A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
wirtschaftslexikon wirtschaftslexikon
 
Wirtschaftslexikon Wirtschaftslexikon

 

wirtschaftslexikon online lexikon wirtschaftslexikon
   
 
     
wirtschaftslexikon    
   
    betriebswirtschaft
     
 
x

Deferred Compensation


Inhaltsübersicht
I. Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
II. Motive und Funktionen
III. Die rechtlichen Rahmenbedingungen
IV. Vorteile aus Mitarbeitersicht
V. Arbeitnehmerfinanzierter Vorruhestand
VI. Bewertung

I. Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen


In den USA werden Deferred Compensation-Modelle verstärkt seit mehr als 30 Jahren praktiziert. Bei diesen Modellen kann der Mitarbeiter in unterschiedlichen Planvarianten beeinflussen, ob gewisse Teile seiner Gesamtvergütung in eine aufgeschobene Vergütung (Deferred Compensation) umgewandelt werden sollen. Sie eröffnen dem Arbeitnehmer durch sog. Cash or Deferred Arrangements (CODAs) unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, durch eine Minderung künftiger Gehaltszahlungen (salary reduction payment) Teile seiner Gesamtvergütung der betrieblichen Altersversorgung im Rahmen eines sog. „ qualified benefit plan “ (401(k)-plans) zuzuweisen und damit die Besteuerung der umgewidmeten Bezügeteile auf den Zeitpunkt der Auszahlung als Versorgungsbezug zu verlagern (vgl. Spengel, /Schmidt,  1997, S. 147 ff.)
Die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung fallen in den Vereinigten Staaten weit geringer aus als in Deutschland. Dort spielt der Aspekt der Altersversorgung bei Deferred Compensation daher zwar die größte Rolle, jedoch finden sich auch weitergehende Gestaltungsmöglichkeiten. So kann der Anlass der Verschiebung der Gehaltszahlung z.B. in der Lebensplanung, etwa für den Lebensunterhalt während eines Langzeiturlaubs (Sabbaticals), oder in der Familienplanung liegen, indem Barvergütung bis zu dem Zeitpunkt aufgeschoben wird, in dem ein Ehepartner wegen der Kindererziehung nicht mehr berufstätig sein will.
Seit Anfang der neunziger Jahre wurden auch in Deutschland Modelle zur Umwandlung von Barlohn in Versorgungslohn entwickelt. Diese folgen einer Grundkonzeption: Der Mitarbeiter verzichtet einmalig, mehrmalig oder laufend auf einen Teil seiner – zukünftigen – Entgeltansprüche und erhält dafür von seinem Arbeitgeber eine wertgleiche betriebliche Altersversorgung. Der aufgeschobene Betrag muss erst mit dem Eintritt des Versorgungsfalles – Erreichen der Altersgrenze, Invalidität oder Tod – vom Arbeitnehmer versteuert werden. Bis dahin ist eine anderweitige Verfügung grundsätzlich ausgeschlossen. Während der Anwartschaftsphase wird der aufgeschobene Entgeltanteil zu einem individuell vereinbarten Satz verzinst, wobei auch die Zinsen erst im Versorgungsfall besteuert werden. Nach Eintritt in den Ruhestand verringert sich die Steuerbelastung des Arbeitnehmers im Allgemeinen (niedrigere Progressionsstufe, Altersentlastungsbeträge), sodass die dann ausgezahlten Vergütungsbestandteile einschließlich der Zinserträge einer geringeren Abgabenlast unterliegen.
Im Gegensatz zu dem erweiterten Begriff im angelsächsischen Bereich wird im deutschen Sprachraum Deferred Compensation vornehmlich im Zusammenhang mit der Übertragung von Entgeltbestandteilen in bestimmte Formen der betrieblichen Altersversorgung verwendet (vgl. Fink,  1998). Mit der zunehmenden Verbreitung werden nun auch Langzeitarbeitszeitkonten, die auch in Deutschland seit 1998 rechtssicher ein steuerlich vorteilhaftes Ansparen von Arbeitszeit und anderen Entgeltbestandteilen zum Zwecke der späteren Freistellung (Sabbatical, vorgezogener Ruhestand) ermöglichen, unter diesem Begriff subsummiert.
Die verschiedenen Deferred-Compensation-Konzepte wurden z.T. in sog. „ Cafeteria-Systeme “ integriert, die den Mitarbeitern Wahlmöglichkeiten bei der Verwendung ihrer Nebenleistungen gewähren. Hier erweitert man die Optionsmöglichkeiten um eine durch Verzicht auf andere Vergütungsbestandteile finanzierte Pensionszusage oder ein sog. Zeitwertguthaben (siehe auch Abschnitt V).

