Portfoliomodelle (Strategisches Management)
Inhaltsübersicht
I. Grundlagen
II. Modelle der Portfolioplanung
III. Stärken und Schwächen von Portfoliomodellen
IV. Ausblick
I. Grundlagen
Im Rahmen der strategischen Unternehmensführung trifft die Zentrale Entscheidungen hinsichtlich der Strategien, Systeme und Strukturen des gesamten Unternehmens. Ausgehend von einer internen wie auch externen Unternehmensanalyse werden dazu strategische Optionen formuliert und priorisiert. Unterschiedliche Ansätze ergeben sich insbesondere bei der Planung und Gestaltung des jeweiligen Geschäftsfeldportfolios. Zur Strukturierung dieses strategischen Reflexionsprozesses bietet die Managementtheorie eine Reihe von Portfoliomodellen. Mit ihrer Hilfe lässt sich zum einen qualitativ bestimmen, ob eine Unternehmung eine günstige oder weniger günstige Kombination strategischer Geschäftsfelder besitzt (Küpper, H.-U. 1997, S. 82), zum andern bilden sie eine Basis zur Ableitung und Bewertung strategischer Alternativen. Originäres Ziel der Portfolioanalyse ist es, die zu erwartenden (finanziellen) Ressourcen schwerpunktmäßig jeweils auf die Geschäftsfelder mit den günstigsten Erfolgsaussichten zu lenken. Damit soll das Unternehmen die Möglichkeit erhalten, einen hohen relativen Wettbewerbsvorteil für sich zu nutzen und letztendlich einen effizienten Ressourceneinsatz sicherzustellen (Gabele, E. 1987, S. 343).
Am Anfang der Portfolioanalyse sollten Mission und langfristige Unternehmensziele stehen. Die Mission sollte Aussagen zum Tätigkeitsgebiet eines Unternehmens, zu seinen Kompetenzen und Werten enthalten. Auf dieser Basis können dann die langfristigen Ziele festgelegt werden. Je größer das diversifizierte Unternehmen ist, desto wichtiger ist es, Ziele zu definieren, die eine möglichst präzise Ableitung und Kontrolle von Maßnahmen erlauben.
Auf dieser Grundlage ist dann das Unternehmen nach seinen Geschäftsfeldern zu segmentieren, den „ Objekten “ der Portfoliobetrachtung. Damit wird es möglich, bereichsspezifisch Marktdaten zu ermitteln, Stärken und Schwächen zu analysieren sowie Ziele und Maßnahmen festzulegen (Dunst, K.H. 1983, S. 56). Charakteristisch für solche strategischen Geschäftsfelder (SGF) ist: Sie besitzen eine eigenständige Marktaufgabe, die jeweils ein homogenes strategisches Planen und Handeln verlangt (Dunst, K.H. 1983 S. 56; Hahn, D. 1999, S. 405). Sie agieren unabhängig von anderen Geschäftsfeldern am Markt, in Konkurrenz mit bereichsspezifischen, externen Wettbewerbern. Idealerweise haben sie den Status eines autonomen Erfolgsträgers mit klar definierten Produkt-/Kundensegmenten, entsprechenden Personal- und Sachressourcen sowie eigener Kosten- und Ergebnisverantwortung (Roventa, P. 1981, S. 120; Hahn, D. 1999, S. 405).
In der Literatur wird der Begriff der strategischen Geschäftseinheit teilweise synonym verwendet (Kreikebaum, H. 1989, S. 111; Hahn, D. 1999, S. 403), wobei einige Autoren auch eine klare Abgrenzung zum strategischen Geschäftsfeld vornehmen (Link, J. 1999, S. 804 ff.). Diese verweisen darauf, dass eine strategische Geschäftseinheit nach unternehmensinternen, auf organisatorischer Verankerung basierenden Gesichtspunkten gebildet wird (Meffert, H.M. 1998, S. 228). Somit stellt sie die Binnenstruktur innerhalb eines Unternehmens und damit eine eigenständige organisatorische Einheit dar.
Die SGF-Segmentierung hat besondere Bedeutung für die Portfolioanalyse, da sie eine Bewertung der Einzelgeschäfte des Unternehmens unter Marktgesichtspunkten erlaubt und somit die Einschätzung dieser Geschäfte durch die Stakeholder beeinflusst. Im Idealfall erfolgt sie in einem iterativ-dynamischen Prozess: Der aktuelle Status quo wird jeweils kritisch hinterfragt; die Ergebnisse der Segmentierung werden kontinuierlich an die sich ändernden Rahmenbedingungen angepasst. Erfolgskritisch ist ein kreativer Ansatz des Managements, um Veränderungen und Opportunitäten frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls neue strategische Felder sowie Aktionspläne zu erarbeiten.
