Außenhandelspolitik
Inhaltsübersicht
I. Gegenstand
II. Ziele
III. Ordnungsformen
IV. Geschichte
V. Instrumente
VI. Wirkungsanalyse
VII. Die Handelspolitik der EU
VIII. Die Welthandelsordnung
I. Gegenstand
Die Außenhandelspolitik ist Teil der außenwirtschaftlichen Beziehungen eines Landes. Ein Land kann im Bereich der Güter, der Produktionsfaktoren und der Forderungen mit dem Ausland in wirtschaftliche Beziehungen treten. Waren und Dienstleistungen können entgeltlich oder unentgeltlich an das (vom) Ausland abgegeben (bezogen) werden. Arbeitskräfte können zuwandern (abwandern), und durch Direktinvestitionen kann der Kapitalstock und damit der Produktionsstandort ins Ausland (Inland) verlagert werden. Inländer (Ausländer) halten einen Teil ihres Vermögens in Forderungen gegenüber Ausländern (Inländern), darunter auch Forderungen gegenüber Banken in Form von Geld. Die außenwirtschaftlichen Beziehungen werden unter beschreibendem, erklärendem oder gestaltendem Aspekt erörtert. Demzufolge spricht man von der Außenwirtschaftsstatistik, Außenwirtschaftstheorie und Außenwirtschaftspolitik. Letztere beschäftigt sich mit den außenwirtschaftlichen Zielen sowie den Rahmenbedingungen und Instrumenten, die zur Erreichung dieser Ziele hilfreich sind.
Die Außenwirtschaftspolitik wird weiter eingeteilt in die Außenhandelspolitik und die Währungspolitik. Erstere rückt die Gestaltung der außenwirtschaftlichen Beziehungen für Waren und Dienstleistungen in den Mittelpunkt der Betrachtung. Letztere fragt primär nach der Gestaltung der monetären, auf die Zahlungsströme abstellenden außenwirtschaftlichen Beziehungen.
Die Außenhandelspolitik kann ferner aus nationaler, supranationaler und globaler Perspektive beleuchtet werden. Im ersten Fall ist der Außenhandel eines einzelnen Landes, im zweiten Fall der Außenhandel einer Ländergruppe wie etwa der in der Europäischen Union zusammengeschlossenen Länder, im dritten Fall der gesamte Welthandel Gegenstand der Betrachtung.
II. Ziele
Die Ziele der Außenhandelspolitik müssen mit den Zielen der allgemeinen Wirtschaftspolitik eines Landes in Einklang stehen. Die allgemeine Wirtschaftspolitik in Deutschland etwa verfolgt das Ziel der Mehrung des wirtschaftlichen Wohlstandes verbunden mit sozialem Ausgleich. Die zur Realisierung dieses Zieles gewählte Wirtschaftsordnung ist die Soziale Marktwirtschaft. Das für eine Marktwirtschaft konstitutive Prinzip der Wirtschaftsfreiheit charakterisiert demzufolge auch die Außenhandelspolitik Deutschlands. So bestimmt das Außenwirtschaftsgesetz von 1961 in § 1 Abs. 1: »Der Waren-, Dienstleistungs-, Kapital-, Zahlungs- und sonstige Wirtschaftsverkehr mit fremdem Wirtschaftsgebiet [ ? ] ist grundsätzlich frei«. Von diesem Grundsatz darf nur in wohl definierten Ausnahmefällen, die in den folgenden Paragrafen dieses Gesetzes geregelt sind, abgewichen werden und gemäß § 2 Abs. 2 auch nur in dem Maße, dass » ? in die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung so wenig wie möglich eingegriffen wird«.
Das marktwirtschaftliche Ordnungsprinzip für den Außenhandel gewährleistet die Nutzbarmachung der Vorteile der internationalen Arbeitsteilung, sichert durch Offenheit der Märkte eine hohe Wettbewerbsintensität und ermöglicht eine konsistente Verknüpfung der inneren und äußeren Ordnung des Wirtschaftsverkehrs.
