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Kapitalmarktinformation


Inhaltsübersicht
I. Das Paradigma informationseffizienter Kapitalmärkte
II. Information und Regulierung
III. Kapitalmarktanomalien und Informationseffizienz

I. Das Paradigma informationseffizienter Kapitalmärkte


Über Jahrzehnte beherrschte das Paradigma rationaler Erwartungsbildung die ökonomische Theorie. Danach benutzen rationale Akteure alle zur Verfügung stehenden Informationen, um Erwartungen über zukünftige Realisationen von ökonomischen Variablen, z.B. Preise, zu bilden. Aus der Rationalitätsannahme folgt, dass diese Erwartungen effizient sind, d.h. die Abweichungen zwischen Erwartungswert und Realisation sind nicht systematischer, sondern lediglich zufälliger Natur. Dies gilt deshalb, weil die hier beschriebene Form der Erwartungsbildung voraussetzt, dass ihren Nutzen maximierende Individuen ihre Erwartungsbildung so lange zu verbessern trachten, wie sich daraus ein Vermögensvorteil ergeben könnte. Allerdings weisen verschiedene Autoren darauf hin, dass eine rationale Erwartungsbildung Lerneffekte bei den Marktteilnehmen voraussetzt, weshalb rationale Erwartungen insbesondere auf Märkten mit häufiger Preisfestsetzung zu erwarten sind. Dort kommt es zu Feedbackschleifen, die es den Akteuren ermöglichen, ihre Erwartungsbildung zu verbessern (vgl. z.B. Sargent, Thomas J. 2006).
Zu den wichtigsten Anwendungen dieses Paradigmas gehört die Theorie informationseffizienter Kapitalmärkte, die maßgeblich durch die Arbeiten von Fama geprägt wurde (für einen Überblick vgl. Fama, Eugene F. 1991; Fama, Eugene F. 1970). Danach ist der Kapitalmarkt in Bezug auf eine Informationsmenge effizient, wenn sich durch die Auswertung derselben keine risikoadjustierten Überrenditen erzielen lassen. Daraus folgt, dass sich eine Änderung in der relevanten Informationsmenge, etwa durch die Veröffentlichung einer Unternehmensmeldung, unmittelbar, d.h. innerhalb einer Handelsperiode, im Kurs des betroffenen Finanztitels niederschlägt. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der Kapitalmarkt nur dann als nicht informationseffizient eingestuft werden kann, wenn sich zeigen lässt, dass man Handelsstrategien implementieren kann, die unter Berücksichtigung der dabei anfallenden Transaktionskosten risikoadjustierte Überrenditen generieren.
In Abhängigkeit der als relevant betrachteten Informationsmenge unterscheidet man in Anlehnung an Fama zwischen schwacher, halbstrenger und strenger Informationseffizienz (Fama, Eugene F. 1970). Im erstgenannten Fall besteht die relevante Informationsmenge lediglich aus historischen Kursbeobachtungen, im zweiten Fall aus allen öffentlich verfügbaren Informationen und im zuletzt genannten Fall aus allen Informationen, die irgendwo vorhanden sind, egal wer darauf Zugriff hat. Letzteres würde bedeuten, dass man selbst durch die Ausnutzung von Insiderinformationen am Kapitalmarkt keine Überrenditen erzielen kann. Diese Form der Informationseffizienz ist allein schon aus theoretischen Gründen nicht zu erwarten, da die Personengruppen, die über einen solchen privilegierter Zugang zu kursrelevanten Informationen verfügen, klein sein werden und mithin durch ihre Markttransaktionen den Preis von Wertpapieren nicht maßgeblich beeinflussen werden. Außerdem ist zu erwarten, dass Insider mit ihren Informationen strategisch umgehen werden, um ihre Informationsrenten zu maximieren. Hingegen ist die Frage, ob Kapitalmärkte im schwachen oder halbstrengen Sinne informationseffizient sind, bis heute nicht abschließend geklärt. Seit den 1990er-Jahren werden vermehrt empirische, aber auch theoretische Arbeiten veröffentlicht, die zumindest die uneingeschränkte Gültigkeit der halbstrengen Informationseffizienz in Frage stellen. Hierauf wird in Abschnitt III. näher eingegangen.
Neben der Frage, ob die Kapitalmärkte informationseffizient sind, stellt sich die Frage nach der gesellschaftlich optimalen Informationsversorgung der Kapitalmärkte. Die Annahme der halbstrengen Informationseffizienz impliziert lediglich, dass der Kapitalmarkt alle öffentlich zur Verfügung gestellten Informationen unmittelbar in der Preisbildung berücksichtigt. Ob man aber die Festlegung der Menge öffentlich verfügbarer Informationen den Marktmechanismen anheim stellt oder ob es an dieser Stelle aufgrund eines Marktversagens eine Notwendigkeit für staatliche Eingriffe gibt, ist eine völlig andere Frage. Im Hinblick auf die Allokationseffizienz des Kapitalmarktes ist ihre Beantwortung aber mindestens ebenso wichtig wie die Beantwortung der Frage, ob der Kapitalmarkt informationseffizient ist. Abschnitt II. wird sich daher mit diesem zentralen Aspekt der Informationsversorgung des Kapitalmarktes auseinander setzen.

