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Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten


Inhaltsübersicht
I. Merkmale und Abgrenzungen der Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten
II. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten im Handelsrecht
III. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten im Steuerrecht
IV. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten in der internationalen Rechnungslegung
V. Einzelne Rückstellungsarten
VI. Buchungs- und Darstellungstechnik

I. Merkmale und Abgrenzungen der Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten


Im deutschen Rechtskreis werden Rückstellungen üblicherweise nach den in § 249 HGB genannten Rückstellungsarten unterteilt:

1.

Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten;

2.

Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften;

3.

Rückstellungen für Gewährleistungen ohne rechtliche Verpflichtungen (Kulanzrückstellungen);

4.

Aufwandsrückstellungen.


Im Unterschied zu den Aufwandsrückstellungen beruhen Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten auf einer Außenverpflichtung, d.h. einer Verpflichtung gegenüber Dritten. Die Verpflichtung darf dabei nicht –  wie bei der Kulanzrückstellung  – wirtschaftlich begründet sein, sondern stellt entweder eine bürgerlich-rechtliche oder eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung dar. Im Folgenden werden daher keine Rückstellungen behandelt, die lediglich auf einer wirtschaftlichen Verpflichtung beruhen. Mit den Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten werden Ausgaben antizipiert, die mit Umsätzen des Geschäftsjahres oder früherer Geschäftsjahre zusammenhängen. Drohverlustrückstellungen zählen nicht zu den Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten. Es handelt sich somit um einseitige Zahlungs- oder Leistungsverpflichtungen des Bilanzierenden, denen keine schwebenden Geschäfte zu Grunde liegen.
Im Steuerrecht und in der internationalen Rechnungslegung besteht für die vier in § 249 HGB genannten Rückstellungsarten zwar teilweise ein Passivierungsverbot, dennoch lassen sich die genannten Abgrenzungsmerkmale für Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten auch steuerrechtlich bzw. nach International Financial Reporting Standards (IFRS) und nach US-GAAP anwenden.

II. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten im Handelsrecht


1. Ansatz


Nach § 249 I Satz 1 HGB sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten passivierungspflichtig. Die Passivierungspflicht ist an folgende Voraussetzungen gebunden: Es muss eine bürgerlich-rechtliche Verpflichtung (i.d.R. aufgrund eines Vertrags) oder eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung (z.B. zur Zahlung von Gewerbesteuer) vorliegen. Die Verpflichtung muss am Bilanzstichtag bestehen und ihre Geltendmachung gegenüber dem Bilanzierenden wahrscheinlich sein. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten sind dem Grunde und/oder der Höhe nach unsicher – im Unterschied zu Verbindlichkeiten, die dem Grunde und der Höhe nach sicher sind (z.B. Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten).

2. Bewertung


Die Bewertung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten wird in § 253 I Satz 2 HGB geregelt. Danach sind Rückstellungen in Höhe des Betrags anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. Weiterhin schreibt § 253 I Satz 2 HGB vor, dass Verbindlichkeiten zu ihrem Rückzahlungsbetrag anzusetzen sind. Dies gilt auch für ungewisse Verbindlichkeiten. Rentenverpflichtungen, d.h. v.a. Pensionsrückstellungen, sind mit ihrem Barwert anzusetzen. Alle anderen Rückstellungen dürfen nur abgezinst werden, wenn die ihnen zu Grunde liegende Verpflichtung einen Zinsanteil enthält.
Nach dem in § 252 I Nr. 4 HGB kodifizierten Vorsichtsprinzip ist eine vorsichtige Rückstellungsbemessung erforderlich, auch wenn dies keine bewusste Legung stiller Reserven rechtfertigt. Ferner ist dem Stichtagsprinzip zu folgen, d.h. Kostensteigerungen dürfen nur so weit in die Rückstellungsbewertung einbezogen werden, wie sie am Bilanzstichtag als verursacht angesehen werden können (z.B. Gehaltssteigerungen im kommenden Geschäftsjahr, die am Bilanzstichtag bereits tarifvertraglich vereinbart sind).
Mit Ausnahme der Pensionsrückstellungen dürfen Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten wegen des grundsätzlichen Abzinsungsverbots in § 253 I Satz 2 HGB nicht auf ihren Barwert diskontiert werden. Eine Abzinsung ist nur gerechtfertigt, wenn die Verpflichtung einen Zinsanteil enthält. Das bloße Vorliegen einer unverzinslichen Verbindlichkeit begründet dabei noch keinen Zinsanteil: Nach der überwiegenden Meinung im Schrifttum rechtfertigt die Niedrigverzinslichkeit oder Unverzinslichkeit einer Verbindlichkeit für sich genommen noch keine Abzinsung. Die Abzinsung kann daher i.d.R. nur bei Geldleistungsverpflichtungen in Betracht kommen, nicht aber bei Sachleistungsverpflichtungen.

3. Ausweis


Einen eigenen Bilanzposten, in dem Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten ausgewiesen werden, schreibt das HGB nicht vor. Nach § 266 III HGB müssen große und mittelgroße Kapitalgesellschaften ihre Rückstellungen lediglich in Pensionsrückstellungen, Steuerrückstellungen und sonstige Rückstellungen untergliedern. Zwei Ausprägungen der Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten sind also gesondert auszuweisen, die Übrigen unter den sonstigen Rückstellungen. Ggf. müssen die sonstigen Rückstellungen im Anhang erläutert werden (§ 285 Nr. 12 HGB).

III. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten im Steuerrecht


1. Ansatz


Das EStG enthält keine allgemeine Vorschrift, die § 249 HGB entspricht. Bei Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten gilt grundsätzlich das Prinzip der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz (§ 5 I EStG). Da Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten handelsrechtlich nach § 249 HGB passivierungspflichtig sind, gilt dies grundsätzlich auch für die Steuerbilanz. Das Maßgeblichkeitsprinzip wurde vom Steuergesetzgeber in einigen Fällen durchbrochen, was dem Grunde und/oder der Höhe nach zu einem unterschiedlichen Ansatz der Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten in der Handelsbilanz und in der Steuerbilanz führt. Die wichtigsten Fälle betreffen:

-

Rückstellungen für die Verletzung fremder Patent- und ähnlicher Schutzrechte (§ 5 III EStG);

-

Jubiläumsrückstellungen (§ 5 IV EStG);

-

Rückstellungen für die Entsorgung im Kernenergiebereich (§ 5 IVb EStG);

-

Pensionsrückstellungen (§ 6a EStG);

-

Bestimmte versicherungstechnische Rückstellungen (§§ 20, 21 KStG).


Ein unterschiedlicher Ansatz in Handelsbilanz und Steuerbilanz kann neben diesen steuerlichen Ansatzvorschriften auch aus der BFH-Rspr. resultieren (z.B. bei Rückstellungen für Umweltschäden, bei denen der BFH vor allem die Ansatzkriterien bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen im Vergleich zum Handelsrecht verschärft hat). Die BFH-Rspr. ist steuerrechtlich bindend, während handelsrechtlich keine unmittelbare Bindungswirkung besteht, sondern zusätzlich weitere Quellen zu berücksichtigen sind (insbes. die Kommentarliteratur). So ist z.B. ist nach der überwiegenden Meinung im handelsrechtlichen Schrifttum eine Rückstellung für Arbeitnehmerrisiken aus Arbeitsverhältnissen erforderlich, wenn das Gehalt des Arbeitnehmers im Verhältnis zur ausgeübten Tätigkeit völlig unverhältnismäßig hoch ist und dem Arbeitnehmer nicht gekündigt werden kann. Im Unterschied zum Handelsrecht kann die Ausgeglichenheitsvermutung nach Auffassung des BFH im Ergebnis nicht widerlegt werden, sodass steuerlich keine Rückstellung gebildet werden darf.

2. Bewertung


Steuerrechtlich ist bei der Bewertung von Rückstellungen nach wie vor § 253 I Satz 2 HGB zu beachten, nach dem Rückstellungen „ nur in Höhe des Betrags anzusetzen [sind], der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist “ . Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen (z.B. Rückstellungen für die Beseitigung von Bergschäden oder für Rekultivierung) sind mit den Einzelkosten und den angemessenen Teilen der notwendigen Gemeinkosten zu bewerten. Dies entspricht der Untergrenze der steuerlichen Herstellungskosten und damit einem Abgehen vom handelsrechtlich weiterhin relevanten Vorsichtsprinzip.
Bis zum Inkrafttreten des Steuerentlastungsgesetzes 1999 waren Rückstellungen ferner mit dem Betrag zu bewerten, der auf Basis der am Bilanzstichtag geltenden Verhältnisse erforderlich war, um die Verpflichtung zu begleichen (d.h. ohne Berücksichtigung künftiger Kostensteigerungen und ohne Abzinsung). Seitdem müssen nun Rückstellungen, deren ursprüngliche Laufzeit mehr als ein Jahr beträgt, im Normalfall mit einem Zinssatz von 5,5% auf ihren Barwert abgezinst werden (§ 6 I Nr. 3a Ziff. e) EStG).
Investitionstheoretisch setzt eine Abzinsungsregelung bei Rückstellungen voraus, dass gleichzeitig die künftigen Kostensteigerungen berücksichtigt werden. Z. B. werden langfristige Rückstellungen nach IAS 37 einerseits abgezinst, und andererseits werden die absehbaren künftigen Kostensteigerungen berücksichtigt. Letztlich führt das steuerliche Abzinsungsgebot in Verbindung mit dem Verbot, künftige Kostensteigerungen einzubeziehen, zu – z.T. erheblich  – unterdotierten Rückstellungen und damit aus handelsrechtlicher Sicht zu einer Besteuerung von Scheingewinnen.
Bei Pensionsrückstellungen richtet sich die Bewertung nach § 6a EStG, wonach das Teilwertverfahren anzuwenden ist (vgl. dazu Abschnitt V. 2.).
Weiterhin sind die Wirkungen steuerlicher Sondervorschriften für bestimmte Rückstellungsarten (z.B. für Jubiläumsrückstellungen nach § 5 IV EStG) sowie die BFH-Rspr. zu beachten, die zu einer unterschiedlichen Bewertung von Rückstellungen in Handelsbilanz und Steuerbilanz führen kann (vgl. dazu den vorigen Abschnitt).

3. Ausweis


Das Steuerrecht enthält keine Ausweisvorschriften für Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten, die über die handelsrechtlichen Regelungen hinausgehen.

IV. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten in der internationalen Rechnungslegung


1. Vorbemerkung


Unter „ internationalen Rechnungslegungsvorschriften “ werden im Folgenden vereinfachend die IFRS und die US-GAAP zusammengefasst.
In den US-GAAP wird nicht zwischen Verbindlichkeiten und Rückstellungen unterschieden, weil nach US-GAAP die Existenz der Verpflichtung entscheidend ist und nicht, ob die Verpflichtung dem Grunde und/oder der Höhe nach unsicher ist. Nach US-GAAP braucht die Verpflichtung nicht sicher zu bestehen, sondern es kann auch eine angemessene Schätzung zu Grunde gelegt werden. Bei der Bilanzierung gelten nach US-GAAP für Rückstellungen und Verbindlichkeiten die gleichen Vorschriften.

2. Ansatz


Nach IAS 37 ist eine Rückstellung zu bilden, wenn folgende drei Bedingungen kumulativ erfüllt sind:

(a)

Zum Bilanzstichtag besteht eine rechtliche oder faktische gegenwärtige Verpflichtung gegenüber einem Dritten, die aus einem vergangenen Ereignis resultiert (= dies schließt die Bilanzierung von Aufwandsrückstellungen so gut wie aus).

