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Produktionsgütermarketing


Inhaltsübersicht
I. Grundlagen des Produktionsgütermarketing
II. Marketing für Produktionsgüter-Commodities
III. Marketing für Produktionsgüter-Spezialitäten
IV. Bedeutung und Stellung der Produktionsverbindungshandels im Produktionsgütermarketing
V. Mehrstufiges Marketing für Produktionsgüter

I. Grundlagen des Produktionsgütermarketing


1. Zum Begriff des Produktionsgütermarketing


Das Produktionsgütermarketing ist ein Teilbereich des Business-to-Business-Marketing bzw. des Investitionsgütermarketing, i.w.S. Der Begriff des Produktionsgütermarketing wird dabei in der Literatur uneinheitlich verwendet, was darauf zurückzuführen ist, dass zu den Produktionsgütern die folgenden höchst unterschiedlichen Gutskategorien gezählt werden bzw. gezählt werden können:

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Rohstoffe als die Erzeugnisse der ersten Fertigungsstufe – der sog. Urproduktion – vor dem Eintritt in die Weiterverarbeitung.
Hierzu gehören alle land- und forstwirtschaftlichen Produkte, z.B. Baumwolle, Tabak und Holz, Basisrohstoffe wie Erze, Steine und Erden, aber auch Energie liefernde Rohstoffe, etwa Kohle, Öl und Erdgas. Die Vermarktung der Rohstoffe ist im Fall der Urproduktion eng an den Gewinnungsstandort gebunden, wobei das Angebot sowohl durch eine breite räumliche Streuung als auch durch eine extreme Konzentration auf nur einen oder wenige Orte gekennzeichnet sein kann. Ausgehend von dort werden die Rohstoffe zumeist weltweit an die unterschiedlichsten Wirtschaftszweige geliefert. Darüber hinaus besteht aufgrund der hohen Bedeutung der Rohstoffe für die jeweilige Volkswirtschaft eine starke Tendenz zu staatlicher Einflussnahme auf die Rohstoffmärkte.

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Einsatzstoffe als ver- oder bearbeitete Rohstoffe, welche selbst wiederum den Ausgangspunkt für weitere Produktionsprozesse bilden.
Beispiele sind etwa Benzin, Zement, Gummi, Stahl u.Ä. Der Einsatzstoffesektor bietet dabei insgesamt ein sehr heterogenes Bild, weil die betreffenden Produkte in einem unterschiedlich hohen Ausmaß weiterverarbeitet sind. Diese Varietät wird noch dadurch vergrößert, dass in dem Bereich häufig ein hohes Ausmaß an Vorwärtsintegration vorzufinden ist. Viele Hersteller veredeln nämlich einen Teil der von ihnen produzierten Einsatzstoffe selbst, sodass sie gleichzeitig als Anbieter einer Vielzahl von Einsatzstoffen fungieren, die durch unterschiedliche Weiterverarbeitungsgrade gekennzeichnet sind.

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Hilfsstoffe, die ebenfalls als ver- oder bearbeitete Roh- bzw. Einsatzstoffe in Fertigfabrikate eingehen, dort allerdings nur Nebenbestandteile darstellen.
Beispielhaft sind hier Lacke, Klebstoffe, Katalysatoren, Legierungsstoffe u.Ä. zu nennen. Der Hilfsstoffe produzierende Sektor ist dabei ähnlich strukturiert wie der Einsatzstoffebereich; vielfach sind die betreffenden Anbieterunternehmen auch identisch, da die betreffenden Produkte als Kuppelprodukte demselben Produktionsprozess entstammen.

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Betriebsstoffe, die nicht selbst in das Fertigfabrikat eingehen, sondern der Aufrechterhaltung betrieblicher Leistungsprozesse dienen und bei der Produktion verbraucht werden.
Als Beispiele sind hier Öle, Schmierstoffe, Kühlmittel, Reparaturmaterialien u.Ä. zu nennen. Ihrer Funktion entsprechend kommen Betriebsstoffe in den unterschiedlichsten Industriezweigen zum Einsatz, wobei ihre ökonomische Relevanz z.T. sehr gering ist, z.T. aber auch von ausschlaggebender Bedeutung für die Effektivität von Produktionsprozessen sein kann.