Die SGF-Segmentierung kann nach unterschiedlichen Prioritäten wie Marktaufgabe, bediente Regionen oder eingesetzte Ressourcen erfolgen. Da die Betrachtung mehrerer Perspektiven in der Praxis durch Abgrenzungsprobleme und mögliche Überschneidungen erschwert wird, konzentriert man sich meist auf jene Perspektive, der bei der strategischen Ausrichtung der Geschäftsfelder auf jeden Fall Rechnung zu tragen ist (Hungenberg, H. 2000, S. 330). Am geläufigsten ist eine Segmentierung nach Märkten und Nachfragerbedürfnissen (Levitt, T. 1960, S. 45 ff.), woraus spezifische Produkt-Markt-Kombinationen resultieren. Dabei sollten drei Dimensionen explizit berücksichtigt werden: die Kundengruppen, die das SGF adressiert, die (dauerhaften) Kundenbedürfnisse, die es befriedigt, sowie die notwendigen Technologien (Abell, D.F. 1980). So verstanden, unterscheiden sich die einzelnen strategischen Geschäftsfelder eines Unternehmens in erster Linie hinsichtlich Kunden, Produkten und Wettbewerbern. Zugleich können sie sehr wohl in den gleichen Regionen agieren und die gleichen Ressourcen nutzen (Hungenberg, H. 2000, S. 330).
II. Modelle der Portfolioplanung
Die heute üblichen Portfoliokonzepte sind aus der finanzwirtschaftlichen Portfolio-Selection-Theorie hervorgegangen (Markowitz, H.M. 1952, S. 77 ff.). Dabei wurde die Grundidee, unter Risiko- und Rentabilitätsgesichtspunkten ein optimales Wertpapierportefeuille zusammenzustellen, auf das strategische Management diversifizierter Unternehmen übertragen.
Seit Ende der 1960er-Jahre wurden dann, im Zuge des damaligen Trends zur Diversifizierung, unterschiedliche Portfoliomodelle entwickelt, die „ Werkzeuge “ der Portfolioanalyse. Die zugrunde liegenden Kriterien wurden immer mehr verfeinert, was schließlich zu einer schwer überschaubaren Proliferation der Modelle führte. Gemeinsam ist ihnen allerdings ein Ziel: Transparenz zu schaffen über die Attraktivität der strategischen Geschäftsfelder im Wettbewerbsvergleich.
1. Allgemeiner Aufbau der Portfoliomodelle
Portfoliomodelle sind in der Regel zweidimensionale Matrizen, mit deren Hilfe sich die SGF des Unternehmens durch entsprechend ihrer Bedeutung unterschiedlich große Positionskreise klassifizieren und bewerten lassen. Die vertikale Dimension bildet die Umweltfaktoren ab, die nicht oder allenfalls indirekt von der Unternehmensleitung beeinflusst werden können. Diese sind weitestgehend marktorientiert, dazu gehören z.B. Marktvolumen oder Marktwachstum. Damit stellt diese vertikale Dimension die Attraktivität der verschiedenen Geschäftsfelder aus externer Sicht dar. Die horizontale Dimension gibt dagegen unternehmensspezifische Faktoren wieder wie Marktanteil, relative Wettbewerbsvorteile etc. Mit ihr kann die Stärke der Geschäftsfelder im Wettbewerbsvergleich bestimmt werden.
Ein „ ideales Portfolio “ auf Grundlage dieser beiden Dimensionen – im Rahmen eines kapitalwertorientierten Fokus – gilt dann als erreicht, wenn eine ausgewogene Zusammenstellung der SGF vorliegt, die „ einen geschäftsfeldübergreifenden Ausgleich der Ergebnis-, Cashflow- und Risikostruktur gewährleisten “ (Hahn, D. 1999, S. 406).
Die verschiedenen Portfoliomodelle unterscheiden sich hauptsächlich in der Wahl der Kriterien, die zur Messung der beiden betrachteten Dimensionen herangezogen werden. Aufgabe des Managements ist, das geeignetste Modell auszuwählen und mit Blick auf die spezifische Unternehmenssituation zu adaptieren (Linneman, R.E./Thomas, M.J. 1982, S. 77 ff.).
