Finanzplanung
Inhaltsübersicht
I. Begriff und Arten von Finanzplanungen
II. Zielsetzung
III. Finanzplanungsrechnungen
IV. Originäre und derivative Cashflow-Berechnung
V. Integrierte Finanz- und Erfolgsplanung
VI. Finanzplanung, Exposure und Risikomanagement
I. Begriff und Arten von Finanzplanungen
Finanzplanung ist die systematische Prognose, Steuerung und Kontrolle sämtlicher Ein- und Auszahlungen einer Unternehmung, die aufgrund der geplanten künftigen Aktivitäten anfallen werden. In Abhängigkeit von der Länge des Planungshorizonts (= Fristigkeit) unterscheidet man die lang-, mittel- und kurzfristige Finanzplanung, wobei natürlich die Genauigkeit der Kenntnisse der künftigen Aktivitäten und der daraus resultierenden Zahlungsströme und -bestände mit zunehmendem Planungshorizont abnimmt.
1. Langfristige Finanzplanung
Bei der langfristigen Finanzplanung (Finanzplanung i.w.S., Finanzierungsplanung) beträgt der Planungszeitraum oftmals bis zu fünf Jahren und die Planungseinheit wird durch die Kalenderjahre determiniert. Die Finanzierungsplanung stellt gemeinsam mit der langfristigen Investitionsplanung eine wesentliche Komponente der strategischen Gesamtplanung einer Unternehmung dar, in deren Mittelpunkt die Ermittlung des aus dem festgelegten langfristigen Unternehmenszweck resultierenden langfristigen Kapitalbedarfs und der langfristigen Kapitaldeckung steht.
2. Mittelfristige Finanzplanung
Bei der mittelfristigen Finanzplanung (Finanzplanung i. eng. S.) stehen die auf Jahressicht zu erwartenden Zahlungen im Mittelpunkt des Interesses. Sie wird einerseits als kalenderjahrbezogene Finanzplanung mit einem Kalenderjahr als Planungseinheit (Kapitalbedarfs- und Kapitaldeckungsplan für das Folgejahr) und andererseits als rollierende 12-Monate-Finanzplanung mit einem Monat als Planungseinheit durchgeführt und in beiden Fällen als (Jahres-)Finanzplan bezeichnet.
3. Kurzfristige Finanzplanung
Im Mittelpunkt der kurzfristigen Finanzplanung (Liquiditätsplanung) steht eine detaillierte Zusammenstellung von extrem kurzfristigen Ein- und Auszahlungen sowie Liquiditätsbeständen im Folgezeitraum bis zu einen Monat mit einem Tag als Planungseinheit.
Insgesamt sollen die dargestellten planungszeitraumabhängigen Arten von Finanzplanungen hierarchisch und rollierend durchgeführt werden.
II. Zielsetzung
Als langfristiges Ziel sämtlicher Aktivitäten von marktwirtschaftlich orientierten Unternehmungen wird vielfach die Maximierung des Werts des Vermögens der Anteilseigner angesehen. Die daraus ableitbaren operationalen Unterziele für die Finanzplanung sind einerseits die Maximierung des Kapitalwerts der Zahlungen an die Anteilseigner und andererseits die Gewährleistung des Fortbestands der Unternehmung durch Erhaltung der Liquidität. Das erste Unterziel wird vor allem durch die langfristige Investitions- und Finanzplanung verfolgt, in deren Mittelpunkt die optimale Investitions-, Kapitalstruktur- und Ausschüttungspolitik steht. Die Erreichung des zweiten Unterzieles ist die Aufgabe der mittel- und kurzfristigen Finanzplanung und für Unternehmungen deshalb von existenzieller Bedeutung, weil gesetzliche Normen den dauerhaften Verlust an Zahlungsfähigkeit (Illiquidität) neben der Überschuldung (bei Kapitalgesellschaften) als Grund für Konkurs oder Vergleich festlegen.