II. Motive und Funktionen


Trotz mehrfacher Reformen ist es dem Staat nicht gelungen, die rapide abnehmende Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung aufzuhalten. Damit wächst die Versorgungslücke zwischen Einkommen in der Aktivitätsphase und der Altersrente. Angesichts der in Deutschland bereits relativ hohen Lohnnebenkosten sind die Arbeitgeber jedoch allein aus Wettbewerbsgründen kaum noch bereit, zusätzliche Mittel für Betriebsrenten einzusetzen. Vielmehr sehen sich die Unternehmen heute eher in der Situation, den Aufwand für betriebliche Altersversorgung einschränken zu wollen und ziehen sich von risikobehafteten Systemen, wie z.B. einer Gesamtversorgung, zurück.
Hier bietet Deferred Compensation als arbeitnehmerfinanzierte Altersversorgung eine interessante Alternative. Dieses Modell erlaubt den Unternehmen, mit geringen Kosten neue und effizientere Wege in der Entgeltpolitik zu gehen. Den Mitarbeitern, vor allem Führungskräften, kann damit eine äußerst attraktive und rentable Möglichkeit angeboten werden, entsprechend der individuellen Bedarfssituation den Lebensstandard auch im Alter aufrechtzuerhalten und gleichzeitig sich und die Familie bei Invalidität oder Tod abzusichern. Dadurch wird die Position des Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt gestärkt und die Bindung wichtiger Mitarbeiter erleichtert. Risiken für das Unternehmen können im Wesentlichen daraus entstehen, dass durch die Langfristigkeit der Festlegung das erteilte Versorgungsversprechen nicht aus dem Verzichtsbetrag erwirtschaftet werden kann. Dieser Fall tritt z.B. dann ein, wenn die vom Unternehmen erzielte tatsächliche Verzinsung des Gehaltsverzichtes niedriger ist als die dem Mitarbeiter garantierte. Bei einer sog. beitragsorientierten Zusage entfällt dieses Risiko weitgehend.
Auch dem Staat sind die gesamtgesellschaftlichen Vorteile dieser Kombination von persönlicher und betrieblicher Vorsorge deutlich geworden. Daher fördert er bereits seit Mitte der neunziger Jahre diese Modelle, indem er die rechtlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf die steuerlichen, sozialversicherungsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Aspekte schafft.

III. Die rechtlichen Rahmenbedingungen


1. Rechtsgrundlagen


Diese Konzepte zur „ Umwandlung von Barlohn in Versorgungslohn “ ließen sich anfangs in Deutschland – im Gegensatz zu den USA – nur vereinzelt realisieren. Grund dafür war meist die mit Rechtsunsicherheiten behaftete Entscheidungspraxis der Finanzverwaltung im Hinblick auf die (lohn-)steuerliche Behandlung der Umwandlungsmodelle. Durch einen Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 15.05.1995 (S 2332 – 75 – V B 3), der im Einvernehmen mit dem BMF und den obersten Finanzbehörden der anderen Bundesländer erging, wurde 1995 diese Rechtsunsicherheit beseitigt.
Ein wichtiger Schritt erfolgte innerhalb der Reform des „ Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung “ (BetrAVG) zum 01.01.1999, durch die die ausdrückliche Anerkennung von Deferred Compensation als eine Form der betrieblichen Altersversorgung und eine grundsätzliche Regelung vieler arbeitsrechtlicher Aspekte erreicht wurde. Zur Förderung einer zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge wurde am 11.05.2001 das Altersvermögensgesetz (AVmG) verabschiedet, das am 01.01.2002 in Kraft trat. Damit waren grundlegende Veränderungen in der betrieblichen Altersversorgung verbunden, die im Hinblick auf Durchführungwege, Unverfallbarkeit, Umwandlungsanspruch und bilanzieller Erfassung auch den Bereich Deferred Compensation betreffen.
Zum 01.01.2005 schließlich trat das Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) in Kraft, mit dem die vom Verfassungsgericht geforderte nachgelagerte Besteuerung, d.h. die Steuerfreiheit der Vorsorgeaufwendungen, auch für die betriebliche Altersversorgung durchgesetzt wurde. Damit ist vor allem die Abschaffung der Pauschalbesteuerung der Beiträge zur Direktversicherung und zur Pensionskasse zugunsten höherer steuerbefreiter Beiträge verbunden. Im Gegenzug werden die unterschiedlichen Vorteile bei der Auszahlung der Versorgungsbezüge in den verschiedenen Durchführungswegen bis zum Jahr 2040 sukzessive beseitigt, also Deferred Compensation in reiner Form verwirklicht.
Zur Klärung der bei den Gesetzesnovellierungen offengelassenen Fragen wurden vom BMF verschiedene Schreiben veröffentlicht (hierbei ist vor allem das umfassende BMF-Schreiben vom 17.11.2004 [BStBl. I S. 1065] zu nennen).