2. BCG-Modell: Marktanteils-Marktwachstums-Portfolio
Das Marktanteils-Marktwachstums-Portfolio (vgl. Abb. 1) wurde Ende der 1960er-Jahre von der Boston Consulting Group entwickelt. Ziel ist es, ein SGF-Portfolio zu erstellen, in dem sich der Finanzmittelfluss langfristig in einem ausgewogenen Zustand befindet (Coate, M.B. 1983, S. 48).
Marktwachstum, basierend auf dem Produktlebenszyklus, und relativer Marktanteil, basierend auf den Erkenntnissen der Erfahrungskurve, bilden die beiden zentralen Dimensionen zur Bestimmung der Erfolgspotenziale der SGF (Hedley, B. 1977, S. 9 ff.). Im PIMS-Modell korrelieren beide Kriterien positiv mit Gewinn/Rentabilität. Der relative Marktanteil, der die Höhe des Cashflows entscheidend beeinflusst (Henderson, B.D. 1977), wird ermittelt, indem der eigene Marktanteil in Relation zu dem des stärksten Konkurrenten gesetzt wird. Implizit wird davon ausgegangen, dass die Erfahrungskurve zutrifft und das Unternehmen mit dem höchsten relativen Marktanteil auch mit den niedrigsten Kosten produzieren kann (Henderson, B.D. 1986). Einziger konkreter Wettbewerbsvorteil ist hier die absolute Kostensituation eines Unternehmens. Das Marktwachstum, Indikator für Marktattraktivität und Determinante für den Cashflow-Verbrauch (Henderson, B.D. 1977), wird prozentual als Wachstumsrate des Marktes, in dem das strategische Geschäftsfeld operiert, ausgedrückt. Unterstellt wird hier, dass Produkte und Produkt-/Kundensegmente einen zumindest global erfassbaren Lebenszyklus durchlaufen (Küpper, H.-U. 1997, S. 83).
Die vertikale Trennlinie wird in der Regel beim relativen Marktanteil von eins gezogen. Als horizontale Trennlinie wird, abhängig von der Heterogenität des Spektrums an strategischen Geschäftsfeldern im Portfolio, der Durchschnittswert der zukünftigen realen Zuwachsrate des Marktes, der Branche oder des Bruttosozialproduktes gewählt (Baum, H.-G./Coenenberg, A.G./Günther, T. 1999, S. 187).
Abb. 1: Marktphasen und finanzwirtschaftliche Konsequenzen der vier Normstrategien im BCG-Portfolio (Idealbild), (Schneider, D. 2000, S. 142).
Damit lassen sich alle SGF – im Uhrzeigersinn – nach vier Quadraten klassifizieren. Unterschieden werden „ Nachwuchsprodukte “ (Fragezeichen), „ Stars “ , „ Milchkühe “ (Cash Cows) sowie „ Problemprodukte “ (Dogs). Jede Kategorie visualisiert eine unterschiedliche Position hinsichtlich erforderlicher Investitionen und zu erwartender Deckungsbeiträge. Dem Ist-Portfolio ist abschließend ein Soll-Portfolio gegenüberzustellen, das durch Ausarbeitung von spezifischen strategischen Optionen (Normstrategien) für die einzelnen strategischen Geschäftsfelder gewonnen wird (Küpper, H.-U. 1997, S. 86). Die Normstrategien sollten dabei nicht mechanisch, sondern stets einzelfallbezogen, mit Blick auf Anwendungs- und Umsetzungsmöglichkeiten festgelegt werden. Der Vergleich beider Portfolien zeigt, ob sich das Unternehmen insgesamt in einem langfristig ausgewogenen Zustand seiner finanziellen Ressourcen befindet. Ein „ optimales “ Gesamtportfolio besteht aus wenigen Nachwuchsprodukten, einigen „ Cash Cows “ sowie möglichst vielen Stars.
Bewertung: Das BCG-Modell ist sehr anschaulich und einfach zu handhaben. Man kann aus der Positionierung der strategischen Geschäftsfelder unmittelbar Handlungsoptionen ableiten. Schwierig gestalten sich jedoch die Messung des Marktanteils, die entsprechende Abgrenzung des relevanten Marktes (Hax, A.C./Majluf, N.S. 1984, S. 145 ff.) sowie die Prognose des Marktwachstums; dabei wird nicht zwischen fragmentierten und konzentrierten Märkten unterschieden (Walker, R.F. 1984, S. 65). Ebenso wird ignoriert, dass unterschiedliche Märkte unterschiedliche Kapitalintensitäten erfordern; hier ist zudem die mögliche Konkurrenzreaktion zu berücksichtigen. Außer Betracht bleibt auch der Risikoaspekt. Bei der Bewertung der Kostensituation ist die Erfahrungskurve dominierender Faktor, weitere Effekte bleiben unberücksichtigt (Abell, D.F./Hammond, J.S. 1979).
