Unternehmensbewertung
Inhaltsübersicht
I. Wertkategorien
II. Bewertungsmethoden
III. Gesamtbewertungsverfahren
IV. Einzelbewertungsverfahren
V. Mischverfahren
VI. Überschlagsrechnungen
I. Wertkategorien
Unternehmensbewertungen dienen der Ermittlung von Grenzpreisen (= Entscheidungswerten), Schiedswerten und Steuerbemessungsgrundlagen. Grenzpreise sind Preise, deren Zahlung bzw. Erhalt das Ausgangsvermögen des Käufers bzw. Verkäufers nicht verändert. Schiedswerte müssen auf Grenzpreisen aufbauen, um akzeptiert zu werden, während Steuerwerte davon losgelöst sind. Im Folgenden interessiert nur die Grenzpreisbestimmung.
II. Bewertungsmethoden
Die Bewertungsmethoden unterscheiden sich nach den erfassten Zielen, der Art der Wertermittlung und dem Grad der Marktorientierung.
Eigentümer von Unternehmen verbinden mit diesen finanzielle und nichtfinanzielle Ziele. Zur Unternehmensbewertung bei Mehrfachzielen liegen zwar wichtige Ansätze vor (Sieben, G. 1969; Hafner, R. 1989; Matschke, M. J. 1993), sie blieben aber wegen der Inoperationalität nichtfinanzieller Ziele ohne große praktische Bedeutung. Die Bewertung wird deshalb i.A. auf finanzielle Komponenten verengt.
Zur Wertermittlung lassen sich Einzelbewertungs-, Gesamtbewertungs- und Mischverfahren sowie Überschlagsrechnungen unterscheiden. Einzelbewertungsverfahren knüpfen an Beständen von Vermögensgegenständen und Schulden eines Unternehmens am Bewertungsstichtag an. Je nach Art der berücksichtigten Posten und Wertkategorien wird der Liquidationswert oder der Substanzwert berechnet. Gesamtbewertungsverfahren basieren hingegen auf den Zahlungsströmen, die das Unternehmen den Eigentümern verspricht. Diese Zahlungsströme gehen auch auf nichtbilanzierbaren Goodwill zurück. Es interessiert, welche Ausgaben nötig sind, die Zahlungsströme zu rekonstruieren. Hierzu wird der Ertragswert oder ein Discounted Cash Flow (DCF) ermittelt. Mischverfahren mischen den Substanzwert mit dem Ertragswert. Überschlagsrechnungen gehen entweder von Preisen für vergleichbare Unternehmen aus, wobei diese i.d.R. als Vielfaches einer Bezugsgröße ausgedrückt werden (Multiplikatormethode), oder sie basieren auf der Börsenkapitalisierung (Aktien mal Kurs), die um einen geschätzten Paketzuschlag erhöht wird. Die Überschlagsrechnungen werden als marktorientiert bezeichnet. Das ist insofern missverständlich als andere Verfahren ebenfalls Marktdaten verarbeiten. So spiegeln sich z.B. bei Gesamtbewertungsverfahren Marktkonditionen im Kapitalisierungssatz.
III. Gesamtbewertungsverfahren
1. Ertragswert a) Ertragsdefinition
Beim Ertragswert berechnet der (potenzielle) Unternehmenseigentümer den Barwert der künftig an ihn aufgrund des Unternehmenseigentums fließenden Nettozahlungen (= Nettoausschüttungen oder Nettoentnahmen, gemindert um Einlagen oder Kapitalerhöhungen). Erträge sind also Zahlungsüberschüsse des Investors; sie umschließen nach dem alten Körperschaftsteuersystem für einen anrechnungsberechtigten Inländer auch Körperschaftsteuergutschriften. Zur Ertragsschätzung ist ein Finanzplan nötig, der die Zahlungen zwischen Unternehmen und Umwelt und die Ausschüttungspolitik berücksichtigt. Der Ersatz der Ausschüttungsprognose durch eine Prognose betrieblicher Nettoeinnahmen (Differenz der Zahlungen zwischen Unternehmen und Umwelt) führt grundsätzlich zu Bewertungsfehlern (Münstermann, H. 1970). Das gilt auch für Ausschüttungsfiktionen ( „ Vollausschüttungshypothese “ gemäß WP-Handbuch, 1998; kritisch Maul, K.-H. 1992). Nur wenn die thesaurierten Beträge einen Kapitalwert von Null haben, bleibt der Ertragswert unberührt (Busse von Colbe, W. 1981). Die Diskontierung von Gewinnen anstelle von Ausschüttungen führt bei Thesaurierungen zur Doppelzählung von Erträgen (Moxter, A. 1983).
