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Wettbewerbspolitik

ist die Gesamtheit der Maßnahmen, deren Ziel die Erhaltung und/od. Förderung von Wettbewerb ist. Wg. der elementaren Bedeutung des Wettbewerbs in der Marktwirtschaft ist die Wettbewerbspolitik zugleich konstitutiver Teil marktwirtschaftlicher Ordnungspolitik (Theorie der Wirtschaftspolitik). Die Präferenz für Wettbewerb beruht auf den ihm zugeschriebenen Eigenschaften, -   den Marktbeteiligten Handlungsfreiheiten zu ermöglichen und zu sicher (Freiheitsfunktion des Wettbewerbs) sowie -   eine gute Marktversorgung zu gewährleisten (ökonomische Funktion des Wettbewerbs). Zu den Freiheit sichernden Funktionen des Wettbewerbs zählen die Freiheit von Konsumenten , zwischen alternativen Angeboten auswählen zu können, die Eröffnung von Chancen für Arbeitnehmer zum Arbeitsplatzwechsel wie auch die Freiheit zur unternehmerischen Initiative, etwa neue Güter und Produktionsverfahren zu entwickeln oder neue Märkte zu erschließen. Solche Wettbewerbsfreiheiten setzen einen hohen Dezentralisierungsgrad der Entscheidungsstrukturen voraus. Die ökonomische Funktion des Wettbewerbs erstreckt sich auf verschiedene Dimensionen von Marktergebnissen. Im einzelnen handelt es sich darum, daß Wettbewerb zu einer Ausrichtung des Angebots der Produzenten und Händler auf die Nachfrage der Konsumenten führt, die Angebotsstruktur also letztlich durch die Konsumentenpräferenzen gesteuert wird. Dies schließt eine flexible Anpassung von Produktionsprogrammen, -verfahren und -kapazitäten an für Marktprozesse typische Datenänderungen ebenso ein wie den tendenziell optimalen Einsatz der Produktionsfaktoren im Zuge solcher Reallokationsprozesse. Wettbewerbliche Marktprozesse sind schließlich auch deshalb erwünscht, weil sie fortlaufend neue Informationen offenbaren (Informationsökonomik) und weitergeben, so daß Neuerungsaktivitäten und deren schnelle Ausbreitung begünstigt werden. Nicht zuletzt soll Wettbewerb als ein Verfahren zur Begrenzung und Kontrolle wirtschaftlicher Macht das Entstehen nicht leistungsbezogener Einkommen verhindern bzw. für deren raschen Abbau sorgen. Besteht hinsichtlich der gesellschaftspolitischen und ökonomischen Zielsetzungen der W. weitgehend Einigkeit, so fehlt diese jedoch bei der Antwort auf die Frage nach der konkreten Gestalt und den Bedingungen der Marktprozesse, die als zielkonforme wettbewerbliche Prozesse gelten können. Die fehlende Einmütigkeit wird deutlich in verschiedenen wettbewerbspolitischen Konzeptionen (Leitbilder), die mit Aussagen über Beziehungen zwischen wettbewerblichen Bedingungskonstellationen und wettbewerbspolitischen Zielen der praktischen W. einen Orientierungsrahmen zu geben versuchen. Längere Zeit diente die "vollständige Konkurrenz" als Referenzsituation der W. In der strengen Modellversion der neoklassischen Gleichgewichtstheorie, die die Bedingungen aufzeigt, unter denen die optimale Faktorallokation (Allokation) garantiert ist, ist dieses Konzept schon allein deshalb wettbewerbspolitisch unbrauchbar, weil für reale Wettbewerbssprozesse so wichtige Vorgänge wie Produktinnovationen und anschließende Anpassungsreaktionen mit dem statischen Charakter des Modells unvereinbar sind. Auch weniger restriktive Modellformulierungen, die vornehmlich auf die (große) Zahl der Marktteilnehmer und deren Einflußlosigkeit auf den Marktpreis abstellen, sind als Leitbilder der W. nicht geeignet, da der Einsatz wettbewerblicher Aktionsparameter wie Preis , Produktdifferenzierung , Werbung wettbewerbspolitisch