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Teile, die im Produktionsprozess des Abnehmers ohne wesentliche Be- oder Verarbeitung und unter Wahrung ihrer Identität in andere Produkte eingebaut bzw. dort zu neuen Produkten zusammengefügt werden.
Das Teilespektrum reicht von einfach herzustellenden Produkten, z.B. Schrauben, Nägeln und Nieten, bis hin zu hoch komplexen, technisch anspruchsvollen Gütern, so Kupplungen, Pumpen oder kompletten Armaturenbrettern für Pkw. Abnehmer von Teilen sind dabei zunächst die erstausrüstenden Montagebetriebe, die sog. Original Equipment Manufacturer (OEM), welche die Teile für die Erstausrüstung von Aggregaten einsetzen. Darüber hinaus werden Teile aber auch an die Verwender des Endproduktes und an den Handel oder das Handwerk abgesetzt, die sie als Ersatzteile oder für die Zwecke einer späteren Ergänzung einer Erstausrüstung beschaffen.

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Energieträger, die in jeglicher Art von betrieblichen Leistungserstellungsprozessen zum Einsatz kommen.


Zudem ist zu berücksichtigen, dass beim Angebot der betreffenden Güter in mehr oder weniger großem Ausmaß Dienstleistungen erbracht werden, die für die Vermarktung z.T. obligatorisch sind, z.T. aber auch fakultativen Charakter besitzen.
Zu den Produktionsgütern können somit zusammenfassend alle Verbrauchsgüter und die mit ihnen verknüpften Dienstleistungen gezählt werden, die von Unternehmen oder sonstigen Organisationen für die Zwecke der Fremdbedarfsdeckung beschafft und eingesetzt werden. Aus dem Verbrauchsgutcharakter von Produktionsgütern ergeben sich die folgenden Besonderheiten, die sie nicht zuletzt von den Anlagegütern und den Systemgütern als den intensiv genutzten Gebrauchsgütern unterscheiden:
Infolge des Verbrauchs im Leistungserstellungsprozess entsteht in aller Regel ein kontinuierlicher Bedarf an Produktionsgütern, der häufige Wiederkäufe und damit das Herausbilden von Geschäftsbeziehungen sowie von Routinekaufsituationen zur Folge haben kann.
Das bewirkt wiederum, dass sich die Beschaffungsprozesse für Produktionsgüter in aller Regel schneller vollziehen und an der Kaufentscheidung eine geringere Anzahl von Personen beteiligt ist. Außerdem ist die Verhandlungsintensität in den Akquisitionsprozessen geringer, sofern es sich nicht um den Abschluss von längerfristigen Rahmenverträgen handelt.
Darüber hinaus besitzen Produktionsgüter tendenziell einen geringeren Wert pro Mengeneinheit und eine geringere technische Komplexität als Anlage- und Systemgüter. Dadurch sind auch die Kaufentscheidungen – zumindest in technologischer Hinsicht – als weniger risikoreich einzustufen.
Schließlich ist bei Produktionsgütern häufiger die Serien- oder Massenfertigung anzutreffen, im Gegensatz zur zumeist auftragsindividuellen Herstellung von Anlage- und Systemgütern.