III. Ordnungsformen
Mithilfe welcher Rahmenordnung für den Außenhandel lässt sich das Ziel der Wohlstandsmehrung am besten realisieren? Die gesuchte Ordnungsform muss gewährleisten, dass eine Spezialisierung in der Produktion derart erfolgt, dass die komparativen Vorteile eines Landes optimal zur Geltung gebracht werden. Im Prinzip vermögen zwei Ordnungsformen, dieser Forderung zu entsprechen. Der Freihandel und das staatliche Außenhandelsmonopol.
In einer Marktwirtschaft, in der die Güter- und Faktorpreise primär Knappheitsindikatoren sind, wird der Freihandel das optimale Ordnungsprinzip sein. Indem sich die Produzenten an den Güter- und Faktorpreisen orientieren und in ihren Beschaffungs- und Absatzentscheidungen frei sind, wählen sie aus einzelwirtschaftlichem Gewinninteresse jene Export- und Importmengen, die gesamtwirtschaftlich optimal sind. In einer Planwirtschaft, in der die Güter- und Faktorpreise primär Verteilungszielen dienen, wird das staatliche Außenhandelsmonopol das passende Ordnungsprinzip sein. Da die volkswirtschaftlichen Knappheitsverhältnisse nur den zentralen Planbehörden bekannt sein können und die einzelnen Produzenten weder die Information noch die Anreize haben, die Produktionsstrukturen den Weltmarktbedingungen gemäß den komparativen Vorteilen anzupassen, kann nur durch Anweisungen der zentralen Planbehörde an die Betriebe ein volkswirtschaftlich sinnvoller Außenhandel zustande kommen.
Die grundsätzliche Anwendung des Freihandelsprinzips in Marktwirtschaften hat nun allerdings nicht verhindert, dass in vielen Ländern gleichwohl staatliche Eingriffe in den Außenhandel praktiziert werden. Soweit die staatlichen Eingriffe ausländische Anbieter gegenüber inländischen Anbietern diskriminieren, spricht man von einer protektionistischen Außenhandelspolitik oder kurz von Protektionismus.
IV. Geschichte
Die Geschichte der Außenhandelspolitik zeigt einen steten Wechsel von merkantilistisch/protektionistischen und liberal/freihändlerischen Orientierungen.
Nach merkantilistischen Vorstellungen bestand das Ziel der Außenhandelspolitik darin, Exportüberschüsse herbeizuführen. Der aus den Exportüberschüssen resultierende Edelmetallzufluss wurde als Wohlstandsindikator angesehen. Folglich zielte die Außenhandelspolitik darauf ab, Exporte zu fördern und Importe zu erschweren.
Die klassischen Ökonomen wiesen nach, dass die Wohlfahrtsgewinne aus Außenhandel nicht Folge von Exportüberschüssen, sondern Folge von Spezialisierung und Arbeitsteilung sind. Öffnung der Grenzen führt sowohl zu steigenden Exporten als auch zu steigenden Importen. Bei ausgeglichener Handelsbilanz nimmt die Wohlfahrt zu. Der strukturelle Wandel ermöglicht die wohlfahrtssteigernden Produktivitätsgewinne. Da der Freihandel den größten Zwang zu strukturellem Wandel mit sich bringt, ist er die gebotene außenhandelspolitische Strategie.
