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Prüfungen, freiwillige und vertragliche


Inhaltsübersicht
I. Bedeutung und Zweck freiwilliger und vertraglicher Prüfungen
II. Wesentliche Anlässe und Prüfungsobjekte
III. Prüfungsauftrag, Prüfungsträger, Prüfungsgrundsätze, Prüfungsbericht, Prüfungsbescheinigung/-testat

I. Bedeutung und Zweck freiwilliger und vertraglicher Prüfungen


Prüfungen als Überwachungsmaßnahmen durch natürliche, prozessunabhängige und i.d.R. betriebsfremde Personen (v. Wysocki, 1988) oder Personengruppen können außer durch gesetzliche Verpflichtungen durch Entscheidung der Entscheidungsberechtigten (freiwillige Prüfungen) oder aufgrund vertraglicher Vereinbarung (vertragliche Prüfungen) veranlasst werden. Wie (gesetzliche) Prüfungen haben auch freiwillige und vertragliche Prüfungen allgemein den Zweck, ein Urteil über die Einhaltung von Vorgaben für die zu überwachenden Tätigkeiten abzugeben. Mit diesem Urteil sollen die Empfänger des Prüfungsergebnisses Informationen über den vorgabegerechten Fortgang der überwachten Tätigkeiten erhalten.
Im Unterschied zu Pflichtprüfungen, bei denen Prüfungsgegenstand, Prüfungsvorgabe (Soll) und Prüfungsträger sowie die Form des Prüfungsergebnisses und seiner Mitteilung gesetzlich geregelt sind, lassen sich diese prüfungsbestimmenden Elemente bei freiwilligen Prüfungen individuell bedarfsgerecht festlegen. Auch weitere Prüfungsmerkmale, wie Prüfungszeit und Prüfungsmethoden, sind bei freiwilligen und vertraglichen Prüfungen disponibel.
Während Pflichtprüfungen überwiegend der Beurteilung dienen, ob gesetzliche oder durch Grundsätze festgelegte Vorgaben eingehalten wurden, sodass letztlich Ordnungsmäßigkeitsprüfungen vorliegen, steht es dem Auftraggeber freiwilliger Prüfungen durchaus offen, die Zweckmäßigkeit oder Wirtschaftlichkeit der zu überwachenden Maßnahmen beurteilen zu lassen (Zweckmäßigkeitsprüfung).
Bei der Mehrzahl der in der Prüfungspraxis vorkommenden freiwilligen Prüfungen handelt es sich allerdings um die gleiche Art von Prüfungen, die auch gesetzlich vorgeschrieben sind. Die Freiwilligkeit resultiert in diesen Fällen allein daraus, dass ein Kriterium zur Begründung der Prüfungspflicht nicht erfüllt wird. Das gilt insbes. für die Prüfung des Jahresabschlusses von Kapitalgesellschaften i.S.d. §§ 316 ff. HGB, wenn das Größenkriterium für die Prüfungspflicht, nämlich mittelgroße oder große Gesellschaften i.S.d. § 267 II bzw. III HGB, nicht erreicht ist und keine Kapitalgesellschaft i.S.d. § 264a HGB vorliegt. Ebenso kommt eine freiwillige Jahresabschlussprüfung nach den §§ 316 ff. HGB bei Personengesellschaften oder Einzelkaufleuten in Betracht. Entsprechendes gilt für freiwillige Prüfungen nicht prüfungspflichtiger Konzern- oder Teilkonzernabschlüsse. Grundsätzlich kann auch im Prüfungsauftrag für derartige Prüfungen beliebig festgelegt werden, auf welche Objekte und Normen sich die Prüfungsdurchführung beschränken soll und nach welchen Methoden ggf. zu prüfen ist. Soll allerdings als Ergebnis der Prüfung ein Bestätigungsvermerk i.S.d. § 322 HGB erteilt werden, so setzt dies eine Prüfung nach Art und Umfang der Pflichtprüfung gemäß §§ 316 ff. HGB voraus.