2. Wirtschaftszweige des Produktionsgütersektors


Der Produktionsgütersektor ist zu großen Teilen gleichzusetzen mit dem »Grundstoff- und Produktionsgütergewerbe« als eine der Hauptgruppen des Verarbeitenden Gewerbes entsprechend der Gütersystematik des Statistischen Bundesamtes. Hierzu gehören die Wirtschaftszweige Mineralölverarbeitung, Herstellung und Verarbeitung von Spalt- und Brutstoffen, Gewinnung und Verarbeitung von Steinen und Erden, die Eisenschaffende Industrie, die NE-Metallerzeugung und die Erzeugung von NE-Metallhalbwerkzeugen, Gießereien, Ziehereien, Kaltwalzwerke und Mechanik, die Chemische Industrie, die Holz bearbeitende, die Zellstoff, Holzschliff, Papier und Pappe erzeugende sowie die Gummi erzeugende Industrie.
Zusätzlich ist die gesamte sonstige Zulieferindustrie, speziell der Kraftfahrzeug- sowie der Luft- und Raumfahrtindustrie, des Maschinenbaus und der Elektrotechnischen- sowie der Elektronikindustrie zum Produktionsgütersektor zu zählen.

3. Charakteristika der Märkte für Produktionsgüter


Kennzeichnen für die Märkte von Produktionsgütern ist zunächst die Tatsache, dass sich die Nachfrage nach den betreffenden Produkten aus Beschaffungsentscheidungen nachgelagerter Marktstufen ableitet (\'derivative Nachfrage\'). Hinzu kommt, dass es bei der dem Absatz der Produktionsgüter nachfolgenden Weiterverarbeitung, Bearbeitung oder Verwendung zwangsläufig zu einem Zusammenwirken mit anderen Produktionsfaktoren kommt. Die Folge davon ist, dass einzelne Produktionsgüter häufig in vielfältige Substitutions- und Komplementaritätsbeziehungen mit anderen Produktions- und Investitionsgütern eingebettet sind. Sie haben je nach Anwendungsgebiet und Verarbeitungsgrad eine unterschiedlich große Bedeutung und weisen jeweils andere Schwerpunkte auf:
Produktionsgüter konkurrieren dabei zunächst gegen andere substitutive Produktionsgüter. Wenn ein Produktionsgut zudem den Hauptbestandteil eines Folgeproduktes darstellt oder für dessen Funktionsfähigkeit unverzichtbar ist, kommen seiner technischen und ökonomischen Funktionserfüllung im Vergleich zu der eines konkreten oder potenziellen Substitutes entscheidende Bedeutung für den Markterfolg zu.
Daneben existieren z.T. bedeutsame Komplementaritätsbeziehungen zu anderen Produktionsgütern, da bei nahezu jeder Form der Weiterverarbeitung bzw. des Folgeeinsatzes ein Zusammenwirken mit anderen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, Einsatzstoffen oder Teilen gegeben ist. Ein Kernproblem für die Vermarktung von Produktionsgütern ist folglich die Herbeiführung bzw. Sicherstellung der entsprechenden Integralqualität, d.h. der Eignung eines Produktes, im Verbund mit anderen die angestrebte Funktion zu erfüllen.
Darüber hinaus bestehen ökonomisch relevante Wechselbeziehungen zwischen Produktionsgütern und den Maschinen und Anlagen, die bei ihrem Einsatz genutzt werden. So wird der Markterfolg eines Roh- oder Einsatzstoffes beispielsweise dadurch positiv oder negativ beeinflusst, dass sein Ausnutzungsgrad im Verarbeitungsprozess durch eine bestimmte Prozesstechnologie verbessert oder verschlechtert wird.
Die skizzierten Substitutions- und Komplementaritätsbeziehungen sind aber nicht nur auf der jeweils nachfolgenden Marktstufe relevant. Je nach Verarbeitungsgrad und Einsatzfeld können sie ebenso für eine Vielzahl von Weiterverarbeitungsstufen sowie in der Folge für die Produktion des betreffenden Endproduktes und dessen Verwendung von z.T. ausschlaggebender Bedeutung sein. Dabei können schließlich auch von einer möglichen Endverwertung ökonomisch bedeutende Auswirkungen ausgehen. Eine recyclinggerechte oder recyclingfreundliche Gestaltung eines Produktionsgutes kann nämlich ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung bzw. Steigerung seiner Wettbewerbsfähigkeit sein, wenn und soweit es die Entsorgungskosten eines oder mehrerer Unternehmen in der Weiterverarbeitungs- und Verwendungskette reduzieren hilft.

