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Markenwert


Inhaltsübersicht
I. Begriff des Markenwerts
II. Anwendungsbereiche von Informationen über den Markenwert
III. Verfahren zur Messung des Markenwerts

I. Begriff des Markenwerts


1. Finanzorientierte Begriffsbestimmung


Im deutschsprachigen Raum entwickelten sich erste Ansätze zur Markenwertdiskussion im investitionstheoretischen Bereich. Bereits 1962 vertrat Kern die Auffassung, dass »? der Wert von Warenzeichen als die Summe der auf den gegenwärtigen Zeitpunkt diskontierten Zusatzgewinne« zu interpretieren sei (Kern, W. 1962, S. 26). Diese zahlungsstromorientierte Markenwertauffassung hat sich bis heute in der Betriebswirtschaftslehre behauptet. Beispielhaft sei hier Kaas genannt, der den Markenwert als »Barwert aller zukünftigen Einzahlungsüberschüsse, die der Eigentümer aus der Marke erwirtschaften kann«, bezeichnet (Kaas, K. 1990, S. 48). Obwohl dieser als zukunftsbezogener quantifizierter Aktivposten verstandene Markenwert nur schwer messbar ist, sind die Versuche, dies zu tun, zahlreich.

2. Marketingorientierte Begriffsbestimmung


Eine umfassendere Betrachtung des Markenwerts hat sich im konsumentenorientierten Marketing entwickelt. Insbesondere in den USA waren Ende der 1980er-Jahre rege Forschungsaktivitäten zum Thema »Brand Equity« zu verzeichnen. Als wesentliches Ergebnis dieser »Brand Equity-Diskussion« mag die Feststellung gelten, dass der eigentliche Wert einer Marke sowie deren Zukunftspotenzial durch Aktiva wie Produktionsfläche oder Produktionsverfahren nur unzureichend zu beschreiben ist und auch durch betriebliche Kennziffern nur ungenügend und einseitig wiedergegeben wird. So wurde das Begriffsfeld des Markenwertes erheblich erweitert und die vorwiegend betriebliche Betrachtung durch eine marktorientierte abgelöst. Diese berücksichtigt Konsumentenurteile in stärkerem Maße als Handelsaspekte und Betriebsdaten und definiert Brand Equity als »the set of associations and behavior on the part of a brand\'s customers, channel members and parent corporation that permits the brand to earn grater volume or greater margins than it could without the brand name and that gives the brand a strong, substainable, and differentiated competitive advantage« (Srivastava, R. K./Shocker, A. D. 1991, S. 5).
Mit dieser Definition scheint das komplexe Phänomen »Markenwert« umfassend beschrieben, jedoch bleiben auch hier Operationalisierungs- und messtechnische Probleme. Diese Schwierigkeiten haben dazu geführt, dass häufig nur ein Teilaspekt des Markenwerts betrachtet wird. Heute konzentrieren sich vor allem verhaltenswissenschaftlich orientierte Marketing-Wissenschaftler auf die Untersuchung des Markenwerts aus Konsumentensicht. Als Grund wird genannt, dass die Marke ihren Wert erst durch die Evaluierung seitens des Konsumenten erhält. Kapferer spricht vereinfachend vom »Markenwert in den Köpfen der potenziellen Käufer« (Kapferer, J. N. 1992, S. 9). Im deutschsprachigen Raum wie im angelsächsischen Raum spiegelt sich dieser Trend im Vordringen der Begriffe »Markenstärke«, »Markenkraft«, »Markenvitalität« bzw. »Brand Strength« oder auch »Brand Power« wider. Grundlage sind hier hypothetische Konstrukte. welche die psychischen Variablen der konsumentenorientierten Markenwertbeschreibung wiedergeben sollen, also eher qualitative denn quantitative Parameter beinhalten. Beispielhafte Ansätze finden sich bei Rangaswamy/Burke/Oliva (Rangaswamy, A./Burke, R. R./Oliva, T. T. 1993), Kamakura/Russell (Kamakura, W. A./Russell, G. J. 1991), Srivastava/Shocker (Srivastava, R. K./Shocker, A. D. 1991) oder auch Rossiter/Lawrence (Rossiter, J. R./Lawrence, A. 1993).