Eine Rückkehr zu merkantilistischem Denken und einer protektionistischen Außenhandelspolitik brachte die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nach dem Ersten Weltkrieg gewannen Arbeitnehmerinteressen und mit ihnen beschäftigungspolitische Ziele zunehmend politisches Gewicht. Die Weltwirtschaftskrise machte dann die Beschäftigungspolitik sogar zum zentralen politischen Anliegen. Zusammen mit der politischen Aggressivität der Zwischenkriegszeit begünstigte dies eine aggressive Exportförderungs- und Importdrosselungspolitik mit der Folge einer Desintegration der Weltwirtschaft.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden unter der Führung der USA mit der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) Institutionen und Abkommen geschaffen, die liberalen Außenhandelsideen verpflichtet sind. Die Zeit von 1945 bis 1975 sah ein stürmisches Wachstum von Produktion und Handel. Das hohe Wachstum förderte die Bereitschaft, die Importe zu liberalisieren, und der strukturelle Wandel hin zum Exportsektor förderte wiederum das Wachstum. Seit Mitte der 70er-Jahre schlug das Pendel wieder um. Man sprach von einem »Neuen Protektionismus«, neu in zeitlicher und instrumenteller Hinsicht. Auf das Abflachen des Wachstums in den 70er-Jahren und das Vorrücken neuer Anbieter aus den Schwellenländer auf Textil-, Stahl- und Agrarmärkten reagierten die Industrieländer mit einer Rückkehr zu Einführbeschränkungen, oft in selektiver Form, z.B. durch von den Lieferländern erzwungenen Exportselbstbeschränkungsabkommen und durch Subventionen heimischer Anbieter. Inwieweit die Schaffung der WTO im Jahre 1994 eine erneute Trendumkehr bewirken kann, wird die Zukunft zeigen.
V. Instrumente
Eine Übersicht über die Instrumente der protektionistischen Außenhandelspolitik gibt Tab. 1.
Tab. 1: Instrumente einer protektionistischen Außenhandelspolitik
VI. Wirkungsanalyse
1. Die Wirkungen des Freihandels
Die Wirkungen des Freihandels lassen sich anhand der Abb. 1 veranschaulichen. Auf dem Markt eines Gutes m und eines Gutes x gibt es eine Güterangebotsfunktion A inländischer Anbieter und eine Güternachfragefunktion N inländischer Nachfrager. Vor Aufnahme des Außenhandels kommt in einer Marktwirtschaft ein Preis pm (px) für das Gut m (x) in Höhe von O A (O\' A\') zustande. Die produzierte Menge ist A B (A\' B\'). Der Nutzen der Nachfrager entspricht der Fläche des Vierecks CBHO (C\'B\'H\'O\'), die variablen Kosten der Produktion belaufen sich auf DBHO (D\'B\'H\'O\'). Die Ausgaben der Nachfrager ABHO (A\'B\'H\'O\') sind gleich den Einnahmen der Produzenten. Damit beläuft sich die Konsumentenrente auf die Fläche des Dreiecks ABC (A\'B\'C\'), die Produzentenrente auf die Fläche des Dreiecks ABD (A\'B\'D\'). Die volkswirtschaftliche Wohlfahrt aus der Erzeugung des Gutes m (x) lässt sich daher durch die Fläche des Dreiecks CBD (C\'B\'D\') beschreiben.
Abb. 1: Wirkungen des Freihandels
Die Aufnahme von Außenhandel vermag nun die Wohlfahrt der Gesellschaft zu steigern. Liegt beispielsweise der Weltmarktpreis des Gutes m (x) bei pmWM (pxWM), wird am Markt des Gutes m das inländische Angebot auf EF zurückgehen, die inländische Nachfrage auf EG zunehmen. Der Nachfrageüberschuss in Höhe von FG wird durch Importe befriedigt. Analog steigt auf dem Markt des Gutes x das inländische Angebot auf E\'G\', während die inländische Nachfrage auf E\'F\' zurückgeht. Das Überschussangebot in Höhe von G\'F\' wird exportiert. Auf dem Markt des Gutes m steigt infolge der Preissenkung die Konsumentenrente auf ABGE, während die Produzentenrente um ABFE sinkt. Der Nettoeffekt FGB ist positiv, sodass die volkswirtschaftliche Wohlfahrt zunimmt. Analog steigt infolge der Preiserhöhung auf dem Markt des Gutes x die Produzentenrente dort um A\'B\'G\'E\', während die Konsumentenrente dort um A\'B\'F\'E\' sinkt. Auch dort ist der Nettoeffekt mit F\'G\'B\' positiv, was auch hier eine Wohlfahrtszunahme anzeigt. Man erkennt die wohlfahrtssteigernden Wirkungen der liberalen Außenhandelspolitik. Im Zuge der Spezialisierung in der Produktion auf das Gut x kommt es zu einem Strukturwandel derart, dass Produktionsfaktoren in der Erzeugung des Gutes m abgezogen und verstärkt in der Erzeugung des Gutes x eingesetzt werden. Struktureller Wandel ist die Voraussetzung für die Realisierung von Wohlfahrtsgewinnen aus dem Außenhandel.