4. Güterspezifische Marketingimplikationen


Aufgrund der dargestellten Heterogenität der Güter, Branchen und Märkte des Produktionsgütersektors ist eine übergreifende Darstellung des Produktionsgütermarketing mit Problemen behaftet. Nicht nur die unterschiedliche Beziehung der Produktionsgüter zum Fertigprodukt, sondern auch ihre jeweils sehr verschiedenartige Eingliederung in die Verarbeitungsstufen sowie die sehr heterogen strukturierten Abnehmer stellen Merkmale dar, die sich einer übergreifenden Betrachtung entgegenstellen. Gleichwohl lassen sich für den gesamten Bereich der Produktionsgüter die folgenden zwei Extrempole ausmachen, zwischen denen das gesamte Spektrum der Marketing-Strategien eingeordnet werden kann:
Den einen Pol bildet das Commodity-Geschäft mit homogenen Gütern, die im Produktkern nur sehr geringe Differenzierungsmöglichkeiten aufweisen und zum großen Teil standardisiert bzw. normiert sind.
Den anderen Extrempol stellt das Spezialitäten-Geschäft dar mit Produktionsgütern, die hinsichtlich Produktgestaltung, Lieferservice und/oder produktbegleitender Dienstleistungen speziell auf die Erfordernisse einzelner Kunden oder Kundengruppen zugeschnitten sind.
Dabei ist vor allem in der jüngeren Vergangenheit zu beobachten, dass sich das Wettbewerbsgeschehen immer mehr in Richtung auf die beiden genannten Extrempole verlagert. Diese Polarisierungstendenz ist wesentlich durch veränderte Beschaffungsstrategien der Abnehmer initiiert bzw. verstärkt worden. Aufgrund vielfältiger Veränderungen auf ihren eigenen Absatzmärkten sind die Abnehmer von Produktionsgütern nämlich dazu übergegangen bzw. waren dazu gezwungen, sich vermehrt auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren und eine entsprechende Reduzierung der Fertigungstiefe vorzunehmen. Dies hatte im Wesentlichen zwei Konsequenzen:
Einerseits führte das dazu, dass bisher eigengefertigte Produktionsgüter in steigendem Ausmaß fremd bezogen wurden und werden (Outsourcing). Zusätzliche Anforderungen an die Zulieferer ergaben und ergeben sich aus der nachfrageseitig verlangten fertigungssynchronen Anlieferung, der sog. »Just-in-time«-Belieferung.
In der Summe ergibt sich so ein zunehmender Bedarf nach speziellen Problemlösungen und damit eine Forcierung von Spezialitäten-Geschäften.
Um die Beschaffungskosten für den verbleibenden Rest der Wertschöpfung möglichst niedrig zu halten, sah und sieht sich eine steigende Anzahl von Produktionsgüter-Nachfragern auf der anderen Seite dazu veranlasst, den Wettbewerbsdruck auf die Lieferanten durch \'Multiple Sourcing\' und \'Global Sourcing\' zu erhöhen. Diese Tendenzen fördern im Gegensatz zur vorgenannten Entwicklung die weitere Herausbildung von Commodity-Geschäften.
Aufgrund der vorangegangenen Überlegungen sollen im Folgenden zunächst die marketingrelevanten Auswirkungen der beiden Produktionsgüter-Geschäftstypen beleuchtet werden.