2. Durchführungswege und Entgeltumwandlungsanspruch


Gemäß § 1a Abs. 1 Satz BetrAVG steht jedem Arbeitnehmer ab dem Jahre 2002 der Anspruch auf Deferred Compensation in der Weise zu zu, dass von seinem Gehalt bis zu maximal 4% der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung für die betriebliche Altersversorgung eingesetzt wird. Die Vorteile basieren u.a. darauf, dass die Versorgungszusage, die im Gegenzug zum Gehaltsverzicht gewährt wird, als solche noch keinen lohnsteuerpflichtigen Zufluss eines geldwerten Vorteils begründet. Vielmehr sollen erst die Leistungen aus dem Versorgungsversprechen bei Auszahlung besteuert werden. Ein Zufluss wird unabhängig von der Höhe des Gehaltsverzichtes nicht angenommen, wenn die Versorgungszusage als Direktzusage gemäß § 1 b Nr. 1 BetrAVG oder über eine Unterstützungskasse erfolgt. Demgegenüber wird grundsätzlich ein lohnsteuerpflichtiger Zufluss dann angenommen, wenn der Arbeitgeber für die Altersversorgung des Mitarbeiters Beiträge an eine externe Versorgungseinrichtung leistet, die dem Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf Versorgung gewährt, wie z.B. ein Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung. Im Rahmen des AVmG hat der Gesetzgeber jedoch eine Steuerbefreiung für Beiträge des Arbeitgebers an Pensionsfonds und Pensionskassen über § 3 Nr. 63 EStG auch für die Entgeltumwandlung ermöglicht, jedoch nur bis zu einer Höhe von 4% der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung. Im AltEinkG wurde diese Möglichkeit ab 2005 auch auf den Durchführungsweg der Direktversicherung ausgeweitet und gleichzeitig für die drei Durchführungswege der steuerfreie Höchstbetrag auf einen Festbetrag in Höhe von 1.800 Euro aufgestockt. Innerhalb dieser Grenze stehen daher auch diese drei Durchführungswege für Deferred Compensation zur Verfügung.

3. Grundlegende vertragliche Regelungen


Deferred Compensation besteht in einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Unternehmen und Mitarbeitern, für künftige Perioden des Arbeitsverhältnisses den Anspruch des Arbeitnehmers auf Barlohn zu reduzieren und zum Ausgleich dazu eine wertgleiche betriebliche Pensionszusage zu erteilen.
Damit sind unabhängig vom gewählten Durchführungsweg drei Vertragsbestandteile unverzichtbar (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 und 4 BetrAVG):

-

Die vertragliche Vereinbarung zur Herabsetzung der Barbezüge für künftige, vertraglich noch regelbare Abschnitte des Arbeitsverhältnisses;

-

die Absicherung mindestens eines biometrischen Risikos, also Erreichen der Altersgrenze, Tod oder Invalidität (vgl. o.g. BMF-Schreiben vom 17.11.2004), um als „ betriebliche Altersversorgung “ anerkannt zu werden;

-

die Begründung einer „ wertgleichen Anwartschaft “ .


