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Beschaffungsmarketing


Inhaltsübersicht
I. Zur Terminologie
II. Zur Bedeutung des Beschaffungsmarketing
III. Zum Planungsprozess
IV. Der Prozess des Beschaffungsmarketing

I. Zur Terminologie


Marketing konzentriert sich »? als Ausdruck eines marktorientierten unternehmerischen Denkstils ?« (Nieschlag, R./Dichtl, E./Hörschgen, H. 1991, S. 8) auf die Outputprozesse von Unternehmen. Fasst man jedoch Marketing als eine Sozialtechnik auf,

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die sich auf die Beeinflussung von Austauschprozessen zwischen Personen/Institutionen und Institutionen/Institutionen konzentriert,

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wobei die Beeinflussung der anderen zur eigenen Zielerfüllung dient

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und die Zielerfüllung umso besser gelingt, je mehr man die Wünsche/Ansprüche des anderen in den Mittelpunkt der eigenen Tätigkeit stellt


dann erweitert sich das Tätigkeitsfeld beträchtlich. Austauschprozesse finden zusätzlich auf dem Beschaffungsmarkt und auch bei der Abstimmung im Rahmen von Transformationsprozessen statt (vgl. Abb. 1).
Beschaffungsmarketing
Abb. 1: Beschaffung als Inputprozess (Quelle: Koppelmann, U. 1993, S. 4)
Den Versorgungsprozess beschreibt man in der Betriebswirtschaftslehre herkömmlich mit Beschaffung, sodass wir dem bekannten Absatzmarketing – meist kurz als Marketing betitelt – das Beschaffungsmarketing an die Seite stellen könnten. Damit erfasst man die Realität aber nur teilweise, denn in diese Versorgung ist auch die Logistik als Beschaffungslogistik einbezogen. So sind die Bezeichnungen der Vorstandsressorts durchaus unterschiedlich: Mal ist Einkauf oder Beschaffung, mal Logistik die umfassendere Umschreibung. So wie sich im Absatzmarketing die Distributionslogistik zunehmend verselbstständigt, wird man auch bei der Beschaffungslogistik damit rechnen müssen, dass sich hier die zentrale logistische Steuerung der Güterprozesse in einer gebündelten Verantwortung durchsetzen wird. Darauf könnte sich beispielsweise die folgende Aufgabentrennung ergeben (vgl. Abb. 2).

II. Zur Bedeutung des Beschaffungsmarketing


Insb. bei schlechten ökonomischen Umfeldbedingungen sind alle Funktionsbereiche eines Unternehmens gefordert, Beiträge zur Erfolgspotenzialsteigerung zu leisten. Leistungssynergien sind nur bei gemeinsamen Anstrengungen und weniger bei Funktionsbereichsdominanzen erzielbar. Wenn man im Zeit- und Kostenwettbewerb bestehen will, setzt dies nicht nur gleichberechtigtes, sondern auch gleichzeitiges Handeln voraus. Alle jüngeren Schlagworte, die das moderne unternehmerische Verhalten bestimmen sollen (z.B. Lean Management, Just-in-time-planning, Modular Sourcing, Advanced Purchasing) gehen davon aus, dass funktionsbereichsübergreifend um die insgesamt bestmögliche Lösung gerungen wird. Dabei verlässt man die Grenzen des eigenen Unternehmens. Die eigene Produktion muss sich dann dem Kosten- und Leistungswettbewerb konkurrierender Anbieter stellen. Es wird nur noch das hergestellt werden können, was andere nicht besser oder billiger herstellen könnten. Dies führt zur bekannten Make-or-Buy-Entscheidung (zu den Analysekriterien Endler, D. 1992). Inzwischen neigt sich die Waagschale stark zugunsten der Buy-Entscheidungen. Die eigene Wertschöpfung nimmt ab, der Beschaffungsanteil am Umsatz wächst beträchtlich, um die Spezialisierungsvorteile auf den Weltmärkten nutzen zu können. Hinzu kommt der unmittelbare Gewinneinfluss. Senkt man z.B. die Beschaffungskosten um lediglich 1% beim Beschaffungsanteil am Umsatz von 60% und einer bisherigen Umsatzrendite von 3%, entspricht das einem Gewinnwachstum von 20%. Durch neue, integrative Beschaffungskonzepte sind deutlich höhere Kostenreduktionen möglich, ohne dass dabei die Fairness des Austausches auf der Strecke bleiben müsste.
Beschaffungsmarketing
Abb. 2: Zur Struktur und Abgrenzung von Beschaffungsmarketing und Logistik
Neben der Kosten-/Leistungsperspektive spielen bei den Globalisierungsüberlegungen auch die Fragen der Marktschaffung und -erhaltung sowie der Ausgleich des Währungsrisikos eine zunehmende Rolle. Vielfach sind Lieferanten gleichzeitig Kunden. Dann kann man vernetzen. Und das Währungsrisiko lässt sich vermindern, wenn die jeweiligen Zahlungsströme ausgeglichen sind. Diese höhere Bedeutsamkeit der Beschaffung erzwingt andere Anforderungsprofile für die Mitarbeiter. Die Akademisierung wächst. Mehrere Großunternehmen stellen nur noch Hochschulabgänger im Beschaffungsbereich ein.

