Kapitalerhöhungen gegen Einlagen, zusätzliche Transaktionskosten. Sofern die resultierende Gesamtsteuerbelastung bei Ausschüttung niedriger als bei Einbehaltung von Gewinnen ist und der Steuerspareffekt durch zusätzliche Transaktionskosten nicht überkompensiert wird, böte es sich im Szenario 2) an, durch Kapitalerhöhungen gegen Einlagen finanzierte Ausschüttungen vorzunehmen. Es liegt dann folglich ein steuerlich motiviertes Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren vor (Hax, H. 1979).
Bei dergestalt steuerlich dominierter Dividendenpolitik dürfte man grundsätzlich starke Variationen in den Dividendenzahlungen je nach unternehmerischer Ertragslage erwarten. Empirische Untersuchungen deuten aber darauf hin, dass die Dividende pro Aktie von Unternehmungen nach Möglichkeit im Zeitablauf konstant gehalten wird, auch wenn die Ertragslage von Periode zu Periode unsystematischen Schwankungen unterworfen ist (Lintner, J. 1956; Aharony, J./Swary, I. 1980).
4. Informationsübermittlungsfunktion
Ab den 1970er-Jahren erkannte man, dass dem bis dahin vernachlässigten typischerweise ungleichen (asymmetrischen) Informationsstand von Unternehmensleitung und Kapitalgebern eine besondere Bedeutung im Zusammenhang mit der Erklärung unternehmerischer Finanzierungsmaßnahmen zukommt (Breuer, W. 1999). In der Regel verfügt die Leitung einer Unternehmung über Informationen, die den externen Kapitalgebern nicht oder jedenfalls nicht kostenlos zur Verfügung stehen. Unternehmerische Finanzierungsentscheidungen erfüllen in diesem Zusammenhang nun Funktionen, die nicht einfach durch friktionsfreien (anonymen) Sekundärmarkthandel von Finanzierungstiteln substituiert werden können, nämlich die der Informationsübermittlung und Verhaltensbeeinflussung. Hierbei wurde zum einen der Frage Aufmerksamkeit geschenkt, inwiefern die Unternehmensleitung ihre Finanzierungsentscheidungen als Signal zur Übermittlung ihrer besseren Informationen hinsichtlich der unternehmerischen Ertragskraft nutzen kann. Allgemein spricht man hier von Signalling- und Screening-Ansätzen (Leland, H. E./Pyle, D. H. 1977; Ross, S. A. 1977), die bald auch auf den Bereich der Dividendenpolitik übertragen wurden. Behauptet wird insbesondere, dass die Höhe der von der Unternehmensleitung festgelegten Dividendenzahlung je Aktie einen Indikator für die in Zukunft erwarteten unternehmerischen Einzahlungsüberschüsse darstellt. Zukünftig ertragsstarke Unternehmen werden sich durch entsprechend hohe heutige Ausschüttungen zu erkennen geben (Bhattacharya, S. 1979).
Ein genereller Schwachpunkt dieser Ansätze ist, dass sich die Relevanz der Dividendenpolitik durch eine reine Informationsübermittlungsfunktion kaum überzeugend begründen lässt (Hartmann-Wendels, T. 1986). Denn eine erfolgreiche Informationsübermittlung setzt stets voraus, dass mit verschiedenen Ausgestaltungen der Dividendenpolitik unterschiedlich hohe Kosten verbunden sind, die verhindern, dass schlechte Unternehmen die gleiche Dividendenpolitik wie gute Unternehmen verfolgen. Diese Kosten rühren nun typischerweise aus der Annahme weiterer Marktunvollkommenheiten, die eine Relevanz der Dividendenpolitik bereits für den Fall ohne Informationsasymmetrie bedingen. Die Signalisierungsfunktion der Dividendenpolitik hat aus diesem Grunde prinzipiell bestenfalls derivativen Charakter. Im sehr prominenten Ansatz von Miller/Rock (Miller, /Rock, 1985), zur Informationsübermittlungsfunktion von Dividenden etwa liegt das Szenario 3) zugrunde: Die Dividendenpolitik ist hier auch schon bei symmetrischer Informationsverteilung einfach deshalb von Relevanz, weil sie das Ausmaß der durchführbaren Investitionen bedingt. Die Pufferfunktion der Dividendenpolitik erweist sich daher im Kontext von Miller/Rock als eigentliche Ursache ihrer Relevanz.
Entsprechende Einwände lassen sich gegen andere Signalisierungsansätze geltend machen, beispielsweise auch gegen solche, die am Szenario 1) ansetzen und die Informationsübermittlungsfunktion von Dividendenzahlungen mit der von Aktienrückkäufen vergleichen (Ofer, /Thakor, 1987; Persons, J. C. 1997).
