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Geldtheorie


1. Gegenstand. Als G. wird jener Teilbereich der volkswirtschaftlichen Theorie (Wirtschaftswissenschaft) bezeichnet, der das auf das Geld gerichtete Verhalten der Wirtschaftsakteure zum Gegenstand hat. Auf der mikroökonomischen Ebene (Mikroökonomik) besteht ihr Anliegen darin, Geldverwendung, Geldnachfrage und Geldangebot (Geldangebotstheorie) als Ergebnis einzelwirtschaftlicher Entscheidungen zu analysieren. Auf der makroökonomischen Ebene (Makroökonomik) will sie die Verflechtung zwischen dem Geld- und dem Güterbereich einer Volkswirtschaft (Wirtschaft) und daran anknüpfend die Geldwirkungen erklären. Die Geldwirkungstheorie bildet zugleich die Grundlage für die Geldpolitik .
2. Geldverwendung. Das Problem der Geldverwendung wurde in der Vergangenheit von der Diskussion um die Geldfunktionen beherrscht. Sie kann heute als abgeschlossen gelten. Danach erfüllt das Geld in erster Linie eine Tauschmittelfunktion. Als allgemeines Tauschmittel verdankt es seine Entstehung auf einer frühen Wirtschaftsstufe dem zunehmenden Tauschbedürfnis infolge fortschreitender Arbeitsteilung ; denn bei wachsender Zahl der Tauschakte stößt der direkte Tausch Ware gegen Ware bald an seine technischen und organisatorischen Grenzen. Das allgemeine Tauschmittel erfüllt zugleich auch die Funktion des Wertmaßstabs (Recheneinheit), ermöglicht also die Vergleichbarkeit der Werte der getauschten Güter . Im Unterschied zu seinen Funktionen als Tauschmittel und als Recheneinheit war die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes lange umstritten, weil die ökonomische Rationalität eine unverzinsliche Vermögenshaltung zu verbieten scheint. Erst Keynes hat überzeugend nachgewiesen, daß Geld das Wertaufbewahrungsmittel mit dem höchsten Liquiditätsgrad (Liquidität) ist, das i. Ggs. zu den verzinslichen Vermögensformen  abgesehen von Inflation (Inflationstheorie)  ohne Wertverlust jederzeit für Finanztransaktionen und Güterkäufe verfügbar ist. Die Tauschmittelfunktion ist im Gegensatz zu den beiden anderen Funktionen geeignet, Geld eindeutig gegen andere Güter abzugrenzen. Die Funktion des Wertmaßstabs könnte, ohne daß bereits ein Tauschmittel existiert, durch ein beliebiges homogenes oder standardisiertes Gut, theoretisch sogar durch eine abstrakte Recheneinheit, wahrgenommen werden. Als Wertaufbewahrungsmittel konkurriert das Geld mit allen dauerhaften oder zumindest lagerfähigen Gütern, insbesondere mit verzinslichen Finanzanlagen. Dennoch kann sich ein Gut nur dann als allgemeines Tauschmittel durchsetzen und behaupten, wenn es zugleich auch die beiden anderen Geldfunktionen, insbesondere die der Wertaufbewahrung, erfüllt. Nur wenn dem Tauschgut von allen Wirtschaftsakteuren ein Wert beigemessen wird, der auch in Zukunft gesichert erscheint, findet es als Tauschmittel und Recheneinheit allgemeine Verwendung. Die G. begründet die Geldverwendung aus der einzel- und gesamtwirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit des indirekten Tausches unter Verwendung eines allgemein akzeptierten Tausch- und Wertaufbewahrungsmittels. Die in einer Tauschwirtschaft auftretenden Informations- und Synchronisationsprobleme erfahren durch die Geldverwendung die kostengünstigste Lösung. Während ein direkter Tausch zum einen stets die Information über einen Partner erfordert, der das angebotene Gut nachfragt und seinerseits das vom Anbieter begehrte Gut anbietet (doppelte Koinzidenz), macht das Vorhandensein eines allgemeinen Tauschmittels diese Suche überflüssig. Zum anderen ist der direkte Tausch mit Lagerhaltung verbunden, wenn die Güterproduktion zweier Tauschpartner aus technischen Gründen nicht synchron abläuft. Durch die Verwendung des stoffwertlosen allgemeinen Tauschmittels zur Wertaufbewahrung können diese Lagerhaltungskosten vermieden werden.