III. Finanzplanungsrechnungen
1. Informationsquellen für die Datenbeschaffung
Ausgangspunkt für die mittel- und kurzfristige Finanzplanung bilden aufeinander abgestimmte leistungswirtschaftliche Teilpläne der Unternehmung und eventuell verfügbare, daraus abgeleitete Plankostenrechnungen und Planjahresabschlüsse (Planbilanz und Plan-GuV) für das Folgejahr. Die benötigten Teilpläne umfassen insbesondere den Absatz-, Produktions-, Beschaffungs- und Personalplan sowie den aus der langfristigen Investitions- und Finanzierungsplanung hergeleiteten Investitions- und Finanzplan für das Folgejahr. Aus letzterem sind die geplanten Investitionen und Desinvestitionen von Sach- und Finanzanlagevermögen sowie die geplanten langfristigen Finanzierungsaktivitäten (Eigenkapitaländerungen und Ausschüttungen sowie die Änderungen des langfristigen Fremdkapitals und Zinszahlungen für das langfristige Fremdkapital) zu entnehmen.
2. Kapitalbedarfs- und Kapitaldeckungsplanung
Als erste Rechnung der mittel- und kurzfristigen Finanzplanung ist die Kapitalbedarfs- und Kapitaldeckungsplanung für das Folgejahr durchzuführen. Hierbei werden anhand der wesentlichen Kategorien von Zahlungsströmen (Geschäftsbereich, Investitionsbereich, Kapitalgeberbereich und Net Working Capital (NWC)-Bereich) getrennt nach Auszahlungen und Einzahlungen die für das Folgejahr bereits geplanten Mittelverwendungen und Mittelherkünfte eruiert.
Als Ergebnis dieser Berechnungen erhält man eine grobe Abschätzung über den voraussichtlichen vorläufigen Kapitalüberschuss bzw. -fehlbetrag für das Folgejahr.
3. Der Finanzplan
Als zweite Rechnung der mittel- und kurzfristigen Finanzplanung ist der Finanzplan zu erstellen. Dieser dient, ebenso wie die Kapitalbedarfs- und Kapitaldeckungsplanung, zur Ermittlung der Ein- und Auszahlungen für das Folgejahr, jedoch werden nunmehr als Planungseinheit Monate herangezogen und die Zahlungsströme in jeder der vier wesentlichen Kategorien saldiert:
Als vorläufiges Ergebnis dieser Berechnungen erhält man Informationen über den voraussichtlichen Kapitalüberschuss bzw. -fehlbetrag in jedem Monat des Folgejahres. Um diese ausgleichen zu können, werden im Rahmen des Net Working Capital-Managements entsprechende Anpassungsmaßnahmen beim Umlaufvermögen und bei den kurzfristigen Verbindlichkeiten bereits im Voraus festgelegt. Die hierfür zur Verfügung stehenden Aktivitäten sind insbesondere
- | Anpassungsmaßnahmen bei Überschuss |
- | Anpassungsmaßnahmen bei Fehlbetrag |
Nach Festlegung der entsprechenden Anpassungsmaßnahmen wird der vorläufige Finanzplan entsprechend komplettiert:
4. Liquiditätsplanung
Die Liquiditätsplanung schließt als dritte Berechnung an den Finanzplan an und ermittelt Ein- und Auszahlungen, wenn möglich auf Tagesbasis, exakt nach Höhe und Tag des Anfalls. Die Liquidität soll durch Einsatz des nachfolgenden Instrumentariums gewährleistet werden:
- | Kassa | - | Girokonto | - | Kontokorrentkredit. |
Für die Liquiditätsplanung werden zunächst für alle Abteilungen der Unternehmung alle geplanten Ein- und Auszahlungen in ihren erwarteten Beträgen und Zahlungsterminen festgestellt und anschließend chronologisch geordnet. Mithilfe des geplanten Geldbestandes am Monatsbeginn können sodann die voraussichtlichen täglichen Geldbestände ermittelt werden. Aus den geplanten Fehlbeträgen kann man den Rahmen für einen Kontokorrentkredit festlegen und Beträge, die über einem Sicherheitsbestand an Geldmitteln liegen, für Veranlagungen disponieren (Cash Management).