5. Verhaltensbeeinflussungsfunktion
Ungefähr zeitgleich mit der Bedeutung der Frage, wie Finanzierungsmaßnahmen zur Informationsübermittlung dienen können, erkannte man, dass unternehmerische Finanzierungsentscheidungen in unterschiedlicher Weise Anreize für bestimmte Verhaltensweisen der Unternehmensführung schaffen (Jensen, M. C./Meckling, W. H. 1976; Myers, S. C. 1977). Grundsätzlich muss davon ausgegangen werden, dass externe Kapitalgeber nicht in der Lage sind, das Verhalten der Geschäftsführung (kostenlos) vollständig zu beobachten. Aus der auch in dieser Hinsicht bestehenden Informationsasymmetrie ergibt sich für das Management einer Unternehmung ein Verhaltensspielraum, der von diesem im Eigeninteresse und insbesondere auch zu Lasten externer Kapitalgeber ausgenutzt werden kann.
Wesentlich ist, dass unterschiedliche Formen der Finanzierung mit verschiedenen Verhaltens(fehl)anreizen für die Unternehmensleitung einhergehen. Externe Eigenfinanzierung ermöglicht es der Unternehmensleitung besser als Fremdfinanzierung, Macht- und Wachstumsziele über die Einbehaltung von Überschüssen zur Durchführung von aus der Sicht externer Kapitalgeber ineffizienten Investitionen zu verfolgen. Liquide Überschüsse, für die im Unternehmen keine ertragreichen Verwendungsmöglichkeiten mehr bestehen, bezeichnet man als Free Cashflow (Jensen, M. C. 1986). Man spricht hier deswegen auch vom so genannten Free-Cashflow-Problem. Sofern die Dividendenpolitik von den Anteilseignern der Unternehmensleitung bestimmt werden kann, wären hohe Ausschüttungen festzuschreiben, um auf diese Weise eine ineffiziente Mittelverwendung durch die Geschäftsführung zu verhindern. Sollte infolge der hohen Ausschüttung ein Finanzierungsdefizit entstehen, dann müsste sich die Geschäftsleitung im Rahmen externer Finanzierungsmaßnahmen erneut Mittel am Kapitalmarkt beschaffen. Im Zusammenhang mit diesen Beschaffungsmaßnahmen wäre eine glaubwürdige Vermittlung der Existenz ertragreicher Projekte erforderlich: Gelingt der Geschäftsführung dieser Nachweis, dann werden die Projekte auch finanziert werden können. Gelingt der Nachweis hingegen nicht, erhält das Management keine Verfügungsmacht über möglicherweise ineffizient zu verwendende Mittel (Wagner, F. W. 1987).
Die Erklärung unternehmerischer Dividendenpolitik über einen Versuch zur Linderung des Free-Cashflow-Problems hat eine Reihe von Schwächen. Zum einen könnte man das Management auf andere Arten disziplinieren. Beispielsweise käme eine stärkere Fremdfinanzierung mit dann zwangsläufig erfolgenden monetären Abflüssen in Form von Zins- und Tilgungsleistungen (Stulz, R. M. 1990) oder eine erfolgsabhängige Managemententlohnung (Dybvig, P.H./Zender, J.F. 1991) in Betracht. Das Vorschreiben einer bestimmten Dividendenpolitik erweist sich dann als nicht mehr erforderlich zur Steuerung des Verhaltens der Geschäftsführung. Eine weitere Alternative zur zwangsweisen Mittelausschüttung könnte darin bestehen, dass der Nachweis rentabler Mittelverwendung vor der Entscheidung über die Ausschüttung der Mittel erbracht werden muss. Auf diese Weise könnten zugleich Transaktionskosten im Gefolge der sonst gegebenenfalls erforderlichen Schütt-Aus-Hol-Zurück-Maßnahme eingespart werden. Schließlich wurde für die ganzen vorangehenden Überlegungen stets unterstellt, die Anteilseigner könnten die Ausschüttung der liquiden Überschüsse autonom festlegen. Dies widerspricht insbesondere bei Aktiengesellschaften der Realität. Im Wesentlichen entscheidet dort die Geschäftsführung über die zur Ausschüttung vorgesehenen Mittel. Dann aber können die Anteilseigner die Dividendenpolitik schon aus diesem Grunde nicht als Disziplinierungsinstrument einsetzen, und man bräuchte vielmehr eine Erklärung dafür, warum sich das Management selbst über die Ausschüttungspolitik disziplinieren möchte. Möglicherweise können hohe Dividenden hierbei als Signal für geringe Fehlanreize auf Seiten des Managements hinsichtlich einer Fehlallokation von Free Cashflow dienen, sodass hier eine Verquickung von Informationsübermittlungs- und Verhaltensbeeinflussungsfunktion vorläge (Lang, L. H. P./Litzenberger, R. 1989). In jedem Fall aber bleibt offen, inwiefern sich in derartigen Kontexten ein Streben nach stabilen Dividendensätzen begründen ließe.