III. Zum Planungsprozess


Neben der bekannten Struktur betriebswirtschaftlichen Handelns mit den Phasen Planung, Realisation und Kontrolle (Kosiol, E. 1966) interessieren hier die Aspekte der funktionsbereichsinternen und der vernetzenden Planungsstruktur. Der Prozess als Folge strukturierter Planungsschritte erleichtert das Denken in Zusammenhängen. Der beschaffungsinternen Planungsstruktur wenden wir uns im nächsten Abschnitt zu, sodass wir uns hier auf die übergreifenden Aspekte konzentrieren wollen.
Entsprechend dem Ausgleichsgesetz der Planung (Gutenberg, E. 1983) wird die unternehmerische Planung im Wettbewerbssystem i.d.R. mit Überlegungen beginnen, die am Engpass des Absatzes orientiert sind. In Boomsituationen können das auch andere Bereiche sein. Es wäre allerdings falsch, die jeweils anderen Funktionsbereiche auf die reine Aufgabenerfüllung zu reduzieren. Im Lean Management werden die Überlegungen des Projektmanagements aktualisiert. Um im Zeit- und Kostenwettbewerb zu bestehen, müssen die Problementdeckungs- und Problemlösungsaufgaben gemeinsam angegangen werden. Das führt zu internen Funktionskooperationen. Sie werden im Unternehmen nur akzeptiert, wenn alle Beteiligten professionelle Lösungen beisteuern.
Neben die interne wird die externe Funktionskooperation treten müssen. Man wird den unternehmensübergreifenden Optimierungsüberlegungen unabhängig von der Machtsituation dadurch näher kommen, dass man dem Buying Team ein gleichqualifiziertes Selling Team gegenüberstellt.
Nimmt man den Gedanken des Modular (System) Sourcing ernst, dann können sich diese Vernetzungen auf mehrere Unternehmen der Lieferkette erstrecken. Diese vertikalen Kooperationen können durch horizontale ergänzt werden. Neben den bekannten Produktionskooperationen (der Pkw-Hersteller A stellt gleichzeitig auch Motoren für B her) sind auch Beschaffungskooperationen denkbar. Hier hat der Handel Maßstäbe gesetzt. Bei Normprodukten, Commodities usw. sind durch Mengenbündelungen eventuell Kostendegressionseffekte realisierbar. Horizontale Beschaffungskooperationen stellen in der Industrie noch eher die Ausnahme dar. Einen Strukturüberblick gibt Abb. 3.
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Abb. 3: Zur Prozessstruktur der Beschaffung