Geschäftsgrundlage für Deferred Compensation ist der vertragliche Austausch eines Wertäquivalentes zwischen Bar- und Versorgungslohn, d.h. der Gesamtvergütungsrahmen soll unverändert bleiben. Nach dem o.g. BMF-Schreiben ist eine Gehaltsumwandlung auch dann als betriebliche Altersversorgung anzuerkennen, wenn die Vereinbarung außerhalb versicherungsmathematischer Äquivalenz eine nach billigem Ermessen näherungsweise Wertgleichheit aufweist. So kann z.B. als Leistung im Todesfall mindestens der Verzichtsbetrag zuzüglich einer bis dahin erzielten Verzinsung als „ wertgleich “ gelten. Die Zahlungsweise der Altersversorgungsleistungen – lebenslange Renten, befristete Zahlung oder Einmalzahlung – ist für die steuerliche Beurteilung des zugunsten der betrieblichen Altersversorgung herabgesetzten künftigen Arbeitslohnes unerheblich.
Damit ist für die Lohnsteuerfreiheit weiterhin notwendig, in der Vertragsgestaltung sicherzustellen, dass nicht bereits erhaltene Vergütungen wiedereingezahlt werden oder bereits erdiente Lohnansprüche im Unternehmen verbleiben. Geeignet scheint die aufgeschobene Vergütung daher besonders dann, wenn sie anstelle von variablen Vergütungsanteilen, wie z.B. Tantiemen, Boni oder Prämien vereinbart wird. Die Herabsetzung von Arbeitslohn zu Gunsten der betrieblichen Altersversorgung wird allerdings aus Vereinfachungsgründen auch dann als Entgeltumwandlung steuerlich anerkannt, wenn die Gehaltsänderungsvereinbarung bereits erdiente, aber noch nicht fällig gewordene Anteile umfasst. wie dies z.B. bei der Umwandlung eines 13. Monatsgehaltes im November eines Jahres zutrifft.

4. Sozialversicherung


Da der sozialversicherungsrechtliche Begriff des Arbeitsentgelts eigenständig und vom Steuerrecht unabhängig ist (BSG-Urteil vom 08.11.1989, 1 RA 21/88), folgt aus der Lohnsteuerfreiheit der Verzichtsbeträge nicht gleichzeitig eine Sozialversicherungsfreiheit. Entgeltumwandlungsbeträge zum Zweck des Deferred Compensation sind ab dem 01.01.2002 nur noch bis zur Höhe von 4% der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung sozialversicherungsfrei, unabhängig davon, um welchen der genannten Durchführungswege es sich handelt (vgl. §14 SGB IV in Verbindung mit § 115 SGB IV sowie § 2 Abs. 2 Nr. 5 AEnV). Diese Sozialversicherungsfreiheit ist bis zum 31.12.2008 befristet. Der ab 2005 geltende zusätzliche steuerfreie Festbetrag von 1.800 Euro ist jedoch nicht sozialabgabenfrei.

5. Bilanzielle Behandlung


Auf der Unternehmensseite ist Deferred Compensation betriebswirtschaftlich nur dann sinnvoll, wenn der Mehrgewinn als Folge der Minderlohnzahlung und die dadurch entstehende Ertragssteuermehrbelastung durch entsprechende Betriebsausgaben zur Finanzierung der übernommenen Versorgungsverpflichtung wieder kompensiert werden können.
Die Zuwendungen des Arbeitgebers an Pensionsfonds, Pensionskassen, Direktversicherungen und an (rückgedeckte) Unterstützungskassen stellen Betriebsausgaben des Unternehmens dar, die unmittelbar vom Betriebsgewinn abgezogen werden können. Eine Erfassung in der Bilanz findet hier nicht statt.
Bei der Direktzusage dagegen müssen Pensionsrückstellungen gemäß § 6a EStG gebildet werden. Sie sind liquiditätsneutral; die auflaufenden Mittel stehen – sofern sie nicht betriebsextern rückgedeckt sind – bis zur Fälligkeit des Versorgungsanspruches dem Unternehmen zur Verfügung. Die konkrete Höhe der Pensionsrückstellung richtet sich nach dem aus dem Gehaltsverzicht resultierenden Versorgungsversprechen. Diese bemisst sich nach dem sog. Teilwert, muss jedoch mindestens so hoch sein, wie der Barwert der unverfallbaren Versorgungszusage, der mit einem Abzinsungsfuß von 6% ermittelt wird. Die Höhe der Pensionsrückstellungen kann somit von der Höhe des Gehaltsverzichtes abweichen, je nachdem, ob zur Ermittlung der Vorsorgungszusage ein geringerer oder höherer Rechnungszinsfuß als der steuerlich vorgeschriebene von 6% angewendet wurde und dadurch zu einer anfänglich höheren oder niedrigeren Steuerlast führen, die sich im Verlauf der Anwartschaftsphase allmählich ausgleicht.