II. Information und Regulierung


1. Unternehmenstransparenz


Unter informationsökonomischen Überlegungen ist zunächst einmal zu erwarten, dass die Treffsicherheit der Bewertung eines Finanztitels, also etwa einer Aktie, umso größer ist, je größer die zur Verfügung gestellte Informationsmenge. Somit kann man erwarten, dass eine Verbesserung der Informationsqualität und/oder -quantität zu einer Reduzierung der Kursschwankungen führt, wofür es auch tatsächlich empirische Befunde gibt (vgl. z.B. Fox, Merritt B. 1999). Die damit verbundene Verringerung der Bewertungsunschärfe bei der Beurteilung neuer Investitionsprojekte reduziert die Wahrscheinlichkeit dafür, dass in einer Volkswirtschaft Sachinvestitionsprojekte (nicht) durchgeführt werden, deren Kapitalwert nur aufgrund einer mit einer Fehlbewertung verbundenen Unterschätzung (Überschätzung) der Kapitalkosten positiv (negativ) war. Damit kommt es zu einer Verbesserung der Kapitalallokation und mithin zu einer Wohlfahrtsverbesserung in einer Volkswirtschaft. Natürlich geht die Bereitstellung zusätzlicher Informationen auch mit zusätzlichen Kosten einher. Neben den damit verbundenen direkten Kosten sind insbesondere jene indirekten Kosten zu nennen, die dadurch entstehen, dass Unternehmen dann, wenn sie zur Preisgabe von Informationsvorteilen, also etwa von Geschäftsgeheimnissen, gezwungen werden, ihre Investitionsaktivitäten zurückfahren könnten. Durch die Abwägung der sozialen Gewinne und Kosten ließe sich dann, abstrakt betrachtet, eine optimale Informationsmenge bestimmen (vgl. zu diesen Überlegungen grundlegend Stigler, George J. 1961; Stigler, George J. 1964).
Ob es nun eine Regulierungsnotwendigkeit gibt, hängt davon ab, ob aufgrund privatwirtschaftlicher Anreize zu erwarten ist, dass diese optimale Informationsmenge eben gerade nicht zur Verfügung gestellt wird. Insoweit würde dann auf dem Kapitalmarkt ein Marktversagen vorliegen, welches durch regulatorische Eingriffe zu beheben wäre. Dass hier tatsächlich eine solche Gefahr besteht, kann man an der folgenden Überlegung erkennen: Selbst wenn man gesichert wüsste, dass die regelmäßige Veröffentlichung einer bestimmten Information die Aktienkursschwankungen reduzieren würde, wäre keineswegs klar, dass die Unternehmen auch ein Interesse an der Veröffentlichung dieser Information hätten. Eine Reduktion der Volatilität hat nämlich so lange keine Auswirkung auf die Bewertung des Unternehmens, wie sich dadurch nicht auch das systematische Risiko der Aktie reduziert. In diesem Fall geht also mit dem sozialen Vorteil einer zusätzlichen Information nicht auch ein privater Vorteil einher, weshalb Ersterer nicht in die privatwirtschaftliche Entscheidung internalisiert wird. In der Folge kommt es zu einer suboptimalen Informationsversorgung der Volkswirtschaft. Dies ist die zentrale Begründung dafür, warum die Veröffentlichungspflichten von Unternehmen reguliert werden müssen (vgl. zu diesen Überlegungen mit weiteren Zitaten Wenger, Ekkehard/Kaserer, Christoph 1999; ein Plädoyer für eine marktwirtschaftliche Lösung findet sich in Romano, Roberta 1998).
In der Praxis finden sich die wichtigsten einschlägigen Regelwerke zum einen in handelsbilanziellen Vorschriften, zum anderen in den kapitalmarktrechtlichen Transparenzvorschriften. Soweit man an den deutschen Kapitalmarkt denkt, ist in diesem Zusammenhang insbesondere auf die für kapitalmarktorientierte Unternehmen geltende Pflicht zur Erstellung eines Jahresabschlusses nach IFRS gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002, auf die Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung von Insiderinformationen, so genannte Ad-hoc Mitteilungspflicht nach § 15 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), sowie auf die Verpflichtung zur Mitteilung bei Veränderungen von Stimmrechtsanteilen nach § 21 i.V.m. § 25 WpHG verwiesen, soweit die Schwelle von 5, 10, 25, 50 oder 75% der Stimmrechte über- oder unterschritten wird.