IV. Der Prozess des Beschaffungsmarketing


1. Theoretische Bezüge


Ein Prozessmodell muss, soll es alltagstauglich sein, spezifischen Anforderungen genügen. Dies gelingt umso besser, je geschlossener die theoretischen Bezugspunkte sind. Als Modellanforderungen seien hervorgehoben:

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Die Modellvalidität erfasst die Konzentration des Modells auf die entscheidungsrelevanten Parameter in den entscheidungsrelevanten Zusammenhängen. Das Modell muss in der Lage sein, die Mehrzahl der in der Praxis anfallenden Beschaffungsentscheidungen unterstützend zu fällen. Darunter leidet die Modelleleganz; statt einiger weniger müssen vielfältige Wenn-Dann-Beziehungen geprüft werden.

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Die Modellverständlichkeit soll dafür Sorge tragen, dass möglichst viele Entscheidungsträger die Struktur des Prozessmodells ohne Schwierigkeiten nachvollziehen können.

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Die Modellreliabilität soll sicherstellen, dass die modellinduzierten Entscheidungen bei gleichen Bedingungen zu gleichen Ergebnissen führen. Zumindest soll das Modell für Entscheidungstransparenz sorgen.

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Die Problemlösungsorientierung des Modells soll dem allgemeinen Problemlösungsdenken nahe kommen, um die Modellbenutzung zu erleichtern.


Die Austauschprozesse in und zwischen Unternehmen ermöglichen mehrere theoretische Bezugspunkte. Aus der behavioristischen Theorie der Unternehmung (Simon, H. A. 1955; March, J. G./Simon, H. A. 1958; Cyert, R. M./March, J. G. 1963) hat sich die Koalitionstheorie mit der Einbindung des Unternehmens in die Umwelt (Pfeffer, J./Salancik, G. 1978) entwickelt. Sie bildet die Grundlage der Anreiz-Beitrags-Theorie. Eine Austauschbeziehung wird nur so lange für beide Seiten befriedigende Ergebnisse bringen, wie die jeweiligen Anreize den gewünschten Beiträgen entsprechen. Anders ausgedrückt bedeutet das, dass die jeweils gestellten Forderungen entsprechend dem ökonomischen Prinzip dem anderen mit möglichst wenig kostenden Anreizen schmackhaft gemacht werden müssen. Wer nur in den Preisen Anreize sieht, begibt sich vielfältiger weiterer Möglichkeiten. Diese Anreiz-Beitrags-Theorie wird in jüngerer Zeit unter dem Stichwort Unternehmensnetzwerke (Siebert, H. 1991) aufgegriffen. Es werden die Vorteile koordinierter Zusammenarbeit zwischen mehreren rechtlich selbstständigen und formal unabhängigen Unternehmen untersucht. Auf diese Aspekte haben wir bereits in III. hingewiesen. Aus der Verhaltenstheorie lassen sich weitere Theoriebezüge nutzen. Die Gratifikationstheorie (Schanz, G. 1977) trägt zur Klärung von Austauscherfolgen über Belohnungen und Bestrafungen bei. Die Interaktionstheorie (Homans, G. C. 1968) begründet, warum Partnerbeziehungen erfolgreich sind. Die Konflikttheorie zeigt Probleme der Konfliktbewältigung, die gerade im Beschaffungsmarketing wegen der internen und externen Konfliktsituationen so bedeutsam ist.