Da sich der Wert des Unternehmens durch sein Konsumpotenzial ergibt, sind die Nettoausschüttungen an den Eigentümer um persönliche Steuern zu mindern (Ertragsteuern mindern bereits die Nettoausschüttungen). Die Diskontierung von Bruttoausschüttungen mit einem Bruttozins führt nur unter unrealistischen Annahmen zu demselben Ergebnis wie eine Diskontierung von Nettoausschüttungen mit einem Nettozins (Dirrigl, H. 1988; Leuthier, R. 1988a; Leuthier, 1988b; Ballwieser, W. 1995; Siepe, G. 1997). Wirtschaftsprüfer müssen zur Ermittlung des sog. objektivierten Unternehmenswerts, der aufgrund normierter Bedingungen, z.B. bzgl. Ausschüttungspolitik und Synergieeffekten, berechnet wird, einen persönlichen Steuersatz von 35% ansetzen (WP-Handbuch, 1998; Ballwieser, W. 1999; IDW, 2000). b) Mehrwertige Ertragsprognose
Die Prognose der Nettoausschüttungen schafft ein Schätzproblem, das auf Basis einer Vergangenheitsanalyse und von Planungsrechnungen zu lösen ist. Das Verdecken der Prognoseunsicherheit durch Zugrundelegen eines einwertigen Ertrags ist zwar üblich, aber unsachgemäß. Die Mehrwertigkeit sollte durch alternative Szenarien oder Bandbreiten abgebildet werden. Herangezogene Wahrscheinlichkeiten sind zwar subjektiver Natur. Ihre Berücksichtigung erscheint aber besser als ihre Vernachlässigung. c) Kapitalisierungssatz und Äquivalenzprinzipien
Die zukünftigen Erträge sind auf den Bewertungsstichtag abzuzinsen. Der Zinsfuß berücksichtigt alternative Geldverwendungsmöglichkeiten. Ein Unternehmenskäufer kann sein Geld (neben dem Konsum) für eine alternative Investition oder zur Schuldentilgung verwenden. Die beste seiner durch den Kauf verdrängten Handlungsalternativen bestimmt theoretisch den Zins. Entsprechendes gilt für den Verkäufer.
Renditen aus Investitionsalternativen lassen sich nur berechnen, wenn der Preis der Alternative bekannt ist. Das verbietet es, den Kauf anderer Unternehmen als Handlungsalternative zu erwägen, weil deren Preise regelmäßig unbekannt sind. Eine Alternative ohne diesen Nachteil ist die Anlage zum landesüblichen Zins, auf den deshalb zurückgegriffen wird. Ein weiterer Vorteil ist seine relativ gute Nachprüfbarkeit. Wer sich an ihm orientiert, hat die Handlungsalternativen doppelt verengt: Zum einen bleibt (neben dem Konsum) die Schuldentilgung außer acht, zum anderen muss der Zins nicht die beste Investitionsalternative darstellen.
Die Diskontierung hat Äquivalenzprinzipien zu beachten: Erträge und Zins müssen gleichwertig sein im Hinblick auf die Laufzeit der Zahlungen, die Währung und deren Geldwert, die Risikostruktur, die Verfügbarkeit (Steuern) und die eingesetzten Mittel zu ihrer Erwirtschaftung (Moxter, A. 1983; Ballwieser, W./Leuthier, R. 1986). d) Ertragswertberechnung und Ertragswertformel
Für die Berechnung des Ertragswerts ist die Reihenfolge der Aggregation über die unsicheren Umweltzustände und die Zeit zu bestimmen: Die mehrwertigen Erträge lassen sich zuerst pro Periode auf stellvertretende Werte aggregieren, die anschließend abgezinst werden (erst horizontale, dann vertikale Aggregation). Werden Sicherheitsäquivalente diskontiert, sind der landesübliche Zinsfuß oder der sicherheitsäquivalente interne Zinsfuß einer besseren Handlungsalternative maßgeblich. Erwartungswerte sind – wegen der Risikoscheu des Eigentümers – mit einem risikoangepassten Zinsfuß zu diskontieren.