2. Die Wirkungen der Protektion
Die Wirkungen der protektionistischen Außenhandelspolitik sollen beispielhaft im Folgenden anhand eines Importzolles für den Fall eines kleinen Landes partialanalytisch veranschaulicht werden. Es wird anschließend gezeigt, dass die übrigen Instrumente vergleichbare Effekte entfalten. a) Zollprotektion
Abb. 2 zeigt den Markt eines Gutes m, auf dem zum herrschenden Weltmarktpreis pmWM in Höhe OE inländische Nachfrage im Umfang von EG besteht. Sie wird durch ein inländisches Angebot in Höhe von EF und einen Import im Umfang von FG befriedigt. Erhebt das Inland nunmehr einen Importzoll t in Höhe von AE/EO, steigt der zollinklusive Preis auf pmWM * (1 + t) bzw. OA. Aus dieser zollbedingten Preiserhöhung ergeben sich nun verschiedene Effekte:
Abb. 2: Wirkungen der Protektion
- | die Inlandsproduktion steigt um F\'H\' (Schutzeffekt) | - | der Inlandskonsum sinkt um G\'K\' (Konsumeffekt) | - | das Außenhandelsvolumen sinkt um F\'H\' plus G\'K\' | - | der Importwert sinkt von FG G\'F\' auf HK K\'H\' | - | die staatlichen Zolleinnahmen betragen HKK\'\'H\'\' | - | die Konsumentenrente sinkt um mehr (AK\'\'GE) als die Produzentenrente steigt (AH\'\'FE). In Höhe der Differenz H\'\'K\'\'GF nimmt die private Wohlfahrt ab. Im Umfang von FHH\'\' plus GKK\'\' sinkt die volkswirtschaftliche Wohlfahrt (Wohlfahrtseffekt). |
Die Protektion begünstigt mithin die Produzenten zu Lasten der Verbraucher mit eindeutig negativem Nettoeffekt. b) Andere Instrumente
Wird anstelle eines Importzolls AE/EO eine mengenmäßige Importbeschränkung (Importkontingent) in Höhe von H\'K\' in Kraft gesetzt, resultieren prinzipiell die gleichen Effekte: Weil nunmehr die Nachfrage EG das Angebot EF + HK übersteigt, kommt es zu steigenden Preisen, bis beim Preis OA das Angebot AH\'\' + H\'\'K\'\' ausreicht, die Nachfrage zu befriedigen. An die Stelle der staatlichen Zolleinnahmen HKK\'\'H\'\' tritt in gleicher Höhe hier jedoch eine Rente für die inländischen Importeure, die billig am Weltmarkt zum Preis OE kaufen, aber teuer im Inland zu OA verkaufen. Bestünde ein Selbstbeschränkungsabkommen für ausländische Exporteure in Höhe von H\'K\' anstelle des Importkontingents, würden die ausländischen Exporteure ihre Exportpreise erhöhen und die Rente flösse ihnen zu. Während also beim Importzoll und dem Importkontingent die Rente in jedem Fall bei Inländern verbleibt, fließt sie beim Exportselbstbeschränkungsabkommen Ausländern zu. Insoweit erweist sich unter Wohlfahrtsgesichtspunkten das Selbstbeschränkungsabkommen als das unzweckmäßigste außenhandelspolitische Instrument.