(b)

Es ist wahrscheinlich, dass zur Begleichung der Verpflichtung Ressourcen abfließen werden, die wirtschaftliche Vorteile enthalten.

(c)

Die Verpflichtung lässt sich hinreichend sicher schätzen.


Wenn diese Kriterien erfüllt sind, ist auch nach US-GAAP eine Schuld zu bilanzieren.
Zu (a): Neben vertraglichen oder gesetzlichen Verpflichtungen können nach IASB-Grundsätzen auch faktische Verpflichtungen einer Rückstellung zu Grunde liegen, denen sich das Unternehmen nicht ohne weiteres mehr entziehen kann (beispielsweise eine Verpflichtung, die auf Grund von veröffentlichter Geschäftspolitik entsteht). Aus faktischen Verpflichtungen resultieren z.B. die nach IFRS, US-GAAP und nach HGB ansatzpflichtigen Kulanzrückstellungen.
Wie im Handelsrecht muss eine rückstellungsfähige Verpflichtung begründet und abgrenzbar sein. Allgemeine Unternehmensrisiken erfüllen diese Voraussetzung nicht und sind deshalb nicht passivierungsfähig.
Mitunter mag es unsicher sein, ob eine gegenwärtige Verpflichtung überhaupt existiert (z.B. bei Gerichtsverfahren). Wenn es wahrscheinlicher ist, dass eine Verpflichtung vorliegt, als dass sie nicht vorliegt, ist –  die Erfüllung der übrigen Passivierungskriterien vorausgesetzt  – eine Rückstellung zu bilden (IAS 37.15). Wird dagegen das Vorliegen einer Verpflichtung als weniger wahrscheinlich angesehen, ist keine Rückstellung zu bilden, sondern ggf. eine Eventualschuld auszuweisen.
Ereignisse aus der Vergangenheit führen nur dann zu einer Verpflichtung, wenn das Unternehmen keine realistische Handlungsalternative hat, als die aus dem Ereignis resultierende Verpflichtung zu erfüllen. Dazu muss eine gesetzlich durchsetzbare (zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche) oder faktische Verpflichtung vorliegen, z.B. bei Bußgeldern oder Dekontaminierungskosten für Umweltverschmutzungen oder bei Verlustübernahmeverpflichtungen aufgrund von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen, so weit die Verluste bis zum Bilanzstichtag entstanden sind.
Rückstellungen dürfen nicht gebildet werden, wenn keine Verpflichtung gegenüber Dritten vorliegt oder kein Vergangenheitsbezug besteht. Nicht rückstellungsfähig sind daher z.B. Aufwendungen für unterlassene Instandhaltung, Aufwendungen für künftige Schulungsmaßnahmen oder künftig entstehende Geschäftsverluste (die Verluste wären ggf. ein Indiz für notwendige außerplanmäßige Abschreibungen).
zu (b): Ein Vermögensabfluss zur Erfüllung einer Verpflichtung ist als wahrscheinlich anzusehen, wenn mehr Gründe dafür als dagegen sprechen (> 50%). Wenn eine Verpflichtung besteht, ihre tatsächliche Erfüllung aber als unwahrscheinlich anzusehen ist (z.B. bei einem vom Gläubiger angekündigten Schuldenerlass), ist i.d.R. keine Rückstellung zu bilden, sondern lediglich eine Eventualschuld auszuweisen.
Eine Besonderheit weisen die US-GAAP auf, da bestimmte Verpflichtungen auch dann zu passivieren sind, wenn sie nicht als wahrscheinlich anzusehen sind. Dies betrifft insbesondere Garantieverpflichtungen im Sinne des FIN 45, bei denen der Garantiegeber zum Zeitpunkt der Begebung der Garantie erfolgswirksam eine Rückstellung in Höhe des Zeitwerts (fair value) der Garantieverpflichtung zu passivieren hat (zum Beispiel bei Bürgschaften, harten Patronatserklärungen und vertraglichen Schadenersatzregelungen). Wenn es z.B. so eingeschätzt wird, dass mit 15% Wahrscheinlichkeit der Haftungsfall bei einer Bürgschaft in Höhe von 10 Mio. € eintritt, dann müssen im US-GAAP-Abschluss 1,5 Mio. € passiviert werden.
zu (c): Bei der Erstellung des Abschlusses und insbesondere bei der Bilanzierung von Rückstellungen sind Schätzungen notwendig bzw. werden üblicherweise vorgenommen (z.B. Annahmen über das Renteneintrittsalter von Arbeitnehmern bei der Bewertung der Pensionsrückstellungen oder prognostizierte Kostensteigerungsraten bei anderen langfristigen Rückstellungen). Solche Schätzungen beeinträchtigen die grundsätzliche Verlässlichkeit des Abschlusses nicht. Nur in Ausnahmefällen wird es nicht möglich sein, hinreichend sichere Schätzungen für Verpflichtungen vorzunehmen. Ist keine hinreichend sichere Schätzung möglich, sind für die Verpflichtungen keine Rückstellungen zu bilden, sondern Eventualschulden auszuweisen.
Sowohl in den IFRS wie in den US-GAAP stellen Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten ausschließlich Pflichtrückstellungen dar. Im Ergebnis sind die nach IFRS und nach US-GAAP bilanzierungspflichtigen Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten fast immer auch handelsrechtlich anzusetzen.