II. Anwendungsbereiche von Informationen über den Markenwert


1. Unternehmensübergreifende Entscheidungsfelder


Seinen wohl wichtigsten unternehmensübergreifenden Anwendungsbereich findet der Markenwert bei Akquisitionen von Unternehmen. Hier ist er in vielen Fällen ausschlaggebender Preisbestimmungsfaktor. So weichen Bilanzziffern oft in erheblichem Maße von Verkaufspreise ab.
Weitere Anwendungsfelder sind die vertragliche Einräumung von Markennutzungsrechten in Form von Lizenzen oder Franchiseverträgen. Hier können Informationen über den Markenwert helfen, adäquate Lizenz/Franchisegebühren festzulegen.
Wachsender Bedarf bezüglich Informationen über den Markenwert ist mit den Fällen des Missbrauchs fremder Markenzeichen verbunden. Bei der Festlegung des Nutzenentgangs der Geschädigten ist die Rechtssprechung bislang auf die Expertisen von Gutachtern angewiesen. Die Kenntnis des Markenwerts könnte die Gerichte bei einer objektivierten Festsetzung des Schadensersatzes unterstützen.

2. Unternehmensinterne Entscheidungsfelder


Auf unternehmensinterner Ebene dient der Markenwert als Planungs- und Kontrollinstrument bei strategischen Marketing-Entscheidungen. Gedacht ist hier an Maßnahmen, die den Aufbau, Abbau oder Transfer von Marken betreffen. Im Bereich der Markenpflege können durch Beobachtung des Werts der eigenen und der Konkurrenzmarken Marketing-Maßnahmen identifiziert werden, die die eigene Stellung am Markt verbessern. In Anlehnung an Aaker kann das positive Wirkungsspektrum eines hohen Markenwerts unter folgenden 6 Punkten zusammengefasst werden (Aaker, D. A. 1992):

-

Ein hoher Markenwert ermöglicht eine größere Effizienz von Marketing-Maßnahmen. Erhöhte Wahrnehmungssensibilitäten und Halo-Wirkungen sind zu erwarten.

-

Mit einem hohen Markenwert geht eine größere Markentreue und ein größerer Kundenstamm einher; die Abhängigkeit von kurzfristigen Sonderaktionen wird reduziert.

-

Basierend auf dem Gedanken des Markentransfers erleichtert ein hoher Markenwert die Umsetzung unternehmensinterner (Differenzierungen) sowie unternehmensexterner Wachstumsstrategien.

-

Im vertikalen Marketing kann ein hoher Markenwert die Verhandlungsposition des Herstellers stützen und verbessern.

-

Im Sinne von Markteintrittsbarrieren mag ein hoher Markenwert einen Wettbewerbsschutz vor Konkurrenten bieten.

-

Ferner sind positive Korrelationen zwischen Markenwert und Gewinnsituation des Unternehmens zu verzeichnen (z.B. durch die Durchsetzbarkeit hoher Marktpreise).


3. Handels- und steuerrechtliche Bereiche


Eingetragene Warenzeichen und Dienstleistungsmarken zählen als gewerbliche Schutzrechte zu den immateriellen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens.
Die Einordnung als Vermögensgegenstand legt die Überlegung einer Aktivierung nahe. Angesichts der Ermangelung eines objektiven Wertmaßstabes für diese Position gilt jedoch, dass für selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter nach § 248 II HGB ein handels- wie steuerrechtliches Aktivierungsverbot besteht. Entsprechend dem Grundsatz der vorsichtigen Vermögensdarstellung soll der Wertansatz der immateriellen Anlagewerte, die vom Gesetzgeber als schwer schätzbar und nicht eindeutig objektivierbar betrachtet werden, durch den Markt objektiviert werden. Als Bewertungsmaßstab kommen bislang somit nur Anschaffungskosten, jedoch nicht Herstellungskosten infrage (Baetge, J. 1991).
Im Falle des entgeltlichen Erwerbs geschützter Marken, z.B. in Verbindung mit Unternehmensteilen, besteht für diese eine handels- wie auch steuerrechtliche Aktivierungspflicht, wobei die Anschaffungskosten die Wertobergrenze bilden. Wird ein Unternehmen mit seinen selbst geschaffenen Marken von einem anderen erworben, so schlagen sich die Markenwerte beim Erwerber in der Position Firmenwert nieder, der nach dem Maßgeblichkeitsprinzip abgeschrieben werden kann. Diese Aktivierungsmöglichkeit wirft zugleich die Frage nach den im Zeitablauf notwendig werdenden Korrekturen auf (Hammann, P. 1992). So bleiben nicht nur Werterhöhungen im Nutzungszeitraum unbeachtet; die starren Vorschriften berücksichtigen auch kaum die Marktdynamik hinsichtlich plötzlich auftretender Wertreduktionen (z.B. aufgrund von Nachfrageverschiebungen) und die zunehmenden internationalen Verflechtungen (z.B. ist in England eine Bilanzierung des Markenwerts möglich).