Eine Subvention heimischer Anbieter im Umfang HH\'\' pro Stück würde die private Angebotskurve nach unten verschieben, sodass sie nicht durch H\'\', sondern durch H verliefe. Der Schutzeffekt wäre der gleiche wie bei Zoll, Kontingent und Selbstbeschränkungsabkommen, der negative Wohlfahrtseffekt jedoch geringer, weil der Verlust an Konsumentenrente infolge konstant bleibender Preise vermieden wird. Insoweit erweist sich eine Subvention als weniger schädlich als die zuvor genannten Instrumente. c) Protektion und Beschäftigung
Abb. 2 zeigt, dass die Protektion die Produktion (um F\'H\') zunehmen lässt. Die Nachfrage nach Arbeit steigt, und die Beschäftigung nimmt zu. Schafft Protektion also Beschäftigung? Die Frage muss verneint werden: Abb. 2 vernachlässigt nämlich die Interdependenz des geschützten, allein betrachteten Sektors mit den übrigen Sektoren der Volkswirtschaft. Bei Vollbeschäftigung müssen die in der geschützten Branche benötigten Produktionsfaktoren in anderen Sektoren abgezogen werden, sodass dort Produktion und Beschäftigung sinken. Bei Unterbeschäftigung könnte die wachsende Arbeitsnachfrage aus dem Pool der Arbeitslosen befriedigt werden, falls die Qualifikationsprofile von Angebot und Nachfrage übereinstimmen. In diesem Falle würde jedoch der höhere Beschäftigungsgrad einen Lohnsteigerungsdruck induzieren, der in den Sektoren, in denen Preisüberwälzungsspielräume nicht bestehen, die Reallöhne steigen und die Beschäftigung sinken lässt. Ein solcher Lohnsteigerungsdruck rührt auch aus dem protektionsbedingten Preisanstieg her, der die Arbeitnehmer veranlasst, höhere Nominallöhne zu fordern, um dem Verfall ihrer Reallöhne entgegenzutreten. Die sektorale Lohninterdependenz verlagert die Last der Anpassung somit vom Importsektor auf den Export- und Binnensektor. Eine solche Lastenverlagerung resultiert auch über den Wechselkurszusammenhang: Die Verbesserung der Handelsbilanz durch die zollbedingte Importabnahme induziert eine Aufwertung der Inlandswährung, die die Wettbewerbs-, Produktions- und Beschäftigungschancen des Exportsektors verringert. Schließlich muss auch auf die Möglichkeit hingewiesen werden, dass das Ausland mit Retorsionsmaßnahmen die Protektion des Inlandes beantwortet. Auch in diesem Falle hätte der Exportsektor über mangelnde Liefermöglichkeiten ins Ausland die Last der Anpassung zu tragen. Es sind also die Beschäftigten im Binnen- und insbesondere im Exportsektor, die jene Arbeitsplätze verlieren, die den Beschäftigten im geschützten Sektor erhalten werden.
3. Wohlfahrtssteigernde protektionistische Außenhandelspolitik?
Die letzten beiden Abschnitte haben gezeigt, dass Außenhandelsprotektion wohlfahrtsmindernd ist. Es gibt jedoch zumindest drei Argumente, die dieser These entgegengesetzt werden.