3. Bewertung


Die Rückstellungsbewertung nach IFRS und nach US-GAAP unterscheidet sich wesentlich von der im Handelsrecht. Aber auch zwischen der Rückstellungsbewertung nach IAS 37 und der nach US-GAAP gibt es Unterschiede. Im Gegensatz zum HGB müssen nach IAS 37 bei allen langfristigen Rückstellungen die absehbaren Kostensteigerungen berücksichtigt werden. Zudem schreibt IAS 37 vor, dass langfristige Rückstellungen auf den Bilanzstichtag abzuzinsen sind. Eine Rückstellung gilt dabei als langfristig, wenn ihre ursprüngliche Laufzeit (also nicht die Restlaufzeit der Rückstellung) mehr als ein Jahr beträgt.
In den US-GAAP ist die Frage der Abzinsung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten bislang nicht umfassend geregelt. Abgesehen von den Regelungen zur Bilanzierung von Pensionsrückstellungen gibt es eine Reihe einzelner Regelungen (z.B. in EITF 93 – 5 und in SOP 96 – 1), nach denen ein Abzinsungswahlrecht besteht.
Als Diskontierungsfaktor sind nach IAS 37 Zinssätze vor Steuern zu verwenden, die marktorientiert den Zeitwert des Geldes unter Berücksichtigung der Laufzeit der Verbindlichkeit sowie die mit den Verpflichtungen verbundenen Risiken wiedergeben. Wenn künftige Risiken bereits bei der Ermittlung des Erfüllungsbetrags einbezogen wurden, ist kein risikoangepasster Zinssatz zu verwenden, da die Risiken sonst doppelt berücksichtigt würden.
Bei langfristigen Rückstellungen entspricht der Erfüllungsbetrag (= der Betrag, der zum Fälligkeitszeitpunkt der Rückstellung erforderlich ist, um die Verpflichtung zu begleichen) normalerweise nicht dem Betrag, der am Bilanzstichtag für die Begleichung dieser Verpflichtung aufgewendet werden müsste. Daher sind bei langfristigen Rückstellungen nach IAS 37 meistens Kostensteigerungen einzukalkulieren. Da die genaue Höhe der künftigen Kostensteigerungen in aller Regel nur geschätzt werden kann, wird normalerweise eine nachhaltige Kostensteigerungsrate prognostiziert und die Rückstellung rechnerisch aufgezinst.
Rückstellungen dürfen nach IFRS und nach US-GAAP nicht vorsichtig im Sinne von § 252 I Nr. 4 HGB bemessen werden. Zwar gibt es den Grundsatz der Vorsicht auch in der internationalen Rechnungslegung (vgl. bei den IFRS z.B. F. 37), doch eine vorsichtige Bilanzierung darf nach IFRS und nach US-GAAP nicht dazu führen, dass stille Reserven bei Aktiva gelegt oder Rückstellungen überbewertet werden.

4. Ausweis


Schulden werden nach US-GAAP nicht in Rückstellungen und Verbindlichkeiten untergliedert, sondern nur in kurzfristige und langfristige Schulden. Die Unterteilung in kurz- und langfristig wird nach IFRS ebenfalls erwartet. Darüber werden nach IAS 1.68 (k) die Rückstellungen von den Verbindlichkeiten getrennt in (mindestens) einem eigenen Bilanzposten ausgewiesen. IFRS und US-GAAP schreiben z.T. sehr ausführliche Angaben vor, etwa bei den Pensionsrückstellungen. IAS 37 verlangt ferner einen Rückstellungsspiegel.

V. Einzelne Rückstellungsarten


1. Vorbemerkung


Unter dem Oberbegriff „ Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten “ können eine Vielzahl einzelner Rückstellungsarten zusammengefasst werden, z.B. Rückstellungen für ausstehende Rechnungen, Steuerrückstellungen, Rückstellungen für Entfernungsverpflichtungen usw. Im Folgenden wird auf einzelne Rückstellungsarten eingegangen, denen von ihrer Höhe her in der Praxis meistens größere Bedeutung zukommt.

2. Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen


Handelsrechtlich unterliegen alle Pensionsansprüche, die vor dem 01.01.1987 erworben wurden (Altzusagen), einem Ansatzwahlrecht. Neuzusagen, d.h. Pensionsansprüche, die nach dem 31.12.1986 erworben wurden, sind passivierungspflichtig. Nach § 253 I Satz 2 HGB werden Pensionsverpflichtungen handelsrechtlich mit dem Barwert bilanziert. Sie sind dabei nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik zu berechnen. Ziel der versicherungsmathematischen Ermittlung ist eine zuverlässige Schätzung der von den Arbeitnehmern in Berichts- und Vorperioden erdienten Altersversorgungsansprüche. Dies erfordert Annahmen über demographische Einflussfaktoren (z.B. über die Fluktuation und die Lebenserwartung) und finanzielle Faktoren (z.B. bei der Projected Unit Credit Method über die erwarteten Gehaltssteigerungen) sowie über einen Zinssatz zur Diskontierung. Bei der Barwertermittlung werden handelsrechtlich im Allgemeinen 3% bis 6% als angemessener Zinssatz angesehen. In der Steuerbilanz ist dagegen eine Abzinsung mit 6% vorgeschrieben (§ 6a EStG).
In Deutschland werden Pensionsrückstellungen bislang überwiegend nach dem steuerlichen Teilwertverfahren ermittelt (§ 6a EStG). Handelsrechtlich darf jedoch auch ein Gegenwartswertverfahren, das auch als Anwartschaftsbarwertverfahren bezeichnet wird, zu Grunde gelegt werden.
Unabhängig davon, ob das steuerliche Teilwertverfahren oder ein Gegenwartswertverfahren angewendet wird, sind Pensionsrückstellungen ratierlich so anzusammeln, dass bei Rentenbeginn der Barwert der versicherungsmathematisch errechneten Rentenzahlungen in die Rückstellung eingestellt worden ist. Bei der Bewertung der Pensionsrückstellung wird unterstellt, dass der Arbeitnehmer die Pensionsleistung kontinuierlich erdient (durch seine im Zeitraum zwischen Pensionszusage bzw. Diensteintritt und Rentenbeginn zu erbringenden Arbeitsleistungen). Der Ansammlungszeitraum beginnt dabei jeweils mit der Pensionszusage, d.h. die Rückstellung wird erst bei der Pensionszusage gebildet. Im Jahr der Zusage wird beim Teilwertverfahren –  im Unterschied zum Gegenwartswertverfahren – eine Einmalrückstellung für den Zeitraum zwischen Diensteintritt und Zusagezeitpunkt gebildet. Während beim Gegenwartswertverfahren die Pensionsrückstellungen ab der Pensionszusage berechnet werden, geht man –  wie die gestrichelte Linie in der folgenden Abbildung 1 zeigt  – beim Teilwertverfahren implizit vom Diensteintritt aus.
Wie die Abbildung zeigt, führt c.p. (d.h. bei sonst gleichen Berechnungsgrundlagen, z.B. gleichem Zinsfuß und gleichen Sterbewahrscheinlichkeiten) das Teilwertverfahren bis zum Rentenbeginn zu einer höheren Pensionsrückstellung als das Gegenwartswertverfahren.
Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten
Um die angestrebte Aufwandsgleichverteilung zu verdeutlichen, wurde Abbildung 1 etwas vereinfacht, indem die Zinsanteile an der Rückstellungszuführung nicht berücksichtigt wurden. Wegen dieser Zinsanteile steigt die Rückstellung bei beiden Verfahren sonst progressiv.
Nach US-GAAP und nach IFRS sind Pensionsverpflichtungen, die auf leistungsorientierten Pensionszusagen beruhen, versicherungsmathematisch nach der Projected Unit Credit Method – einem Anwartschaftsbarwertverfahren – zu bewerten.
Der Wertansatz der Rückstellung ergibt sich wie folgt:
Barwert der fondsfinanzierten und nicht fondsfinanzierten Verpflichtungen zum Bilanzstichtag
Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten
Die vor allem in SFAS 87 enthaltenen US-GAAP-Vorschriften entsprechen überwiegend IAS 19. Wesentliche Unterschiede bestehen vor allem in folgenden Punkten:

-

Nach US-GAAP wird eine sog. additional minimum liability errechnet, die zu einem zusätzlichen Rückstellungsbetrag führen kann, wenn die Pensionsrückstellung ohne additional minimum liability wesentlich geringer ist als der Barwert der Pensionsverpflichtungen. Eine solche additional minimum liability sieht IAS 19 nicht vor.

-

Nach SFAS 87 können die nachzuverrechnenden Dienstzeitaufwendungen auf künftige Perioden verteilt werden.

-

Nach SFAS 87 müssen die Zinsanteile an der Rückstellungszuführung im Zusammenhang mit den Personalaufwendungen gezeigt werden. Ein Ausweis im Finanzergebnis ist im Unterschied zu IAS 19 nicht erlaubt.


Die Bilanzierung von Pensionsrückstellungen nach IAS 19 oder nach SFAS 87 ist handelsrechtlich zulässig. In HFA 2/1988 wird allerdings verlangt, dass der Wertansatz nach IAS 19 bzw. nach SFAS 87 nicht geringer sein darf als nach dem Teilwertverfahren gem. § 6a EStG. Diese Bedingung ist im Regelfall nicht schwer zu erfüllen: Da u.a. künftige Gehalts- und Rentensteigerungen nach IAS 19 bzw. nach SFAS 87 in die Rückstellungsbewertung einbezogen werden müssen, während dies nach dem steuerlichen Teilwertverfahren unzulässig ist, liegen die Pensionsrückstellungen nach IAS 19 bzw. nach SFAS 87 erfahrungsgemäß etwa 10% bis 30% oberhalb der Wertansätze nach dem steuerlichen Teilwertverfahren.
Hinzuweisen ist darauf, dass nicht nur die Pensionsrückstellungen auf versicherungsmathematischen Berechnungen basieren, sondern auch andere personalbezogene Rückstellungen (zum Beispiel Jubiläumsrückstellungen).

3. Steuerrückstellungen


Steuerrückstellungen sind für Steuerbeträge zu bilden, die bis zum Bilanzstichtag rechtlich entstanden und nicht unter den sonstigen Verbindlichkeiten auszuweisen sind. Die tatsächlichen Steuern für die laufende und für frühere Perioden sind dabei in dem Umfang, in dem sie noch nicht bezahlt sind, als Schuld anzusetzen (d.h. erfolgte Steuervorauszahlungen sind abzusetzen).
Steuererstattungsansprüche aufgrund eines Verlustrücktrags sind bei der Ermittlung des Jahresergebnisses des Verlustjahres zu berücksichtigen. Beiträge, Gebühren, Säumnis- und Verspätungszuschläge werden in die Steuerrückstellung nicht einbezogen; sie sind ggf. unter den sonstigen Rückstellungen auszuweisen.
Auch passivische latente Steuern werden als Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten passiviert (§ 274 I Satz 1 HGB), da eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur künftigen Steuermehrzahlung vorliegt. Die Geltendmachung der Verpflichtung durch den Fiskus ist sicher, ungewiss sind jedoch Zeitpunkt und Höhe der Steuerzahlung. Handelsrechtlich dürfen die latenten Steuern dabei –  im Unterschied zu IFRS und US-GAAP  – mit den aktivischen latenten Steuern saldiert werden.