II. Wesentliche Anlässe und Prüfungsobjekte


Vertragliche Prüfungen stehen regelmäßig im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Abschluss und der Abwicklung von Verträgen zwischen dem zu prüfenden Unternehmen und Dritten. In Abhängigkeit von der Vertragsart lassen sich auch die betreffenden Prüfungen unterscheiden. Abgesehen von evtl. einmaligen Prüfungen in zeitlicher Nähe zum Vertragsabschluss erhalten die Prüfungen mit zunehmender Vertragsdauer immer mehr den Charakter von Regelprüfungen. Als relativ lang laufende Verträge kommen z.B. der Ausschluss eines persönlich haftenden Gesellschafters aus der Geschäftsführung einer Personengesellschaft und die langfristige Gewährung von Krediten, aber auch Lizenzverträge, Lieferverträge oder Franchisingverträge in Betracht. Je umfassender die Vertragswirkungen sind, desto mehr besteht das Interesse zumindest des benachteiligten Vertragspartners an umfassenden Informationen und deren Beurteilung. Regelmäßig werden in solchen Fällen Jahresabschlussprüfungen vereinbart. Im Übrigen können sich die Prüfungen je nach Vertragsinhalt z.B. auf die Einhaltung von Qualitätsnormen, den Produktionsumfang, den Umsatz bei Franchisingverträgen, die Einhaltung von Finanzplänen oder eines vorgegebenen Verschuldungsgrads bei langfristiger Fremdfinanzierung u.Ä. erstrecken.
Als Gegenstände freiwilliger Prüfung kommen letztlich sämtliche im Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Unternehmens stehende Sachverhalte in Betracht. Im Vordergrund steht allerdings wiederum die Prüfung des Jahres-, ggf. aber auch des Konzernabschlusses als Grundlage für Finanzverhandlungen. Solche Prüfungen werden i.d.R. in gleicher Weise wie Pflichtprüfungen gem. §§ 316 ff. HGB durchgeführt, selbst wenn aufgrund der Freiwilligkeit Einschränkungen mit dem Prüfer vereinbart werden könnten.
Freiwillige Abschlussprüfungen kommen ferner in Betracht, wenn das betreffende Unternehmen Halbjahres- oder gar Quartalsabschlüsse erstellt. Die Vorbereitung eines Unternehmensverkaufs oder einer Unternehmensspaltung kann zudem Anlass für die Erstellung einer Sonderbilanz sein, die einer Prüfung unterworfen wird. Entsprechendes gilt für das Ausscheiden von Gesellschaftern aus einer Personengesellschaft, aber auch für den Gesellschaftereintritt. In solchen Fällen wird die Prüfung allerdings zumeist vertraglich vereinbart.
Neben kompletten Abschlussprüfungen sind bei freiwilligen Prüfungen auch Einschränkungen auf die Prüfung von Abschlussteilen oder Abschlussgrundlagen möglich. Zu denken ist an die Prüfung der Kostenrechnung oder von Kostenrechnungsteilen (z.B. Prüfung der Kostenverrechnung zwischen Kostenstellen), des internen Kontrollsystems und der EDV. Anlässe derartiger Prüfungen sind in aller Regel aufgetretene Mängel oder auch nur Verdachtsmomente, die einer Klärung bedürfen.
Aus dem kaum abgrenzbaren Kreis möglicher freiwilliger Prüfungen verdienen wegen ihrer Bedeutung in der Prüfungspraxis die folgenden besondere Erwähnung, die z.T. im Zusammenhang mit dem Rechnungswesen stehen, z.T. davon aber völlig unabhängig sind:
(a) Investitions- oder Projektprüfung
Hauptsächlich geht es um die Beurteilung, ob eine geplante (i.d.R. Groß-)Investition oder ein Projekt, z.B. der Erwerb und die rechtliche, wirtschaftliche und organisatorische Integration eines Unternehmens in das erwerbende Unternehmen oder einen Konzern, planmäßig, ggf. auch zweckmäßig erfolgt. Auch der Aufbau eines neuen Standorts und die wirtschaftliche Entwicklung der evtl. neu geschaffenen Betriebseinheit kommen als Gegenstand einer freiwilligen Prüfung in Frage.
(b) Prospektprüfung