III. Verfahren zur Messung des Markenwerts


In Theorie und Praxis finden sich zahlreiche Ansätze zur Markenevaluierung. Zur Gliederung der vielfältigen Ansätze empfiehlt Hammann eine Einteilung in finanzorientierte und marktwertorientierte Modelle (Hammann, P. 1992). Finanzorientierte Verfahren bestimmen den Wert einer Marke anhand von Zurechnung und Quantifizierung der Kosten bzw. Erträge, die bei dem Aufbau bzw. Umsatz der jeweiligen Marke entstehen, während marktwertorientierte Verfahren davon ausgehen, dass sich der Wert einer Marke über den MarktM, d.h. durch Angebot und Nachfrage ergibt.

1. Finanzorientierte Verfahren zur Messung des Markenwerts

a) Kostenorientierte Ansätze


Diese Ansätze zeichnen sich durch eine einfache mathematische Methodik aus und sind zudem ohne großen personellen und zeitlichen Aufwand durchführbar. Differenziert nach dem Zeitpunkt der Kostenbetrachtung lassen sich die Bewertung nach »historischen Kosten« und die »gegenwartsbezogene Bewertung« unterscheiden (Kapferer, J. N. 1992). Im ersten Fall geht man von der Überlegung aus, dass die Marke ein Kapital aus getätigten Investitionen darstellt. Folglich ergibt sich der Wert der Marke durch Addition der getätigten Investitionskosten (Entwicklungskosten, Marketingkosten usw.). Beim »Wiederbeschaffungskosten-Ansatz« lautet die Frage: Wenn die Marke nicht zu kaufen ist, wie viel würde es kosten, die Marke neu zu schaffen?
Generelles Problem der kostenorientierten Ansätze ist die Beschränkung auf eine inputorientierte Sichtweise, z.B. Vorleistungen. Der Wert einer Marke ist aber eher ergebnisorientiert im Output einer Marke zu sehen. Zudem lässt die o.g. Beschränkung die Zukunftsorientierung vermissen. Weder der gegenwärtige noch der künftige Markenerfolg fließen in die Berechnung ein.