2. Zur Modellstruktur


Das folgende Prozess- und Strukturmodell (vgl. Abb. 4), hat sich bisher in der industriellen Praxis bewährt; für den Handel sieht es anders aus (Koppelmann, U. 1993).
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Abb. 4: Ein Prozessmodell der Beschaffung (Quelle: Koppelmann, U. 1993, S. 47)
Die Prozessstruktur orientiert sich am allgemeinen Problemlösungsprozess; sie beginnt mit der Analyse der Ausgangssituation und schließt, bezogen auf ein Beschaffungsobjekt, mit der Kontrolle. Fasst man dies als einen iterativen Prozess auf, müssen Stufenrückschritte unterstellt werden.
Für die jeweiligen Phasen (Prozessstufen) müssen Instrumente und Methoden entwickelt werden, welche zum Vollzug des ökonomischen Prinzips beitragen. In der Bedarfsanalyse stehen Methoden, in der Lieferantenverhandlung eher Instrumente im Vordergrund. Bezogen auf den jeweiligen Arbeitsschritt muss geprüft werden, welche Erkenntnisse zu welchem Instrumental- bzw. Methodeneinsatz führen. Vergleicht man die Möglichkeiten mit den in der Praxis realisierten, so fällt eine Konzentration auf wenige Instrumente und Methoden auf. Das liegt weniger daran, dass bestimmte Instrumente und Methoden nichts taugen, sondern eher daran, dass sie unbekannt sind. Das phasenweise Prüfen dient der Vorbereitung von Entscheidungen. Beschaffungsentscheidungen können merkmalgeleitet erfolgen. Merkmale als Wenn-Bedingungen legen die Auswahl von Dann-Handlungen fest. Folgt man dem im Absatzmarketing bekannten Commodity Approach (Koppelmann, U. 2003), dann sind spezifische Bedingungen auch im Beschaffungsbereich denkbar. Ausgehend von sehr viel umfangreicheren Merkmalen (Scherer, J. 1991) hat sich in weiteren Praxistests die folgende Struktur als ausreichend erwiesen (vgl. Abb. 5).
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Abb. 5: Entscheidungsmerkmale
In den jeweiligen Unternehmen wird man aus diesem Pool die Merkmale auswählen, die man für unternehmenscharakteristisch hält. Die ausgewählten Merkmale bilden den Bedingungsrahmen, der dann als Entscheidungsmatrix das Handeln in der jeweiligen Phase bestimmt.
Um über die relevanten Entscheidungsgrundlagen zu verfügen, sind Informationen notwendig. Es kann sich um unternehmensinterne (z.B. aus dem Rechnungswesen) oder um unternehmensexterne Informationsquellen handeln. Der externe Bereich lässt sich auch mit Beschaffungsmarktforschung beschreiben. In der gebotenen Kürze sollen nun einige Phaseninhalte angedeutet werden.

3. Situationsanalyse


Beschaffungsüberlegungen beginnen meist mit der Bedarfsfeststellung. Dass die Bedarfsermittlung vor einem unternehmensspezifischen Hintergrund erfolgt, wird häufig übersehen.

a) Beschaffungskonstellationen


Wie bereits die Planungsaussagen zeigten, folgen isolierte Tätigkeitsüberlegungen eines Funktionsbereichs nicht unbedingt dem ökonomischen Prinzip. Somit liegt es nahe, mit übergreifenden Überlegungen zu beginnen. Konstellationen können planungserleichternde oder -erschwerende Umfeldbedingungen für die Beschaffungsentscheidungen bilden. Sie können plötzlich oder langsam eintreten. Ökonomisches Planen sollte dazu beitragen, dass überraschende Beschaffungsbindungen, die den Planungsfluss stören, vermieden werden. Somit ist eine Konstellationsprognose unumgänglich. Beschaffungsrelevant sind absatzmarkt-, beschaffungsmarkt-, umfeld- und unternehmensbedingte Konstellationen. In den meisten Fällen kann nur reagiert werden. Besonders interessant sind die Konstellationen, die durch adäquates Beschaffungshandeln eine Vermeidung unerwünschter Bedingungen ermöglichen.
Konstellationsauswirkungen können Leistungs-, Mengen-, Preis-, Zeit- und Ortsänderungen sein. Um sie zu vermeiden (proaktiv) oder zu bewältigen (reaktiv), kann man eine Ziel- und Strategieanpassung oder/und eine Bedarfsanpassung oder/und einen Märkte- und Lieferantenwechsel oder/und eine Anpassung der beschaffungspolitischen Instrumente vornehmen.

b) Ziel- und Strategieüberlegungen


Vor dem Hintergrund der unternehmensrelevanten Konstellationen muss entschieden werden, welche Ziele und Strategien für die nächste Planperiode gelten sollen. Als Beschaffungsziele kommen insb. vor:

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Beschaffungskosten senken;

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Beschaffungsqualität (-leistungen) steigern;

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Beschaffungssicherheit erhöhen;

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Beschaffungsflexibilität steigern.