Das BCG-Modell eignet sich deshalb vorzugsweise für investitionsintensive Industrien, die von Skaleneffekten voll profitieren können.
3. McK-/GE-Modell: Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteils-Portfolio
Das Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteils-Portfolio wurde von McKinsey&Company und General Electric in den 1970er-Jahren entwickelt. Die beiden zentralen Dimensionen Marktattraktivität und relative Wettbewerbsvorteile (Geschäftsfeldstärke) bilden sowohl mehrere quantitative als auch qualitative Faktoren ab, welche als bedeutend für die Strategieentwicklung gelten. In die Ermittlung der Marktattraktivität gehen externe, weitgehend unternehmungsunabhängige Faktoren wie Marktvolumen, Marktwachstum, Marktprofitabilität, Konkurrenz- sowie Umweltsituation mit ein (Meffert, H.M. 1998, S. 240). Relative Wettbewerbsvorteile spiegeln interne, weitgehend unternehmungsabhängige Faktoren wider, z.B. Marktposition, Produktions- sowie F&E-Potenzial, relative Produktqualität, relatives Qualifikationspotenzial von Führungskräften und Mitarbeitern sowie relative Profitabilität (Schneider, D. 2000, S. 146). Die beiden Dimensionen werden in jeweils drei Intervalle (hoch, mittel, niedrig) untergliedert, woraus eine Matrix mit insgesamt neun Feldern resultiert. Für die einzelnen Unterkriterien, die sich als Indikatoren für die zwei betrachteten Dimensionen eignen, erfolgt jeweils eine Transformation in Punktwerte. Nach einer entsprechenden Gewichtung werden diese durch Addition zu einem Gesamtwert zusammengefasst. Dieser bestimmt dann die jeweilige Position des strategischen Geschäftsfeldes in der Matrix. (Welge, M.K./Al-Laham, A. 1999, S. 344). Auch hier können verschiedene Normstrategien abgeleitet werden; diese sind dann wieder mit Blick auf die Unternehmenssituation zu adaptieren (siehe Abb. 2).
Intention des McK-/GE-Modell ist, vorhandene Wettbewerbsvorteile vorzugsweise in expandierenden Märkten mit hoher Attraktivität und entsprechend hohen Ertragspotenzialen zu nutzen. Damit soll der langfristige Erfolg des Unternehmens abgesichert werden. Die Normstrategien zielen deshalb besonders auf profitables Wachstum in einzelnen strategischen Geschäftsfeldern ab.
Abb. 2: Grundschema der McKinsey-/General Electric-Portfoliomatrix (Hinterhuber, H.H. 1996, S. 149)
Beurteilung: Das McK-/GE-Modell ist durch eine Kombination mehrerer quantitativer und qualitativer Faktoren im Wesentlichen als eine Generalisierung des BCG-Modells zu verstehen. Nach der PIMS-Studie, die eine theoretische und empirische Grundlage darstellt, besteht eine positive Korrelation des Return on Investment (ROI) zu den relativen Marktanteilen sowie eine negative Korrelation zur Kapitalintensität (Horváth, P. 1998, S. 383). Allerdings kann sich die Ermittlung der einzelnen Faktoren als schwierig erweisen. Da die Auswahl der Variablen letztlich auf der Expertise des Managements beruht, ist der subjektive Einfluss niemals auszuschließen (Welge, M.K./Al-Laham, A. 1999, S. 346).