5. Budgetierungsgrundsätze
Bei der Erstellung der dargestellten Berechnungen der Finanzplanung ist es zweckmäßig, folgende Grundsätze zu beachten:
- | Vollständigkeit: Bei der Finanzplanung sind alle Zahlungen des Planungszeitraums lückenlos zu erfassen. | - | Bruttoausweis: Ein- und Auszahlungen sollen unsaldiert erfasst und ausgewiesen werden. | - | Betrags- und Zeitpunktgenauigkeit: Dieser Grundsatz findet seine Grenzen in der zunehmenden Planungsunsicherheit und im Progonoseaufwand bei größerem Planungshorizont. | - | Wirtschaftlichkeit: Bei der Verfolgung der bisher angeführten Grundsätze sollte es trotzdem zu einer Abwägung von Kosten und Nutzen der Finanzplanungsrechnung kommen. | - | Gliederungsklarheit und -kontinuität. |
IV. Originäre und derivative Cashflow-Berechnung
Bei der Ermittlung des Einzahlungsüberschusses aus dem Geschäftsbereich als eine der Kategorien der geplanten Kapitaldeckungen ist die originäre (direkte) und die derivative (indirekte) Berechnung zu unterscheiden.
1. Originäre Cashflow-Berechnung
Die originäre Cashflow-Berechnung überprüft alle geplanten Geschäftvorgänge auf deren Zahlungswirksamkeit und ermittelt somit direkt die Ein- und Auszahlungen der Periode aus den Geschäftsbereichen (Betriebs- und Finanzbereich): a) Einzahlungen
Hierbei ist bei den geplanten Umsätzen das unterschiedliche Zahlungsverhalten der Kunden (Barkäufe, Zielkäufe, Anzahlungskäufe) zu unterscheiden.
Hierbei versteht man unter Finanzbereich die auf der Vermögensseite gehaltenen Positionen „ Finanzanlage- und -umlaufvermögen “ . Hingegen umfasst der aus der Kapitaldeckungsplanung bekannte Begriff Finanzierungsbereich die entsprechenden Passiva „ Eigen- und Fremdkapital “ . b) Auszahlungen
Hierbei ist bei den geplanten Beschaffungen das unterschiedliche Zahlungsverhalten der Unternehmung in Bezug auf ihre Lieferanten (Bareinkäufe, Zieleinkäufe, Anzahlungseinkäufe) zu unterscheiden.
2. Derivative Cashflow-Berechnung
Die derivative Cashflow-Berechnung benutzt die Ergebnisse der Kostenrechnung und des externen Rechnungswesens und ermittelt somit indirekt aus dem Überschuss der GuV den Einzahlungsüberschuss der Periode:
Da die Investitions- und Finanzierungsplanung langfristig ausgerichtet ist, kann bei deren indirekten Ermittlung des Cashflows vereinfachend unterstellt werden, dass die jährlichen Ein- und Auszahlungen aus den Geschäftsbereichen gleichzeitig Erlöse und Erträge bzw. Kosten und Aufwendungen darstellen. Die mittel- und kurzfristige Finanzplanung hingegen weist nur einen kurzfristigen Planungshorizont auf, der bis auf Tagesgenauigkeit untergliedert wird, und benötigt daher eine klare Unterscheidung zwischen Einzahlungen, Erlösen und Erträgen bzw. Auszahlungen, Kosten und Aufwendungen (siehe dazu etwa Fischer, E.O. 2005, S. 7 ff.).
Die originäre Berechnung des Cashflows ist sowohl im Rahmen der Finanzplanung als auch bei der Ist-Finanzrechnung möglich. Hingegen kann die derivative Cashflow-Berechnung sinnvollerweise nur im Rahmen der Ist-Finanzrechnung durchgeführt werden. Ein Einsatz der derivativen Berechnung des Cashflows in der Finanzplanung ist deshalb eigentlich nicht möglich, weil zur Erstellung der Plan-GuV und der Planbilanz die geplanten Anpassungsmaßnahmen aus dem NWC-Management bekannt sein müssen. Diese können jedoch vom Treasurer erst dann festgelegt werden, wenn er zuvor die Höhe der geplanten Cashflows direkt ermittelt hat.
V. Integrierte Finanz- und Erfolgsplanung
Die integrierte Finanz- und Erfolgsplanung besteht aus den Planungsinstrumenten der Unternehmensrechnung (Finanzplanung, Plankostenrechnung, Plan-GuV und Planbilanz) und wird vom Treasurer und vom Controller durchgeführt. Der Treasurer überprüft alle für das Folgejahr geplanten Geschäftsvorgänge auf deren Zahlungswirksamkeit und erstellt daraus die mittel- und kurzfristige Finanzplanung. Im Rahmen des NWC-Managements einschließlich des Cash Managements werden Positionen im Umlaufvermögen und bei den kurzfristigen Verbindlichkeiten geplant. Diese Planwerte sind dem Controller für die Erstellung der Plan-GuV und Planbilanz mitzuteilen. Der Controller überprüft alle für das Folgejahr geplanten Geschäftsvorgänge auf deren Kosten- und Erlöswirksamkeit und erstellt daraus die Plankostenrechnung. Auf Basis dieser Plankostenrechnung werden für die Plan-GuV die Kosten in Aufwendungen bzw. die Erlöse in Erträge übergeleitet.
