Outsourcing und Insourcing
Inhaltsübersicht
I. Begriffe und Formen
II. Motive und Erklärungsansätze
III. Empirische Studien
I. Begriffe und Formen
Der Begriff Outsourcing wurde Mitte der 1980er-Jahre im Zusammenhang mit der Auslagerung der Informationsverarbeitung bei General Motors an EDS und bei Eastman Kodak an IBM und DEC in der US-amerikanischen Literatur kreiert (Szyperski, Norbert 1993). Dieses Kunstwort sollte den Übergang zur Nutzung externer Ressourcen kennzeichnen. Strittig ist, ob Outsourcing aus den Begriffen „ outside “ , „ resource “ und „ using “ oder aus den Elementen „ outside “ und „ resourcing “ zusammengesetzt wurde. Heute wird Outsourcing in der betriebswirtschaftlichen Literatur im Kontext von Auslagerungsentscheidungen und -prozessen verwendet. Als sprachliches Komplement hat sich der Begriff Insourcing eingebürgert.
Trotz der gängigen Verwendung von „ Outsourcing “ und „ Insourcing “ fehlt es, soweit diese Begriffe überhaupt expliziert werden, auch in der theoretisch orientierten Literatur an einem einheitlichen Begriffsverständnis. Die Extension der Begriffe variiert in mehrfacher Hinsicht:
- | Outsourcing als Synonym für alle Varianten von Fremdbezug vs. als Sonderfall für bisher selbst erstellte Leistungen; als Gegenstand EDV oder Teilleistungen des Produktionsprozesses oder alle Aktivitäten des Wertschöpfungsprozesses; als Formen nur Auslagerung (externes Outsourcing) oder auch Ausgliederung (internes Outsourcing) in Tochtergesellschaften oder Minderheitsbeteiligungen. | - | Insourcing als Synonym für Eigenfertigung oder den Übergang dazu; als Organisationsform (Montage des Zulieferers beim Abnehmer) oder allgemein als Komplement zum Outsourcing. |
Die begriffliche Vielfalt und Verwirrung in der Literatur resultiert zum großen Teil daraus, dass eher induktiv von einzelnen Aktivitäten und Problemen der Praxis im Zeitablauf ausgegangen wird, statt von der ökonomischen Theorie. Orientiert man sich an den klassischen Unterscheidungen zur Organisation wirtschaftlicher Aktivitäten, Markt, Hierarchie und Kooperation bzw. Netzwerk, dann lassen sich Outsourcing und Insourcing wie folgt bestimmen und einordnen. Ausgehend von der Eigenfertigung (Hierarchie) wird Outsourcing verstanden als die Entscheidung zugunsten des Fremdbezugs von operativ und/oder strategisch relevanten Leistungen. Als Organisationsformen der Nutzung externer Ressourcen lassen sich unterscheiden Markt und Kooperation oder Netzwerk. Insourcing ist dann die Entscheidung zugunsten der Nutzung der internen Ressourcen für Leistungen, die bislang am Markt oder aus Kooperations- bzw. Netzwerkbeziehungen bezogen wurden.
Die in der Literatur gebräuchliche Rede von Auslagerung bzw. externem Outsourcing lässt sich als die Nutzung des Marktes oder von Kooperations- bzw. Netzwerkbeziehungen interpretieren. Ausgliederung bzw. internes Outsourcing bedeutet im Fall der Tochtergesellschaft weiterhin Leistungsbezug in der Hierarchie, während Minderheitsbeteiligungen oder längerfristige vertragliche Arrangements wie spezialisierte Lieferbeziehungen einen Leistungsbezug aus Kooperation oder Netzwerk darstellen.
II. Motive und Erklärungsansätze
Als Motive für das Outsourcing oder das Insourcing von Produkten und Dienstleistungen werden in der Literatur insbesondere genannt Kostenvorteile, Leistungsverbesserungen und die Steigerung der Innovationsrate. Für Outsourcing spricht die Konzentration auf das Kerngeschäft, die Erhöhung der strategischen und operativen Flexibilität des Unternehmens sowie die Verlagerung von Risiken auf Dritte (Matiaske, Wenzel/Mellewigt, Thomas 2002). Die Entscheidung über Outsourcing und Insourcing versucht man kostenrechnerisch, mit Hilfe des Transaktionskostenansatzes und im Lichte der marktorientierten und ressourcenbasierten Strategielehre zu erklären.