6. Tarifvorbehalt


§ 17 Abs. 5 BetrAVG bestimmt, dass Entgeltansprüche aus einem Tarifvertrag nur dann in betriebliche Altersversorgung umgewandelt werden dürfen, wenn der Tarifvertrag dies vorsieht oder zumindest zulässt. Dabei muss eine Gehaltsverzichtsregelung in einem Flächen- oder Haustarifvertrag nicht unbedingt im Hinblick auf Form und Höhe konkretisiert werden. Vielmehr besteht nach § 4 Abs. 3 TVG die Möglichkeit der Einfügung einer tarifvertraglichen Öffnungsklausel. Diese könnte z.B. vorsehen, dass gewisse Gehaltsbestandteile entweder durch Einzelvertrag oder Betriebsvereinbarung verringert werden dürfen. Dabei können im Tarifvertrag entsprechende Rahmenbedingungen zu einer Umwandlung, wie etwa der Durchführungsweg, festgelegt werden.

IV. Vorteile aus Mitarbeitersicht


Obwohl bei der Vertragsgestaltung einer arbeitnehmerfinanzierten Altersversorgung eine Vielzahl steuer- und arbeitsrechtlicher Regelungen zu beachten ist, handelt es sich aus der Sicht des Arbeitnehmers dabei im Wesentlichen um nichts anderes als eine langfristige Geldanlage. Daher stehen die klassischen Gesichtspunkte Sicherheit und Rentabilität hierbei im Vordergrund.

1. Sicherheit


Unverfallbarkeit der Altersversorgung bedeutet, dass eine Anwartschaft trotz Ausscheidens aus dem Unternehmen erhalten bleibt. Bei Deferred Compensation gibt es für Pensionszusagen, die nach dem 31.12.2000 erteilt wurden, unabhängig vom Durchführungsweg keine Verfallsfristen, sodass ein Unternehmenswechsel keinen Einfluss auf den Bestand der Versorgungszusage hat.
Der Pensionssicherungs-Verein  a.G. (PSV), die gesetzliche Insolvenzsicherungseinrichtung, übernimmt bei unverfallbaren Pensionszusagen einen Insolvenzschutz, sofern die Zusagen als Direktzusagen, über Unterstützungskassen oder Pensionsfonds erfolgen. Pensionskassen benötigen diesen Schutz nicht, da sie durch die Versicherungsaufsicht kontrolliert werden. Allerdings setzt der Schutz bei Zusagen gegen Entgeltverzicht wegen der Sondervorschrift des § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG erst zwei Jahre nach Erteilung der Versorgungszusage ein. Dies gilt nicht für ab 01.01.2002 gegebene Zusagen, soweit bei Entgeltumwandlungen Beträge bis zu 4% der BBG in der Rentenversicherung für eine betriebliche Altersversorgung verwendet werden. Bei der Insolvenzsicherung durch den PSV sind zudem bestimmte Höchstgrenzen zu beachten, die jedoch ausschließlich bei Gehaltsverzichten größeren Umfangs, also im außertariflichen Bereich, zum Tragen kommen.
Die hohe Sicherheit wird noch dadurch vergrößert, dass der Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG verpflichtet ist, auch bei der Wahl einer mittelbaren Versorgungszusage für die Erfüllung des Versorgungsanspruches einzustehen. Diese zusätzliche Sicherung ist vor allem bei den etwas risikoreicheren Pensionsfonds von Bedeutung.