Da sich die Ziele konfliktär zueinander verhalten, wird man Zieldominanzen für die nächste Planperiode festlegen müssen – weitere Ziele können dann als Nebenbedingungen berücksichtigt werden. Aus den Zielen als geplanten Endzuständen pro Zeitintervall lassen sich Strategien als pro Zeitintervall konstante, durch eine gemeinsame Idee zusammengefügte Maßnahmenbündel ableiten. Diese Strategien bieten vielfach den Aufhänger für die neuere Erfolgspotenzialdiskussion. Anhaltspunkte für mögliche Strategien können Abb. 6 entnommen werden.
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Abb. 6: Bedeutsame Beschaffungsstrategien (in Anlehnung an Koppelmann, U. 1993)
Die Strategien sind einzeln oder kombiniert wählbar (zu den verschiedenen Strategien vgl. Koppelmann, U. 2004). So findet die Entwicklungskooperation als eine Variante des Forward Sourcing statt. System Sourcing wird im Regelfalle mit Single Sourcing verbunden usw.

c) Potenzialanalyse


Bevor gehandelt wird, muss geklärt sein, in welchen Handlungsgrenzen man sich bewegt. Dazu muss das Potenzial-Ist (z.B. Personal-, Organisations-, Sach-, Finanz-, Image-, marktbezogenes Planungspotenzial) gemessen werden. Im Regelfall ist diese Messung kontinuierlich zu wiederholen. Dem Ist wird das entscheidungsspezifische Soll gegenübergestellt; bei Potenzialdefiziten muss geprüft werden, ob es sich lohnt, eine Potenzialerweiterung vorzunehmen.

4. Bedarfsanalyse


Ein zentraler Punkt des Beschaffungsmarketing ist die Bedarfsanalyse. Noch so gute Verhandlungen können keine Fehler in dieser Prozessstufe ausgleichen. Gemeinsam mit allen am Entscheidungsprozess für ein neues Produkt Beteiligten muss geklärt werden, wie eine Bedarfsoptimierung erzielt werden kann. Und im Rahmen der Strategie des Forward Sourcing  (Advanced Purchasing) kann man sich dann auch noch um eine Optimierung mit den Lieferanten und beim System Sourcing sogar noch mit den Vorlieferanten kümmern. Dieses wertkettenorientierte Optimierungsverhalten kann durch Formen des Projektmanagements, durch Gruppen- oder Teamarbeit gelöst werden. Für die effektive Teamarbeit wurde ein entscheidungsunterstützendes Handlungssystem entwickelt, das computerfähig ist. Ausgehend von einem umfangreichen Bedarfsanforderungspool wird in dem jeweiligen Unternehmen geprüft, mit welchen Bedarfsanforderungen dort im Regelfall zu rechnen ist. Dies wird mit allen beteiligten Abteilungen geklärt. Die einzelnen Anforderungen lassen sich abteilungsspezifisch differenzieren. Sie werden in der konkreten Situation gespiegelt am erwarteten Leistungsvermögen des Lieferanten. Im Prinzip stellen die für wichtig gehaltenen Anforderungen ein KO-Kriterium für die Lieferantenauswahl dar. Abb. 7 zeigt, welchen Einfluss einige Wenn-Bedingungen auf das Zutreffen und die Intensität der Bedarfsanforderungen haben (x1 = sehr wichtig; x2 = bedeutsam; x3 = wünschenswert).
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Abb. 7: Zur Abhängigkeit von Bedarfsanforderungen (in Anlehnung an Koppelmann, U. 1993)