6. Minimierung von Wohlfahrtsverlusten aus beschränkter Kapitalgeberrationalität
Gerade im Zusammenhang mit der unternehmerischen Dividendenpolitik wurde stets auch auf gewisse Irrationalitäten im Kapitalgeberverhalten hingewiesen (Weber, K. 1976). Da derartige Argumentationen immer ein wenig willkürlich erscheinen, ist hier grundsätzlich Vorsicht geboten. Nichtsdestotrotz hat sich aber in den letzten Jahren doch zumindest eine gewisse theoretische Basis für die Analyse der Konsequenzen beschränkter Rationalität von Wirtschaftssubjekten entwickelt (Langer, T. 1999). Auf dieser Grundlage ist auch eine erneute Prüfung adäquater Dividendenzahlungen von Unternehmungen möglich. Sinnvollerweise nimmt man dazu an, dass Kapitalgeber beschränkt rational in dem Sinne sind, dass bei ihnen Verstöße gegen das Bernoulli-Prinzip auftreten können, während das (professionelle) Management einer Unternehmung nicht mit derartigen Irrationalitäten zu kämpfen hat. Unter dieser Prämisse kann eine weitere Funktion der Finanzierungsentscheidung des Managements darin gesehen werden, Wohlfahrtsverluste aufgrund beschränkter Kapitalgeberrationalität zu minimieren. Ausdruck beschränkter Rationalität ist es etwa, wenn eine Dividendenzahlung von 1 Geldeinheit nicht in der gleichen Weise beurteilt wird wie eine Reichtumsmehrung um den gleichen Betrag durch Aktienkurssteigerungen. Man spricht hier auch vom Vorliegen verschiedener mentaler Konten beim Entscheidungssubjekt. Ebenfalls ein Phänomen beschränkter Rationalität ist die so genannte Verlustaversion, nach der empfundene Wohlfahrtsminderungen bei Unterschreitung eines bestimmten (subjektiven) Referenzpunktes grundsätzlich ausgeprägter als die korrespondierende Wohlfahrtssteigerung bei einer betragsmäßig gleich großen Überschreitung des Referenzpunktes sind. Die Referenzpunktlage wiederum mag abhängig sein von Einzahlungen oder Vermögensbeständen vergangener Zeitpunkte. Infolge des Führens verschiedener mentaler Konten ist es denkbar, dass eine Reduktion der Dividendenzahlung als Konsequenz von geringeren laufenden Überschüssen aufgrund der Unterschreitung des Dividendenreferenzpunktes und der unterstellten Verlustaversion als sehr nachteilig empfunden wird, während die durch eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen finanzierte Beibehaltung des vorherigen Dividendensatzes einen derart starken negativen Wohlfahrtseffekt aus der Dividendenpolitik vermeidet und zugleich mit nur geringen negativen Wohlfahrtswirkungen aus der Aktienkursminderung einhergeht, soweit dieser immer noch oberhalb des Aktienkursreferenzpunktes des betrachteten Entscheiders liegt.
Ferner könnten Erhöhungen der Dividende pro Aktie in ertragreichen Jahren die nachteilige Konsequenz einer Verschiebung von Dividendenreferenzpunkten nach oben zur Folge haben, weswegen auf Dividendensatzerhöhungen seitens des Managements verzichtet werden sollte, falls nicht eine dauerhaft verbesserte Ertragssituation vorliegt. Insgesamt mag sich dadurch im vorgestellten Kontext eine gewisse Dividendenkontinuität begründen lassen. Insofern mögen verhaltenstheoretische Ansätze mit expliziter Berücksichtigung beschränkter Rationalität von Wirtschaftssubjekten einen wichtigen Beitrag zur Erklärung optimaler unternehmerischer Dividendenpolitik leisten. Zu weiteren Überlegungen hierzu siehe Shefrin, H. M./Statman, M. 1984 und Breuer, W. M./Hartmann, N. 2003.
Die große Schwäche solcher Ansätze ist nach wie vor in dem Fehlen einer gesamthaften, in sich geschlossenen Theorie beschränkter Rationalität zu sehen, in deren Rahmen auch die hierfür maßgeblichen Ursachen, nämlich kognitive Grenzen (Lipman, B. L. 1990), eine überzeugende Berücksichtigung erfahren und der Eindruck der Verwendung von Ad-hoc-Argumentationen vermieden wird.
III. Fazit
Alles in allem ist in der finanzierungstheoretischen Literatur mittlerweile eine ganze Reihe verschiedener Funktionen bekannt, die durch die unternehmerische Dividendenpolitik zu erbringen sind. Das zentrale Ziel, auf theoretisch solider Grundlage konkrete, praktisch umsetzbare Handlungsempfehlungen zur unternehmerischen Dividendenpolitik zu entwickeln, ist bislang aber – außer im Hinblick auf steuerliche Aspekte – noch nicht überzeugend erreicht.
