Erfolgspotenzialrechnung
Inhaltsübersicht
I. Erfolgspotenzialrechnung im System der strategischen Erfolgsrechnung
II. Analyse von Erfolgspotenzialen und ihren Veränderungen
I. Erfolgspotenzialrechnung im System der strategischen Erfolgsrechnung
1. Zielsetzung und Prämissen
Eine umfassend konzipierte Unternehmensrechnung kann sich nicht auf operativ ausgerichtete Rechenzwecke beschränken, sondern beinhaltet eine strategische Erfolgsrechnung (SER) mit verschiedenen, rechenzweckspezifischen Teilsystemen, von denen die Erfolgspotenzialrechnung i.e.S. im Mittelpunkt steht. In der Literatur ist von Breid die Gesamtstruktur des Systems einer SER konzipiert worden (Breid, V. 1994, S. 24 ff.), die neben Erfolgspotenzialrechnungen für Geschäftsbereiche (Produkt-Markt-Potentiale) und die Gesamtunternehmung auch Erfolgsplanungs- und -kontrollrechnungen sowie Erfolgssteuerungsrechnungen beinhaltet.
Die Bewertung von Produkt-Markt-Potentialen einzelner Geschäftsbereiche im Rahmen von Erfolgspotenzialrechnungen stellt die Grundlage für Analysen in Erfolgsplanungs- und -kontrollrechnungen dar. Diese Bewertung muss sich an den Unsicherheitsstrukturen der für die verschiedenen Teileinheiten erwarteten Cashflows orientieren (Dirrigl, H. 1998, S. 553). Dabei kann zur näheren Kennzeichnung der Cashflow-Komponenten auf der Ebene der Geschäftsbereiche (Breid, V. 1994, S. 143 ff.) zwischen dem betriebsbedingten Cashflow (BCF) und dem Netto-Cashflow (NCF) unterschieden werden. Letzterer umfasst neben dem BCF auch die Investitionsauszahlungen für die Erhaltung und den Aufbau von Erfolgspotenzialen, die auch differenziert ausgewiesen werden könnten.
Erfolgssteuerungsrechnungen können an unterschiedlichen Cashflow-Komponenten anknüpfen, um das Verhalten der Entscheidungsträger auf die Erhaltung und den Aufbau von Erfolgspotenzialen auszurichten. Somit können Erfolgssteuerungsrechnungen als Schnittstelle zwischen der Unternehmensrechnung und (strategischen) Anreizsystemen interpretiert werden (Dirrigl, H. 1995, S. 163 ff.), die im folgenden Überblick nicht weiter thematisiert werden können. Dieser konzentriert sich auf die Erfolgspotenzialrechnung im engeren Sinne und die damit direkt verbundene Erfolgsplanungs- und -kontrollrechnung.
2. Grundstruktur a) Erfolgspotenzialbewertung
Die ertragswertorientierte Erfolgspotenzialbewertung (EWE) hat den Charakter einer prospektiv ausgerichteten, periodenübergreifenden Bestandsrechnung: Auf der Grundlage der zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbaren Informationen wird mit Kalkülen der Unternehmensbewertung eine Wertbestimmung für Geschäftsbereiche, Beteiligungen oder Unternehmungen vorgenommen. Diese kann innerhalb von Planungsrechnungen der Beurteilung strategischer Alternativen dienen.
