Führungsmodelle
Inhaltsübersicht
I. Führung als Problem
II. Modellbildung als Problemzugang
III. Ausformungen von Modellen in der Führung
IV. Kritische Würdigung
I. Führung als Problem
Führungsprobleme sind in Organisationen allgegenwärtig. Der Umgang mit diesen Führungsproblemen entscheidet maßgeblich über den Organisationserfolg. Es gilt also, Führung selbst als ein Problem zu erachten, um Führungsproblemen begründet gegenübertreten zu können. Genau dies ist der Gegenstand einer Führungslehre in Organisationen (Weibler, 2004). Die Erkenntnisperspektive unterscheidet sich dabei nicht grundlegend von anderen Fragestellungen innerhalb der empirisch orientierten Betriebswirtschaftslehre: Eine so verstandene Führungslehre beschreibt das Führungsgeschehen, erklärt seine Wirkungsgeflechte und ermöglicht gestalterische Aussagen. Damit wird dem theoretischen wie pragmatischen Wissenschaftsziel der betriebswirtschaftlichen Forschung Rechnung getragen. Zwischen beiden besteht insofern eine Verbindung, als das pragmatische (anwendungsorientierte) Wissenschaftsziel ohne Rückgriff auf theoretische Erkenntnisse nicht eingelöst werden kann (vgl. z.B. Wunderer, 1994). Grundsätzlich lassen sich Fragen der Führung auf mehreren Ebenen diskutieren. Die Spannbreite reicht hier von der Führung einer Gesamtorganisation bis hin zu der von Einzelpersonen (vgl. bereits Wild, 1974). Neuerdings wird auch Führung von und in mehr oder weniger lose miteinander verbundenen Organisationen in Form von Netzwerken mit einbezogen (vgl. Picot, /Reichwald, /Wigand, 2001; Rüegg-Stürm, /Achtenhagen, 2000; Scherm, /Süß, 2000; Sydow, /Windeler, 1999). Der folgende Beitrag konzentriert sich auf die Personalführung (vgl. grundlegend Weibler, 2001). Führungsmodelle, also beschreibende, erklärende oder gestaltungsorientierte Abbildungen des Führungsgeschehens, speziell des Führungshandelns in Organisationen, werden nahezu seit Beginn der Führungsforschung in diesem Kontext behandelt.
II. Modellbildung als Problemzugang
Der facettenreiche Modellbegriff hat seine etymologischen Wurzeln im lat. „ modulus “ , der Diminutivform von „ modus “ und beinhaltet einschließlich späterer Sprachentwicklungen die (übertragenen) Bedeutungen Maßstab, Vorschrift, Entwurf, Vorbild, Abbild oder Nachbildung (vgl. Stachowiak, 1989, S. 89). Gemeinhin werden Modelle heute als anschauliche, selektive Repräsentationen eines Referenzobjektes (Original, Wirklichkeit) verstanden (vgl. auch Stachowiak, 1989, S. 89). Ihre Funktion liegt in der fokussierten Verdeutlichung der zentralen Zusammenhänge von interessierenden Begebenheiten oder Ereignissen, die sich selbst wegen ihrer Komplexität und/oder Immaterialität prinzipiell oder forschungsökonomisch einer unmittelbaren Erfassung entziehen. Modelle spiegeln entweder bereits bekannte Sachverhalte in anschaulicher Art und Weise wider oder fügen dem Bestehenden zusätzliche Erkenntnisse durch neue Beobachtungen (i.w.S., also inkl. Experimente etc.) oder aber durch Neukombinationen bisherigen Wissens (geprüft) hinzu. Im günstigsten Fall sind dabei Modelle noch stärker als Theorien auf eine möglichst präzise (formale) Rekonstruktion von Kausalzusammenhängen gerichtet und dienen der Darstellung empirischer Verallgemeinerungen und idealtypischer Abstraktionen für ein besseres Verständnis des zugrunde liegenden Phänomens (vgl. Balzer, 1997, S. 16). Dies wird mittels einer Funktions-, Struktur- oder Verhaltensähnlichkeit zum Referenzobjekt erreicht. Umstritten ist, ob ein Modell einer Theorie gleichgesetzt werden kann oder „ mehr “ als eine Theorie (eine quantifizierte Theorie), oder „ weniger “ als eine Theorie (eine vorläufige, empirisch noch nicht gesicherte oder vereinfachend-reduzierte Theorie) ist (Anger, 1962). Eine pragmatische Lösung liegt darin, „ unter einer Theorie die Menge aller Modelle “ zu verstehen, „ mit deren Hilfe die Erkenntnisgegenstände der Theorie behandelt werden. Ein Modell ist somit eine Teilmenge der zugehörigen Theorie “ (Martiensen, 2000, S. 1, FN 1). Es geht bei Theorien wie Modellen immer nur darum, Annäherungen zu erreichen (vgl. Popper, 2000 [1960a], S. 164 ff.). Dabei ist darauf hinzuweisen, dass in alle gebildeten Theorien oder Modelle eine Fülle von Vorannahmen und Vorentscheidungen eingehen ( „ Erkenntnis kann nicht mit nichts beginnen “ , Popper, 2000 [1960b], S. 36). Diese Annäherung geschieht in drei Schritten (Führungsmodelllogik): Beschreibende Analyse des Sachverhaltes, seine empirisch bewährte Erklärung und die Transformation in Problemlösungsmöglichkeiten. In der Führungsforschung ist die Verwendung des Modellbegriffs in allen drei Annäherungsformen zu beobachten (Beschreibungs-, Erklärungs-, Gestaltungsmodell). Damit löst man sich von der wissenschaftstheoretisch strengen Verwendung des Modellbegriffs auf den Erklärungsaspekt. Favorisiert wird in der Diskussion die Verwendung des Modellbegriffs als (normatives) Gestaltungsmodell. Dieses wird als Folge nicht selten mit dem Modellbegriff schlechthin gleichgesetzt (Seidel, 1993). Die oben dargestellte logisch aufeinander aufbauende Abfolge zur Erreichung des pragmatischen Wissenschaftsziels wird dabei faktisch vielfältig unterbrochen: Sei es verständnisorientiert, dass die Entwicklung der Schritte nicht nachgezeichnet wird, sei es, dass Modelle auf einer der ersten beiden Ebenen verharren oder sei es – und dies ist nicht die Ausnahme – dass die Ebene der Problemlösung in eine normative Handlungsempfehlung mündet, ohne die ersten beiden Ebenen in ihr Kalkül zu ziehen. Bestenfalls wäre in diesem Fall eigentlich von Führungskonzepten zu sprechen, die mit Osterloh/Grand (Osterloh, /Grand, 1995, S. 7) als reine, induktiv aus Alltagserfahrungen gewonnene Erkenntnisse einzustufen sind.
III. Ausformungen von Modellen in der Führung
Anhand der oben beschriebenen Führungsmodelllogik sollen nachfolgend typische Führungsmodelle auf den korrespondierenden Zugangsebenen aufgezeigt werden, um einen geordneten Einblick in die Führungsdiskussion zu geben (vgl. andere Darstellungsformen z.B. Rühli, 1995; Gabele, 1992). Dabei ist zu beachten, dass das Anwendungsfeld der Modelle innerhalb des Führungsgeschehens thematisch beliebig sein kann. Im Folgenden soll sich aber auf die Modelle konzentriert werden, die das Führungshandeln im Blickfeld haben, da diese in der vorherrschenden Führungsmodelldiskussion eine besondere Rolle spielen (vgl. auch Seidel, /Jung, /Redel, 1988). Im Hintergrund steht dabei indirekt (Beschreibung und Erklärung) oder direkt (Gestaltung) eine Verbesserung des Führungserfolgs, d.h. der Führungseffektivität und Führungseffizienz (vgl. zu den Begrifflichkeiten Weibler, 2001, S. 83 ff.; allgemeiner: Dyckhoff, /Ahn, 2001).