II. Marketing für Produktionsgüter-Commodities


Commodity-Geschäfte sind in bestimmten Branchen weit verbreitet. Typische Commodities sind etwa Mineralöl, Steine und Erden, Eisen und Stahl, NE-Metalle, die sog. \'Bulk\'-Produkte der Chemischen Industrie, wie Schwefel- und Salzsäure, Kunststoff-Granulate u.Ä, darüber hinaus aber auch Flachglas, Schnittholz, Papier und Pappe sowie Rohtextilien.
Commodities sind dabei nur sehr selten naturgegeben. Es handelt sich in aller Regel also nicht um Güter, die schon von der Produktsubstanz her homogen sind. Solche Fälle sind z.T. im Rohstoffsektor zu finden. Der Commodity-Charakter von Produktionsgütern wird vielmehr in aller Regel von Anbietern oder/und Nachfragern bewusst herbeigeführt, um die Vermarktungsfähigkeit der Produkte durch eine Verringerung der Kaufparameter zu verbessern bzw. überhaupt erst herbeizuführen. So haben sich etwa für den Absatz von Rohstoffen, dir in aller Regel über Auktionen und Warenbörsen erfolgt, detaillierte, vielfach international geltende Reglementierungen und Qualitätsstandards herausgebildet. Die Märkte für Commodities sind vielfach durch eine Beschaffungsrationalität der Nachfrage, eine Dominanz des Preiswettbewerbs bei ständig steigendem Konkurrenzdruck sowie einer Tendenz zum Oligopol charakterisiert.
Für einen Anbieter, der eine Commodity-Strategie aktiv ergreifen will oder reaktiv verfolgen muss, sind deshalb fol gende Punkte von besonderer Relevanz:
Zunächst kommt dem Angebot einer gleich bleibenden standard- bzw. normgerechten Qualität der Produkte eine große Bedeutung zu. Gleichzeitig ist häufig eine Zurücknahme anderer absatzpolitischer Instrumente, speziell im Service- und Kommunikationsbereich notwendig, um die notwendige Kostenstruktur und damit Preisgestaltung erreichen zu können. Dabei muss allerdings dafür Sorge getragen werden, dass die Lieferfähigkeit durch eine entsprechende Logistik-Gestaltung sichergestellt wird. Dominantes Marketing-Instrument ist somit die Preispolitik, die durch ein entsprechendes Kostenmanagement unterstützt werden muss. Dabei stellt das \'Target-Costing\' als marktorientierte Zielkostenbestimmung eine Möglichkeit der aktiven Preisgestaltung dar. Im Gegensatz dazu stehen Formen der passiven Preisgestaltung, bei der die Kostenstruktur des eigenen Unternehmens an das bestehende Preisniveau des Marktes angepasst wird bzw. werden soll. Ihr wesentlichster Ausgangspunkt stellt somit eine Kostenstrukturanalyse im Vergleich zu den Wettbewerbern dar.
Da die Preisniveaus auf Commodity-Märkten im Zeitablauf in aller Regel sinken, ergibt sich für die Anbieter ein permanenter Zwang zu Kostenüberprüfungen sowie zur Durchführung von Kostensenkungsprogrammen. Kooperative Marketing-Strategien sind dabei im Commodity-Geschäft nicht zuletzt deshalb weit verbreitet, weil die Produkthomogenität und die Markttransparenz fast zwangsläufig eine Angleichung der Absatzpolitik verschiedener Produktionsgüterhersteller bewirken. Dies führt vor allem im Rohstoffbereich zu kooperativen Vermarktungsstrategien in der Form horizontaler Branchenmarktstrategien. Dabei vereinheitlichen die Rohstoff-Anbieter ihre absatzpolitischen Maßnahmen insofern, als sie etwa eine gemeinsame Forschung und Entwicklung, Werbung und Preispolitik betreiben. Solche horizontalen Kooperationen sind aber auch im Rahmen der Vermarktung von Einsatzstoffen üblich. Beispiele hierfür stellen Spezialisierungskooperationen, Normungs- und Typungskooperationen, Kooperationen zur Etablierung neuer Einsatzstoffe am Markt oder zur Abwehr der Substitutionskonkurrenz dar.