Nach der Entscheidung für die Realisierung ausgewählter strategischer Programme ist deren Wertentwicklung im Zeitablauf zu verfolgen, um erkennen zu können, inwieweit die unterstellten Erwartungen sich erfüllt haben bzw. daran anknüpfend, ob Maßnahmen zur Revision von Programmen bis hin zum Abbruch von Investitionsprojekten erforderlich sind. Die Bewertung von Erfolgspotenzialen ist demnach kein einmaliger Anlass der Unternehmensbewertung, sondern eine permanent durchzuführende Aufgabe im Kontext des wertorientierten Controlling. b) Erfolgspotenzialorientierte Abweichungsanalyse
Die Bewertung von Erfolgspotenzialen ist die Basis strategischer Kontrollrechnungen. Innerhalb einer solchen Ausrichtung ist zunächst der Ist-Wert des Erfolgspotenzials zu bestimmen, der auf Basis des aktuellen Informationsstands im Betrachtungszeitpunkt vorgenommen wird. Die Wertbestimmung basiert dabei auf den Prämissen hinsichtlich der Umweltentwicklungen und den u.U. revidierten strategischen Plänen zur Erhöhung bzw. Sicherung des Erfolgspotenzials. Der so berechnete Ist-Wert des Erfolgspotenzials ex post kann dessen Plan-Wert ex ante gegenübergestellt werden. Von Interesse wird dabei nicht nur die Höhe einer etwaigen Differenz zwischen Plan- und Istwert sein, sondern auch die Ursache für Abweichungen bei den Einflussgrößen und deren betragsmäßige Höhe. Diesbezügliche Auswertungen werden im Rahmen der erfolgspotenzialorientierten Abweichungsanalyse vorgenommen, wozu Sollwerte zu bestimmen sind, die auf unterschiedlichen Prämissen hinsichtlich der Wertbestimmungsfaktoren basieren und somit als Referenzgrößen für den Wertvergleich herangezogen werden können.
Auf strategische Entscheidungen bzw. Maßnahmen des Managements zurückzuführende Wertänderungen (Aktionseffekte) sind von Veränderungen aufgrund der Realisierung bzw. Revision von Umweltzuständen (Informationseffekte) oder aufgrund von Änderungen der Bewertungsparameter zu trennen (Breid, V. 1994, S. 28 f.). Wegen der besonderen Bedeutung dieser auf der Analyse von Wertveränderungen basierenden Separierung von Einflussgrößen soll dieser im Folgenden als erfolgspotenzialorientierte Abweichungsanalyse (EPA) bezeichnete Rechenzweck von der erfolgspotenzialbasierten Performancemessung für die abgelaufene Periode (PEP) abgegrenzt werden. c) Erfolgspotenzialbasierte Performancemessung
Unter dem Begriff der Performancemessung wird allgemein die einperiodig-retrospektiv ausgerichtete Bestimmung einer Ist-Größe zur Beurteilung der realisierten Leistung von Verantwortungsbereichen und deren Management verstanden. Die Veränderung des Erfolgspotenzials zwischen zwei zeitlich benachbarten Zeitpunkten stellt einen wesentlichen Bestandteil der Periodenperformance dar, die bei der Berechnung eines sog. ökonomischen Erfolgs berücksichtigt wird.
3. Methodische Grundlagen
Für die Entwicklung von Erfolgspotenzialrechnungen im System einer SER ist eine finanzierungstheoretische Fundierung wünschenswert. Bei ausschließlich finanziellen Zielsetzungen bieten sich die ertragswertorientierten Ansätze der betriebswirtschaftlichen Kapitaltheorie als Grundkonzepte für die Bewertung von Erfolgspotenzialen an (Breid, V. 1994, S. 87). Diese lassen sich als subjektive Bewertung zeitverschiedener Zahlungen bei Unsicherheit charakterisieren und sind von den Ansätzen der neoklassischen Finanzierungstheorie abzugrenzen, welche durch eine kapitalmarkt-objektivierte Risikokonzeption gekennzeichnet werden.
Eine nähere Analyse der mit DCF-Methoden verbundenen Implikationen muss zum Ergebnis führen, dass solche Ansätze keine geeignete Grundlage für geschäftsbereichsbezogene Erfolgspotenzialrechnungen darstellen. Von zentraler Bedeutung für eine solche Beurteilung ist dabei, dass die jeweiligen Cashflow-Prognosen von den Bereichsverantwortlichen mit den Möglichkeiten der Informationsgewinnung aus einer internen Perspektive vorzunehmen sind, welche zu periodendifferenzierten Erwartungen hinsichtlich der Risikostruktur von Cashflow-Zuständen führen.