1. Beschreibende Führungsmodelle
Beschreibende Führungsmodelle stellen Führungsphänome dar, indem sie aus dem beobachteten Ausschnitt zentrale Sachverhalte identifizieren und zueinander in Beziehung setzen. Entweder isolieren sie lediglich die relevanten Größen eines Beobachtungsausschnitts und stellen sie in einen Zusammenhang (vgl. Abb. 1) oder sie deuten mit heuristischem Potenzial ein Wirkungsgefüge an, das allerdings noch einer substanziellen, d.h. inhaltlichen wie formalen Operationalisierung entbehrt (vgl. Abb. 2).
Abb. 1: Modell des Netzwerks einer Führungsbeziehung (in Anlehnung an Yukl, 1998, S. 18, übersetzt).
Dieses Modell beschreibt die Begrenzung des Handlungsspielraums des Vorgesetzten in seiner Führungsbeziehung zum direkt unterstellten Mitarbeiter durch ergänzend einfließende Erwartungen weiterer Personen. Verdeutlicht wird ein ausgewählter Zusammenhang, der aber noch nicht in ein Wirkungsgefüge überführt wird (vgl. aber hierzu Weibler, 1994). Dies ist beim nachfolgenden Beschreibungsmodell anders, wo nicht operationalisierte Beziehungen zwischen den Modellkomponenten partiell wirkungsbezogen konstruiert werden.
Abb. 2: Modell der Grundstruktur einer Führungsbeziehung (Weibler, 2001, S. 38).
In diesem Modell wird die Grundstruktur einer Führungsbeziehung beschrieben. Ihre Bestandteile (Führer und Geführter) und ihr Zusammenspiel werden qualifizierend benannt (Interaktion), ihre Einbettung in eine Führungssituation aufgeführt und der Führungserfolg hiermit in Beziehung gesetzt. Verzichtet wird aber auf eine Operationalisierung der Zusammenhänge. Dieses sehr einfache Modell bezieht allerdings schon eindeutig Position: Geführte, ihre Interaktion zu den Führenden sowie die Führungssituation sind zu berücksichtigen, sollen Aussagen über den Führungserfolg möglich sein. Damit hebt es sich beispielsweise von eigenschaftstheoretischen Modellen genauso ab wie von Modellen, die lediglich ein bestimmtes Führungsverhalten (z.B. kooperative Führung) mit dem Führungserfolg verbinden würden.
2. Erklärende Führungsmodelle
Erklärende Führungsmodelle basieren idealtypisch auf deduktiv-nomologischen oder induktiv-statistischen (probabilistischen) Erklärungen. Erklärt wird ein beobachtbarer Sachverhalt unter Zuhilfenahme mindestens eines empirisch gehaltvollen, möglichst erhärteten Gesetzes und dem Vorliegen einer situativen Randbedingung (Anfangsbedingungen eines allgemeinen Gesetzes; vgl. Schnell, 2001). In der Führungsforschung wird wie in den Realwissenschaften generell der Erklärungsbegriff weniger streng verwendet (Bronner, /Appel, /Wiemann, 1999, S. 12 ff.). Oftmals müssen bereits operationalisierte Plausibilitäten als Erklärung genügen (schwächste Form), viel seltener finden sich Erklärungen, die auf empirisch belegbaren kausalen Ursache-Wirkungsbeziehungen basieren (stärkste Form). Dennoch ist von einem Erkenntnisfortschritt gegenüber beschreibenden Modellen zu sprechen, der sich besonders offensichtlich bei den Modellen zeigt, die sich lediglich auf eine Führungstheorie beziehen oder allgemeinere Theorien anderer Disziplinen auf den Führungskontext abstrahierend anwenden. Dabei sollte nicht zur Bedingung gemacht werden, alle Modellkomponenten bereits in operationalisierter Form einzufordern oder gar als schon hinreichend geprüft zu erachten. Es muss ausreichen, dies den Kernaussagen abzuverlangen und sukzessiv auf die anderen Modellkomponenten erweitern zu können. In der folgenden Abbildung wird ein für die Führungslehre typisches Erklärungsmodell demonstriert (vgl. Abb. 3).