Wird die Außenhandelsprotektion von einem großen Land betrieben, führt die Verringerung seiner Einfuhr zu sinkenden Weltmarktpreisen seiner Importgüter, sodass sich bei gegebenen Exportpreisen die Terms of Trade dieses Landes verbessern. b) »Junge« Industrien
Ein Standardargument für Protektion besagt, dass Länder, die aus historischen Zufälligkeiten Produktivitätsrückstände haben, durch temporären Zollschutz auf Dauer Wettbewerbsfähigkeit in den zunächst geschützten Sektoren erlangen können. Ohne den temporären Zollschutz käme inländisches Angebot erst gar nicht an den Markt, und das Inland hätte so keinerlei Chancen, die für industrielle Produktionsprozesse typischen »learning-by-doing«-Effekte zu realisieren. c) Strategische Handelspolitik
In neuerer Zeit wird darauf hingewiesen, dass unter den Bedingungen oligopolistischer Marktstrukturen die Außenhandelspolitik eines Landes die strategische Wettbewerbsposition seiner Produzenten auf den Weltmärkten verbessern könne. In der marktstrategisch verbesserten Situation gelinge es inländischen Unternehmen, ausländischen Konkurrenten Renten abzujagen. Die resultierende Rentenverschiebung erhöhe die Wohlfahrt des Inlandes zulasten des Auslandes. Der politische Hintergrund dieses Argumentes war der Streit um die Subventionierung des Airbus zwischen USA und der EG. Mit der Drohung der EG, die Produktion des Airbus nötigenfalls zu subventionieren, wurde einer der beiden amerikanischen Konkurrenten, dem die amerikanische Regierung eine Subventionierung nicht in Aussicht stellen konnte oder wollte, vom Markt verdrängt. Für die verbleibenden beiden Hersteller waren nach übereinstimmender Meinung der Marktkenner Gewinnmöglichkeiten vorhanden, für drei Anbieter jedoch nicht.
VII. Die Handelspolitik der EU
Die Außenhandelspolitik Deutschlands ist durch die Mitgliedschaft in der EU geprägt. Der EWG-Vertrag von 1957 sah die Errichtung einer Zollunion als Vorstufe eines später zu realisierenden Gemeinsamen Marktes vor. Eine Zollunion ist durch einen zollfreien Binnenhandel innerhalb der Gemeinschaft und -anders als eine Freihandelszone- durch gemeinsame Außenzölle der Gemeinschaft gegenüber Drittländern gekennzeichnet. Nach Ablauf einer Übergangszeit von 12 Jahren war gemäß Art. 113 des EWG-Vertrages eine gemeinsame Handelspolitik nach einheitlichen Grundsätzen zu gestalten. Handelspolitische Abkommen mit Drittstaaten werden seit dem Ende der Übergangsfrist vom Rat im Namen der Gemeinschaft geschlossen. Eine autonome Außenhandelspolitik einzelner Mitgliedsstaaten gibt es daher seit dieser Zeit nicht mehr. Mit der Einheitlichen Europäischen Akte von 1987, die das Einstimmigkeitsprinzip durch das Mehrheitsprinzip bei Ratsentscheidungen zur Vollendung des Binnenmarktes ersetzten, hat die binnenwirtschaftliche Weiterentwicklung der Zollunion zu einem Gemeinsamen Markt einen starken Schub erhalten. Der Gemeinsame Markt geht über die Zollunion insofern hinaus als in der Outputebene der freie Warenverkehr ergänzt wird um den freien Handel mit Dienstleistungen sowie in der Inputebene die freie Mobilität von Arbeit und Kapital gewährleistet wird (die sog. 4 Grundfreiheiten). Mit dem Vertrag über die Europäische Union 1992, dem Anwachsen ihrer Mitgliederzahl auf nunmehr 25 und ihrem großen Binnenmarkt ist die EU zu einem bedeutenden Akteur der internationalen Handelspolitik geworden.
Die Außenhandelspolitik der EU, d.h. ihre Handelspolitik gegenüber Drittstaaten, folgt im Prinzip den multilateralen Regeln von GATT/WTO, ist jedoch in der Praxis durch eine Vielzahl bilateraler Abkommen mit einzelnen Ländern oder Ländergruppen gekennzeichnet. Die Abkommen lassen sich nach regionalen und sektoralen Schwerpunkten unterscheiden.