Es spricht vieles dafür, solche Cashflow-Prognosen auf der Basis eines speziellen Verteilungstyps zu erstellen, der aufgrund seiner flexiblen Einsatzmöglichkeiten kaum dem Vorwurf ausgesetzt ist, dass damit eine nicht hinnehmbare Einschränkung verbunden wäre. Eine solche Typisierung von Wahrscheinlichkeitsverteilungen kann mit der „ schätzfreundlichen “ Betaverteilung vorgenommen werden (Breid, V. 1994, S. 167), deren Vorzug darin besteht, dass sich die verantwortlichen Entscheidungsträger bei ihren Zahlungsprognosen auf die Schätzung von wenigen Verteilungsparametern beschränken können: Mit der Betaverteilung kann für eine stetige Dichte der Wahrscheinlichkeitsverteilung der zu prognostizierenden Cashflows (z) für ein endliches Intervall zwischen dem unteren Wert a (pessimistische Schätzung) und dem oberen Wert b (optimistische Schätzung) mit durch die Festlegung des wahrscheinlichsten Wertes m (Modalwert) eine breite Vielfalt eingipfliger Dichtefunktionen mit beliebiger Schiefe (von linkssteil über symmetrisch bis rechtssteil) definiert werden. Aus der Netzplantechnik (PERT-Methode) ist ein Näherungsverfahren für die Betaverteilung bekannt, bei dem die Annahme getroffen wird, das Intervall b – a umfasse 6 Standardabweichungen und das Gewicht des wahrscheinlichsten Wertes m sei doppelt so hoch wie das der beiden Extrempunkte. Mit diesen Prämissen lässt sich auf der Grundlage der Werte a, m und b der Erwartungswert μ(z) berechnen als:
Für die Berechnung der Varianz σ2(z) gilt:
Daraus wird erkennbar, dass unter den gesetzten Annahmen das Risiko einer Wahrscheinlichkeitsverteilung durch die Bandbreite zwischen dem pessimistischen (a) und dem optimistischen (b) Wert bestimmt wird. Auf der Basis der getroffenen Annahmen zum Verteilungstyp und den daraus resultierenden Verteilungsparametern kann auch eine Berechnung von Sicherheitsäquivalenten vorgenommen werden. Die einfachste Möglichkeit hierzu besteht in deren Bestimmung gemäß dem μ-σ-Prinzip, bei dem unterstellt wird, dass sich die (subjektive) Risikopräferenz eines Bewertungssubjekts über einen Risikoaversionskoeffizienten rak ausdrücken lässt, sodass sich für das Sicherheitsäquivalent SÄ(z) ergibt:
Mit dem typisierten Verteilungstyp der Betaverteilung folgt hierfür:
Beträgt der Prognosehorizont in einer Projektstruktur T Perioden, so kann mit dem (risikofreien) Kalkulationszinsfuß k0 auf Basis der Sicherheitsäquivalente der Ertragswert der Cashflows zum Zeitpunkt t = 0 berechnet werden als:
Verwendet man die abgeleiteten Beziehungen zur Berechnung der Sicherheitsäquivalente in der Betaverteilung, so folgt:
II. Analyse von Erfolgspotenzialen und ihren Veränderungen
1. Zustandsabhängige Finanzplanung als Basis der Erfolgspotenzialbewertung
Wie in allen strategisch ausgerichteten Rechnungen ist die Unsicherheit der Prognosegrößen zu berücksichtigen, sodass als Fundament der Erfolgspotenzialrechnung eine zustandsabhängige Finanzplanung vorzunehmen ist. Zu Beginn einer jeden Periode sind auf Basis des gegebenen Informationsstands Cashflow-Prognosen zu erstellen, welche die erwartete Risikostruktur abbilden.
Für die ursachengerechte Aufspaltung und Zurechnung der Erfolgspotenzialabweichungen auf Verantwortungsbereiche wird zum Problem, dass Cashflow-Prognosen jeweils das Resultat von exogenen und endogenen Einflüssen sind: Zu berücksichtigen sind dabei sowohl die Erwartungen hinsichtlich der Marktbedingungen und anderen Variablen exogenen Ursprungs, als auch die vom Management auf Basis dieser Erwartungen und eigener Zielsetzungen formulierten strategischen Pläne mit endogenem Charakter.
Es sollte deshalb der Versuch unternommen werden, die Einflüsse exogenen Ursprungs von denen zu separieren, die der Beeinflussbarkeit durch das Management unterliegen, indem eine Projektion von Zahlungsverteilungen derartig vorgenommen wird, dass bei veränderten Erwartungen hinsichtlich der Umweltentwicklungen die Unternehmung sich (fiktiv) in Zukunft in allem so verhält, wie dies in der Vergangenheit der Fall war (Ballwieser, W. 1990, S. 83). In der Literatur hat sich dafür der Begriff der Trägheitsprojektion durchgesetzt.