Abb. 3: Ein attributionstheoretisches Modell der Reaktion eines Führers auf schlechte Leistungen eines Untergebenen (Mitchell, 1995, Sp. 851).
Dieses Modell erklärt das Führungsverhalten aufgrund von Kausalattributionen des Führers hinsichtlich beobachtbarer Ereignisse auf der Mitarbeiterebene unter Beachtung weiterer Randbedingungen. Der attributionstheoretische Kern dieses Modells – die Abhängigkeit des Verhaltens von Kausalattribution – ist im Rahmen sozialwissenschaftlicher Standards vergleichsweise gut belegt. In Wenn-Dann-Form wäre dabei zu präzisieren und anschließend zu überprüfen, inwieweit das Verhalten des Führenden beispielsweise durch den Einbezug zusätzlicher Umfeldvariablen besser erklärt und damit vorhersehbarer würde. Bei erklärenden Modellen, die sich auf gut gesicherte Einfluss- und Beziehungskonstellationen verschiedenster Theorien berufen, ist eine inhaltliche sowie empirische Würdigung schwieriger. Hier ist zu bedenken, dass eine gerichtete Addition von gut gesicherten Einzelerkenntnissen unterschiedlicher Provenienz nicht automatisch wissenschaftlichen Mehrwert produziert (vgl. z.B. das multiple Verbindungsmodell von Yukl (Yukl, 1998, S. 276 ff.) oder das von Hooijber/Hunt/Dodge entwickelte „ Leaderplex Model “ (Hooijberg, /Hunt, /Dodge, 1997, S. 377) bzw. das „ Extended Multiple-Organizational-Level Leadership Model von Hunt (Hunt, 1991, S. 28)). Anlehnend an Osterloh/Grand (Osterloh, /Grand, 1995, S. 6) ist hier oftmals besser von frame-works zu sprechen, da diese komplexen Modelle vielfach eine Mischung aus einem klassischen Modell und induktiv ermittelten Einsichten aus Einzelfallstudien darstellen (vgl. auch Sutton, /Staw, 1995; Whetton, 1989).
3. (Normativ) gestaltende Führungsmodelle
(Normativ) gestaltende Führungsmodelle basieren in der Führungsforschung im Idealfall auf beschreibenden und erklärenden Theorien, sowie nicht selten faktisch auf erfahrungsgeleiteten Systematisierungen, die mit den Ansprüchen des Modellbegriffs im strengen Sinne nicht mehr einzufangen sind. Sie transformieren ihre Aussagen in der vorherrschenden normativen Variante in wertgeladene Soll-Vorstellungen, d.h. sie sagen etwas darüber aus, wie Führung in Organisationen gestaltet (gedacht, umgesetzt, kontrolliert) werden sollte. Ihr Ziel ist es, dem Management und der einzelnen Führungskraft Handlungsempfehlungen (zur Unterstützung und/oder Änderung des bisherigen Führungsverhaltens) zu geben. Diese Handlungsempfehlungen werden dabei oftmals in einen größeren Zusammenhang gestellt (Rühli, 1995; Guserl, /Hofmann, 1976, S. 29 ff.). Im Schwerpunkt beziehen sich diese Handlungsempfehlungen auf die Führungskraft, die sich im Sinne dieses Modells verhalten soll, um eine effektive/effiziente Führung zu erreichen. Damit wird klar, dass gestaltungsorientierte Führungsmodelle entworfen werden, um Führung zu vereinfachen und zu verbessern. Und damit ist auch der Zusammenhang zu dem eingangs beschriebenen Problemkontext hergestellt. Gestaltungsorientierte Führungsmodelle sind generalisierte Problemlösungen, die die Führungskraft von sozialen Transaktionskosten, v.a. wissensbezogene