b) Ertragsorientierte Verfahren


Ertragswertorientierte Verfahren versuchen sowohl eine vergangenheits- als auch gegenwarts- und zukunftsorientierte Markenwertbetrachtung zu leisten. Ausgehend von den realisierten Markterfolgen findet unter Einbeziehung von Prognosemodellen eine Schätzung und Quantifizierung der zu erwartenden Markenerfolge statt. Zu den bekanntesten Verfahren zählen die Cashflow-Methode und das Interbrand-Verfahren.
(1) Die Cashflow-Methode ist als einfachste Variante der ertragswertorientierten Verfahren zu werten. Basierend auf dem bisherigen Markterfolg legte in Experte die durch die Marke zu erwartenden Erträge über einen Zeitraum von 10, 15 oder 20 Jahren fest. Diese werden mit einem Abzinsungsfaktor diskontiert und summiert. Der Abzinsungsfaktor entspricht den durchschnittlichen Kosten des Kapitals; er wird bei Bedarf erhöht, um bspw. im Falle einer schwachen Marke Risiken zu berücksichtigten.
Doch gerade bei dieser vereinfachten Vorgehensweise setzt die Kritik an. So merken Kapferer oder auch Murphy an, dass gerade die Bestimmung der entscheidenden Modellkomponenten, wie die Prognose der Zahlungsströme, die Bestimmung des Zeithorizonts und des Abzinsungsfaktors, einem großen subjektiven Spielraum unterliegt und eine starke willkürliche Einflussnahme ermöglicht (Kapferer, J. N. 1992; Murphy, J. 1989).
(2) Als weiteres ertragsorientiertes Verfahren sei der Interbrand-Ansatz genannt. Dieser wurde Ende der 1980er-Jahre von der gleichnamigen englischen Beratungsgesellschaft in Zusammenarbeit mit der Praxis entwickelt. Der Wert einer Marke umfasst nach Interbrand alle dinglichen und geistigen Eigenschaften, die einem Markenartikel zugerechnet werden können (Penrose, N. 1989). Zur Ermittlung dieser Wertkomponenten hat Interbrand einen Indikatorenkatalog entwickelt, der zunächst einmal die Markenstärke erfassen soll.
Zur Messung der Markenstärke hat Interbrand 80 bis 100 Indikatoren ausgewählt und in einem Kriterienkatalog aufgelistet (Scoring-Modell). Die folgende Abb. 1 enthält eine Auswahl der wesentlichsten Beuteilungskriterien. Von besonderer Bedeutung ist neben den verschiedenen Indikatoren deren Gewichtung. Es zeigt sich hier, dass der Interbrand-Ansatz die konsumentenorientierte Sichtweise nur in äußerst geringem Ausmaß berücksichtigt (enthalten im Kriterium »Markenstabilität«, maximaler Punktewert: 15). Aus diesem Grunde ist es opportun, dieses Verfahren den ertragsorientierten Messansätzen zuzurechnen.
Markenwert
Abb. 1: Bewertungskriterien des Interbrand-Ansatzes (in Anlehnung an o.V. 1989)
Die Gesamtpunktzahl über alle Bewertungskriterien ergibt die Markenstärke. Sie bildet den Ausgangspunkt der anschließenden Monetarisierung.
Zur Ermittlung einer monetären Markenwertgröße wird die erzielte Punktzahl der Markenstärke (ein Wert zwischen 0 und 100) in einen Multiplikator überführt. Dieser ergibt sich aus einer S-förmig verlaufenden »Markenindex-Kurve«, welche das Verhältnis zwischen Markenstärke und Markenwert-Multiplikator abbildet. Gestützt durch langjährige Markterfahrungen und empirische Ex-post-Studien (in einem retrograden Analyseverfahren wurden realisierte Preise bei Unternehmensübernahmen und die rekonstruierte Markenstärke in Beziehung gesetzt und somit induktiv die Markenindex-Kurve ermittelt) geht Interbrand davon aus, dass mit zunehmender Stärke der Marke der Multiplikator zunächst exponentiell, später linear und schließlich nur noch mit degressivem Anstieg anwächst. Die Bestimmung des monetären Markenwerts erfolgt durch die multiplikative Verknüpfung des der jeweiligen Markenstärke zugeordneten Multiplikators mit dem markenbezogenen Durchschnittsgewinn der letzten drei Jahre. Zur Verdeutlichung des Interbrand-Ansatzes referierte Penrose Praxisbeispiele, die einerseits die Anwendungsorientierung dieser Methodik belegen, andererseits jedoch auch die messtechnischen Schwächen bzw. Probleme dieses Konzeptes verdeutlichen (Penrose, N. 1989). Ungelöst bleiben bzw. kritisch diskutiert werden vor allem folgende Punkte:

-

Zweifelhaft und damit wenig objektiv erscheint die Auswahl und Gewichtung der Kriterien zur Messung der Markenstärke. Ebenso schwierig ist die Operationalisierung relevanter Kriterien, etwa in Bezug auf das Kriterium Marktbegrenzung.

-

Mangelnde Unabhängigkeit der Kriterien und Interdependenzen zwischen den Indikatoren führen zu Ergebnisverzerrungen.

-

Ein weiterer bedenklicher Aspekt liegt in der Ermittlung der S-Kurve. Hier muss man sich fragen, inwieweit die entwickelte S-Kurve Gültigkeit beanspruchen kann. Auch wenn Ex-post-Studien den angenommenen Verlauf scheinbar unterstützen, so lassen die spärlich verfügbaren Informationen bezüglich dieser Resultate doch Fragen offen. Beispielsweise existieren keine Varianzangaben hinsichtlich der festgestellten Multiplikatoren. Ferner ist nicht bekannt, inwieweit Artefakte z.B. durch inhärente Synergie-Effekte, die bei Unternehmensübernahmen einen sehr individuellen Charakter aufweisen, entstehen können.