Zur Illustrierung des hier vorgestellten Konzepts einer ertragswertorientierten Erfolgspotenzialrechnung mit den Teilsystemen EWE, EPA und PEP kann hinsichtlich der zustandsabhängigen Finanzplanung für Bereiche die Ausgangssituation von Breid herangezogen werden (Breid, V. 1994, S. 170 ff.). Dieser liegt hinsichtlich der Cashflow-Prognosen ein begrenzter Zeithorizont zugrunde, wie er für projektbezogene Investitionsrechnungen typisch ist. Eine Erweiterung um eine Restwert-Komponente (Dirrigl, H. 1998, S. 560 ff.), wie sie bei phasenorientierter Unternehmensbewertung heute üblich ist, wäre möglich (Schmidbauer, R. 1998, S. 266 ff.), ohne dass hierdurch zusätzliche Erkenntnisse für die Systematik der Erfolgspotenzialrechnung gewonnen würden.
In Tab. 1 sind für die ex ante-Situation A, die ex post-Situation P und die Trägheitsprojektion B für die einzelnen Perioden des Prognosehorizonts, der sich von 5 Perioden in der ex ante-Situation auf 4 Perioden in der ex post-Situation am Ende der 1. Periode verkürzt, jeweils die Primärgrößen der Risikostruktur in den typisierten Beta-Wahrscheinlichkeitsverteilungen mit at, mt und bt angegeben. Außerdem sind die periodendifferenzierten Erwartungswerte μt und Standardabweichungen σt ausgewiesen.
Tab. 1: Zustandsabhängige Finanzplanung
2. Erfolgspotenziale als Basisgrößen von Bestands- und Differenzrechnungen
Die Aufgabe der ertragswertorientierten Erfolgspotenzialrechnung besteht darin, für Bezugszeitpunkte ex ante und ex post die Erfolgspotenziale zu berechnen, die auf unterschiedlichen Annahmen zu den Cashflow-Prognosen und den Bewertungsparametern (Kalkulationszinsfuß und Risikopräferenz) basieren. Diese Größen beziehen sich zunächst auf die Berechnung des Ertragswerts zum Zeitpunkt t = 0 in der ex ante-Perspektive mit der Cashflow-Prognose A und dem Kalkulationszinsfuß k0 sowie dem Risikoaversionskoeffizienten rak0. Am anderen Ende des Spektrums von Erfolgspotenzialgrößen steht die Berechnung des Erfolgspotenzials für den Zeitpunkt t = 1, welches in der ex post-Perspektive die Cashflow-Prognose P sowie die Bewertungsparameter k1 und rak1 beinhaltet. Zwischen diesen Eckpunkten von Erfolgspotenzialbeständen ergeben sich Größen, die auf variierenden Annahmen hinsichtlich des Bezugszeitpunktes der Wertbestimmung, der Cashflow-Prognose oder der Bewertungsparameter basieren (Abb. 1).
Da die Berechnung der Erfolgspotenziale ertragswertorientiert erfolgt, werden diese mit EW( • )t[,] symbolisiert. Zur eindeutigen Kennzeichnung sind Angaben zu machen hinsichtlich des Informationsstands der Cashflow-Prognosen (alternativ A, B oder P), des Bewertungszeitpunkts mit dem tief gestellten Index t sowie der Bewertungsparameter zur Erfassung der Zeit- und Riskopräferenz mit den alternativen Kombinationen [0,0], [1,0] oder [1,1].
Die Eckpunkte der Erfolgspotenziale sind wegen der Periodenverschiedenheit (t = 0 bzw. t = 1) nicht direkt vergleichbar und müssen erst durch die Einführung eines Zwischenwerts, dem die Bedeutung eines Dreh- und Angelpunkts zukommt, kompatibel gemacht werden. Diese Funktion erfüllt der Ertragswert EW(A)1[0,0], dem einerseits wiederum die ex ante-Perspektive (A) für die Cashflow-Prognose zugrunde liegt, bei dessen Berechnung andererseits bereits auf den Zeitpunkt t = 1 abgestellt wird, und somit Übereinstimmung mit dem Ist-Erfolgspotenzial EW(P)1[1,1] gegeben ist.