1. Kostenrechnerischer Ansatz
Der kostenrechnerische Ansatz (Männel, Wolfgang 1981) fokussiert die Entscheidung über Outsourcing und Insourcing als Wahl zwischen Markt und Hierarchie. Gewählt wird die Handlungsalternative mit den geringsten Kosten. Verglichen werden die Kosten des Fremdbezugs, also der Marktpreis, mit den entscheidungsrelevanten Kosten der Eigenfertigung. Die Höhe der entscheidungsrelevanten Eigenfertigungskosten hängt ab von der Fristigkeit der Entscheidung und vom Auslastungsgrad der unternehmensinternen Kapazitäten. Bei kurzem Planungshorizont und freien Kapazitäten sind nur die variablen Kosten entscheidungserheblich. Bei einem Kapazitätsengpass ist zu prüfen, ob sich die Freisetzung eines Teils der Kapazität lohnt. Entscheidungsrelevant bei kurzfristiger Perspektive und Kapazitätsauslastung sind dann die variablen Kosten und die engpassbezogenen Opportunitätskosten. Bei Entscheidungen mit längerfristigem Planungshorizont werden bei der Eigenfertigung zusätzlich zu den variablen Kosten die kurzfristig fixen, aber langfristig variablen Kosten berücksichtigt. Hier liefert die Break-Even-Analyse einen ersten Anhaltspunkt, ab welcher Bedarfsmenge die Kosten des Fremdbezugs unter den Gesamtkosten der Eigenerstellung liegen. Bei Kapazitätsauslastung sollte nur dann Insourcing realisiert werden, wenn die mit der Schaffung der notwendigen zusätzlichen Kapazitäten verbundenen Kosten, langfristig betrachtet, niedriger liegen als die Kosten des Fremdbezugs am Markt.
Kritisch wird in der Literatur zum kostenrechnerischen Ansatz angemerkt (Johnson, H. Thomas/Kaplan, Robert S. 1987; Picot, Arnold 1991), dass er sich auf die Wahl zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug beschränke und die Varianten Kooperation und Netzwerkbeziehungen ausblende. Die Verwendung der Teilkostenrechnung führe zu einer systematischen Überschätzung der Vorteilhaftigkeit der Eigenfertigung. Weiter vernachlässige er entscheidungserhebliche Faktoren wie Macht und Abhängigkeit bei Fremdbezug oder das Problem unternehmerischer Flexibilität bei Eigenfertigung. Insgesamt erscheint dieser Ansatz eher für Entscheidungen über das operative Geschäft geeignet als für strategische Entscheidungen.
2. Transaktionskostenansatz
Die effizienteste Organisationsform ökonomischer Aktivitäten ist nach dem Transaktionskostenansatz die Form der Leistungserstellung, die die geringsten Transaktionskosten verursacht (Coase, Ronald H. 1937; Williamson, Oliver E. 1975). Die Höhe der Transaktionskosten hängt insbesondere ab von der Spezifität der für diese Transaktion benötigten Ressourcen, der strategischen Bedeutung der Transaktion, der Unsicherheit in Bezug auf qualitative, quantitative, terminliche oder technische Änderungen sowie von der Häufigkeit der Transaktion. Bezogen auf die Formen der Leistungserstellung lassen sich folgende Tendenzaussagen treffen (Picot, Arnold 1991):
- | Insourcing bzw. Eigenfertigung ist die ökonomisch zweckmäßige Organisationsform, wenn der Gegenstand der Transaktion sich durch hohe Spezifität, hohe strategische Bedeutung, große Häufigkeit und hohe Unsicherheit auszeichnet. Dadurch wird Abhängigkeit vom Zulieferer, die sich aus der hohen Spezifität und strategischen Bedeutung ergeben könnte, ebenso vermieden wie hohe Vereinbarungs-, Abwicklungs-, Anpassungs- und Kontrollkosten bei einer mit hoher Unsicherheit behafteten Transaktion. Größendegressionsvorteile ergeben sich aus der Häufigkeit. | - | Outsourcing bzw. Marktbezug empfiehlt sich, wenn die zu erstellende Leistung eine niedrige Spezifität und geringe strategische Bedeutung aufweist, kaum Unsicherheiten birgt und nur sporadisch erstellt wird. Die Risiken des Fremdbezugs von solchen Standardleistungen sind begrenzt. Größendegressionsvorteile lassen sich nur bei darauf spezialisierten Produzenten realisieren. | - | Kooperationen oder Netzwerkbeziehungen als hybride Organisationsformen der Leistungserstellung sind effizient, wenn es sich um Leistungen mit \'mittlerer\' Ausprägung bei Spezifität, strategischer Bedeutung, Unsicherheit und Häufigkeit handelt. Die Bindungswirkung der Partner sei hier von mittlerer Intensität und zwischen dem relationalen Arbeitsvertrag bei Eigenfertigung und dem klassischen Kaufvertrag bei Marktbezug angesiedelt. |
Die theoretische Fassungs- und Erklärungskraft des Transaktionskostenansatzes ist im Vergleich zum kostenrechnerischen Ansatz deutlich höher einzuschätzen. Der Transaktionskostenansatz berücksichtigt die strategische Bedeutung bei der Entscheidung über Outsourcing und Insourcing. Ferner schöpft er das gesamte Spektrum der Organisationsformen ökonomischer Aktivitäten aus. Problematisch ist jedoch die statische Betrachtungsweise bei der Entscheidung über die geeignete Form der Leistungserstellung. Veränderungen des Wettbewerbs in der Branche oder technologische Entwicklungen vermag er nicht mitzuerfassen.