Alternativ werden zuerst zeitliche Folgen von unsicheren Erträgen diskontiert, was bei einer Vielzahl von Folgen zu einer Barwertverteilung führt, die anschließend verdichtet werden muss (erst vertikale, dann horizontale Aggregation). Dieses Vorgehen liegt der Risikoanalyse (Coenenberg, A. G. 1970; Bretzke, W.-R. 1975; Siegel, T. 1991) zugrunde. Bei Diskontierung der Zahlungsfolgen mit einem risikoangepassten Zinsfuß darf die Barwertverteilung nur auf den Erwartungswert statt auf das (bei Risikoscheu niedrigere) Sicherheitsäquivalent verdichtet werden, weil andernfalls das Risiko doppelt erfasst werden würde.
Verwendet man bei gegebenen Daten für beide Alternativen der Aggregationsreihenfolge eine identische (zeit- und zustandsunabhängige) nichtlineare Risikonutzenfunktion, sind die Ergebnisse nur zufällig identisch (Ballwieser, W. 1980).
Je nach Schätzmöglichkeiten der Erträge ist eine Formel mit endlichem oder unendlichem Planungshorizont und mit periodenabhängigen oder konstanten Erträgen zu verwenden. Sind die Prognosezeiträume unterschiedlich gut überschaubar, bietet sich die Phasenmethode an (WP-Handbuch, 1998). Wenn zuerst horizontal aggregiert wird, sind als Ertragswertformeln – unter Einsatz von landesüblichen Zinssätzen und Sicherheitsäquivalenten, jeweils nach persönlichen Steuern – denkbar:
(1)
(2)
Schreibt man den Endwert in Form einer ab Periode T+1 unendlich lange fließenden, periodendurchschnittlichen Ausschüttung, resultiert eine bestimmte Form des Phasenmodells (Ballwieser, W. 1993):
(3)
e) Rechnerische Bewältigung der Prognoseunsicherheit
Die Unsicherheit der Erträge wird i.a. mit einem risikoangepassten Zins berücksichtigt. Dieser Zinsfuß kann (1) individuell durch Rückgriff auf die Ertragsbandbreite oder (2) marktgestützt durch Rückgriff auf das Capital Asset Pricing Model (CAPM) bestimmt werden. (1) Individuelle Bestimmung des risikoangepassten Zinsfußes
Grundlage der Bestimmung ist der Vergleich des Risikozuschlags mit Sicherheitsäquivalenten. Im Rentenmodell muss gelten:
(4)
Die Bestimmung des Zuschlagssatzes z setzt die Kenntnis des Sicherheitsäquivalents der Ertragsbandbreite voraus. Würde man es kennen, wäre der risikoangepasste Zinsfuß überflüssig. Es ist i.d.R. unbekannt. Da aber für risikoscheue Bewerter stets die Beziehung M ≤ SÄ < μ gilt, wobei M der kleinste Wert der Entnahmeerwartung ist, lässt sich eine Obergrenze für z angeben, ohne das Sicherheitsäquivalent kennen zu müssen. Das maximale z ergibt sich als:
Mit dieser Beziehung lassen sich unbegründbare Risikozuschläge abwehren. Voraussetzung ist ein positives M. Das ist nicht einschränkend, weil negative M im Rentenmodell mit unendlichem Planungshorizont undenkbar sind. Würde sich ein negatives M auf Dauer realisieren, hieße dies, dass das Unternehmen ewig subventioniert werden muss. Wer negative M in einzelnen Perioden, z.B. wegen drohender Zerschlagung, erwartet, muss den Zeitpunkt der Zerschlagung schätzen und das Rentenmodell aufgeben.
Will man die Beziehung (6) ohne bekanntes Sicherheitsäquivalent verwenden, sind nur pragmatische Lösungen möglich. Eine denkbare Lösung ist
Die Bestimmung von z nach Gleichung (7) verstößt nicht gegen zmax aus Gleichung (6), weil μ > M ist. Der Zuschlagsatz wächst linear mit der Differenz von μ und M. Die Linearität ist – anders als bei Gleichung (6) – risikotheoretisch nicht zu begründen, und die Orientierung an &μ-M als Indikator des Risikos gibt strenggenommen nur bei symmetrischen Ertragsverteilungen Sinn. Andere pragmatische Lösungen sind deshalb denkbar.