Mit Hilfe der Ergebnisse aus der Plan-GuV, der Investitions- und Finanzierungsplanung für das Folgejahr und den Planwerten aus dem NWC-Management des Treasurers erstellt der Controller anschließend die Planbilanz. Aus der Planbilanz werden dann die interessierenden Kennzahlen der Bilanzanalyse (insbesondere horizontale und vertikale Finanzierungs- und Liquiditätsregeln) ermittelt, und es erfolgt solange eine Rückkoppelung zur Finanzplanung, Plankostenrechnung und Plan-GuV, bis die Kennzahlen aus der Planbilanz die vom Entscheidungsträger erwünschten Werte erreichen und schlussendlich das geplante Jahresbudget einer Unternehmung ergeben. Ein Beispiel zur integrierten Finanz- und Erfolgsplanung ist in Fischer (Fischer, E.O. 2005, S. 168 ff.) dargestellt.
VI. Finanzplanung, Exposure und Risikomanagement
Die Fokussierung der Finanzplanung auf künftige Ein- und Auszahlungen einer Unternehmung führt auch zu einer Konzentration und Evaluierung von Risiken für die Unternehmensbewertung. So wird beispielsweise im Rahmen einer Finanzplanung für eine Unternehmung mit Außenhandel (Im- oder Exporten mit Ländern außerhalb eines Währungsgebiets) oder für eine Unternehmung (Konzern) mit Auslandstochterunternehmungen klargestellt, welches Volumen an Cashflow einem unerwarteten Wechselkursänderungsrisiko unterliegt und welcher Exposure die Unternehmung somit ausgesetzt ist. In einem solchen Zusammenhang dient die Finanzplanung dem Treasurer zusätzlich auch dazu, Überlegungen dahingehend anzustellen, ob und gegebenenfalls wie er solche Risiken verringern oder vermeiden möchte. Hinsichtlich des exemplarisch angeführten Wechselkursänderungsrisikos bieten sich hierfür der Aufbau von natürlichen oder von künstlichen Hedge-Positionen (Devisenoptionen, -forwards, -futures oder -swaps) an.
Neben unerwarteten Preisschwankungen auf den Devisenkassamärkten können die künftigen Cashflows einer Unternehmung auch anderen Marktpreisrisiken auf Finanz- und Warenmärkten ausgesetzt sein. Als Beispiel hierfür sollen die Zins-, Anleihen- und Aktienmärkte oder Rohstoff-, Energie (z.B. Erdöl, Strom und Gas)-, Metall- und Agrarproduktmärkte angeführt werden. Auch in diesen Fällen kann die Finanzplanung dazu dienen, das Ausmaß des dem Risiko ausgesetzten Geldbetrags abzuschätzen und im Rahmen eines Risikomanagements die geeigneten Volumina an Derivaten zu evaluieren. Sind die künftigen Cashflows wetterabhängig, so kann auch diesbezüglich ein Risikomanagement durchgeführt werden, da entsprechende Emittenten sogar Wetterderivate zur Absicherung der dementsprechenden Risiken anbieten.
Literatur:
Chmielewicz, Klaus : Integrierte Finanz- und Erfolgsplanung, Stuttgart 1972
Fischer, Edwin O. : Finanzwirtschaft für Anfänger, München-Wien, 4. A., 2005
Hausschildt, Jürgen/Sachs, Gerd/Witte, Eberhard : Finanzplanung und Finanzkontrolle, München 1981
Perridon, Louis/Steiner, Manfred : Finanzwirtschaft der Unternehmung, München, 13. A., 2004
Süchting, Joachim : Finanzmanagement, Wiesbaden, 6. A., 1995
Witte, Eberhard : Finanzplanung der Unternehmung: Prognose und Disposition, Opladen, 3. A., 1983
Wöhe, Günter/Bilstein, Jürgen : Grundzüge der Unternehmensfinanzierung, München, 9. A., 2002
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