2. Marktorientiert Messansätze

a) Die Messung der Markenstärke


Konsumentenbezogene Verfahren zur Messung der Markenstärke stellen Konsumentenbeurteilungen in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung. Ihnen fehlt jedoch der Übergang zur Monetarisierung. Detailliertere Ansätze zur Messung dieser Art von Markenstärke bieten die Konzepte von Keller oder auch Aaker (Keller, K. L 1993; Aaker, D. A. 1992).
Einen stark marketinggeprägten Ansatz vertritt Keller. Er versteht unter Markenwert das Ergebnis der unterschiedlichen Reaktionen von Konsumenten auf Marketing-Maßnahmen für eine Marke im Vergleich zu identischen Maßnahmen bezüglich einer fiktiven Marke aufgrund spezifischer Markenvorstellungen. Gemessen werden sollen die unterschiedlichen Reaktionen anhand emotional und kognitiv gefärbter Variablen. Dabei betrachtet Keller zunächst das Markenbewusstsein, welches als Markenwiedererkennung und Markenerinnerung operationalisiert wird. Die zweite Messvariable bezieht sich auf das Markenimage. Ausgangspunkt bildet hier ein mehrdimensional geprägter Messansatz, der zwischen vier Assoziationsarten differenziert: Art, Stärke, Vorteilhaftigkeit und Einzigartigkeit der Markenassoziation.
Ähnlich strukturiert ist der Messansatz von Aaker (Aaker, D. A. 1992). Auch hier werden auf Konsumentenseite Variablen wie Markentreue, Bekanntheit des Markennamens und angenommene Markenqualität untersucht. Erfasst werden auch Markenassoziationen, jedoch präferiert Aaker hier einen eher kategorialen Messansatz; er unterscheidet elf unterschiedliche Assoziationstypen (z.B. Assoziationen zum Verbraucher/Kunden der Marke, zum Herstellungsland bzw. zur Region, zum Preis usw.). Zusammenfassend sei gesagt, dass sowohl der Ansatz von Keller als auch der Ansatz von Aaker vor allem diagnostische Konstrukte sind. Im Sinne einer Stärken-Schwächen-Analyse betrachten sie die Positionierung der Marke beim Konsumenten, die Überführung in monetäre Größen bleiben unberücksichtigt.

b) Die Messung der Markenkraft durch Conjoint-Analysen


Die aus dem Bereich der mathematisch orientierten Psychologie stammende Conjoint-Analyse zählt zu den dekomponierenden Skalierungsverfahren. Im Zusammenhang mit der Markenwertmessung wurde dieses Verfahren zur Ermittlung des Nutzens von Markenzeichen bereits von verschiedenen Forschern angewendet (z.B. Sattler, H. 1991; Brasco, T. C. 1988; Herp, T. 1982). Zur Erläuterung der Vorgehensweise soll beispielhaft der Ansatz von Herp näher betrachtet werden.
Herp (Herp, T. 1982) geht davon aus, dass der Markierung eines Produktes ein bestimmter Anteil am Verkaufserfolg zugesprochen werden kann. Diesen Umsatzanteil definiert er als den Markenwert. Mithilfe der Coinjoint-Analyse zerlegt er die beobachtbaren Erlösdifferenzen unterschiedlicher Produktvarianten, so dass die Effekte unterschiedlicher Produktausstattungen oder aber auch Verkaufsvarianten herausgerechnet und dadurch die Nettoeffekte der einzelnen Markenkennzeichnungen sichtbar werden. Das Ergebnis ist ein konsumentenspezifischer preisbezogener Nutzenwert der Markierung. Durch die Verknüpfung dieses Nutzenwerts mit den abgesetzten Produktmengen kommt Herp zu einem monetären Markenwert.
Vorteilhaft beim Coinjoint-Ansatz ist die objektivierte Nutzenermittlung der Markierung. Die Konsumentenurteile werden weder durch Kriterienvorgaben noch durch Gewichtungskoeffizienten verzerrt oder verfälscht.
Problematisch für die Interpretation ist jedoch, dass der Ansatz nur einen relativen Markenwert liefert. Der Bezugspunkt des Vergleichs sind nicht die Umsatzerlöse markenloser Versorgungsobjekte, sondern die Verkaufserfolge anderer Markenartikel. Die ermittelte Wertdifferenz stellt insofern nur eine Untergrenze des Markenwerts dar, »? die um so näher an dem entsprechenden Realwert liegt, je geringer der absolute Marktwert der Bezugsmarke ist« (Herp, T. 1982, S. 141 f.).
Eine weitere Schwierigkeit ist im hohen Anspruch des methodischen Designs der Conjoint-Analyse zu sehen. Eine realitätsnahe Erfassung des Nutzenwerts der Markierung erfordert die Betrachtung aller unterschiedlichen Objektausprägungen der erfassten Marken, angefangen bei der Produktgestaltung über die Verpackung bis hin zum Vertrieb. Hier kann es schnell zu einer Überlastung der Versuchsperson kommen, da hierbei alle denkbaren Objektausprägungen erfasst und vom Beurteiler eingeschätzt werden müssen. Auch der Einsatz fraktioneller Designs kann hier nur begrenzt Abhilfe schaffen, da angesichts der damit verbundenen Informationsverluste nur eine bedingte Reduktion der Beurteilungsfälle möglich ist.