4. Weitere Portfoliomodelle
Neben den beiden klassischen Modellen sind weitere marktorientierte Produkt-Markt-Portfolios entwickelt worden; sie unterscheiden sich lediglich in den Kriterien für die zwei betrachteten Dimensionen. Am bekanntesten ist das Marktlebenszyklus-Wettbewerbspositions-Portfolio von Arthur Little, D. (Hax, A.C./Majluf, N.S. 1984). Daneben gibt es auch eine Vielzahl maßgeschneiderter Modelle, die die Grundidee der Portfoliokonzepte auf andere Bereiche übertragen, z.B. um Risiken im Beschaffungsbereich näher zu betrachten (Kraljic, P. 1988, S. 477 ff.). Zu erwähnen sind insbesondere Ressourcen- und Beschaffungsportfolios (Hahn, D. 1999, S. 414 ff.; Schneider, D. 2000, S. 156 ff.), Technologieportfolios (Pfeiffer, W./Dögl, R. 1998, S. 440 ff.), Ökologie-, Länder- bzw. Regionenportfolios (Hahn, D. 1999, S. 421) sowie diverse Hybridmodelle wie Markt-Technologie-Portfolios. Sie alle bauen auf den Vorteilen einer systematischen Verdichtung von mehreren Einflussgrößen auf, heben dadurch allerdings ausschließlich den jeweils betrachteten Aspekt hervor.
III. Stärken und Schwächen von Portfoliomodellen
Portfoliomodelle sind Heuristische Verfahren. Vor- und Nachteile ihrer Anwendung sind in der Literatur inzwischen hinreichend diskutiert. Ihr häufig normativer, reduktionistischer Charakter resultiert aus pragmatischer Problemaufbereitung, einer vereinfachenden Darstellung, bedingt durch die Verdichtung auf wenige Dimensionen, und nicht zuletzt aus einer eingängigen, leichten Kommunizierbarkeit. Solche Modelle erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern bleiben eine komprimierte Darstellungs- und Entscheidungshilfe für komplexe Sachverhalte (Baum, H.-G./Coenenberg, A.G./Günther, T. 1999, S. 209). Werden sie mit überzogenen Anforderungen konfrontiert, so verlieren sie ihre Aussagekraft. Außerdem hängt gerade die Zuverlässigkeit der marktorientierten Modelle stark vom Grad der Bestätigung ab, den theoretische Ansätze wie die Erfahrungskurve, das Produktlebenszyklusmodell oder das PIMS-Modell finden. Diese sind teilweise sehr umstritten (Wind, Y./Mahajan, V. 1981, S. 155 ff.). Insgesamt erscheint dabei „ der Anspruch zu hoch, im strategischen Bereich mit relativ genauen und quantitativen Hypothesen arbeiten zu können “ (Küpper, H.-U. 1997, S. 88).
Portfoliomodelle stoßen zudem an klare methodische Grenzen: Durch die reduzierende Betrachtung von nur zwei erfolgsentscheidenden Dimensionen wird eine schematisierbare Strategieauswahl auf der Basis einer statischen Betrachtung suggeriert (Horváth, P. 1998, S. 377). Schwer planbare Einflüsse können nicht berücksichtigt werden. Bei den Normstrategien besteht die Gefahr einer mechanistischen Anwendung ohne Rücksicht auf unternehmensspezifische Charakteristika (Haspeslagh, P. 1982, S. 59 ff.). Empfehlungen dürfen aufgrund der starken Aggregation keinesfalls unreflektiert übernommen werden. Des Weiteren ist die Annahme eines notwendigen internen Ausgleichs des Finanzmittelflusses (Innenfinanzierung) eines Unternehmens durch ein ausgewogenes Portfolio aus Cashflow-generierenden und -verbrauchenden Geschäftsfeldern nicht mehr unbedingt nötig, da ein Zugang zu attraktiven externen Finanzmitteln (Hungenberg, H. 2000, S. 345) über effiziente, transparente Finanzmärkte möglich ist. Und schließlich bleiben auch Interaktionen und Synergiepotenziale zwischen den einzelnen strategischen Geschäftsfeldern in den Modellen unberücksichtigt, während sie in der Realität eine Schlüsselrolle spielen können.
Zu würdigen bleibt, dass die Anwendung von Portfoliomodellen in diversifizierten Unternehmen eine Strategiediskussion initiiert, die den institutionellen Entwicklungsprozess unterstützt und durch konkurrierende Analysen auf jeder Geschäftsebene vorantreibt. Dadurch wird zumindest die Kommunikation unter den Führungskräften gefördert; die Manager werden angehalten, strukturiert und zukunftsorientiert zu denken. Als Erfolgsfaktor nicht zu unterschätzen ist auch der Anreiz, „ eine elegante, einfache Theorie in einer komplexen Realität umzusetzen “ (Haspeslagh, P. 1982, S. 73).