2. Rentabilität


Für den Mitarbeiter zeigt Deferred Compensation durch den Steuerstundungseffekt zwei Vorteile:
Die Gehaltsumwidmung führt zu niedrigen Bezügen und damit zu einer Verringerung der Steuerbelastung. Der umgewidmete Entgeltbestandteil fließt in Form von Versorgungslohn erst im Rentenalter zu. Die Wahrscheinlichkeit, dass dann mit einer niedrigeren Steuerbelastung gerechnet werden kann, ist selbst im Hinblick auf mögliche Steuerreformvorhaben relativ groß.
Während private Eigenvorsorge aus versteuertem Einkommen zu finanzieren ist, werden beim Deferred Compensation die aufgeschobenen Bruttobeträge verzinst. Somit ergibt sich gegenüber alternativen Anlagen ein Zinsvorteil. Dabei ist auch von Bedeutung, dass die Zinsen während der Rückstellungszeit ebenfalls nicht versteuert werden müssen.
Der konkrete Vorteil für den Arbeitnehmer hängt also maßgeblich ab von der Differenz des Steuersatzes bei Aufschub im Verhältnis zum Steuersatz bei Auszahlung der Versorgungsleistung sowie vom kalkulierten Zinssatz, mit dem die aufgeschobenen Beträge über die Jahre verzinst werden.
Aufgrund der steuerlichen Vorteile ist der Wirkungsgrad von Deferred Compensation im Vergleich zur Eigenvorsorge, z.B. über einen Sparvertrag zum gleichen Zinsfuß, im Normalfall deutlich höher. So wird schon bei einer Steuerbelastung von etwa 44,3% bei Entgeltumwandlung und einer Verzinsung des Gehaltsverzichtes von 6% bei einer Laufzeit von 20 Jahren selbst bei einer gleichbleibenden Steuerbelastung im Ruhestand (44,3%) ein Nettovorteil im Vergleich zur Eigenvorsorge mit gleichen Konditionen von mehr als 60% erzielt. Liegt der Steuersatz im Versorgungsfall bei nur 30%, erhöht sich der Vorteil schon auf 109% (vgl. Grawert,  2005).
Da die Rentabilität vom individuellen Grenzsteuersatz und damit von der Höhe des Einkommens abhängt, ist Deferred Compensation für Mitarbeiter in höherdotierten Positionen besonders attraktiv. Hier spielt auch der Tarifvorbehalt keine Rolle und es fallen keine Sozialabgaben an, wenn die Verzichtsbeträge aus einer über der Beitragsbemessungsgrundlage liegenden Vergütung geleistet werden. Daher bieten Unternehmen Deferred Compensation in der klassischen Form über eine Direktzusage fast ausschließlich für Führungskräfte und andere AT-Angestellte an, während für tarifliche Mitarbeiter vor allem die mittelbaren Durchführungswege offen stehen.

V. Arbeitnehmerfinanzierter Vorruhestand


In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre entwickelte sich eine andere Form der „ aufgeschobenen Vergütung “ (vgl. Bursee, 2003). Im Zuge der neuen gesetzlichen Bestimmungen zur Altersteilzeit wollte die Volkswagen AG ihren Mitarbeitern die Möglichkeit schaffen, durch ein „ Ansparen “ von nicht ausgezahlten Bezügen bereits ab dem 55. Lebensjahr mit möglichst geringen Entgelteinbußen aus dem Berufsleben auszuscheiden. Die gegenüber bisherigen Modellen zu „ Arbeitszeit-Konten “ wesentliche Innovation besteht darin, dass die Zeitguthaben in Höhe der anteiligen Bruttobezüge als sog. „ Zeit-Wertpapiere “ verbucht werden. Der Gegenwert dieser Ansprüche wird vom Arbeitgeber bis zum Abruf durch den Arbeitnehmer in Investmentfonds angelegt. Spätestens bis zum Alter von 65 Jahren muss das Zeit-Wertpapier im Rahmen einer solchen Lebensarbeitszeitverkürzung genutzt werden. Zum vereinbarten Abrechnungszeitpunkt wird das individuell angesammelte Guthaben und die bis dahin erreichte Wertentwicklung des Zeit-Wertkontos ermittelt und nach einer festgelegten Formel in Stunden umgerechnet. Daraus ergibt sich der Umfang der durch die Zeit-Werte erworbenen Freistellung. Die gesetzlichen Grundlagen für den arbeitnehmerfinanzierten Vorruhestand wurden im Rahmen des sog. „ Flexi-Gesetzes “ (Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeiten), das zum 01.01.1998 in Kraft trat, geschaffen. Seitdem haben sich Lebensarbeitszeitkonten in vielfältiger Ausgestaltung, häufig mit noch weitergehender flexibler Nutzung der Zeitwertguthaben auch während des Beruflebens, z.B. als Sabbatical oder Kindererziehungsauszeit, in vielen deutschen Unternehmen durchgesetzt.
Arbeitnehmerfinanzierter Vorruhestand und Deferred Compensation basieren grundsätzlich auf der gleichen finanziellen Grundlage, dem teilweisen Gehaltsverzicht des Arbeitnehmers und der nachgelagerten Besteuerung. Trotzdem werden die beiden Modelle in der Praxis als unabhängige Systeme konzipiert. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Systeme aufgrund der unterschiedlichen Historie durch verschiedene gesetzliche Grundlagen geregelt werden, die wesentliche konzeptionelle Unterschiede bedingen (vgl. Grawert,  1999). Dadurch, dass nicht verbrauchte Gehaltsbestandteile aus dem arbeitnehmerfinanzierten Vorruhestand in Form von Deferred Compensation in die betriebliche Altersversorgung überführt werden können, besteht jedoch eine enge Koppelung.