2. Kapitalmarkttransparenz


Gegen die hier vorgetragene Rechtfertigung einer Regulierung von Unternehmensinformationen ließe sich einwenden, dass auf einem unregulierten Markt auch Unternehmensinsider durch ihre privaten Handelsaktivitäten für die Verbreitung solcher Informationen sorgen würden. Das würde selbstredend nur dann geschehen, wenn der Markt nicht streng informationseffizient wäre, weil sie nur dann Informationsrenten abschöpfen könnten. Je intensiver diese Aktivitäten, umso schneller würden sich die Insiderinformationen in den Kursen widerspiegeln; entsprechend würde die in den Kursen verarbeitete Informationsmenge steigen. Unter diesem Blickwinkel kann Insiderhandel zur Erhöhung der Allokationseffizienz des Kapitalmarktes beitragen. Dieser Vorteil ist aber gegen zwei Nachteile aufzuwiegen. Zum einen wird bei jenen Marktteilnehmern, die keinen Zugang zu Insiderinformationen haben, die Zahlungsbereitschaft für Finanztitel so weit sinken, dass sie unter Berücksichtigung der möglichen Übervorteilung durch die Insider eine angemessene Rendite erzielen werden. Dies wird tendenziell die Finanzierungskraft des Kapitalmarktes reduzieren. Zum anderen ist zu beachten, dass Investitionsentscheidungen der Unternehmensleitung nicht unabhängig davon sind, ob man es ihr erlaubt, die damit im Zusammenhang stehenden Informationsvorteile auszunutzen. Im Extremfall könnte man sich vorstellen, dass es nur deswegen zur Ankündigung einer Unternehmensübernahme kommt, weil das Management auf die dann eintretende Kursreaktion spekuliert. Insgesamt zeigen diese Überlegungen aber, dass zumindest unter ökonomischen Gesichtspunkten die Regulierung des Insiderhandels umstritten ist (vgl. z.B. Leland, Hayne E. 1992).
Die meisten Industrieländer haben den Weg eines Insiderhandelsverbotes eingeschlagen. Soweit es Deutschland betrifft, ist dieses im § 14 WpHG geregelt. Darüber hinaus ist auf die in § 15a WpHG geregelte Mitteilungspflicht zu verweisen, wonach Transaktionen von Führungskräften mit Aktien des Unternehmens, so genannte Director\'s Dealings, innerhalb von fünf Werktagen zu veröffentlichen sind.