4. Rückstellungen für Restrukturierung


Rückstellungen für Restrukturierungen ziehen viel Aufmerksamkeit auf sich. Vor allem die Bilanzen US-amerikanischer Unternehmen enthielten in der Vergangenheit oft überhöhte Restrukturierungsrückstellungen, die für bilanzpolitische Gestaltungen genutzt wurden. Daher wurden die Vorschriften für die Bildung von Restrukturierungsrückstellungen in den US-GAAP erheblich verschärft.
IAS 37 enthält ähnliche Vorschriften zu Restrukturierungsrückstellungen, allerdings mit geringerer Regelungstiefe. Von den nach HGB bilanzierenden deutschen Unternehmen wurden bislang seltener Restrukturierungsrückstellungen ausgewiesen. Meistens wurde ein anderer, ebenfalls möglicher Ausweis für die entsprechenden Aufwendungen bevorzugt (z.B. als Rückstellungen für Abfindungen oder Rückstellungen für Leistungen aufgrund eines Sozialplans).
Die in den US-GAAP und in IAS 37 enthaltenen Konkretisierungsanforderungen an Restrukturierungsrückstellungen schreiben vor, dass das Unternehmen dem WP einen detaillierten Plan vorlegen kann, der u.a. die Standorte identifiziert, die von der Restrukturierung betroffen sind, die Zeitpunkte nennt, zu denen die Maßnahmen durchgeführt werden sollen und die zu erwartenden Aufwendungen prognostiziert. Die Grundzüge dieses Restrukturierungsplans müssen am Bilanzstichtag den Betroffenen bekannt gegeben worden sein (nach IAS 37 z.B. über den Betriebsrat, eine Betriebsversammlung oder die Presse; nach SFAS 146 muss die Kündigung den einzelnen Mitarbeitern mitgeteilt worden sein).
Restrukturierungsaufwendungen können a) im Zusammenhang mit zum Verkauf anstehenden bzw. auf andere Weise zu beendenden Unternehmensaktivitäten stehen oder b) vorrangig mit den fortdauernden Unternehmensaktivitäten zusammenhängen. Aufwendungen für Abfindungen an Arbeitnehmer, die das Unternehmen verlassen werden, fallen zum Beispiel unter die Beendigung von Unternehmensaktivitäten, während Aufwendungen für die Versetzung von weiterbeschäftigten Mitarbeitern an andere Standorte mit den fortdauernden Unternehmensaktivitäten zusammenhängen. Als Regel gilt nach IAS 37, dass a) die mit zu beendenden Unternehmensaktivitäten verbundenen Aufwendungen rückstellungsfähig sind, während für b) die mit den fortdauernden Unternehmensaktivitäten verbundenen Aufwendungen ein Rückstellungsverbot gilt (z.B. Aufwendungen für die Verlagerung von Vorräten oder die Anschaffung neuer Software). Nach SFAS 146 sind dagegen auch bestimmte zukunftsbezogene Aufwendungen rückstellungsfähig, etwa für den Umzug von Mitarbeitern.
Beispiele für nach HGB, IFRS und US-GAAP einbeziehbare Aufwendungen bei den Restrukturierungsrückstellungen sind:

-

Aufwendungen für die Abfindung von Arbeitnehmern;

-

Aufwendungen für die Beendigung von Leasingverträgen oder anderen Verträgen;

-

Aufwendungen für den Abbruch von Anlagen/Fabrikationseinrichtungen.


5. Rückstellungen für Entsorgung im Kernenergiebereich


Rückstellungen für die Entsorgung im Kernenergiebereich gehen auf eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung in § 9a AtG zurück. Sie umfassen Rückstellungen für die Entsorgung von Brennelementen (Brennelementrückstellungen), Rückstellungen für die Stilllegung von Kernkraftwerksanlagen (Stilllegungsrückstellungen) sowie Rückstellungen für sonstige Betriebsabfälle. Die Bewertung der Rückstellungen beruht wesentlich auf Verträgen (z.B. Wiederaufarbeitungsverträge, Transportverträge für Brennelemente). Weiterhin müssen ähnlich wie bei den Pensionsrückstellungen Annahmen getroffen werden (z.B. für die Endlagerkosten einschließlich der Endlagerfinanzierungskosten). Diese Annahmen basieren überwiegend auf externen Gutachten bzw. werden unternehmensübergreifend ermittelt.
Nach HGB und steuerlich sind Brennelement- und Stilllegungsrückstellungen zeitanteilig (während der Nutzungszeit im Reaktor bzw. ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Nutzung des Kernkraftwerks bis zum Beginn der Stilllegung) in gleichen Raten anzusammeln. Steht der Stilllegungszeitpunkt noch nicht fest, wird die Rückstellung steuerlich über 25 Jahre, nach HGB dagegen über die Abschreibungsdauer von i.d.R. 19 Jahren, angesammelt. Steuerlich müssen alle Rückstellungen für die Entsorgung im Kernenergiebereich abgezinst werden. Kostensteigerungen dürfen steuerlich nicht berücksichtigt werden (zur Problematik vgl. III. 2.) Nach HGB gilt dagegen ein Abzinsungsverbot.
Handelsrechtlich, nach IFRS und nach US-GAAP ergeben sich c.p. höhere Rückstellungen als steuerlich. Nach HGB ist die Verpflichtung auf Basis des Geldwerts am Bilanzstichtag zu bewerten (d.h. ohne Abzinsung und ohne Kostensteigerungen), während IFRS und US-GAAP die Abzinsung und die Einbeziehung der absehbaren Kostensteigerungen vorschreiben.
Analog zu IAS 16.16 (c) wird nach FAS 143 eine sog. asset retirement obligation erfolgsneutral gebildet, indem sie dem aktivierten Vermögenswert hinzugerechnet wird (z.B. wären bei Mietereinbauten in einem Geschäft nicht nur die Anschaffungskosten/Herstellungskosten der Einbauten zu aktivieren, sondern auch die voll dotierte, aber abgezinste Rückstellung für die Entfernung dieser Einbauten). Die Aufwandserfassung erfolgt dann in den Folgejahren durch die Abschreibung des aktivierten Betrags.