VI. Bewertung


Mit Deferred Compensation und dem arbeitnehmerfinanzierten Vorruhestand ist der Staat dem dringend gebotenen Ziel, eine Plattform für die Stärkung der Eigenvorsorge zu schaffen, deutlich nähergekommen. Für den einzelnen Mitarbeiter ergeben sich eindrucksvolle Vorteile, sofern die Steuersätze in der Auszahlungsphase niedriger oder gleich sind als in der Verzichtsphase. Die Unternehmen verfügen damit über die Möglichkeit, ihren Mitarbeiter motivationale Anreize zu bieten, die in Bezug auf den Gesamtvergütungsrahmen im Wesentlichen kostenneutral sind.
Der Gesetzgeber hat bei der Förderung der Eigenvorsorge über Gehaltsverzichte jedoch eine komplizierte und verwaltungsaufwendige Form gewählt, die die Flexibilität der Systeme einengt und für die Unternehmen (und damit mittelbar auch für die Arbeitnehmer) mit hohen administrativen Kosten verbunden ist. Die in vieler Hinsicht ungleiche Behandlung von Deferred Compensation und arbeitnehmerfinanziertem Vorruhestand ist nicht nur steuersystematisch zu kritisieren (vgl. Ebinger, /Grawert, /Knoll,  2000). Wichtig erscheint es aus systematischer Sicht auch, die gewichtige fiskalische Förderung nicht auf bestimmte Arrangements zu beschränken. Vielmehr müsste der eigenverantwortliche Bürger – nicht nur der Arbeitnehmer – unabhängig von der Art der Kapitalanlage gefördert werden. Gerade im Zeitalter globaler Kapitalmärkte erscheint es aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive zumindest fragwürdig, wenn zur steuerfreien Vereinnahmung von Kapitalerträgen zeitgeistkonform etikettierte Betriebssparkassen zwischengeschaltet werden müssen.
Literatur:
Bursee, M./Grawert, A./Knoll, L. : Nachgelagerte Besteuerung und Entgeltpolitik, Frankfurt a.M. 2003
Ebinger, G./Grawert, A./Knoll, L. : Deferred Compensation, Zeit-Wertpapiere und die (un)einheitliche Kalibrierung fiskalischer Schlupflöcher in: StuB, H. 19/2001, S. 986 – 991
Fink, W. : Betriebliche Altersversorgung als Vergütungsbestandteil, Wiesbaden 1998
Grawert, A. : Vorruhestand oder Altersversorgung? Ein Vergleich arbeitnehmerfinanzierter Modelle, in: Personal, H. 8/1999, S. 396 – 402
Grawert, A. : Das System der betrieblichen Altersversorgung in Deutschland, in: Handbuch des Entgeltmanagements hrsg. v. Zander, E./Wagner, D., München 2005, S. 181 – 206
Grawert, A./Knoll, L. : Das VW Zeit-Wertpapier – Modell des arbeitnehmerfinanzierten Vorruhestands und der Altersteilzeit, in: Personalwirtschaft, H. 6/1999, S. 63 – 68
Spengel, C./Schmidt, F. : Betriebliche Altersversorgung, Besteuerung und Kapitalmarkt, Baden-Baden 1997

 

 


 

<< vorhergehender Begriff
nächster Begriff >>
defensives Dumping
 
deficit spending