III. Kapitalmarktanomalien und Informationseffizienz


Obwohl die Kritik an der Informationseffizienzhypothese beinahe so alt ist wie die Hypothese selbst, kann man doch feststellen, dass es seit den 1990er-Jahren vermehrt Arbeiten gibt, in denen empirische Befunde gegen diese Hypothese präsentiert werden. Einige dieser Befunde erweisen sich als äußerst stabil (für einen Überblick vgl. Schwert, G. William 2003 und Lamont, Owen A./Thaler, Richard H. 2003). Untermauert werden diese Arbeiten v.a. durch die folgenden beiden Theorieansätze. Erstens ist hier das Forschungsfeld Behavioral Finance zu nennen, welches, gestützt auf (neuro-)psychologische und entscheidungstheoretische Arbeiten, die in der Kapitalmarkttheorie verwendete Annahme uneingeschränkter Rationalität begründet in Zweifel zieht (für einen Überblick vgl. Barberis, Nicholas C./Thaler, Richard H. 2003). Zweitens sind hier jene Arbeiten zu erwähnen, welche die Arbitragefreiheit des Kapitalmarktes selbst bei uneingeschränkt rationalem Verhalten aus einer vertragstheoretischen Perspektive in Zweifel ziehen. Dabei wird argumentiert, dass Arbitrageaktivitäten umso unwahrscheinlicher werden, je längerfristiger und riskanter sich die Ausnutzung von Fehlbewertungen gestaltet (vgl. Shleifer, Andrei/Vishny, Robert W. 1997). Auch in diesem Fall ist zu erwarten, dass es am Kapitalmarkt zu einer Preisbildung kommen kann, die nicht mehr mit der Annahme informationseffizienter Kapitalmärkte zu vereinen ist. Im Folgenden werden einige zentrale empirische Befunde diskutiert.

1. Unbekannte Risikofaktoren oder adaptive Erwartungen


Gelten auf einem Kapitalmarkt neben der Informationseffizienz noch einige wenige zusätzliche Annahmen, dann erhält man das Capital Asset Pricing Model (CAPM). Seine zentrale Bewertungsgleichung besagt, dass die Preise von riskanten Wertpapieren lediglich von ihrem systematischen Risiko abhängen dürfen. Zahlreiche Arbeiten haben gezeigt, dass neben dem systematischen Risiko auch die Unternehmensgröße (Size Effect) sowie das Marktwert-Buchwert-Verhältnis (Value Effect) einen signifikanten Beitrag zur Erklärung von Wertpapierrenditen liefern (vgl. z.B. Fama, Eugene F./French, Kenneth R. 2004). Verteidiger der Effizienzmarkthypothese weisen darauf hin, dass dieses Ergebnis möglicherweise nur auf im CAPM fehlende Risikofaktoren zurückzuführen ist. Aus einer verhaltensorientierten Perspektive wird hingegen darauf hingewiesen, dass beide Variablen von den gegenwärtigen Aktienkursen beeinflusst sind und die beiden Effekte mithin durch adaptive, also nicht rationale, Erwartungen zu erklären sein könnten. In eine ähnliche Richtung geht die Debatte um die langfristig negative abnormale Rendite von Aktienemissionen (vgl. z.B. Stehle, Richard/Erhardt, Olaf/Przyborowsky, Rene 2000). So lässt sich zeigen, dass über einen mindestens dreijährigen Zeitraum die Renditen von Portfolios neu emittierter Aktien signifikant niedriger sind als jene von Kontrollportfolios. Da es im Zusammenhang mit Neuemissionen Befunde gibt, die zeigen, dass dieser Effekt besonders stark ist, wenn die Aktie mit einem besonders hohen Underpricing emittiert wurde, könnten hier wiederum adaptive Erwartungen eine Rolle spielen (vgl. Ljungqvist, Alexander/Nanda, Vikram K./Singh, Rajdeep 2006). Es wird aber auch darauf hingewiesen, dass der Befund durch methodische Probleme verursacht wird, die sich bei der Messung von langfristigen Überrenditen ergeben, sodass die tatsächlichen Risiken einer solchen Portfoliostrategie möglicherweise deutlich höher wären. Ähnliche Überlegungen treffen auf den in der Literatur dokumentierten Kalender- und Momentumeffekt sowie auf den Closed-End-Funds-Effekt zu (vgl. Schwert, G. William 2003, S. 942 ff.). Insgesamt zeigen diese Überlegungen, dass es zwar eine ganze Reihe von Befunden gibt, die im Einklang mit theoretischen Modellen stehen, in welchen eingeschränkt rationales Verhalten unterstellt wird, etwa in Form adaptiver Erwartungen. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass die Befunde deswegen nicht automatisch im Widerspruch zur Effizienzmarkthypothese stehen, weil der Nachweis der Existenz riskoadjustierter Überrenditen in vielen Fällen mit erheblichen methodischen Schwierigkeiten behaftet ist (vgl. hierzu auch Malkiel, Burton G. 2003).