6. Rückstellungen für die Beseitigung von Altlasten


Unter Altlasten werden im Folgenden gefahrenträchtige Verunreinigungen des Bodens und des Grundwassers verstanden (vgl. Clemm, /Erle, 1999). Eine ausreichend konkretisierte Sanierungspflicht kann dabei zu einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten führen, die oft als Rückstellung für die Beseitigung von Altlasten bezeichnet wird. Hinreichend konkretisiert ist diese Sanierungsverpflichtung bereits dann, wenn dem Bilanzierenden bekannt ist, dass eine Altlast vorliegt, für deren Beseitigung er verantwortlich ist (eine Sanierungsverfügung von einer Ordnungsbehörde braucht also nicht vorzuliegen). Die wirtschaftliche Verursachung, eine weitere Voraussetzung des Rückstellungsansatzes, liegt bei Aufwendungen für die Sanierung von Altlasten in aller Regel in der Vergangenheit, d.h. die Aufwendungen sind i.d.R. nicht künftigen Erträgen zurechenbar. Ferner muss mit der Inanspruchnahme aus der Verpflichtung ernsthaft zu rechnen sein. Steuerlich ist dabei die Rechtsprechung des BFH bindend, der festgestellt hat, dass mit einer Inanspruchnahme nur dann zu rechnen sei, wenn die zuständige Behörde den Sachverhalt kenne oder zumindest in Kürze kennen werde. Im handelsrechtlichen Schrifttum wird dieses Konkretisierungserfordernis nicht für zwingend erforderlich gehalten.
In den IFRS und in US-GAAP sind wenig gesonderte Regelungen enthalten, die sich auf Rückstellungen für die Beseitigung von Altlasten beziehen, sodass letztlich nach den allgemeinen Vorschriften für die Rückstellungsbilanzierung vorzugehen ist. Im Ergebnis wird sich der Ansatz einer Rückstellung nach IFRS, US-GAAP und HGB eher selten unterscheiden. Bei der Bewertung können sich dagegen –  z.B. wegen der Abzinsungspflicht nach IAS 37  – Differenzen ergeben.
Wenn Altlasten vorliegen, kann dies auch dazu führen, dass außerplanmäßige Abschreibungen bzw. Teilwertabschreibungen erforderlich werden (z.B. ein kontaminiertes Grundstück, das weiterhin im Unternehmen genutzt werden soll und dessen Buchwert geringer ist als der künftige Nutzen, der aus diesem Grundstück gezogen werden kann; vgl. Philips, 1995).

VI. Buchungs- und Darstellungstechnik


1. Buchung der Zuführungen, Auflösungen und Inanspruchnahmen


Buchung der Rückstellungszuführungen: Die Rückstellungen sind grundsätzlich zu Lasten desjenigen Aufwandspostens zu buchen, dem die späteren Ausgaben bei unmittelbarer Verrechnung als Aufwand zuzuordnen wären: Wenn zum Beispiel zum Zeitpunkt der Rückstellungsbildung angenommen wird, dass jeweils zur Hälfte Material- und Personalaufwendungen zur Begleichung der Verpflichtung entstehen werden, wird die Rückstellungszuführung hälftig auf Material- und Personalaufwendungen aufgeteilt. Falls eine Rückstellung verschiedene Aufwandsarten betrifft und noch nicht bekannt ist, welche Aufwandsarten künftig primär anfallen (z.B. nicht verlässlich schätzbar ist, wie hoch der Materialaufwand bei rückstellungspflichtigen Nachbetreuungsleistungen an den verkauften Brillen eines Optikers sein wird), wird die Rückstellung zu Lasten des Postens „ sonstige betriebliche Aufwendungen “ gebildet.
Im Rückstellungsspiegel werden in der Spalte „ Zuführungen “ nur die Zuführungen zum Barwert ausgewiesen und nicht die Zinsanteile der Rückstellungszuführungen, die bei langfristigen Rückstellungen in den Folgejahren zu buchen sind. Zuführungen zum Barwert erfolgen, wenn eine Rückstellung neu gebildet wird (= eine rückstellungsfähige Verpflichtung ist entstanden) oder sich das Verpflichtungsvolumen erhöht hat, das der Rückstellung zu Grunde liegt.
Buchung der Zinsanteile an den Rückstellungszuführungen: Die Zinsanteile an Rückstellungszuführungen werden in der GuV normalerweise als Zinsaufwand erfasst (Haupt-Ausnahme: nach den US-GAAP muss der Zinsanteil an der Zuführung zu den Pensionsrückstellungen als Personalaufwand ausgewiesen werden). Rechnerisch stellt der Zinsanteil an einer Rückstellungszuführung einen prozentualen Anteil am Anfangsbestand der Rückstellung zu Beginn des Geschäftsjahres dar: Wenn beispielsweise eine Rückstellung mit 5% abgezinst wurde und die Rückstellung zu Beginn des Geschäftsjahres 100.000  € beträgt, dann muss ein Zinsanteil in Höhe von 5.000  € in der Spalte „ Zuführung “ ausgewiesen werden. Im Rückstellungsspiegel wird die Zinszuführung in der Spalte „ Zinszuführung/Änderung des Zinssatzes “ ausgewiesen.
Buchung der Rückstellungsauflösungen: Wenn die Höhe einer Rückstellung richtig oder zu niedrig bemessen wurde, wird die Rückstellung in voller Höhe in Anspruch genommen. Eine Auflösung entfällt dann. Zu hoch dotierte Rückstellungen werden nach IFRS und US-GAAP üblicherweise mit dem GuV-Posten saldiert, in dem sie gebildet wurden. Möglich ist aber auch, sie als „ sonstige betriebliche Erträge “ aufzulösen. Im Rückstellungsspiegel werden die Auflösungen von Rückstellungen in der Spalte „ Auflösungen “ gezeigt. Eine Auflösung ist nur dann zu buchen, wenn eine Rückstellung zu hoch dotiert wurde bzw. der Grund für die Rückstellungsbildung entfallen ist.
Buchung der Inanspruchnahmen: Inanspruchnahmen (= der Verbrauch der Rückstellung) sind grundsätzlich erfolgsneutral zu buchen. Inanspruchnahmen dürfen nur durch diejenigen Ausgaben erfolgen, für die sie ursprünglich auch gebildet wurden.
Nach IFRS und US-GAAP dürfen Inanspruchnahmen grundsätzlich nicht über den nach HGB üblichen Umweg über die sonstigen betrieblichen Erträge gebucht werden. Daher ist diese Buchungstechnik –  so weit möglich  – zu vermeiden. Falls eine erfolgsneutrale Buchung, d.h. eine Zuordnung der einzelnen rückstellungsbezogenen Ausgaben auf die Rückstellungen nicht mit vertretbarem Aufwand möglich sein sollte, empfiehlt es sich, einen –  von den Rückstellungsauflösungen getrennten  – Auffangposten zu verwenden. Das Jahresergebnis und die Bilanzwerte werden durch einen solchen Auffangposten nicht beeinflusst.
Bei langfristigen Rückstellungen ist zu beachten, dass zuerst der Zinsanteil an der Zuführung berücksichtigt werden muss und danach die Inanspruchnahme.