Ohne Rentenmodell ändert sich die Vorgehensweise nicht. Jedoch lassen sich „ gegriffene “ Risikozuschläge erheblich schwerer einordnen. Im Nichtrentenmodell nach Gleichung (1) ergibt sich entweder
oder
Gleichung (8) resultiert aus der Beziehung:
unter zusätzlicher Gültigkeit von
für alle Perioden t. Der Endwert ist bei dieser Schreibweise von Gleichung (1) in den letzten Ertrag integriert.
Gleichung (8) vermengt den Zeit- und Risikoaspekt insofern, als bei identischen Verteilungen mit zunehmendem Periodenindex sowohl die exakten als auch die maximal begründbaren Risikozuschläge sinken (Robichek, A. A./Myers, S. C. 1966; Kromschröder, B. 1979; Ballwieser, W./Leuthier, R. 1986; Ballwieser, W. 1993). Gleichung (9) vermeidet dies. Sie entsteht aus der Forderung (Ballwieser, W. 1993):
(1′′)
ztt′ gibt an, in welcher Zeitspanne von t bis t′ sich das Risiko auflöst. Findet die Auflösung allein in t statt, so gilt:
Als pragmatische Bestimmungen von z sind denkbar:
(12) gehört zu (8), (13) zu (9). Die Begründungen für (12) und (13) entsprechen der von (7). Ein Problem dieser Modellierung besteht darin, dass sich nach ihr sehr hohe, in praxi nicht beobachtbare Risikozuschläge ergeben können (Ballwieser, W. 1993).
Im Beispiel in Abb. 1 wird von einer Gleichverteilung der Erträge und i = 8 % ausgegangen.
Abb. 1: Maximale und pragmatische Risikozuschläge im Nichtrentenmodell
Hierbei zeigt sich beim maximalen Zuschlag nach (8), dass bei konstanter Verteilung die maximal begründbaren Zuschläge sinken. Die Zuschläge sind sehr hoch. Angeblich gelten in praxi Risikozuschläge zwischen dem 0,5- und dem 3,0fachen der Differenz von Zinssatz für öffentliche Anleihen und Geldentwertungsrate (Fischer, H. 1992; Suckut, S. 1992). Sie werden hier übertroffen.
Da die Risikozuschläge nur das Pendant zu Sicherheitsäquivalenten sind, kann man die aus (10) bzw. (11) errechenbaren impliziten Sicherheitsäquivalente gegenüberstellen (s. Abb. 2).
Abb. 2: Implizite Sicherheitsäquivalente
Die Identität der Sicherheitsäquivalente ist nicht zufällig. Setzt man Gleichung (12) in (10) und Gleichung (13) in (11) ein, so resultieren identische Beziehungen, mithin auch identische Sicherheitsäquivalente. Risikozuschläge unterschiedlicher Höhe lassen sich damit – je nach Modellbasis – mit demselben Sicherheitsäquivalent verbinden. Diese Zweideutigkeit läßt die Abwehr unbegründbarer Risikozuschläge im Nichtrentenmodell schwerer als im Rentenmodell werden. Das Problem wäre gelöst, wenn sich der Bewerter zur Bestimmung von Sicherheitsäquivalenten durchringen könnte (Moxter, A. 1983). (2) Risikoangepasster Zinsfuß nach dem CAPM
Nach dem Capital Asset Pricing Model (CAPM) gilt im Rentenmodell:
(14)
Die Schätzung von β und rM aus Erwartungsgrößen ist schwierig, auch wenn solche Schätzungen angeboten werden. Hingegen lassen sich für börsennotierte Gesellschaften leichter historische β und (rM-i)-Werte gewinnen, die auf Aktienrenditen und den Renditen eines Aktienindex basieren. Sie kann man der Bestimmung von z zugrunde legen.