2. Rechnungslegungsinformationen


In der empirisch orientierten Rechnungslegungsforschung geht es ganz wesentlich um die Frage, welche Wirkungen fundamentale Unternehmensinformationen, wie sie u.a. in Jahresabschlüssen enthalten sind, auf den Aktienkurs haben. Zwei robuste empirische Befunde, die nicht ohne Weiteres mit der Effizienzmarkthypothese in Einklang zu bringen sind, sollen diskutiert werden (vgl. umfassend Kothari, S. P. 2001).
Zunächst ist die Literatur zur so genannten Post Earnings Announcement Drift zu nennen (für einen Überblick vgl. Ball, Ray 1992). Hier zeigt sich, dass heute veröffentlichte Gewinnmeldungen eine signifikante Auswirkung auf die abnormalen Renditen der betroffenen Aktien im kommenden Jahr haben. Obwohl es zu diesem Effekt eine umfangreiche Literatur gibt, fehlt bis heute eine mit rationalen Erwartungen zu vereinbarende Erklärung. Ein entscheidender Wirkungsmechanismus dieses Effektes scheint der Umstand zu sein, dass der Kapitalmarkt nicht in der Lage ist, die verschiedenen Gewinnkomponenten unmittelbar richtig zu bewerten (vgl. Ou, Jane A./Penman, Stephen H. 1989). Diese Überlegung führt zu einem zweiten Befund, nämlich der so genannten Accrual-Anomalie. Ausgangspunkt ist dabei die Tatsache, dass die zahlungswirksamen Gewinnkomponenten, also der operative Cashflow, eine wesentlich höhere Prognosekraft für den zukünftigen Gewinn des Unternehmens haben als die nicht zahlungswirksamen Komponenten; Letztere bezeichnet man als Accruals. Diese unterschiedliche Persistenz der beiden Gewinnkomponenten müsste der Kapitalmarkt in seiner Reaktion auf eine Gewinnmeldung berücksichtigten. Beginnend mit einer Arbeit von Sloan (Sloan, Richard G. 1996), konnte wiederholt gezeigt werden, dass dies nicht der Fall ist. Der Kapitalmarkt überschätzt die Persistenz der nicht zahlungswirksamen Komponenten. Untersuchungen, die versuchen, diesen Effekt damit zu erklären, dass in bestimmten Aktien weniger gut ausgebildete Investoren aktiv sind, kommen zu keinen eindeutigen Ergebnissen. Inwiefern hier kognitive Beschränkungen oder vertragstheoretische Erklärungen hinsichtlich der Informationsverarbeitungsanreize von Finanzanalysten eine Rolle spielen, lässt sich nach gegenwärtigem Stand der Literatur ebenfalls nicht abschließend beurteilen (vgl. in diesem Zusammenhang Kaserer, Christoph/Adamek, Carmen 2003). Dies gilt um so mehr, als die ersten internationalen Befunde, die zu dieser Anomalie vorliegen, darauf hindeuten, dass sie in Kontinentaleuropa wesentlich schwächer ausgeprägt ist als in den angelsächsischen Ländern (vgl. Kaserer, Christoph/Adamek, Carmen 2006). Abschließend muss festgehalten werden, dass die beiden genannten Anomalien zu den ernsthaftesten Herausforderungen der Effizienzmarkthypothese zählen. Allerdings ist es derzeit noch zu früh, sie als Beleg für deren Widerlegung zu nehmen. Es konnte nämlich bis heute nicht gezeigt werden, dass sich diese Befunde für die Implementierung von Gewinn bringenden Arbitragestrategien nutzen lassen.
Literatur:
Ball, Ray : The Earnings-Price Anomaly, in: Journal of Accounting and Economics, Jg. 15, 1992, S. 319 – 345
Barberis, Nicholas C./Thaler, Richard H. : A Survey on Behavioral Finance, in: Handbook of the Economics of Finance, hrsg. v. Constantinides, George M./Harris, Milton/Stulz, Rene M., Amsterdam 2003, S. 1053 – 1128
Fama, Eugene, F. : Efficient Capital Markets. A Review of Theory and Empirical Work, in: Journal of Finance, Jg. 25, 1970, S. 383 – 417