Literatur:
Aharony, J./Swary, I. : Quarterly Dividend and Earnings Announcements and Stockholders\' Returns, in: JoF 1980, S. 1 – 12
Bhattacharya, S. : Imperfect Information, Dividend Policy, and the „ Bird in the Hand “ Fallacy, in: BJoE 1979, S. 259 – 270
Breuer, W. : Die Marktwertmaximierung als finanzwirtschaftliche Entscheidungsregel, in: WiSt 1997, S. 222 – 226
Breuer, W. : Finanzierungstheorie, Wiesbaden 1998
Breuer, W. : Geschichte der Finanzwirtschaftslehre: Finanzierungstheorie, in: 100 Jahre Betriebswirtschaftslehre in Deutschland, hrsg. v. Lingenfelder, M., München 1999, S. 141 – 156
Breuer, W. : Financial Engineering und die Theorie der Unternehmensfinanzierung, in: ÖBA 2002, S. 447 – 456
Breuer, W./Hartmann, N. : Unternehmensfinanzierung und beschränkte Rationalität – Das Beispiel optimaler Dividendenpolitik, in: ZfbF 2003, S. 343 – 363
Dybvig, P.H./Zender, J.F. : Capital Structure and Dividend Irrelevance with Asymmetric Information, in: RoFS 1991, S. 201 – 219
Gordon, M. J. : Dividends, Earnings, and Stock Prices, in: REStat. 1959, S. 99 – 105
Gordon, M. J. : The Savings Investment and Valuation of a Corporation, in: REStat. 1962, S. 37 – 51
Gordon, M. J./Shapiro, E. : Capital Equipment Analysis: The Required Rate of Profit, in: Man.Sc. 1956, S. 102 – 110
Hartmann-Wendels, T. : Dividendenpolitik bei asymmetrischer Informationsverteilung, Wiesbaden 1986
Hax, H. : Zur Bedeutung der Körperschaftsteuerreform von 1977 für die Dividendenpolitik von Aktiengesellschaften, in: ZfbF 1979, S. 322 – 334
Jensen, M. C. : Agency Costs of Free Cash Flow, Corporate Finance, and Takeovers, in: AER 1986, S. 323 – 329
Jensen, M. C./Meckling, W. H. : Theory of the Firm: Managerial Behavior, Agency Costs and Ownership Structure, in: JFE 1976, S. 305 – 360
Lang, L. H. P./Litzenberger, R. : Dividend Announcements: Cashflow Signaling versus Free Cash Flow Hypothesis, in: JFE 1989, S. 181 – 192
Langer, T. : Alternative Entscheidungskonzepte in der Banktheorie, Heidelberg 1999
Leland, H. E./Pyle, D. H. : Informational Asymmetries, Financial Structure, and Financial Intermediation, in: JoF 1977, S. 371 – 387
Lintner, J. : The Distribution of Incomes of Corporations among Dividends, Retained Earnings and Taxes, in: AER 1956, S. 97 – 113
Lipman, B. L. : How to Decide How to Decide How to ..., in: ENM 1990, S. 1105 – 1125
Miller, M. H./Modigliani, F. : Dividend Policy, Growth and the Valuation of Shares, in: JoB 1961, S. 411 – 433
Miller, M. H./Rock, K. : Dividend Policy under Asymmetric Information, in: JoF 1985, S. 1031 – 1051
Myers, S. C. : Determinants of Corporate Borrowing, in: JFE 1977, S. 147 – 175
Ofer, A. R./Thakor, A. V. : A Theory of Stock Price Responses to Alternative Corporate Cash Disbursement Methods, in: JoF 1987, S. 365 – 394
Persons, J. C. : Heterogenous Shareholders and Signaling with Share Repurchases, in: Journal of Corporate Finance 1997, S. 221 – 249
Ross, S. A. : The Determination of Financial Structure: The Incentive-Signalling Approach, in: BJoE 1977, S. 23 – 40
Shefrin, H. M./Statman, M. : Explaining Investor Preference for Cash Dividends, in: JFE 1984, S. 253 – 282
Stulz, R. M. : Managerial Discretion and Optimal Financing Policies, in: JFE, 1990, S. 3 – 27
Wagner, F. W. : Ausschüttungszwänge und Kapitalentzugsrechte als Instrument marktgelenkter Unternehmenskontrolle?, in: Kapitalmarkt und Finanzierung, hrsg. v. Schneider, D., Berlin 1987, S. 409 – 425
Weber, K. : Dividendenpolitik, in: HwF, hrsg. v. Büschgen, H. E., Stuttgart 1976, Sp. 271 – 280
|