In Abb. 1 sind für die sukzessiv vorzunehmende Einbeziehung von Bewertungsparametern der ex post-Perspektive des Zeitpunkts t = 1 drei verschiedene Pfade eingezeichnet, die sich in unterschiedlichen Höhen der vier Teilabweichungen auf dem Weg A →P auswirken:
- | Die Sequenz I ist durch die Teilabweichungen 2a, 3a, 4a und 5 gekennzeichnet und lässt sich als Vorgehensweise charakterisieren, bei der möglichst lange die Bewertungsparameter der ex ante-Perspektive in t = 0 verwendet werden. | - | Die mittlere Sequenz II mit den Teilabweichungen 2, 3, 4 und 5 beruht dagegen für die Berechnung des Informations- und Aktionseffekts bereits auf dem Kalkulationszinsfuß der ex post-Perspektive in t = 1. | - | Die Sequenz III mit den Teilabweichungen 2, 3b, 4b und 5 basiert im Unterschied zur Sequenz II für diese Effekte bereits auf dem für t = 1 geltenden Parameter zur Erfassung der Risikopräferenz. |
Abb. 1: Grundstruktur der Erfolgspotenzialrechnung und Abweichungsanalyse
3. Erfolgspotenzialorientierte Abweichungsanalyse
Gegenstand der erfolgspotenzialorientierten Abweichungsanalyse (EPA) sind die für den Bezugszeitpunkt der ex post-Perspektive (t = 1) berechneten Erfolgspotenziale und deren Beeinflussung durch exogen bedingte bzw. endogen steuerbare Veränderungen der Cashflow-Prognosen oder Bewertungsparameter.
Zunächst kann mit:
die in der Abb. 1 mit (1) symbolisierte Differenz der Ertragswerte zwischen den Zeitpunkten t = 0 und t = 1 jeweils aus der ex ante-Perspektive A berechnet werden.
Der als Vergleichsgröße herangezogene Ertragswert EW(A)1[0,0] kann in vertikaler Richtung auch für die Berechnung einer Wertabweichung:
verwendet werden. Bei dieser Differenz zwischen den Ertragswerten am Ende der Periode t = 1 aus der ex post-Perspektive P und der ex ante-Sicht A handelt es sich um eine Abweichung, deren Ursachen in verschiedenen, heterogen zusammengesetzten Einflussgrößen liegen können und die deshalb einer differenzierten Analyse bedarf. Durch die Trägheitsprojektion gelingt es, zwei Teilabweichungen auszuweisen, die als Informationseffekt (A →B) bzw. Aktionseffekt (B →P) bezeichnet werden. Die notwendige Separierung dieser Teilabweichungen wird von den Einflüssen der Bewertungsparameter zur Kennzeichnung der Zeit- und Risikopräferenz überlagert. Hier zeigt sich das aus der Abweichungsanalyse im operativen Bezugsrahmen geläufige Phänomen der Abweichungs-Interdependenz, das sich bei der kumulativen Abweichungsanalyse insofern auswirkt, als die Höhe der Teilabweichungen von der Reihenfolge der Separierung einzelner Einflussfaktoren abhängig ist.
Mit dem Informationseffekt soll der Teil der Wertabweichung sichtbar gemacht werden, dessen Ursachen in unternehmensintern nicht beeinflussbaren Umweltveränderungen beim Übergang zur ex post-Perspektive liegen. Dagegen kann der Aktionseffekt auf diejenigen Veränderungen der Wertbestimmungsfaktoren zurückgeführt werden, deren Wurzeln in den vom Management geplanten Anpassungen der strategischen Programme liegen.
Für die Bestimmung eines mit „ IE “ gekennzeichneten Informationseffekts gilt folglich:
Dabei ist pfadabhängig für die Bewertungsparameter Kalkulationszinsfuß und Risikopräferenz eine der drei denkbaren Kombinationen [0,0], [0,1] oder [1,1] zu wählen. Die gleiche Kombination wird dann auch für die Bestimmung eines mit „ AE “ gekennzeichneten Aktionseffekts herangezogen:
Um erkennen zu können, wie sich die verschiedenen Einflussgrößen auf die Höhe der Abweichungen und davon abgeleiteten Effekte auswirken, ist auf Basis der in Tab. 1 dargestellten Beispielsituation mit den risikostruktur- und periodendifferenzierten Cashflow-Prognosen in der Projektstruktur eine Berechnung der Erfolgspotenziale und deren Differenzen vorzunehmen.