III. Marketing für Produktionsgüter-Spezialitäten


Im Gegensatz zu homogenen Commodities sind Produktionsgüter-Spezialitäten Produkte, die gemäß der Leistungsspezifikation eines einzelnen Abnehmers oder für eine kleine Gruppe von Kunden hergestellt werden. Das hat zur Folge, dass die Spezialitäten oft in relativ kleinen Serien bzw. Chargen oder sogar in Einzelfertigung produziert werden. Mit ihrer Bereitstellung werden in aller Regel spezifische Kundenprobleme gelöst, was eine intensive Abstimmung zwischen Abnehmer und Zulieferer erforderlich macht. Beispiele für Einsatzstoff-Spezialitäten sind etwa Spezialstähle im Werkzeugbau oder schnell härtende Klebstoffe, witterungsbeständige Farben und umweltfreundliche Schmiermittel in der Chemischen Industrie. Beispiele für Teile-Spezialitäten stellen Spezialbohrer für den Werkzeugbau oder Spezialschrauben für den Brückenbau, die Waffenindustrie und die Medizin dar.
Der Spezialitäten-Charakter eines Produktionsgutes kann aber ebenso durch ein entsprechendes Angebot von Dienstleistungen, z.B. eine anwendungstechnische Beratung, einen speziellen Liefer- oder/und Entsorgungsservice usw., herbeigeführt werden.
Die Entwicklung neuer Produktionsgüter-Spezialitäten kommt dabei häufig dadurch zustande, dass ein Anbieter von Commodities versucht, dem Wettbewerbsdruck auf einem umkämpften Commodity-Markt auszuweichen, indem er neue Märkte bzw. Anwendungsgebiete erschließt (bspw. durch die Entwicklung neuer Werkstoffe). Erfolgt die Spezialisierung dabei in der Form, dass ein Produktionsgüter-Hersteller seine Aktivitäten in die Weiterverarbeitung verlagert bzw. ausweitet, kann dadurch zwar die Substitutionsgefahr reduziert werden, dies führt aber gleichzeitig in eine neue Konkurrenzsituation mit den früheren Abnehmern.
Die kundenindividuelle Anpassung der Produktionsgüter an die spezifischen Verwendungsbedingungen erhöht in aller Regel das produktbezogene Informationsbedürfnis der Nachfrager. Gleichzeitig wird dadurch aber auch die Preiselastizität der Nachfrage gesenkt, was die Chancen für langfristige Lieferverträge und eine verstärkte Lieferantentreue der Abnehmer erhöht.
Die Spezialisierung eines Produktionsgüter-Herstellers kann dabei so weit gehen, dass er als externe Spezialabteilung seiner Abnehmer fungiert. Der Produktionsgüter-Zulieferer muss dann in aller Regel die gesamte Qualitätsverantwortung für die von ihm bereitgestellten Güter übernehmen, seinen Fertigungsprozess völlig auf denjenigen des Abnehmers abstimmen und eine enge F&E-Kooperation mit dem Abnehmer anstreben.
Insbesondere dann, wenn die Entwicklung neuer Spezialitäten von Seiten des Herstellers relativ autonom, d.h. nicht in enger Kooperation mit einem oder mehreren Kunden, erfolgt, stellen sich ihrem Absatz häufig zahlreiche Marktwiderstände entgegen (bspw. durch hohe Umstellungskosten oder die Anschaffung neuer Maschinen). Die Marktwiderstände werden vielfach noch durch die Tatsache verstärkt, dass aufgrund des Novitätsgrades des Produktionsgutes nur ein einzelner Anbieter verfügbar ist, die Nachfrager jedoch mehrere Beschaffungsquellen wünschen. Die Anbieter ihrerseits sind mit dem Aufbau entsprechender Kapazitäten jedoch zurückhaltend, weil sie die notwendigen Absatzmöglichkeiten aktuell als nicht gegeben ansehen. Zur Bewältigung dieses Dilemmas stehen dem Anbieter von Produktionsgüter-Spezialitäten grundsätzlich zwei Optionen zur Verfügung. Zum einen kann er sich exklusiv an einen oder mehrere Verarbeiter bzw. Verwender binden? und zum anderen kann er versuchen, durch eine Lizenzvergabe die Zahl der Anbieter zu vergrößern und dadurch die Diffusionsgeschwindigkeit des Produktes zu erhöhen.
Darüber hinaus bieten Referenzanwendungen, die Gewährung von Finanzierungshilfen bei Umstellungsinvestitionen, die Durchführung von Wirtschaftlichkeitsanalysen sowie das Angebot anwendungstechnischer Beratungsleistungen wirksame Maßnahmen zur Reduzierung der Marktwiderstände.