3. Strategietheoretische Ansätze a) Marktorientierte Strategielehre
Die marktorientierte Strategielehre erklärt Wettbewerbsvorteile durch die Positionierung eines Unternehmens in der Branche (Porter, Michael E. 1980; Harrigan, Kathryn R. 1983). Die Kunst von Unternehmensstrategie besteht darin, die Strategie zu wählen, die das Unternehmen am besten vor den Triebkräften des Wettbewerbs in der Branche schützt. Bezogen auf die Alternativen Outsourcing und Insourcing fokussiert dieser Erklärungsansatz das Insourcing, da es die Marktmacht des integrierenden Unternehmens gegenüber den Wertschöpfungskonkurrenten erhöht. Die Rückwärts- bzw. Vorwärtsintegration reduziert die Abhängigkeit von den Lieferanten bzw. den Abnehmern. Vertikale Integration erhöht weiter die Markteintrittsbarrieren und verringert so die Bedrohung durch potenzielle neue Konkurrenten. Wegen der grundlegend kompetitiven Perspektive der marktorientierten Strategielehre sind Kooperationen bei der Leistungserstellung ein Ausnahmefall, der nur in reifen Märkten Wettbewerbsvorteile verspricht (Harrigan, Kathryn R. 1985). b) Ressourcenbasierte Strategielehre
Die ressourcenbasierte Strategielehre erklärt Wettbewerbsvorteile durch die Verfügung über einzigartige Ressourcen, mit deren Hilfe sich überdurchschnittliche Renditen erzielen lassen. Wettbewerbsvorteile generieren diejenigen Ressourcen, die Kundennutzen stiften und knapp sind. Nachhaltig sind diese Wettbewerbsvorsprünge nur, wenn diese Ressourcen auch schwer imitier- und substituierbar sind (Wernerfelt, Birger 1984; Barney, Jay B. 1991; Grant, Robert M. 1991). Aus Sicht der ressourcenbasierten Strategielehre ist Insourcing immer dann zu präferieren, wenn das Unternehmen über einzigartige Wettbewerbsvorteile stiftende Ressourcen verfügt. Die Nicht-Nutzung dieser Ressourcen oder gar Outsourcing würde die Wettbewerbsposition des Unternehmens schwächen und die Chance auf überdurchschnittliche Renditen schmälern. Sofern die für die Leistungserstellung erforderlichen Ressourcen weder knapp noch schwer imitierbar und substituierbar sind, kann sich Outsourcing empfehlen. Durch Marktbezug lassen sich möglicherweise Kostenvorteile realisieren.
Kooperation als Handlungsoption macht aus ressourcentheoretischer Perspektive insbesondere dann Sinn, wenn die eigene Ressourcenbasis veraltet ist, die Eigenentwicklung von neuem Wissen und Fähigkeiten aus Zeitgründen ausscheidet oder die Akquisition der wettbewerbskritischen Ressourcen unmöglich ist. Die Ressourcenpoolung in einer Unternehmenskooperation ermöglicht nicht nur, an der Kooperationsrente zu partizipieren, sondern auch das neue wettbewerbskritische Wissen und Fähigkeiten zu erlernen (Hamel, Gary 1994). Ist der Lernprozess abgeschlossen, ist Insourcing wieder vorzuziehen, es sei denn, die Kooperation ermöglicht die Erzielung einer Rente, die im strategischen Alleingang nicht realisiert werden könnte. Die Entscheidung für eine Kooperation zur Leistungserstellung hat immer auch das spezifische Risiko einer solchen Zusammenarbeit und die daraus resultierenden Kontrollkosten zu berücksichtigen. Das Kooperationsrisiko ergibt sich aus der partiellen Zieldivergenz der Partner und der wechselseitigen Abhängigkeit bei der Zielverfolgung (Sjurts, Insa 2000).