Gelegentlich bedarf es zur Durchführung von Großprojekten, etwa der Errichtung von ganzen Wohnanlagen, der Mitwirkung einer Vielzahl von Investoren. Um sie zu gewinnen, bedient sich der Initiator solcher Kapitalanlagevorhaben mehr oder minder umfassender Prospekte. Sie enthalten Informationen z.B. über Renditeerwartungen und Steuerersparnisse, welche die Anlageentscheidung von Investoren unterstützen sollen. Um zu gewährleisten, dass sich die Kapitalanleger auf die Prospektinformationen verlassen können, werden die Prospekte häufig einer Prüfung unterzogen.
(c) Kreditwürdigkeitsprüfung
Die Kreditwürdigkeitsprüfung findet in aller Regel vor der Kreditvergabe an ein Unternehmen statt und dient der Abschätzung der Kreditrisiken wie Bonitätsrisiko, Ausfallrisiko und Verzögerungsrisiko. Weitere Anlässe können in einer regelmäßigen Kreditüberwachung während der Kreditlaufzeit, aber auch in einer verschlechterten wirtschaftlichen Entwicklung des Kreditnehmers bestehen, die eine Gefährdung des Kredits vermuten lässt (Schedlbauer, 1984). Gegenstand solcher Prüfungen ist hauptsächlich die Zinszahlungs- und Tilgungsfähigkeit des Kreditnehmers.
(d) Unterschlagungsprüfung
Unterschlagungsprüfungen werden zumeist als eigenständige Prüfungen durchgeführt, können aber auch in Verbindung mit Jahresabschlussprüfungen vereinbart sein. Sie zielen darauf ab, Unterschlagungen und Veruntreuungen jeglicher Art aufzudecken, die Verantwortlichen zu überführen, durch die Feststellung des Unterschlagungsvolumens eine Grundlage für mögliche Regressansprüche zu schaffen und weitere strafbare Handlungen zu verhindern. Unterschlagungsprüfungen werden ausschließlich aufgrund von Verdachtsmomenten durchgeführt.
(e) Geschäftsführungsprüfung
Soweit die Leitungskonzepte in Unternehmen und Konzernen darauf ausgerichtet sind, organisatorischen Einheiten wie Filialen, Niederlassungen bzw. Tochtergesellschaften so hohe Freiheitsgrade einzuräumen, dass von einer eigenständigen Geschäftsführung dieser Einheiten gesprochen werden kann, kommt die Unternehmens- bzw. Konzernleitung wegen ihrer übergeordneten Verantwortung nicht umhin, die Geschäftsführung wesentlicher Einheiten bzw. Tochtergesellschaften überwachen zu lassen.
Gegenstände der Geschäftsführungsprüfung können die Geschäftsführungsorganisation, das Geschäftsführungsinstrumentarium und die Geschäftsführungstätigkeit sein. Diese werden im Hinblick auf die Erfüllung von Unternehmenszielen und daraus abgeleiteten Unterzielen, gelegentlich aber auch in Bezug auf konkrete Vorgaben geprüft (Leffson, 1991).
(f) Insolvenzprüfung
Es handelt sich hierbei um eine fakultative Sonderprüfung, die der Entscheidungsfindung in Bezug auf die Vorbereitung bzw. Einleitung von Insolvenzverfahren dient. In der Praxis bedient sich die Unternehmensleitung i.d.R. der Hilfe externer Prüfer. Insolvenzgründe stellen Zahlungsunfähigkeit sowie bei Kapitalgesellschaften Überschuldung gem. §§ 17, 18, 19 InsO, § 92 II AktG, § 64 I GmbHG, § 98 I GenG, § 130a I HGB dar. Folglich muss sich eine Prüfung zur Feststellung eines konkret bestehenden Insolvenzrisikos auf die Möglichkeit zur Erfüllung fälliger Zahlungsverpflichtungen bzw. die tatsächlich bestehende – nicht nur die bilanzielle – Überschuldung richten.
(g) Öko-Audit
Nach der EU-Öko-Audit-Verordnung (EWG) Nr. 1836/93 können gewerbliche Unternehmen freiwillig am Umwelt-Audit-Prozess teilnehmen. Die Teilnahme und Zertifizierung erfordert eine Umweltbetriebsprüfung durch einen externen Umweltgutachter. Gegenstand der Prüfung ist die Umwelterklärung, welche Umweltpolitik, Umweltprogramm, Umweltmanagementsystem und Umweltbetriebsprüfungsverfahren des Unternehmens enthalten muss. Unternehmen, die an diesem Prozess teilnehmen, sind berechtigt, ein Gütezeichen zu führen (Buchner, 1997).
(h) Sonstige freiwillige und vertragliche Prüfungen
Neben den aufgeführten sind in der Prüfungspraxis eine Reihe weiterer periodischer oder aperiodischer Prüfungen festzustellen, z.B.