c) Der Nielsen-Ansatz

(1) Die Marken-Bilanz


Die von Schulz/Brandmeyer Ende der 1980er-Jahre entwickelte Marken-Bilanz geht von einer konsumentenorientierten Markenwertbetrachtung aus. Dies ist bereits der Definition zu entnehmen: »Der Markenwert ist die Gesamtheit aller positiven und negativen Vorstellungen, die im Konsumenten ganz oder teilweise aktiviert werden, wenn er das Markenzeichen wahrnimmt, und die sich in ökonomischen Daten des Markenwettbewerbs spiegeln« (Schulz, R./Brandmeyer, K. 1989, S. 365). Vergleichbar dem Interbrand-Modell findet auch hier eine zweistufige Markenwert-Messung statt. In der ersten Stufe erfolgt die Feststellung der Markenstärke, in der zweiten Stufe werden diese Werte mit Betriebsdaten verknüpft, um einen monetären Markenwert zu ermitteln.
Die Marken-Bilanz erfasst die Markenstärke über einen Katalog von 19 Kriterien, die sich den sechs Hauptgruppen »Konsument«, »Handel«; »Markenanteil«; »Markting-Mix«; »Markt« und »Geltungsbereich« zuordnen lassen. Beispielsweise untersucht die Kategorie »Konsument« die Verbundenheit der Verbraucher mit der Marke durch die Kriterien »Markentreue«, »Vertrauenskapital der Marke«, »Share of Mind«, »Werbeerinnerung« und »Markenidentifikation« (Schulz, R./Brandmeyer, K. 1989). Alle 19 Indikatoren wurden von Schulz/Brandmeyer nach persönlichem Ermessen ausgewählt und nach ihrem vermuteten Einfluss auf den Markenwert unterschiedlich gewichtet. Aus Wettbewerbsgründen machen die Autoren zur Skalierung der Kriterien, zur Gewichtung und zu den Bewertungsregeln keine nähere Angaben. Zuverlässig bekannt ist nur, dass eine Maximal-Punkt-Zahl von 500 erreicht werden kann. Erlangt ein Markenprodukt weniger als 200 Punkte, liegt Markenschwäche vor. Durch Risikozuschläge wird dieser Punktwert der Markenstärke mit der Sicherheit ihrer künftigen Beiträge in Verbindung gebracht. Auch hier bleiben bei der Vorgehensweise Fragen offen.
Zur Monetarisierung prognostiziert A.C. Nielsen die Markt-, Marktanteils- und Umsatzentwicklung in Form von Erwartungswerten und schätzt davon ausgehend die zukünftigen Jahresüberschüsse aus der Marke. Diese werden mit dem langfristigen Kapitalmarktzins des jeweiligen Landes plus entsprechendem Risikozuschlag (je nach der Markenstärke) diskontiert und summiert. Der sich so ergebende Ertragswert wird als Ausdruck des Markenwertes verstanden.
Eine abschließende Würdigung dieses Ansatzes ist angesichts der vielen Informationslücken problematisch. Hammann führt zu Recht an, dass sich auch hier die Probleme ergeben, die generell bei Punktbewertungsverfahren auftauchen: Bestimmung und Gewichtung der Kriterien, Interdependenzen zwischen den Kriterien etc. (Hammann, P. 1992; vgl. auch die Kritik am Interbrand-Modell in III.1.b)). Die Verbesserungswürdigkeit der Marken-Bilanz wird nicht zuletzt auch durch die Tatsache belegt, dass A.C. Nielsen diesen Ansatz selbst weiterentwickelt hat und als aktuelle Variante den »Brand Performancer« zur Messung des Markenwertes anbietet (Franzen, O. 1992).