3. Geldnachfrage. Die quantitative Seite der Geldverwendung, also die Frage, wieviel Geld die Wirtschaftsakteure (private Haushalte (Haushalt,
1.) und Unternehmen (Betrieb, I.)) zu halten wünschen, ist Gegenstand der Geldnachfragetheorie. Die Antwort ist bereits in den Geldfunktionen angelegt. Demnach fragen die Wirtschaftssubjekte Geld teils als Tauschmittel (Transaktions- und Vorsichtsmotiv)  zur Bezahlung der von ihnen geplanten Güterkäufe  teils als Wertaufbewahrungsmittel (Spekulationsmotiv) nach. Den gewünschten nominalen Bestand an Tauschgeld (Transaktionskasse) bemessen sie an der Höhe des realen Tauschvolumens und des gesamtwirtschaftlichen Güterpreisniveaus. Ein Anstieg des Preisniveaus (P) entwertet den vorhandenen Geldbestand (M), so daß eine entsprechend höhere nominale Kassenhaltung erforderlich ist, um die Realkasse (M/P) auf der für ein gegebenes reales Tauschvolumen geplanten Höhe zu halten. Bei einer Ausweitung des realen Tauschvolumens wünschen die Wirtschaftssubjekte eine höhere, bei dessen Verringerung eine niedrigere Realkasse. Die reale Geldnachfrage aus dem Transaktionsmotiv variiert daher gleichgerichtet mit dem realen Sozialprodukt als Maß für das reale Tauschvolumen. Als Wertaufbewahrungsmittel konkurriert das Geld mit verzinslichen Formen der Vermögensanlage (Vermögen). Je höher deren Ertragsrate, desto größer ist der Zinsentgang der Geldhaltung und umgekehrt. Zwischen Geldnachfrage und Zinshöhe wird daraufhin eine negative Abhängigkeit abgeleitet (Vermögensmotiv).
4. Geldangebot. Die volkswirtschaftliche Geldmenge wird nur teilweise als Bargeld der staatlichen Notenbank , zum größeren Teil hingegen als Buchgeld (Giralgeld) von Geschäftsbanken (Kreditinstituten) zur Verfügung gestellt. Dieser Sachverhalt ist erst in den letzten zwanzig Jahren zu einer leistungsfähigen Geldangebotstheorie ausgearbeitet worden. Sie erklärt den Prozeß der Geldschaffung durch das Zusammenwirken der nach dem Gesetz für den Geldumlauf verantwortlichen Zentralbank und den nach Rentabilität strebenden Geschäftsbanken. Als Basis für die Versorgung der Wirtschaft mit Geld und Kredit gilt das ausschließlich von der Notenbank schaffbare sog. Zentralbankgeld (Geldarten).
5. Geldwirkungen. Kernstück der Geldwirkungstheorie ist die Frage, über welche Kanäle und in welcher zeitlichen Abfolge sich ein von der Zentralbank bewirkter Anstoß zur Änderung des Geldangebots im volkswirtschaftlichen Systemzusammenhang ausbreitet und wie er nach Richtung und Ausmaß auf die gesamtwirtschaftlichen Größen Zins  , Einkommen, Beschäftigung und Preisniveau wirkt. Zu diesem Zweck werden auf der Grundlage der mikroökonomisch fundierten Geldnachfrage- und Geldangebotstheorie gesamtwirtschaftliche Verhaltensfunktionen formuliert und in ein makroökonomisches Rahmenmodell eingefügt. Auf diese Weise ist es möglich, zum einen das Wirkungsgefüge der Geld -, Kredit- und Gütermärkte einer Volkswirtschaft im Gleichgewicht zu modellieren und zum anderen die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen von Geldmengenänderungen darzustellen. Zu den Merkmalen des makroökonomischen Gleichgewichts gehört die Übereinstimmung des in einer Volkswirtschaft vorhandenen Geldangebots mit den von den Wirtschaftsakteuren gewünschten Geldbeständen. Diese Bedingung ist nur dann erfüllt, wenn die Bestimmungsfaktoren der Geldnachfrage (reales Sozialprodukt, Güterpreisniveau und Kapitalmarktzins) eine Konstellation aufweisen, bei der das Geldangebot von den Nichtbanken gerade aufgenommen wird. Durch eine