5. Beschaffungsmarktanalyse


Wer von Global Sourcing spricht und nicht gleichzeitig ein Analyseinstrumentarium für die Marktanalyse entwickelt, wird Probleme bekommen. Hier fließen Aktivitäten der Marktfeldbestimmung und Methoden der Marktforschung zusammen. Die Beschaffungsmärkte lassen sich durch Leistungsmerkmale (Arbeits-, Management-, Logistik-, Kommunikations-, Kapital- und Staatsleistungen sowie Technologie), durch Kostenmerkmale (Arbeits-, Produktionsmittel-, Logistik-, Kapital-, Umweltschutz- und Staatskosten) und durch Risikomerkmale (z.B. politische und ökonomische Instabilität) charakterisieren. Hinzu kommt die jeweilige Marktstellung des Beschaffers und des Lieferanten.
Neben diesen allgemeinen Märkteinformationen geht es bei der Beschaffungsmarktforschung auch um die Gewinnung von Informationen über die Leistungen und Anforderungen des Lieferanten sowie um Informationen über Lieferer- und Beschafferkonkurrenten. Die jeweiligen Informationsblöcke erfordern unterschiedliche Methodenschwerpunkte.

6. Lieferantenanalyse


Lieferanten und Märkte sind eng verzahnt; aus den Märkten ergeben sich potenzielle Lieferanten. Sie sind in diese Märkte als Datenkranz eingebunden. Die Lieferantenauswahl lässt sich in einem Trichtermodell abbilden (Abb. 8).
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Abb. 8: Trichtermodell bei der Lieferantenauswahl
Der Auswahlprozess beginnt mit der Identifikation möglicher Lieferanten. Die interessantesten werden um eine strukturierte Selbstauskunft gebeten. Die Analyse führt zu einer weiteren Eingrenzung. Die verbliebenen Lieferanten werden im Einzelnen daraufhin geprüft, ob sie die gestellten Bedarfsanforderungen erfüllen können. Ebenfalls wird eruiert, welche Anforderungen der Lieferant stellen könnte, um dann zu überlegen, ob und wie man sie in den späteren Lieferantenverhandlungen erfüllen könnte.
Diese eher statische Betrachtung wird ergänzt um eine dynamische Bewertung. Heute noch ungeeignete Lieferanten können durch Entwicklungsmaßnahmen befähigt werden, morgen geeignet zu sein. Dies ist eine Teilaufgabe des Supplier-Relationship-Management (SRM).

7. Lieferantenverhandlung


Wenn sich das Buying Team mit dem Selling Team trifft, werden die absatzpolitischen Instrumente mit den beschaffungspolitischen gekreuzt. Man kann von den in Abb. 9 genannten beschaffungspolitischen Instrumenten ausgehen.
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Abb. 9: Zur Struktur der Beschaffungspolitischen Instrumente
Die Instrumente (Produktpolitik usw.) werden von Variablen (z.B. Produktentwicklungspolitik) getragen. Auf der darunter liegenden Abstraktionsebene befinden sich die Variablenausprägungen (z.B. Eigen-, Lieferanten-, Partner-, Dritt-, Neu-, Weiterentwicklung). Auf der Ebene der hier nicht näher dargestellten Variablenausprägungen finden die Lieferantenverhandlungen aus Beschaffersicht statt. Das Beschaffungsmix wird von der Ambivalenz des Forderungs-Anreiz-Charakters der Variablenausprägungen beeinflusst. Wir greifen auf die geschilderte Anreiz-Beitrags-Theorie zurück. So kann die Lieferantenentwicklung sowohl eine Forderung sein, wenn z.B. die eigenen Kapazitäten ausgelastet sind oder der Lieferant über eine bessere Kapazität verfügt. Sie kann ein Anreiz sein, wenn die Lieferantenkapazität nicht ausgelastet ist und wenn sich der Lieferant eine auf seine Produktionsmöglichkeiten zugeschnittene Entwicklung verspricht.
Wie in allen anderen Phasen, so ist auch hier wieder die Möglichkeit gegeben, eine Variablenauswahl nach entscheidungsrelevanten Bedingungen vorzunehmen. Dieses computergestützte Entscheidungsprotokoll schafft Transparenz und führt zu mehr Personenunabhängigkeit. In kurzer Zeit sind systematische Entscheidungen hoher Reliabilität erzielbar.