Suchkosten, entlasten soll. Durch zweckmäßige Handlungsregeln wird dann das Führungshandeln geformt. Nicht selten geschieht dies unter Bezugnahme auf den organisationalen Kontext, in den jede Führungsbeziehung eingebunden ist. In diesem Fall werden dann interaktionelle (Führungsstil) und strukturelle Führungsdimensionen (Führungsorganisation) gleichermaßen einbezogen und durch weitere Bestandteile wie z.B. einzelne Führungsinstrumente und allgemeine Anreiz- oder Personalentwicklungssysteme ergänzt (vgl. Seidel, /Jung, /Redel, 1988). Über die Führungsorganisation (Aufbau- und Ablaufstruktur) ist eine Ankopplung an Überlegungen zur Unternehmensführung möglich. Verlässt dieser organisationale Kontext tatsächlich die unmittelbare Sphäre der Führungsbeziehung, erweitern sich diese Führungsmodelle zu Modellen der strategischen Unternehmensführung, in denen die Personalführung mehr oder weniger konzeptionell eingebunden ist (z.B. das St. Galler Management Modell, vgl. Bleicher, 1999; Ulrich, /Krieg, 1987; Gesamtsystem der strategischen Unternehmensführung, vgl. Hinterhuber, 1996; 7-S-Führungsmodell, vgl. Pascale, /Athos, 1981; Zürcher Ansatz der Führung, vgl. Rühli, 1995, Rühli, 1992). Normativ sind auch diese Modelle der Unternehmensführung in der Regel insofern, als sie eine Abbildung der Organisationsrealität postulieren, deren Kenntnis ein erfolgreiches Handeln ermöglichen soll, ohne aber selbst wissenschaftlichen Ansprüchen an Erklärungsmodelle hinsichtlich ihres Beziehungsgefüges zu genügen.
Die im Rahmen der (normativ orientierten) Gestaltungsmodelle diskutierten Formen sind zahlreich. An erster Stelle sind die bekannten Management-by-Modelle zu nennen, die allerdings fälschlicherweise mit dem Modellbegriff konfundiert werden (Rühli, 1995, Sp. 762). Sie sind zutreffend als „ Management-by-Prinzipien “ zu charakterisieren (z.B. Management by communication, delegation, exception, intuition, motivation oder objectives). Die Reduktion von Komplexität auf ein Prinzip suggeriert Handlungstauglichkeit. Mit diesen Prinzipien selbst ist solange nichts gewonnen, als hinter ihnen keine bewährten, für den Führungskontext brauchbaren Modelle stehen und diese dann ins Bewusstsein der Akteure rücken. Anleihen ergeben sich in diesen Fällen beispielsweise bei der Motivationstheorie (M. by motivation; Weibler, 2001), der arbeitspsychologischen Handlungstheorie (M. by delegation, vgl. Ulich, 2001) oder der Zielsetzungstheorie (M. by objectives, vgl. Locke, /Latham, 1990). In der Praxis hat sich sehr früh der Delegationsgedanke in Form des (inzwischen antiquierten) Harzburger Modells (Höhn, 1977) und des Management by Objectives (Führung durch Zielvereinbarung, vgl. Humble, 1972; Odiorne, 1980) durchgesetzt. Letzteres spielt heutzutage in Form einer Führung durch Zielvereinbarung – integriert in das Mitarbeitergespräch – eine besondere Rolle (vgl. z.B. Breisig, 2001). Eine weiterführende Ankopplung an empirisch bewährte Theorien findet in der umgesetzten Form allerdings nicht mehr statt. So bleibt der Nutzen auch hier auf Plausibilitätsüberlegungen begrenzt.