Regionale handelspolitische Abkommen bestehen mit
- | den EFTA-Ländern Norwegen, Island und Liechtenstein. Diese Länder bilden mit der EU seit dem 01.01.1994 den Europäischen Wirtschaftsraum EWR. Das Abkommen geht über das frühere Freihandelsabkommen insoweit hinaus, als es auch Faktormobilität zulässt; | - | den Mittelmeeranrainer-Staaten inklusive Israel und Palästina. Das Abkommen ist derzeit ein Assoziierungsabkommen, das bis zum Jahr 2010 in ein Freihandelsabkommen überführt werden soll; | - | den vier Beitrittskandidaten Bulgarien, Rumänien und Kroatien in Form eines Assoziierungsabkommens, mit der Türkei in Form einer Zollunion; | - | Mexiko und Chile in Form eines Freihandelsabkommens. Mit den Mercosur-Staaten ist ein solches Abkommen in Vorbereitung; | - | den AKP-Staaten. Sie sind durch Assoziierungsabkommen mit der EU verbunden. Mit den nicht zu den AKP-Staaten gehörenden Entwicklungsländern besteht ein Allgemeines Präferenzabkommen. |
Lediglich 7 Länder der Welt, darunter die USA und Japan, haben mit der EU kein handelspolitisches Präferenzabkommen. Nur für sie gelten uneingeschränkt die Regeln von GATT/WTO.
Neben den genannten regionalen Abkommen hat die EU eine Reihe sektoraler Abkommen geschlossen. Die wichtigsten betreffen die Sektoren Landwirtschaft, Textilien, Stahl, Automobile und elektronische Erzeugnisse. Diese Abkommen sind bi- oder multilateraler Art und beinhalten Einfuhrbeschränkungen für Produkte der genannten Sektoren.
VIII. Die Welthandelsordnung
Die zentrale Institution der derzeitigen Welthandelsordnung ist die WTO (World Trade Organization). Sie wurde am Ende der Uruguay-Runde 1994 in Marrakesch gegründet und ist seit 1995 in Kraft. Ihr Regelwerk umfasst das GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) von 1948 einschließlich seiner bis 1994 beschlossenen Ergänzungen (GATT 1994), geht jedoch in etlichen Bereichen weit darüber hinaus. Mehr als 150 Länder sind mittlerweile Mitglied, darunter alle großen Industrie- und Entwicklungsländer.
Das Ziel der WTO ist die Erhöhung des Lebensstandards der Mitgliedstaaten durch eine diesem Ziel förderliche Handelspolitik. Eine solche Handelspolitik soll durch zwei Prinzipien geleitet sein: Liberalisierung und Nicht-Diskriminierung. Die Konkretisierung der Prinzipien verlangt Zollabbau, Verbot nichttarifärer Handelshemmnisse und Einhaltung der Meistbegünstigungsklausel. Ausländer sollen am inländischen Markt nicht schlechter gestellt werden als Inländer (Inländerbehandlung), zumindest aber darf zwischen den Ausländern nicht diskriminiert werden (Meistbegünstigungsklausel).
Die WTO ruht auf drei handelsvertraglichen Säulen: Dem GATT 1994, dem GATS (General Agreement on Trade in Services) und dem TRIPs (Trade Related Intellectual Property Rights). Hinzu kommen zwei wichtige Verfahrensvorschriften: Das Streitschlichtungsverfahren DSU (Dispute Settlement Understanding) und das Verfahren zur Überwachung der Handelspolitik der Mitgliedstaaten TPRM (Trade Policy Review Mechanism). Die WTO wird geleitet durch eine zweijährig zusammen kommende Ministerkonferenz und einen geschäftsführenden Generaldirektor. Die WTO geht also über das Warenhandelsabkommen des GATT weit hinaus, indem zum einen der Dienstleistungshandel und der Wissenstransfer in die Liberalisierungsaufgabe einbezogen und zum anderen ein institutioneller »Überbau« mit Verfahrensregeln und Organisationsformen geschaffen wurde.