(2) Der Brand Performancer


Analog zur Marken-Bilanz geht der Brand Performancer bei der Markenwertmessung zweistufig vor. Mittels der Punktbewertung erfolgt eine Markenstärken-Analyse, deren Ergebnis wiederum den Ausgang zur Monetarisierung in der zweiten Stufe bildet.
Abweichend von der Marken-Bilanz werden jedoch erheblich weniger Kriterien zugrunde gelegt: Dies sind im Einzelnen: »Marktvolumen«, »relativer Marktanteil«, »Marktanteilswachstum«, »Wachstum des Marktes«, »Marktanteil«, »gewichtete Distribution«, »Markenbekanntheit«, »Markentreue« und »Marken im Relevant Set«. Die Bestimmung der Gewichte der Kriterien erfolgt auf Basis kausalanalytischer Untersuchungen (Trommsdorff, V./Riedel, F./Franzen, O. 1994).
Basis für die Ermittlung des monetären Markenwerts sind die relative Markenstärke (Markestärke des betrachteten Unternehmens im Verhältnis zur summierten Markenstärke aller relevanten Marken), das Marktvolumen und die Umsatzrendite des Marktes. Hier wird bereits deutlich, dass im Unterschied zur Marken-Bilanz der Markenwert unabhängig von Kapital- und Kostenstruktur des Anbieters ermittelt wird. Das Ertragspotenzial einer Marke für das laufende Jahr wird folgendermaßen ermittelt:

-

Ertrag = Umsatzpotenzial × relative Markenstärke


Zur Ermittlung des Markenwerts ist es hier ebenfalls notwendig, die Lebensdauer der Marke zu prognostizieren und entsprechend zu diskontieren. Zum Einsatz kommt auch in diesem Fall das Ertragswertverfahren, wobei für die Berechnung des Markenwerts eine unendliche Lebensdauer angenommen wird.
Dieses Verfahren scheint wesentliche messtechnische Schwächen der Marken-Bilanz zu umgehen. Durch die Einschränkung der Kriterienanzahl im Punktbewertungsmodell reduzieren sich die mit dem Modell verbundenen Messprobleme; völlig beseitigt werden sie allerdings nicht. Obgleich versucht wird, möglichst viele objektivierte Informationen zu berücksichtigen, sind auch bei diesem Verfahren noch große subjektive Spielräume festzustellen. Zu denken ist an die Ermittlung des Umsatzpotenzials, die Schätzung der Umsatzrendite oder die Bestimmung des in der Ertragswertformel integrierten Risikofaktors.