Das Verfahren hat gegenüber dem zuerst beschriebenen den (vermeintlichen) Vorteil, sich von der subjektiven Schätzung der Ertragsbandbreite (und damit von μ und M) zu lösen. Es hat, unabhängig von Einwendungen gegen die Annahmen des CAPM (Coenenberg, A. G. 1981; Ballwieser, W. 1990), den Nachteil, entweder aus vergangenen Daten gewonnene Regressionsparameter in die Zukunft fortzuschreiben oder ebenfalls subjektive Schätzungen anzusetzen. Die Vergangenheitswerte sind relativ anfällig im Hinblick auf die Messmethoden für rM und i, die Betrachtungszeiträume und die Mittelwertbildung (Carleton, W. T./Lakonishok, J. 1985; Stehle, R./Hartmond, A. 1991; Zimmermann, P. 1997). So hat man für die Prämien für das Marktrisiko (rM-i) ganz unterschiedliche Daten erhoben (Überblick in Ballwieser, W. 1995). Trotz der Bandbreite geht man in Deutschland derzeit von rd. 5 – 6% aus.
Ferner sind die β-Werte zeitlich instabil. Die Fortschreibung der Vergangenheitswerte ist besonders begründungsbedürftig, weil neue Eigentümer eines Unternehmens durch Änderung der Geschäftspolitik die Risikostruktur der Ausschüttungen z.T. erheblich verändern können. Wer deshalb eine naive Fortschreibung nicht will, muss die Vergangenheitswerte modifizieren. Deshalb fließen in die Bestimmung des Risikozuschlages ähnlich viele Subjektivismen ein wie in die Bestimmung des pragmatischen Zuschlagssatzes nach der ersten Methode. Der Marktbezug der zweiten Methode gegenüber dem Individualismus der ersten Methode (Drukarczyk, J. 2000) entpuppt sich als Scheingegensatz. f) Weitere Zinsfußmodifikationen
Der landesübliche Zinsfuß wird z.T. noch um einen Geldentwertungsabschlag vermindert und um einen Immobilitätszuschlag erhöht. Der Geldentwertungsabschlag basiert auf einer Nominalrechnung bei Sicherheit und verlangt mit der Abschlagsrate wachsende Erträge bis in alle Unendlichkeit (Schildbach, T. 1977). Er sollte deshalb Wachstumsabschlag heißen. Bei Unsicherheit ist der Wachstumsabschlag ungleich schwerer begründbar. Die simultane Begründung von Wachstumsabschlag und Risikozuschlag gelingt nur bei unrealistischer Risikoeinstellung des Bewerters (Ballwieser, W. 1988).
Der Immobilitätszuschlag soll die gegenüber der Kapitalmarktanlage schlechtere Mobilität der Unternehmung berücksichtigen. Ihn aus der Differenz von Nettozins für die kürzest mögliche Anlage und dem langfristigen Kapitalmarktzins zu bestimmen, ist wenig begründet und unterstellt eine normale Zinsstruktur (Suckut, S. 1992). Das in der plötzlichen Veräußerungsnotwendigkeit des Unternehmens liegende Risiko sollte nicht durch einen Zinsfußzuschlag erfasst werden, weil seine nachprüfbare Quantifizierung mißlingt. Es ist besser, bei befürchteter Veräußerung in einer Periode den Veräußerungswert zu schätzen und ihn in Gleichung (1) zu erfassen.
2. Discounted Cash Flow
Der Discounted Cash Flow (DCF) wird in zwei Versionen verwendet (Copeland, T./Koller, T./Murrin, J. 2000). Der sog. „ equity approach “ entspricht dem Ertragswertverfahren, weil die Cash Flows den Nettoausschüttungen an die Eigentümer entsprechen. Der risikoangepasste Zinsfuß wird auf Basis des CAPM ermittelt. Im Gegensatz hierzu steht der „ entity approach “ , der als WACC-Ansatz (Ansatz der gewogenen durchschnittlichen Kapitalkosten) und als APV-Ansatz (Adjusted Present Value = angepaßter Barwert) existiert (Richter, F. 1997; Mandl, G./Rabel, K. 1997; Ballwieser, W. 1998; Drukarczyk, J. 2000; Hachmeister, D. 2000; Steiner, M./Wallmeier, M. 1999). Fehlen beim WACC-Ansatz die Steuervorteile aus Verschuldung bei der Cash-Flow-Prognose, dann handelt es sich um den sog. Free-Cash-Flow-Ansatz. Der Fehler der Cash Flow-Ermittlung wird durch eine Korrektur des WACC mit dem Steuersatz s kompensiert. Sind hingegen die Steuervorteile aus Verschuldung in die Cash Flow-Ermittlung eingeflossen, handelt es sich um den Total-Cash-Flow-Ansatz (Hachmeister, D. 2000); eine Korrektur des WACC ist unnötig.