8. Beschaffungskontrolle


Kontrolle ist zur Steuerung notwendig. Kontrollergebnisse können dazu beitragen, dass Handlungen beibehalten werden (Soll-Ist-Gleichheit) oder verändert werden müssen (Soll-Ist-Differenz). Das führt über Lerneffekte zur Handlungsoptimierung und zur Tätigkeitsmotivation. Für die Beschaffungskontrolle eignen sich insb. Kennzahlen. Wichtig ist, dass die zu ermittelnden Kennzahlen vor dem Beschaffungshandeln festgelegt werden – die Testbedingungen müssen jedem bekannt sein – und dass durch Datenreduktion die steuernde Nutzung sichergestellt wird. Ansatzpunkte für Kontrollkennzahlen können sich aus dem Bedarf, den Zielen und den Instrumenten ergeben.

9. Beschaffungsinformation


Tragfähige Entscheidungen basieren auf entscheidungsrelevanten Informationen. Die Beschaffungsmarktforschung liefert vorrangig Ist-Informationen über Märkte, Lieferanten und Konkurrenten. Die strategische Früherkennung konzentriert sich auf die Früherkennung.
Literatur:
Berg, C. C. : Beschaffungsmarketing, Würzburg et al. 1981
Cyert, R. M./March, J. G. : A Behavioral Theory of the Firm, Englewood Cliffs/N.J. 1963
Endler, D. : Produktteile als Mittel der Produktgestaltung, Köln 1992
Glantschnig, E. : Merkmalsgestützte Lieferantenbewertung, Köln 1994
Gutenberg, E. : Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1: Die Produktion, 24. A., Berlin et al. 1983
Hammann, P./Lohrberg, W. : Beschaffungsmarketing, Stuttgart 1986
Homans, G. C. : Theorie der sozialen Gruppe, 3. A., Köln et al. 1968
Koppelmann, U. : Beschaffungsmarketing, Heidelberg et al. 1993
Koppelmann, U. : Beschaffungsmarketing, 4. A., Heidelberg et al. 2004
Koppelmann, U. : Produktmarketing, 6. A., Heidelberg et al. 2001
Kosiol, E. : Die Unternehmung als wirtschaftliches Aktionszentrum, Reinbek bei Hamburg 1966
Lippmann, H. : Beschaffungsmarketing, Bielefeld et al. 1980
March, J. G./Simon, H. A. : Organization, New York 1958
Nieschlag, R./Dichtl, E./Hörschgen, H. : Marketing, 16. A., Berlin 1991
Pfeffer, J./Salancik, G. : The External Control of Organization, New York 1978
Schanz, G. : Grundlagen der verhaltenstheoretischen Betriebswirtschaftslehre, Tübingen 1977
Scherer, J. : Zur Entwicklung und zum Einsatz von Objektmerkmalen als Entscheidungskriterien in der Beschaffung, Köln 1991
Siebert, H. : Ökonomische Analyse von Unternehmensnetzwerken, in: Managementforschung, Bd. 1, hrsg. v. Staehle, H./Sydow, J., Berlin et al. 1991, S. 291 – 311
Simon, H. A. : A Behavioral Model of Rational Choice, in: QJE, 1955, S. 99 – 118
Staehle, W. H./Sydow, J. : Managementforschung, Bd. 1, Berlin et al. 1991 –

 

 


 

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