Eine bessere, wenngleich im Großen und Ganzen ebenfalls nicht befriedigende Fundierung weisen die an zweiter Stelle aufzuführenden Führungsstilmodelle auf. Diese Diskussion wird eindeutig durch die Entwicklung entsprechender Modelle im nordamerikanischen Bereich dominiert, wo die Autoren empirische Bewährungsfragen zumindest thematisieren (vgl. z.B. das 3-D-Modell von Reddin, 1981; das Reifegradmodell von Hersey, /Blanchard, /Johnson, 1996, S. 137 f.; Hersey, /Blanchard, 1982 oder das RRR-Führungsmodell von Blake, /McCanse, 1995). Ein Modell mit vergleichsweise klaren Handlungsanweisungen wurde von Vroom/Yetton (Vroom, /Yetton, 1973) und in seiner Aktualisierung von Vroom/Jago (Vroom, /Jago, 1991) entworfen.
Abb. 4: Ausschnitt (Entscheidungsbaum) eines normativen Entscheidungsmodells (in Anlehnung an Vroom, /Jago, 1991, S. 60).
Effizientes Führungshandeln wird durch die beiden Kriterien Qualität der Entscheidung und Akzeptanz der Entscheidung operationalisiert. Damit wird offensichtlich Führungshandeln als ein Entscheidungsproblem aufgefasst. Um dieses Entscheidungsproblem zu lösen, werden Führungsstilalternativen, Führungssituationsdeterminanten und Entscheidungsregeln so aufeinander bezogen, dass unter weiterer Berücksichtigung zweier Prämissen (Schnelligkeit der Entscheidung oder Teamentwicklung) normativ eindeutige Lösungen sichtbar werden. Alle erwähnten handlungsorientierten Führungsmodelle fußen zwar auf Beschreibungen ausgewählter Aspekte des Führungsphänomens, streifen vielfach lediglich oder überspringen gar die Anforderungen, die an eine Erklärung der Zusammenhänge des ausgewählten Führungsgeschehens zu legen sind. Auffällig ist bei diesen Modellen auch, dass sie sehr eng um die Führungsbeziehung selbst kreisen. Wenige dieser Modelle (z.B. das Kontingenzmodell von Fiedler, 1967; das Weg-Ziel-Modell von House, 1996) integrieren organisatorische Variablen (vgl. hierzu die Kritik Melchers (Melcher, 1977)).
An dritter und letzter Stelle sei hier das Prinzipal-Agenten-Modell aufgeführt (Jost, 1998, S. 277 ff.; Picot, /Neuburger, 1995). Dieses zurzeit in Teilen der deutschen Betriebswirtschaftslehre populäre Modell ist der Neuen Institutionenökonomik (vgl. Erlei, /Leschke, /Sauerland, 1999; Coase, 1988) zuzurechnen und behandelt auf Grundlage mikroökonomischer Überlegungen Führung in Form eines Vertragsproblems. Dieses deduktive Modell zeichnet sich durch klare Prämissen aus (z.B. Opportunitätsannahme der handelnden Akteure), auf deren Grundlage formale Aussagesysteme formuliert werden können. Damit hebt es sich deutlich von den meisten Führungsstilmodellen ab, deren Variablen weniger streng aufeinander bezogen sind und zudem im Regelfall auf induktivem Wege in das Modell Eingang finden. Zielsetzung des Prinzipal-Agenten-Modell ist es, eine Aufgabenerfüllung des Agenten (Untergebener) im Sinne der Interessen des Prinzipals (Vorgesetzter) zu sichern. Diese Delegationsbeziehung ist deshalb problematisch, weil die Führungsbeziehung durch eine asymmetrische Informationsverteilung zwischen den beiden Akteuren gekennzeichnet ist und keine Interessenharmonie und gleichverteilte Risikoneigung unterstellt werden kann. Auf Grundlage dieser deskriptiv noch zu verfeinernden Ausgangsbedingungen werden mittels formaler Methoden Anreiz- und Organisationsformen abgeleitet, die eine optimale