3. Zusammenfassung und kritische Würdigung


Bei den Verfahren zur Markenwertmessung ist eine Vielzahl von Ansätzen zu unterscheiden, die sich nicht nur hinsichtlich ihrer Grundlagen und Methodik unterscheiden, sondern auch sehr unterschiedliche Ergebnisse liefern.
Zunehmend zeichnet sich jedoch ein Trend zur zweistufigen, indikatorengestützten Ermittlung ab. Fraglich bleibt jedoch die Validität der gewählten Indikatoren. Auswahl und Gewichtung der Indikatoren sind individuell unterschiedlich und bedingen eine stark subjektive Modellkomponente. Der Allgemeingültigkeitsanspruch o.g. Messansätze erscheint ebenfalls zweifelhaft und erfordert weitere Forschungsaktivitäten.
Auch aus wissenschaftstheoretischer Perspektive ist das Vorgehen wenig befriedigend. Die Frage nach der Entstehung des Marktwerts rückt in den Hintergrund; stattdessen wird eine instrumentell orientierte Symptomforschung betrieben.
Positiv hervorzuheben sind die einfache Handhabung der Modelle sowie deren diagnostische Möglichkeiten. Dadurch lassen sich die Modelle als Steuerungs- und Kontrollgrößen im Marketing einsetzen.
Literatur:
Aaker, D. A. : Management des Markenwerts, Frankfurt a.M. et al. 1992
Baetge, J. : Bilanzen, Düsseldorf 1991
Brasco, T. C. : How Brand Names are Valued for Acquisiton, in: Defining, Measuring, and Managing Brand Equity, Report No. 88 – 104 des Marketing Science Institute, Cambridge/MA 1988, S. 6 f
Dichtl, E./Eggers, W. : Marke und Markenartikel als Instrumente des Wettbewerbs, München 1992
Franzen, O. : Planungsentscheidungen im Marketing auf der Basis von Markenwertmodellen, in: planung und analyse, Nr. 4/1992, S. 51 – 55
Hammann, P. : Der Wert einer Marke aus betriebswirtschaftlicher und rechtlicher Sicht, in: Marke und Markenartikel als Instrumente des Wettbewerbs, hrsg. v. Dichtl, E./Eggers, W., München 1992, S. 205 – 245
Hammann, P./Gathen, A. von der : Bilanzierung des Markenwertes und kapitalmarktorientierte Markenbewertungsverfahren, in: MA, 1994, S. 204 – 211
Herp, T. : Der Markenwert von Marken des Gebrauchsgütersektors, Frankfurt a.M. et al. 1982
Herreiner, T. : Der »Wert« der Marke – Darstellung und kritische Würdigung von Verfahren der Markenevaluierung. Arbeitspapiere zur Schriftenreihe Schwerpunkt Marketing Nr. 37, Augsburg 1992
Kaas, K. : Langfristige Werbewirkung und Brand Equity, in: W&P, 1990, S. 48 – 52
Kamakura, W. A./Russell, G. J. : Measuring Consumer Perceptions of Brand Quality With Scanner Data: Implications for Brand Equity. Report No. 91 – 122 des Marketing Science Institute, Cambridge/MA 1991
Kapferer, J. N. : Die Marke – Kapital des Unternehmens, Landsberg/Lech 1992
Keller, K. L. : Conceptualizing, Measuring, and Managing Customer-Based Brand Equity, in: JM, No. 1/1993, S. 1 – 22
Kern, W. : Bewertung von Warenzeichen, in: BFuP, 1962, S. 17 – 31
Murphy, J. : Brand Valuation, London 1989
o.V., : Marken – How much in Dollar?, in: asw, Nr. 8/1989, S. 50 – 54
Penrose, N. : Valuation of Brand Names and Trade Marks, in: Brand Valuation, hrsg. v. Murphy, J., London 1989, S. 32 – 36
Raithel, H. : Alles für die Marke, in: manager magazin, 1989, S. 296 – 307
Rangaswamy, A./Burke, R. R./Oliva, T. : Brand Equity and the Extendibility of Brand Names, in: RM, 1993, S. 55 – 75
Rossiter, J. R./Lawrence, A. : Brand Equity Building for New Brands via Appropriate Advertising Symbol Selection, in: European Advances in Consumer Research, hrsg. v. Raaij, W.F. van/Bamossy, G. J., Amsterdam 1993, S. 125 – 132
Sander, M. : Die Bestimmung und Steuerung des Wertes von Marken, Heidelberg 1994
Sattler, H. : Herkunfts- und Gütezeichen im Kaufentscheidungsprozeß: Die Conjoint-Analyse als Instrument der Bedeutungsmessung, Stuttgart 1991
Schulz, R./Brandmeyer, K. : Die Marken-Bilanz: Ein Instrument zur Bestimmung und Steuerung von Markenwerten, in: MA, 1989, S. 364 – 370
Srivastava, R. K./Shocker, A. D. : Brand Equity: A Perspective on Its Meaning and Measurement, Report No. 91 – 124 des Marketing Science Institute, Cambridge/MA 1991
Trommsdorff, V./Riedel, F./Franzen, O. : Ansätze der Markenwertung und Markenbilanz, in: Handbuch Markenartikel, hrsg. v. Bruhn, M., Stuttgart 1994

 

 


 

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