IV. Ausblick
Im Kielwasser der Diversifizierungswelle der 1970er-Jahre erfuhren die Portfoliomodelle als Instrumente zur Beherrschung der Vielfalt von Geschäftsfeldern eine besonders häufige Anwendung (Haspeslagh, P. , 1982, S. 58). Insbesondere durch einen sich seit Anfang der 1990er-Jahre vollziehenden Paradigmenwechsel in der Managementtheorie, der sich durch eine verstärkte Fokussierung der Unternehmen auf Kerngeschäfte und damit einen rückläufigen Diversifikationsgrad charakterisiert, verlieren die klassischen Portfoliomodelle an Bedeutung. Ansätze wie der Ressource-based-View (Wernerfelt, B. 1984, S. 171 ff.) oder das Konzept der Kernkompetenzen (Prahalad, C.K./Hamel, G. , 1990, S. 79 ff.) sind u.a. repräsentativ für diese Entwicklung.
Ebenso hat sich die Aufgabe der Unternehmenszentrale entscheidend verändert: Im Rahmen des klassischen Portfoliomanagements war sie darauf beschränkt, aus den als vollkommen unabhängig betrachteten strategischen Geschäftsfeldern ein im Hinblick auf Risiko und Cashflow ausgeglichenes Portfolio zu schaffen. Im Extremfall wird sie damit in die Rolle eines Investors gedrängt, der die einzelnen strategischen Geschäftsfelder eines Unternehmens wie isolierte „ Investments “ einzelfallbezogen zu optimieren sucht. „ Doch auf diesem Wege gelingt es zusehends schwerer, die Wettbewerbsfähigkeit zu wahren und aus dem Ganzen mehr zu machen als nur die Summe der Teile “ (Hinterhuber, H.H./Friedrich, S.A. 1999, S. 1005). Aus heutiger Sicht stellen allerdings nicht nur der Geschäftsfeldwert und seine Maximierung, sondern auch die Maximierung des Wertbeitrags der jeweiligen Unternehmenszentrale dominierende Kriterien für die Strategiebewertung und -auswahl dar (Hungenberg, H. 2000, S. 299). Da dieser Aspekt von den klassischen Portfoliomodellen nicht berücksichtigt wird, können Letztere hier lediglich als eine erste Reflexionsgrundlage für weitergehende Betrachtungen eingesetzt werden. Die jeweils spezifische Situation eines Unternehmens erfordert aufbauend auf der klassischen Portfolioanalyse eine weiterführende Betrachtung der Wertsteigerungspotenziale der SGF sowie der Unternehmenszentrale.
Im Rahmen eines unternehmenswertorientierten Controllings sind hierfür verschiedene wertorientierte Portfoliokonzepte entwickelt worden (Günther, T. 1997, S. 341ff; Welge, M.K./Al-Laham, A. 1999, S. 348 ff). Exemplarisch sei hier das Konzept des Parenting Advantage mit Parenting-Fit-Portfolio (Goold, M./Campbell, A./Alexander, M. 1994, S. 12 ff.) erwähnt. Dieses zielt auf eine nachhaltige positive Wertsteigerung von strategischen Geschäftsfeldern durch die Unternehmenszentrale ab. Dies bedeutet konkret, den Wert des Gesamtunternehmens über die Einzelwerte der strategischen Geschäftsfelder hinaus zu vermehren. Dabei ist dasjenige Unternehmen als „ best owner “ anzusehen, dem es gelingt, diesen Mehrwert – den Wertbeitrag der Zentrale – im Vergleich zu jedem anderen hypothetischen Eigentümer zu maximieren (Hahn, D. 1999, S. 422). Zur systematischen Wertsteigerung des Unternehmens und seiner einzelnen strategischen Geschäftsfelder werden verschiedene Shareholder-Value-Konzepte (Copeland, T./Koller, T./Murrin, J. 1994; Rappaport, A. 1998) wie auch die Konzepte des Economic Value Added (EVA) (Stewart, G.B. 1991) oder des Cash Flow Return on Investment (CFROI) (Lewis, T.G./Stelter, D.M./Casata, T. 1994) herangezogen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Portfoliomodelle zu ersten wertvollen und kreativen Reflexionen über Strategiealternativen und Ressourcenzuteilung in diversifizierten Unternehmen anregen können. Damit schaffen sie einen grundlegenden Denkrahmen für ein Geschäftsfeld übergreifendes Verständnis der notwendigen Handlungsschritte sowie der Vorgehensweisen in einem komplexen und anspruchsvollen strategischen Planungsprozess.
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