In der obigen Tab. 2 sind die relevanten Größen, wie sie in verallgemeinerter Darstellung bereits in Abb. 1 strukturiert wurden, auf Basis der Beispielsituation für eine zustandsabhängige Finanzplanung konkretisiert worden. Hierbei wird für den Bewertungsparameter Kalkulationszinsfuß in der ex ante-Situation eine Höhe von k0 = 9% und in der ex post-Situation k1 = 10% angenommen. Hinsichtlich des Risikoaversionskoeffizienten rak soll ebenfalls der Einfluss einer Veränderung beim Übergang von der ex ante- zur ex post-Situation sichtbar gemacht werden, weshalb für ex ante rak0 = 30% und ex post rak1 = 40% unterstellt wird.
Tab. 2: Bestands- und Differenzgrößen der Erfolgspotenzialrechnung
In Tab. 2 sind äquivalent zur Grundstruktur der Erfolgspotenzialrechnung von Abb. 1 in Zeile 2 die pfadabhängigen Informationseffekte sowie in der Zeile 4 die ebenso pfadabhängigen Aktionseffekte ausgewiesen. In der Grundstruktur der Erfolgspotenzialrechnung, wie sie in Abb. 1 konzipiert wurde, und der entsprechenden Konkretisierung in Tab. 2 sind die wiederum pfadabhängigen Veränderungen der Erfolgspotenziale, die auf eine Variation des Kalkulationszinsfußes zurückzuführen sind, in Spalte 2 ausgewiesen. Für die Berechnung eines mit „ ZÄ “ gekennzeichneten Zinsänderungseffekts gilt:
Während für den in Zeile 1 von Tab. 2 ausgewiesenen Zinsänderungseffekt (2) die Cashflow-Struktur der ex ante-Perspektive (A) herangezogen wurde, basiert der in Zeile 5 ausgewiesene Zinsänderungseffekt (4a) auf der Cashflow-Struktur in der ex post-Perspektive (A). Dazu analog erfolgt die Berechnung der Erfolgspotenzialveränderungen, die mit Variationen des Risikoaversionskoeffizienten zusammenhängen. Für die Berechnung eines mit „ RP “ gekennzeichneten Risikopräferenzänderungseffektes gilt:
Wie die in Spalte 4 ausgewiesenen Effekte (3b) bzw. (5) erkennen lassen, handelt es sich bei diesen um vergleichsweise geringe Beträge, die zu dem Missverständnis verleiten könnten, dass auf eine komplexitätserhöhende Risikoanalyse in der Erfolgspotenzialrechnung verzichtet werden könnte. Gegenüber solchen Einschätzungen ist festzustellen, dass mit den angegebenen Effekten nur die Veränderungen der Erfolgspotenziale ausgewiesen werden, die aus der Berücksichtigung einer risikoaversen Einstellung über einen Risikoabschlag resultieren.
Es kann von besonderem Interesse sein, wie sich die Risikostruktur der Cashflow-Prognosen bei der Erfolgspotenzialbewertung auswirkt und welche riskobedingten Veränderungen mit Variationen der Cashflow-Prognosen verbunden sind: Zum einen kann sich das Niveau der in der Zukunft erwarteten Cashflows (μt) verändern (Cashflow-Niveau-Effekt), zum anderen aber auch deren Bandbreite, welche die Standardabweichung als Risikoparameter der Wahrscheinlichkeitsverteilung determiniert (Risikostruktur-Effekt).
4. Erfolgspotenzialbasierte Performancemessung und -analyse
Ausgangsgröße für die erfolgspotenzialorientierte Performancemessung und weitergehende Analysen ist zunächst der realisierte Cashflow der abgelaufenen Periode. Der Vergleich einer Ist- mit einer Soll-Periodengröße hat operativen Charakter und ist isoliert gesehen wenig aussagefähig, da hierbei festgestellte Abweichungen mit kompensatorischen Effekten in der Zukunft verbunden sein können, die bei der Erfolgspotenzialbewertung erfasst werden. Daraus ergibt sich zwangsläufig die Notwendigkeit zur Verbindung einer wertorientierten, operativen Kontrollrechnung (WOK) mit der erfolgspotenzialorientierten Abweichungsanalyse (Dirrigl, H. 1998, S. 563).