Ausweitung oder Einschränkung des Geldangebots wird dieses Gleichgewicht gestört. Über die Fragen, in welcher Richtung sich daraufhin der Kapitalmarktzins ändert und wie sich der monetäre Impuls in (nominale) Preisniveau- und (reale) Produktions- und Beschäftigungseffekte aufteilt, herrschen in der Geldwirkungstheorie kontroverse Auffassungen. Gemäß der Lehre von Keynes (Keynessche Theorie) bewirkt eine Geldmengenausweitung eine Zinssenkung und daraufhin einen Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Güternachfrage mit der Folge, daß Produktion und Beschäftigung zunehmen, sofern das Produktionspotential zuvor nicht völlig ausgeschöpft war. Demgegenüber folgern die Vertreter des Monetarismus aufgrund einer Vielzahl empirischer Untersuchungen, daß eine Geldmengenexpansion, die über das Wachstum des Produktionspotentials hinausgeht, stets Preisniveausteigerungen auslöst. Kurzfristig auftretende positive Produktions- und Beschäftigungswirkungen erklären sie mit vorübergehend sinkenden Reallöhnen und -zinsen als Folge einer verzögerten Anpassung von Nominallöhnen und -zinsen an die Preissteigerungsrate. Die realen Effekte bilden sich jedoch zurück, sobald die Inflationsrate von allen Wirtschaftssubjekten in voller Höhe in die Lohn- und Zinssätze einkalkuliert wird. Die monetaristische Aussage, daß monetäre Impulse langfristig lediglich nominale Wirkungen hervorrufen, wird als These von der Neutralität des Geldes bezeichnet. Die Transmissionstheorie der Neuen Klassischen Ökonomie (Neue Klassische Makroökonomik) unterstellt den Wirtschaftssubjekten die Fähigkeit, in Kenntnis des makroökonomischen Wirkungszusammenhangs, das Ausmaß der durch Geldmengenvariationen bewirkten Preisniveauänderungen vorauszuschätzen (rationale Erwartungen). Daher kommt es zu unverzüglichen Anpassungen der Güterpreise, der Nominalzinsen und -löhne, so daß weder kurz- noch langfristig reale Effekte auftreten.
6. Geldpolitik. Die Theorie der Geldpolitik behandelt das Problem der optimalen Ausgestaltung der Geldversorgung, also die Fragen, welche dauerhaften institutionellen Vorkehrungen und welche permanenten Steuerungsaktivitäten der Zentralbank erforderlich sind, damit eine möglichst stetige Wirtschaftsentwicklung gewährleistet ist. Zu ihrer Beantwortung wird auf die geldtheoretischen Schlußfolgerungen und Erkenntnisse zurückgegriffen. So bildet die Geldwirkungstheorie zugleich die Grundlage für den rationalen Einsatz der Geldversorgung als Instrument der Stabilitätspolitik (Stabilisierungspolitik). Während dort die Wirkungen eines vorgegebenen monetären Impulses untersucht werden, geht es in der Theorie der Geldpolitik darum, Art und Ausmaß des Impulses zu bestimmen, der geeignet ist, eine als Zielwert vorgegebene Wirkung zu erzeugen. Das Problem der zielkonformen Geldversorgung kann allerdings nicht losgelöst von der Frage behandelt werden, welche makroökonomischen Größen durch monetäre Impulse beeinflußt werden und mithin Objekt geldpolitischer Steuerungsaktivitäten sein können. Insofern finden sich die kontroversen Hypothesen über den Transmissionsprozeß und seine Wirkungsergebnisse unverändert auch in der Theorie der Geldpolitik wieder.

Literatur: K. Brunner/H. G. Monissen/M. J. M. Neumann (Hrsg.), Geldtheorie. Köln 1974. W. Fuhrmann, Geld und Kredit.
2. A., München 1987. D. Kath, Geld und Kredit, Beitrag D in: D. Bender u.a. (Hrsg.), Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, Bd.
1.
5. A., München 1992. H. J. Thieme (Hrsg.), Geldtheorie. Entwicklung, Stand und systemvergleichende Anwendung.
2. A., Baden-Baden 1987. R. Richter, Geldtheorie.
2. A., Berlin u.a. 1990.

 

 


 

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