Beim WACC-Ansatz sind die Cash Flows die Nettozahlungen des Unternehmens gegenüber Eigen- und Fremdkapitalgeber. Sie werden beim Free Cash Flow-Verfahren mit folgendem gewogenen durchschnittlichen Kapitalkostensatz diskontiert (beim Total-Cash-Flow-Verfahren fehlt (1 – s)):
(16)
Der Unternehmenswert für die Eigentümer ist:
Der Vorteil der indirekten Wertermittlung wird in der Trennbarkeit der Geschäfts- und Finanzierungseinflüsse und des damit verbundenen Geschäfts- und Finanzierungsrisikos gesehen. Tatsächlich kam der Vorteil der Finanzierungsunabhängigkeit in Deutschland wegen des alten Körperschaftsteuersystems nicht zum Tragen (Ballwieser, W. 1998). Equity und entity approach lassen sich im Rentenmodell ineinander überführen. Aus ihm ergibt sich auch die Ableitung des gewogenen Kapitalkostensatzes.
Die Anwendung von Gleichung (16) setzt die Kenntnis der Marktwerte des Eigen- und des Gesamtkapitals voraus, während diese Werte noch gesucht sind (Ballwieser, W. 1993). Deshalb muss man iterieren oder eine konstante Zielkapitalstruktur vorgeben. Um die Zielkapitalstruktur aufrechtzuerhalten, sind diffizile Planungen nötig (Ballwieser, W. 1998). Wird sie nicht aufrechterhalten, lässt sich der Kalkül auch mit periodenabhängigen WACC durchführen (Wallmeier, M. 1999). Wird in (16) von einer durchschnittlichen Zielkapitalstruktur ausgegangen, so steht die Durchschnittsbetrachtung in Gegensatz zu der Differenzierung der Cash Flows bis zum Planungshorizont. Theoretische Inkonsistenzen der DCF-Verfahren werden zu Recht bemängelt (Hering, T. 1999).
Ertragswert- und DCF-Verfahren führen zu gleichen Werten, wenn man von identischen Parametern ausgeht, die ex- und impliziten Bedingungen der DCF-Verfahren einhält (beim WACC-Ansatz z.B. die konstante Kapitalstruktur) und das Steuersystem richtig integriert (Ballwieser, W. 2001).
IV. Einzelbewertungsverfahren
1. Liquidationswert
Zur Ermittlung des Liquidationswerts werden alle Vermögensgegenstände mit Zerschlagungswerten und alle Schulden mit Ablösebeträgen angesetzt. Die Werte weichen i.d.R. von Buchwerten ab. Ferner sind zerschlagungsspezifische Schulden wie Sozialplanlasten und Liquidierungskosten zu berücksichtigen. Probleme können sich bei der Schätzung der Zerschlagungsmodalitäten im Hinblick auf Zerschlagungseinheiten und -geschwindigkeiten und bei der Bestimmung der Zerschlagungswerte ergeben. Beansprucht die Liquidation längere Zeit, sind die Beträge zu diskontieren.
2. Substanzwert a) Rekonstruktionswert
Beim Substanzwert i.S.e. Rekonstruktionswertes interessieren die Ausgaben, die man hätte, um ein Unternehmen in seiner bilanziellen Gestalt oder seiner technischen Kapazität nachzubauen. Da man nur das betriebsnotwendige Vermögen nachbauen würde, wird nur dieses mit seinen Wiederbeschaffungskosten am Bewertungsstichtag angesetzt. Nicht betriebsnotwendiges Vermögen wird mit Veräußerungspreisen bewertet und wirkt substanzwerterhöhend. Von der Wertsumme sind die Schulden abzuziehen.
Substanzwertberechnungen unterscheiden sich im Hinblick auf den Umfang des Nachbaus. Beschränkt man die Betrachtung auf bilanziertes Vermögen, so ist die Menge z.B. bei voll abgeschriebenen Gegenständen und nicht aktivierungsfähigen selbsterstellten immateriellen Anlagewerten geringer, als wenn die inventarisierten Gegenstände erfasst werden. Die Menge wird am größten, wenn der Nachbau von originären Goodwillkomponenten wie Standortvorteil, Belegschaftsqualität oder Markenname erwogen wird.