Der ökonomische Erfolg der abgelaufenen Periode, der mit PE1 symbolisiert wird, ergibt sich bei den hier zugrundeliegenden cashflow-basierten Rechengrößen als:
Dabei charakterisiert die erste Komponente CP1 den realisierten Cashflow in der ex post-Situation und die Differenz der Ertragswerte als die zweite Komponente des ökonomischen Erfolgs die beim Übergang von der ex post- zur ex ante-Situation konstatierte Veränderung des Erfolgspotenzials.
Wird in Ergänzung der Beispielsituation für den realisierten Netto-Cashflow der ersten Periode CP1 = 403 angenommen, so resultiert mit EW(P)1[1,1] = 589,95 und EW(A)0[0,0] = 1.073,27 ein ökonomischer Erfolg PE1 = – 80,40.
In dieser Größe haben sich unterschiedliche Einflussgrößen ausgewirkt, deren Separierung nun Gegenstand einer weiteren Analyse ist. Für die gesamte Erfolgspotenzialveränderung kann eine Aufspaltung in zwei Komponenten vorgenommen werden. Zum einen kann die aus der ex ante-Perspektive (t = 0) geplante Ertragswertdifferenz DEW(A)1 berechnet werden (s. Formel 7). Einen anderen, weil beim Übergang auf die ex post-Situation „ überraschungsbedingten “ Charakter hat die Abweichung ΔEW(A →P)1 (s. Formel 8).
Einer näheren Betrachtung bedarf die Differenz DEW(A)1, da in ihr die geplante, cashflow-bezogene Erfolgsgröße für die abgelaufene Periode t = 1 mit SÄ(CA1) enthalten ist. Wird diese Größe aus dem Erfolgspotenzial EW(A)0[0,0] isoliert, so kann eine direkte Gegenüberstellung mit der realisierten Cashflow-Größe CP1 erfolgen, woraus erkennbar wird, inwieweit der ökonomische Erfolg durch die operative Abweichung beeinflusst ist. Für die ex ante geplanten Erfolgspotenziale zu Beginn und am Ende der Periode gilt der Zusammenhang:
Nach Vereinfachung folgt damit für die Ertragswertdifferenz DEW(A)1:
Mit dieser Offenlegung der Einflussfaktoren für die geplante Erfolgspotenzialveränderung kann für die Performancegröße PE1 geschrieben werden:
Der ökonomische Erfolg unter Unsicherheit setzt sich somit aus 3 Komponenten zusammen:
- | der Stromgrößen-Differenz zwischen dem realisierten Cashflow CP1 der abgelaufenen Periode und dessen Sicherheitsäquivalent in der ex ante-Situation SÄ(CA1) | - | den Zinsen auf den Ertragswert zu Beginn der Periode k0 · EW(A)0[0,0] | - | der Erfolgspotenzial-Abweichung ΔEW(A →P)1 |
Für die Performancegröße PE1 gemäß Formel (16) sind verschiedene Interpretationen der Einflussgrößen möglich. So wird erkennbar, dass unter Unsicherheit neben der Verzinsung auf den Ertragswert zu Beginn der Periode auch Abweichungen mit operativem bzw. strategischem Charakter den ökonomischen Erfolg beeinflussen.
Literatur:
Ballwieser, Wolfgang : Unternehmensbewertung und Komplexitätsreduktion, Wiesbaden, 3. A., 1990
Breid, Volker : Erfolgspotenzialrechnung, Stuttgart 1994
Dirrigl, Hans : Wertorientierung und Konvergenz in der Unternehmensrechnung, in: BFuP, Jg. 50, 1998, S. 540 – 579
Dirrigl, Hans : Koordinationsfunktion und Principal-Agent-Theorie als Fundierung des Controlling? – Konsequenzen und Perspektiven, in: Unternehmenstheorie und Besteuerung – Festschrift zum 60. Geburtstag von Dieter Schneider, hrsg. v. Elschen, Rainer/Siegel, Theodor/Wagner, Franz W., Wiesbaden 1995, S. 129 – 170
Schmidbauer, Rainer : Konzeption eines unternehmenswertorientierten Beteiligungs-Controlling im Konzern, Frankfurt a.M. 1998
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