Die wirtschaftspolitische Bewertung der WTO und seiner Vorläuferinstitution des GATT muss der Tatsache Rechnung tragen, dass kein Land der Welt, weder zur Zeit der Schaffung des GATT, noch zur Zeit der Errichtung der WTO, noch heute, bereit ist, nationale wirtschaftspolitische Ziele dem Liberalisierungsanspruch internationaler Abkommen hintan zu stellen. Daher musste früher das GATT und muss heute die WTO mit einem Regelwerk leben, welches den nationalen Schutzbegehren einen hinreichend breiten Raum lässt, temporäre Abweichungen vom Freihandel rechtskonform zuzulassen. Aus diesem Grunde hatte schon das GATT- Abkommen eine Vielzahl von Ausnahmeregeln, die Einfuhrbeschränkungen zulassen. Die wichtigsten dieser Vorschriften sind:
Beschränkungen der Einfuhr »zum Schutze der Zahlungsbilanz« (Art. XII), Beschränkungen der Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte »zum Zwecke der Durchführung staatlicher Maßnahmen« (Art. XI), Beschränkungen »zum Zwecke des Schutzes von Leben, Gesundheit, Sittlichkeit, Kultur und Sicherheit« (Art. XX), bei nicht näher spezifizierten »außergewöhnlichen Umständen« (Art. XXV), bei »Einfuhr in überhöhten Mengen« (Art. XIX).
Für die Entwicklungsländer gelten spezielle Regelungen. Sie sahen ihre Interessen in den Grundsätzen des GATT nicht hinreichend gewürdigt. Auf ihren Druck hin wurde 1966 das Abkommen um einen Teil IV »Handel und Entwicklung« ergänzt. In Artikel XXXVI sind die Grundsätze und Ziele dieser Abkommenserweiterung genannt:
- | rasche und anhaltende Steigerung der Exporterlöse der Entwicklungsländer, | - | stabile, angemessene und erträgliche Preise der Exportprodukte der Entwicklungsländer, | - | Zugangserleichterungen für die Entwicklungsländer auf den Märkten für Fertigwaren in Industrieländern, | - | Verzicht auf Reziprozität bei Handelsvorteilen, die die Industrieländer den Entwicklungsländern gewähren. Dieses Prinzip wurde 1971 erweitert und in ein allgemeines Systems von Präferenzen der Industrieländer gegenüber den Entwicklungsländern überführt. |
Dem GATT 1994 sind eine Reihe weiterer Abkommen beigefügt, die Interpretationen von Vertragsbestandteilen beinhalten oder Regelungen in bestimmten Sektoren betreffen. Zur ersten Gruppe gehören die Regeln zum Schutz der Produzenten vor Dumping und der Subventionskodex. Zur zweiten Gruppe gehören die Abkommen über die Landwirtschaft und das Welt-Textil-Abkommen. Letzteres bot den Produzenten in den Industrieländern seit 1962 einen gewissen Schutz vor zu hohen Textilimporten. Das Abkommen ist 2004 ausgelaufen und der Textilhandel folgt nunmehr den WTO-Regeln.
Seit 2001 läuft die 9. Handelsrunde, die sog. Doha-Runde. Die Handelsrunden dienen dazu, auf multilateraler Ebene zu weltweitem Abbau des Protektionsniveaus zu kommen. Während in früheren Runden dem Zollabbau hohes Gewicht zukam, galt in den letzten Runden dem Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse das Hauptinteresse. Die Doha-Runde wird sehr stark vom Bemühen der Entwicklungsländer geprägt, die Industrieländer, insbesondere die EU zu einer stärkeren Öffnung ihrer Agrarmärkte zu bewegen. Ein Ergebnis ist derzeit noch nicht abzusehen. Die Dauer der letzten Runden (Tokio-Runde 1973 – 1980, Uruguay-Runde 1986 – 1994) verheißen keinen baldigen Abschluss.
Literatur:
Bender, D. : Internationaler Handel, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, Bd. 1, hrsg. v. Bender, D. et al., 8. A., München 2003
Krugmann, P./Obstfeld, M. : Internationale Wirtschaft, Theorie und Politik der Außenwirtschaft, 6. A., München 2004
Rose, K./Sauernheimer, K. : Theorie der Außenwirtschaft, 14. A., München 2006
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