IV. Bedeutung und Stellung der Produktionsverbindungshandels im Produktionsgütermarketing


Neben den Strategien der Produktionsgüterhersteller sind zum Produktionsgütermarketing aber auch die Vorgehensweisen der Unternehmen des Produktionsverbindungshandels (PVH) zu zählen, die im Rahmen der Vermarktung von Produktionsgütern die Handelsfunktionen zwischen Herstellern und Verwendern bzw. Weiterverarbeitern übernehmen.
Die Übertragung der Distributionsaufgaben an einen selbstständigen Warenhandelsbetrieb erfolgt dabei aus der Perspektive der Hersteller, um die ökonomischen Vorteile der Arbeitsteilung zwischen den Marktstufen wahrzunehmen.
Grundsätzlich kann ein Unternehmen des Produktionsverbindungshandels alle im Rahmen der Distribution anfallenden Funktionen übernehmen: von der Akquisition einschließlich der Pre-sales-services über die physische Distribution bis hin zu den After-sales-services und die Finanzierung. In der Realität haben sich jedoch die folgenden Typen von Produktionsverbindungshändlern herauskristallisiert, die sich durch eine mehr oder weniger starke Konzentration auf einzelne dieser Bereiche bzw. spezielle Funktionskombinationen auszeichnen:

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Der produktorientierte Produktionsverbindungshandel, der sich auf die Vermarktung bestimmter Produktionsgüter bzw. Produktionsgüterkategorien spezialisiert hat.

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Beim herstellerorientierten Produktionsverbindungshandel handelt es sich um Unternehmen, die als rechtlich ausgegliederte Absatzorgane von Herstellern vor allem die Produkte ihrer jeweiligen Muttergesellschaften vertreiben.

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Der länderorientierte Produktionsverbindungshandel ist dadurch charakterisiert, dass das Land bzw. die Region, aus der Waren bezogen und in die Güter geliefert werden, den Angelpunkt der Geschäftstätigkeit darstellt.

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Zum verwenderorientierten Produktionsverbindungshandel sind schließlich zunächst solche Unternehmen zu zählen, die sich in ihrer Sortimentsgestaltung vor allem auf die Befriedigung von Bedürfnissen spezieller Anwenderbranchen konzentrieren, etwa der Agrarhandel oder der Baustoff- und Baumaschinenhandel.
Darüber hinaus kann die Verwenderorientierung von Produktionsverbindungshändlern darin zum Ausdruck kommen, dass sie sich auf die Lösung spezieller Anwenderprobleme konzentrieren, weitgehend unabhängig davon, zu welchen Branchen die Kunden gehören. Daneben existieren Produktionsverbindungshändler, die sich vor allem der Durchführung bestimmter Geschäfte widmen. Hier ist vor allem der Handel mit Gütern aus Kompensationsgeschäften zu nennen.
Schließlich existieren auch im Business-to-Business-Bereich Unternehmen des Versandhandels, die sich auf die Lösung spezieller Beschaffungsprobleme konzentrieren und deshalb ihr Angebot im Wesentlichen per Katalog darbieten (Technischer Versandhandel).


Für den Absatzerfolg des Produktionsgüter-Herstellers ist es in diesem Zusammenhang von ausschlaggebender Bedeutung, dass der Produktionsverbindungshandel ein eigenständiges Marketing betreibt. Um die Listung seiner Produkte beim Handel zu erreichen, muss der Hersteller somit eine Marketing-Konzeption verfolgen, welche die Interessenlage der Handelsstufe mit einbezieht. Eine wirksame Möglichkeit, Einfluss auf die Sortimentsgestaltung des Produktionsverbindungshandels auszuüben und damit eine relative Unabhängigkeit zu wahren, besteht für die Produktionsgüter-Hersteller dabei im Mehrstufigen Marketing.