III. Empirische Studien
Empirische Studien speziell zum Outsourcing sind im Lichte des breiten Interesses in Praxis und Wissenschaft vergleichsweise selten und dann theoretisch kaum fundiert (zum Überblick Matiaske, Wenzel/Mellewigt, Thomas 2002). Sie bestätigen, dass heute alle betrieblichen Funktionen Outsourcing-Kandidaten sind. Externes und internes Outsourcing erscheinen gleich verteilt. Als Motiv dominiert die Kostensenkung. Die Erfolgswirkungen von Outsourcing bleiben unklar. Anders ist der Befund, wenn man die theoriegeleiteten, empirischen Studien zur vertikalen Integration heranzieht (zum Überblick Picot, Arnold/Franck, Egon 1993). Danach bestätigen sich die von der marktorientierten Strategielehre postulierten Vorteile von Insourcing durch Vorwärts- und Rückwärtsintegration gemessen an Risiko, Erfolg und der Qualität der Leistung. Ferner belegen die empirischen Befunde die transaktionskostentheoretische These von der Vorteilhaftigkeit des Insourcing insbesondere bei hoher Spezifität und Unsicherheit der Transaktion. Positiv für den Innovationserfolg erscheinen nach transaktionskostentheoretischen Untersuchungen und ressourcenbasierten Fallstudien situationsabhängig sowohl Hierarchie als auch Kooperation und Netzwerkbeziehungen.
Literatur:
Arnold, Ulli : Sourcing-Konzepte, in: HWProd, hrsg. v. Kern, Werner/Schröder, Hans-Horst/Weber, Jürgen, 2. A., Stuttgart 1996, Sp. 1861 – 1874
Barney, Jay B. : Firm resources and sustained competitive advantage, in: Journal of Management, Jg. 17, 1991, S. 99 – 120
Coase, Ronald H. : The nature of the firm, in: Economica, Jg. 4, 1937, S. 386 – 405
Dichtl, Erwin : Produktionstiefe, in: HWB, hrsg. v. Wittmann, Waldemar, 5. A., Stuttgart 1993, Sp. 3519 – 3530
Grant, Robert M. : The resource-based theory of competitive advantage: Implications for strategy formulation, in: CMR, Jg. 33, H. 3/1991, S. 114 – 135
Hamel, Gary : The concept of core competence, in: Competence-based competition, hrsg. v. Hamel, Gary/Heene, Aime, Chichester et al. 1994, S. 11 – 33
Harrigan, Kathryn R. : Strategies for joint ventures, Lexington, MA – Toronto 1985
Harrigan, Kathryn R. : Strategies for vertical integration, Lexington, MA et al. 1983
Ihde, Gösta : Die relative Betriebstiefe als strategischer Erfolgsfaktor, in: ZfB, Jg. 58, 1988, S. 13 – 23
Johnson, H. Thomas/Kaplan, Robert S. : Relevance lost, Boston, MA 1987
Koppelmann, Udo : Outsourcing, Stuttgart 1996
Männel, Wolfgang : Eigenfertigung und Fremdbezug, 2. A., Stuttgart 1981
Matiaske, Wenzel/Mellewigt, Thomas : Motive, Erfolge und Risiken des Outsourcing – Befunde und Defizite der empirischen Outsourcing-Forschung, in: ZfB, Jg. 72, 2002, S. 641 – 659
Picot, Arnold : Ein neuer Ansatz zur Gestaltung der Leistungstiefe, in: ZfbF, Jg. 43, 1991, S. 336 – 357
Picot, Arnold/Franck, Egon : Vertikale Integration, in: Ergebnisse empirischer betriebswirtschaftlicher Forschung, hrsg. v. Hauschildt, Jürgen/Grün, Oskar, Stuttgart 1993, S. 179 – 219
Porter, Michael E. : Competitive strategy, New York et al. 1980
Sjurts, Insa : Kollektive Unternehmensstrategie, Wiesbaden et al. 2000
Szyperski, Norbert : Outsourcing als strategische Entscheidung, in: online, H. 2/1993, S. 32 – 42
Wernerfelt, Birger : A resource-based view of strategy, in: SMJ, Jg. 5, 1984, S. 171 – 180
Wildemann, Horst : Insourcing, in: DBW, Jg. 54, 1994, S. 415 – 417
Williamson, Oliver E. : The economic institutions of capitalism, New York 1985
Williamson, Oliver E. : Markets and hierarchies, New York 1975
|