2. Abzinsung von Rückstellungen


In einigen Abschlüssen –  insbesondere von Unternehmen, die nach IFRS bilanzieren  – werden hohe Zinsanteile an Rückstellungszuführungen ausgewiesen. Die Vorgehensweise, wie diese Zinsanteile zu ermitteln sind, wird an dem folgenden Beispiel zur Buchung des Zinsanteils bei einer langfristigen Rückstellung erläutert:
Für eine langfristige Rückstellung gelten folgende Annahmen:

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Die Verpflichtung ist erstmalig zum 31.12.01 rückstellungspflichtig. Legt man den Geldwert an diesem Stichtag zu Grunde, dann ist die Verpflichtung mit 100.000  € zu bewerten.

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Die Rückstellung wird vier Jahre später, also am 31.12.05, in voller Höhe in Anspruch genommen.

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Der Abzinsungssatz beträgt 6% p.a.

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Die Aufwendungen zur Begleichung der Verpflichtung steigen jährlich um 4%.


Aus den Annahmen ergibt sich, dass der Erfüllungsbetrag der Rückstellung 117.000 € beträgt (= der Erfüllungsbetrag stellt den Wert nach Berücksichtigung der Kostensteigerungen und vor Abzinsung dar). Kostensteigerungen und Abzinsung müssen im Beispiel für jeweils vier Jahre ermittelt werden, d.h. der Verpflichtungsbetrag von 100.000 € ist mit 4% aufzuzinsen (= Berücksichtigung der Kostensteigerungen) und mit 6% abzuzinsen (= Diskontierung des Erfüllungsbetrags auf den aktuellen Bilanzstichtag). Nach der Abzinsung ergibt sich eine Rückstellungszuführung von 92.700 € .
Folgendes ist zu buchen (alle Zahlenangaben in Tausend Euro (T € )):
Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten
Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten
Nachdem die Zinszuführung des letzten Jahres gebucht worden ist, wurde der Erfüllungsbetrag von 117.000 € vollständig angesammelt. Wenn der Erfüllungsbetrag –  wie in diesem Beispiel  – richtig geschätzt worden ist, wird die Rückstellung in voller Höhe erfolgsneutral verbraucht.
Der Erfüllungsbetrag verändert sich durch die Zuführung der Zinsanteile nicht. Er steigt dagegen, wenn sich c.p. das Mengengerüst erhöht, das der Rückstellungsberechnung zu Grunde liegt (z.B. mengenmäßige Zunahme der zu entsorgenden Brennelemente bei einer Rückstellung für die Entsorgung von Brennelementen). In solchen Fällen ist ähnlich wie bei der Neubildung der Rückstellung vorzugehen: Die Erhöhung des Erfüllungsbetrags (z.B. um 20.000 € auf 120.000 € ) wird mit dem Abzinsungsfaktor auf den Bilanzstichtag abgezinst. Der dadurch entstandene Barwert wird als Rückstellungszuführung gebucht (im Beispiel: Barwert der 20.000 € ).

3. Rückstellungsspiegel


Nach IAS 37 muss ein Rückstellungsspiegel gezeigt werden, nach HGB und nach US-GAAP dagegen nicht. Rückstellungsspiegel enthalten im Übrigen standardmäßig die Prüfungsberichte der meisten WP-Gesellschaften. Sie weisen dabei grundsätzlich die in Abb. 1 skizzierte Struktur auf.
Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten
Abb. 1: Struktur eines Rückstellungsspiegels
Welche Arten von Rückstellungen im Rückstellungsspiegel gezeigt werden müssen, wird in IAS 37 nicht vorgeschrieben. Pensionsrückstellungen brauchen zum Beispiel nicht ausgewiesen werden, da für Pensionsrückstellungen IAS 19 maßgebend ist und nicht IAS 37.
Literatur:
ADS, : Rechnungslegung nach internationalen Standards, Stuttgart 2001
Bäcker, R. M. : Rückstellungen für die Beseitigung von Altlasten und sonstigen Umweltschäden, in: BB 1989, S. 2071 – 2078
Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. : Bilanzen, 8. A., Düsseldorf 2005
Clemm, H./Erle, B. : § 249, in: Beck\'scher Bilanz-Kommentar, hrsg. v. Ellrott, H./Förschle, G./Hoyos, M. et al., 6. A., München 2005
Coenenberg, A. G. : Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 20. A., Stuttgart 2005
IDW, : WP-Handbuch 2006, Bd. I, 13. A., bearb. von Budde, W. D. et al., Düsseldorf 2006
Philips, H. : Kontaminierte Grundstücke im Jahresabschluss, Düsseldorf 1995
Rautenberg, H. G. : die bilanzielle Behandlung von Altlasten – Rückstellung oder Teilwertabschreibung? – , in: WPg 1993, S. 265 – 270
Thoms-Meyer, D. : Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung für Pensionsrückstellungen, Düsseldorf 1996
Tipke, K./Lang, J. : Steuerrecht, 17. A., Köln 2005

 

 


 

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