V. Mehrstufiges Marketing für Produktionsgüter


Dem Mehrstufigen  Marketing kommt im Produktionsgüterbereich jedoch nicht nur aufgrund der Bedeutung des Produktionsverbindungshandels häufig eine wichtige Rolle im Rahmen der Vermarktung zu, sondern auch wegen der mehrstufigen Weiterverarbeitungsbeziehungen, die aus der abgeleiteten Nachfrage nach Produktionsgütern resultieren. Das Mehrstufige Marketing umfasst dabei alle absatzpolitischen Maßnahmen, die auf eine oder mehrere den unmittelbaren Abnehmern nachfolgende(n) Marktstufe(n) gerichtet sind. Das Mehrstufige Marketing zielt dabei darauf ab, die Vorteile einer vertikalen Arbeitsteilung zu nutzen und gleichzeitig die absatzpolitische Konzeption eines Anbieters durch die Herbeiführung eines Nachfragesogs (Pull-Strategie) innerhalb einer mehrgliedrigen Absatz- und/oder Weiterverarbeitungskette durchzusetzen und gegen anders ausgerichtete Strategien nachgeordneter selbstständiger Stufen abzusichern. Nicht zuletzt dient das Mehrstufige Marketing ebenso der Gewinnung von Marktinformationen sowie der Überwindung von Marktwiderständen, vor allem bei neuartigen Produktionsgüter-Spezialitäten.
Voraussetzung für den Erfolg einer mehrstufigen Marketing-Konzeption ist zunächst, dass das betreffende Produktionsgut über einen Produktvorteil verfügt, der für mindestens eine der nachfolgenden Weiterverarbeitungs- oder Distributionsstufen kaufrelevant und vermittelbar ist. Darüber hinaus muss das Produkt auf den nachfolgenden Stufen identifizierbar sein, und der gewünschte Nachfragesog darf nicht durch konterkarierende Maßnahmen einer nachgelagerten Marktstufe verhindert werden.
Das Kernproblem einer mehrstufigen Marketing-Strategie stellt dabei häufig die Überwindung der Marktwiderstände dar, die sich ihr entgegenstellen. Dabei hat es sich bei der Konzeption einer mehrstufigen Marketing-Strategie als zweckmäßig erwiesen zu fragen, welche Stufe auf der einen Seite eine ausschlaggebende Bedeutung hinsichtlich ihrer Einstellung zum Produktionsgut sowie in Bezug auf ihren potenziellen Einfluss auf die mehrstufige Marketing-Konzeption hat – die sog. Schlüsselstufe – , und bei welcher Stufe auf der anderen Seite eine direkte Ansprache mit konkreten Marketing-Maßnahmen möglich ist – die sog. Zielstufe. Alle auf die Zielstufe(n) gerichteten Aktivitäten sind dabei so zu gestalten, dass eine aus der Sicht des Leitunternehmens strategiekonforme Einbindung der Unternehmen der Schlüsselstufe(n) erfolgt, bspw. durch vertraglich abgesicherte Bindungen der Folgestufe(n). Dominierendes Instrument ist dann die Kontrahierungspolitik.
Literatur:
Backhaus, K. : Investitionsgütermarketing, 3. A., München 1992
Engelhardt, W. H./Günter, B. : Investitionsgütermarketing, Stuttgart et al. 1981
Keller, U. : Die Bedeutung des Handels für den Investitionsgüterabsatz, Göttingen 1975
Kleinaltenkamp, M. : Marketing-Strategien des Produktionsverbindungshandels, in: THEXIS, H. 2/1988, S. 38 – 43
Krämer, C. : Marketingstrategien für Produktionsgüter, Wiesbaden 1993
Meurer, G. : Marketing für Produktionsgüter, Frankfurt a.M. 1980
Rudolph, M. : Mehrstufiges Marketing für Einsatzstoffe, Frankfurt a.M. et al. 1989

 

 


 

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