-

Organisationsprüfungen;

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Sonderprüfungen im Rahmen von Subventionen und sonstigen Zuwendungen;

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Kostenprüfungen;

-

Preisprüfungen.


III. Prüfungsauftrag, Prüfungsträger, Prüfungsgrundsätze, Prüfungsbericht, Prüfungsbescheinigung/-testat


Freiwillige und vertragliche Prüfungen basieren nicht auf gesetzlichen Vorschriften. Es obliegt deshalb den Unternehmensorganen, den Gegenstand und Umfang der Prüfung, die Art der Berichterstattung, den Prüfer und alle weiteren Elemente der Prüfungen frei zu bestimmen und im Prüfungsauftrag festzulegen. Deshalb hat der Prüfungsauftrag bei vertraglichen, besonders aber bei freiwilligen Prüfungen eine besondere Bedeutung. Er stellt die Rechtsgrundlage für die Durchführung der Prüfung dar. Zwar besteht keine Formpflicht für den Prüfungsauftrag, um jedoch Rechtssicherheit zu gewährleisten und Missverständnisse auszuschließen, sollte der Prüfungsauftrag schriftlich abgefasst werden.
Der Prüfungsauftrag kann nicht sämtliche Prüfungsanweisungen in allen Einzelheiten enthalten, sodass dem Prüfer ein Freiraum in seiner Prüfungsausgestaltung bleibt, der allerdings nicht missbräuchlich ausgenutzt werden darf. Insoweit ist der Prüfer an die Grundsätze ordnungsmäßiger Prüfung gebunden. Grundsätze ordnungsmäßiger Prüfung sind „ ein System individueller Normen, die das Verhalten des Prüfers steuern sollen “ (v. Wysocki, 1988, S. 24). Es handelt sich hierbei hauptsächlich um Normen nationaler und internationaler Berufsorganisationen der Prüfer, wie sie z.B. vom Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. im Rahmen von Prüfungsstandards veröffentlicht werden.
Die Unternehmensleitung kann im Gegensatz zur gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtprüfung frei bestimmen, wer mit der Durchführung der Prüfung beauftragt werden soll. Ist jedoch eine Prüfung gem. §§ 316ff. HGB vorgesehen, so können als Prüfungsträger nur Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, ggf. auch vereidigte Buchprüfer und Buchprüfungsgesellschaften (gem. § 319 HGB) bestellt werden.
Der Inhalt und Umfang der Berichterstattung richtet sich hauptsächlich nach der Vorgabe im Auftrag. Wurde eine Prüfung des Jahresabschlusses nach §§ 316 ff. HGB vereinbart, so hat sich die Berichterstattung an den für Pflichtprüfungen bestehenden Grundsätzen und Vorschriften gem. § 321 HGB auszurichten. Eine vertragliche Einschränkung des gesetzlichen Mindestinhalts der Berichterstattung ist insoweit nichtig.
Bei freiwilligen und vertraglich vereinbarten Prüfungen kann die Kernfassung des Bestätigungsvermerks nach § 322 I HGB nur dann erteilt werden, wenn die Prüfung nach Art und Umfang der Pflichtprüfung gem. §§ 316 ff. HGB erfolgte und der Jahresabschluss nach den Vorschriften für Kapitalgesellschaften aufgestellt wurde.
Hat die Prüfung nicht entsprechend den Vorschriften der Kapitalgesellschaften stattgefunden oder ist lediglich eine eingeschränkte Prüfung vorgenommen worden, kann anstelle des Bestätigungsvermerks nur eine Bescheinigung erteilt werden, welche sich deutlich vom Wortlaut des Bestätigungsvermerks unterscheidet. Im Interesse der Informationsgewinnung des Auftraggebers und der möglichen Haftungsbegrenzung des Prüfers wird empfohlen, dass die Bescheinigung mindestens folgende Angaben enthält (PS 400):

-

Adressaten der Bescheinigung;

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Auftrag und Auftragsbedingungen;

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Gegenstand, Art und Umfang der Tätigkeit;

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Durchführungsgrundsätze;

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Zugrunde liegende Rechtsvorschriften und Unterlagen;

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getroffene Feststellungen.


Die Beurteilung kann mit Bezug auf die Bedingungen der jeweiligen Prüfungen frei gestaltet werden.
Literatur:
Buchner, R. : Wirtschaftliches Prüfungswesen, 2. A., München 1997
Glade, A. : Rechnungslegung und Prüfung nach dem Bilanzrichtliniengesetz, Berlin 1986
Leffson, U. : Die Wirtschaftsprüfung, 4. A., Wiesbaden 1991
Schedlbauer, H. : Sonderprüfungen, Stuttgart 1984
Selchert, F. W. : Jahresabschlußprüfung der Kapitalgesellschaften, 2. A., Wiesbaden 1996
v. Wysocki, K. : Grundlagen des betriebswirtschaftlichen Prüfungswesens, 3. A., München 1988

 

 


 

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