Ökonomisch betrachtet sind die Zahlungsströme für den Eigentümer nachzubauen und deshalb originäre Goodwillkomponenten vollständig einzubeziehen. Dies gelingt aber weder im Hinblick auf ihre vollständige Benennung noch im Hinblick auf ihre Bewertung. Ob und wieviel Goodwill ein Unternehmen hat, ergibt sich nur aus der Gegenüberstellung von Ertragswert oder DCF mit dem Substanzwert, d.h. dann, wenn man den Unternehmenswert schon berechnet hat. Ein Substanzwert ohne originäre Goodwillkomponenten ist nur dann aussagekräftig, wenn Goodwill fehlt. b) Vorgeleistete Ausgaben
Sieben hat den Sustanzwert als vorgeleistete Ausgaben interpretiert (Sieben, G. 1963). Er ist die Differenz der Barwerte alternativer Ausgabenreihen bei dem Vergleich eines angebotenen Unternehmens mit der Selbsterrichtung einer bestimmten Kapazität. Hinter ihm steht ein Prognose- und Barwertkalkül. Bei der Bewertung ostdeutscher Unternehmen wurde der Substanzwert als Rekonstruktionswert berechnet, aber in Anlehnung an Sieben als vorgeleistete Ausgaben bezeichnet. Diese Gleichsetzung ist falsch (Sieben, G. 1992).
V. Mischverfahren
Mischverfahren mischen Substanz- und Ertragswert. Zu ihnen zählen das Mittelwertverfahren sowie Verfahren der Übergewinnabgeltung und Geschäftswertabschreibung (Moxter, A. 1983). Die Literatur zeigt, dass die Verfahren weder für die Grenzpreisermittlung (Sieben, G. 1963; Moxter, A. 1983) noch für die Risikobewältigung (Philipp, F./Köth, U./Rath, K. 1981) aussagefähig sind. Das Stuttgarter Verfahren für die steuerliche Einheitsbewertung ist ein spezielles Übergewinnverfahren, bei dem der besonders zu ermittelnde Substanz- und Ertragswert zu rd. 69% bzw. 31% in den Wert eingeht. Angesichts des Fortfalls der Vermögensteuer ist es heute primär für die Erbschaftsteuer und die Vertragsgestaltung bedeutend.
VI. Überschlagsrechnungen
Bei Börsengängen, aber auch bei der Bewertung von Miethäusern oder Kanzleien von Dienstleistern sind Multiplikatormethoden beliebt. Danach ergibt sich der Unternehmenswert als aus vergangenen Transaktionen beobachtetes Vielfaches einer Bezugsgröße. Die Transaktionen beziehen sich auf das zu bewertende Unternehmen selbst oder auf diesem möglichst ähnliche Unternehmen. Die Ähnlichkeit wird u.a. anhand Branchenzugehörigkeit, Größe, Eigentumsverhältnisse, Wachstumschancen geprüft. Geeignete Bezugsgrößen werden im Umsatz, Mietrohertrag, Mietreinertrag, Gewinn, Gewinn vor Steuern (EBT), Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) oder Gewinn vor Abschreibungen, Zinsen und Steuern (EBITDA) gesehen. Mit dem EBITDA will man eine unterschiedliche Altersstruktur von abnutzbarem Anlagevermögen, unterschiedliche Abschreibungspolitik, unterschiedliche Kapitalstruktur und aperiodische oder latente Steuern im Vergleich von Unternehmen untereinander eliminieren.
Probleme der Multiplikatoren sind das Auffinden möglichst ähnlicher Unternehmen, da sich die Ähnlichkeit auf die Vorteilsströme und deren Risikogehalt beziehen muss, der Umfang, die Repräsentativität und Stabilität der Marktdaten und die Akzeptanz von Preisen als Wert. Es ist nicht erkennbar, wie man bei Unternehmen, deren Wert stark durch die Geschäftspolitik des Eigentümers geprägt wird, durch einfache Übernahme von Transaktionspreisen anderer Unternehmen zu einem geeigneten Wert kommen kann. Multiplikatoren helfen zum Argumentieren, nicht zum Bewerten (Ballwieser, W. 1991; Ballwieser, W. 1997; Mandl, G./Rabel, K. 1997; Böcking, H.-J./Nowak, K. 1999; a.A. Bretzke, W.-R. 1988).
Literatur:
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