Fama, Eugene F. : Efficient Capital Markets II, in: Journal of Finance, Jg. 46, 1991, S. 1575 – 1617
Fama, Eugene F./French, Kenneth R. : The Capital Asset Pricing Model. Theory and Evidence, in: Journal of Economic Perspectives, Jg. 18, 2004, S. 25 – 46
Fox, Merritt B. : Retaining Mandatory Securities Disclosure. Why Issuer Choice is Not Investor Empowerment, in: Virginia Law Review, Jg. 85, 1999, S. 1335 – 1419
Kaserer, Christoph/Adamek, Carmen : Defizite der Informationsverarbeitung auf Kapitalmärkten. Kognitive Beschränkungen oder opportunistische Finanzanalysten?, in: Die Unternehmung – Schweizerische Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, Jg. 57, 2003, S. 497 – 514
Kaserer, Christoph/Adamek, Carmen : Lifting the Veil of Accounting Information under Different Accounting Standards. Lessons Learned from the German Experiment, CEFS Working Paper Nr. 1/2006, Technische Universität München 2006
Kothari, S. P. : Capital Markets Research in Accounting, in: Journal of Accounting and Economics, Jg. 31, 2001, S. 105 – 231
Lamont, Owen A./Thaler, Richard H. : The Law of One Price in Financial Markets, in: Journal of Economic Perspectives, Jg. 17, 2003, S. 191 – 202
Leland, Hayne E. : Insider Trading. Should It Be Prohibited?, in: Journal of Political Economy, Jg. 100, 1992, S. 859 – 887
Ljungqvist, Alexander/Nanda, Vikram K./Singh, Rajdeep : Hot Markets, Investor Sentiment, and IPO Pricing, in: Journal of Business, Forthcoming, Jg. 79, 2006
Malkiel, Burton G. : The Efficient Market Hypothesis and Its Critics, in: Journal of Economic Perspectives, Jg. 17, 2003, S. 59 – 82
Ou, Jane A./Penman, Stephen H. : Financial Statement Analysis and the Prediction of Stock Returns, in: Journal of Accounting and Economics, Jg. 11, 1989, S. 295 – 329
Romano, Roberta : Empowering Investors. A Market Approach to Securities Regulation, in: Comparative Corporate Governance. The State of the Art and Emerging Research, hrsg. v. Hopt, Klaus J. et al., Oxford 1998, S. 143 – 217
Sargent, Thomas J. : Rational Expectations, in: The Concise Encyclopedia of Economics, hrsg. v. Henderson, David R., Library of Economics and Liberty <http://www.econlib.org/library/Enc/RationalExpectations.html> [14 March 2006]
Schwert, G. William : Anomalies and Marktet Efficiency, in: Handbook of the Economics of Finance, hrsg. v. Constantinides, George M./Harris, Milton/Stulz, Rene M., Amsterdam 2003, S. 939 – 974
Shleifer, Andrei/Vishny, Robert W. : The Limits of Arbitrage, in: Journal of Finance, Jg. 52, 1997, S. 35 – 55
Sloan, Richard G. : Do Stock Prices Fully Reflect Information in Accruals and Cash Flows about Future Earnings?, in: Accounting Review, Jg. 71, 1996, S. 289 – 315
Stehle, Richard/Erhardt, Olaf/Przyborowsky, René : Long-Run Stock Performance after Intial Public Offerings and Seasoned Equity Issues in the German Capital Market, in: European Financial Management, Jg. 6, 2000, S. 173 – 196
Stigler, George J. : The Economics of Information, in: Journal of Political Economy, Jg. 69, 1961, S. 213 – 225
Stigler, George J. : Public Regulation of the Securities Markets, in: Journal of Business, Jg. 37, 1964, S. 117 – 142
Wenger, Ekkehard/Kaserer, Christoph : Internationalisierung der Unternehmen und Reform von nationalen Regelungen über die Entscheidungs- und Kontrollrechte in Unternehmen, in: Internationale Unternehmensstrategien und nationale Standortpolitik, hrsg. v. Mayer, Otto G./Scharrer, Hans-Eckart, Baden-Baden 1998, S. 163 – 202

 

 


 

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