Führungseffizienz ermöglichen sollen. Der praktische Nutzen dieses Führungsmodells ist für den Handelnden in der Praxis allerdings gering. Die Führungsrealität wird modelltechnisch über Gebühr eingeschränkt, so dass empirische Bestätigungen aufgrund ungelöster Operationalisierungsprobleme (z. B. Agenturkosten, vgl. Ebers, /Gotsch, 1999, S. 224) – eine Grundbedingung für erklärende Modelle – beim gegenwärtigen Reifegrad nahezu entfallen (Kritik des Modellplatonismus, Albert, 1967). Dennoch ist auch dieses Modell für das Verständnis betriebswirtschaftlicher Zusammenhänge insofern hilfreich, als es die Aufmerksamkeit auf die organisatorische Einbettung der Führungsbeziehung legt. Ausdrücklich werden nämlich zur effizienten Gestaltung von Führungsbeziehungen beispielsweise Informationssysteme, explizite Verhaltensnormen, Kontroll- und Überwachungssysteme, Anreizsysteme sowie Vertragsgestaltungsvarianten normativ einbezogen. Damit werden neben interaktionellen Formen der Beeinflussung auch strukturelle wieder ins Bewusstsein gerückt. Neu ist dies jedoch nicht (vgl. bereits Wild, 1974, S. 169 ff.).
IV. Kritische Würdigung
Führungsmodelle erleichtern und beschweren das Führungshandeln gleichermaßen. Sie erleichtern es, wenn sich die Modellbildung an empirisch geprüften Theorien orientiert und nach Möglichkeit konzeptionell Größen hinzufügt, deren Aufnahme zur Lösung eines bestimmten Führungsproblems, das über den behandelten Theorieausschnitt hinausreicht, hilfreich erscheint. Dieses erweiterte Modell muss wiederum selbst noch einer empirischen Überprüfung zugeführt werden können. Sie beschweren es, wenn die Modellbildung dazu benutzt wird, normative Gestaltungsempfehlungen zu geben, die vollkommen ungesichert sind – insbesondere dann, wenn damit ein „ Passepartout “ zur Lösung aller Führungsprobleme über alle Organisationstypen hinweg suggeriert wird. Die immer wieder gehörte Forderung, Führungsmodelle in Form so genannter Totalmodelle zu entwickeln, ist m.E. unfruchtbar. Es existieren nicht nur begriffliche Abgrenzungs- und logisch-methodische Zugangsprobleme, sondern das (implizit) modellierte Wirkungsgefüge bliebe unüberprüfbar. Statt umfassende Vorgaben für das Führungshandeln zu formulieren, sollte angestrebt werden, dass die gestaltungsorientierten Erkenntnisse zum Führungshandeln dazu beitragen, Führungskräften sukzessiv Verhaltensoptionen zu eröffnen und damit ihr Verhaltensrepertoire zu erweitern. Für spezielle Führungsprobleme gibt es unbeschadet dessen immer wieder spezielle, erfolgversprechende Zugänge. Je genauer und eingegrenzter ein Führungsproblem beschrieben ist, desto sinnvoller kann mit einem Führungsmodell gearbeitet werden. Jedoch können Führungsmodelle einem Führenden seinen kreativ zu gestaltenden Umgang mit der Vielzahl auftretender Führungsprobleme nicht abnehmen. Es kann weder um einen „ one best way “ , noch um ein „ anything goes “ gehen. Da die Führungslogik der Organisationslogik nachgeordnet ist (vgl. Weibler, 2001, S. 103 ff.), wirken sich Entwicklungen in und von Organisationen auf Führungsfragen aus. Es kommt also darauf an, diese Entwicklungen zu verfolgen und zu analysieren (z.B. Selbststeuerung), um in Kenntnis der Erwartungen der Geführten an eine herausragende Führung flexible Antworten geben zu können.
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