unterbunden werden müßte. Bessere Orientierungshilfen für die W. scheinen die Konzepte des "funktionsfähigen Wettbewerbs" (workable competition) leisten zu können. Als funktionsfähig gilt der Wettbewerb, der die wettbewerbspolitisch erwünschten Ergebnisse bewirkt. Es wird angenommen, daß die Wettbewerbswirkungen (z.B. Produktivitätsfortschritte) durch wettbewerbliche Verhaltensweisen (z.B. innovatorische Aktivitäten) bestimmt werden und diese wiederum von Marktstrukturen (z.B. Höhe und Streuung von Marktanteilen) abhängen. Zur Gruppe der Konzepte des funktionsfähigen Wettbewerbs zählen auch solche, die für die W. bestimmte Marktstrukturen normieren  beispielsweise weite Oligopole , weil bei dieser Marktstruktur Verhaltensweisen erwartet werden, die zur Realisierung der ökonomischen Wettbewerbsfunktionen führen. Die Struktur-Verhalten-Ergebnis-Modelle haben sich für die W. nur begrenzt als tragfähig erwiesen. Ihre Hauptprobleme liegen in der Unschärfe der Struktur-, Verhaltens- und Ergebniskriterien, ihrer häufig zirkulären  anstatt der unterstellten linearen  Beziehungen und schließlich in der empirisch nicht haltbaren Vermutung systematischer Beziehungen zwischen Marktstrukturen (z.B. Konzentrationsgrade) und Marktergebnissen (z.B. Neuerungsaktivitäten). Diese Schwierigkeiten sucht das "neuklassische Konzept der Wettbewerbsfreiheit" zu vermeiden. Da Marktstrukturen und-verhaltensweisen Marktergebnissen nicht eindeutig zurechenbar sind, diese sich vielmehr im Zuge wettbewerblicher Prozesse fortwährend ändern, sind konkrete Ergebnisse prinzipiell nicht prognostizierbar; sie können deshalb auch nicht als Ziele der W. normiert werden. Die Aufgabe der W. besteht vielmehr darin, (willkürliche) Beschränkungen der Wettbewerbsfreiheit zu verbieten. Hiervon sind im Sinne einer "Muster-Voraussage" zugleich auch gute ökonomische Ergebnisse (Berücksichtigung der Verbraucherwünsche, Leistungssteigerung der Produzenten etc.) zu erwarten. Zielkonflikte zwischen Wettbewerbsfreiheit und ökonomischer Vorteilhaftigkeit bestehen danach nicht. Sollte der Fall vorkommen, daß etwa die Marktgröße nur einem Unternehmen die kostenoptimale Produktion gestattet, so liegt ein natürliches Wettbewerbshemmnis vor, das einen wettbewerbspolitischen Ausnahmebereich begründet. Mit der generellen Regel, daß Wettbewerbsprozesse von wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen wie formelle und informelle Kartellabsprachen (Kartell), Boykott, Liefersperren, staatlichen Privilegierungen u.ä. freizuhalten sind, entgeht das Konzept der Wettbewerbsfreiheit zwar grundsätzlich der Gefahr des funktionalistischen Konzepts, daß die wettbewerbspolitische Gestaltung der Marktstruktur wegen der Komplexität realer Wettbewerbsprozesse de facto zum wettbewerbsbeschränkenden Marktdirigismus wird; für die praktische W. bleiben gleichwohl Schwierigkeiten bestehen: Wenn konkrete Marktergebnisse wg. der Offenheit wettbewerblicher Marktprozesse nicht prognostizierbar sind, können sie auch nicht ex ante zur Rechtfertigung wettbewerblicher Ausnahmebereiche dienen. Zudem könnte die Beseitigung "willkürlicher" Wettbewerbsbeschränkungen in Einzelfällen die ökonomischen Ergebnisse verschlechtern; so dürfte die Beseitigung des Patentschutzes die Innovationsanstrengungen (Innovation) dämpfen. Eine sehr weitgehende wettbewerbspolitische Abstinenz impliziert die Survivorthese der sog. Chicago-Schule. Danach setzen sich auf lange Sicht stets die effizienten Marktstrukturen durch. Da diese sich auch durch externes Unternehmenswachstum herausbilden könnten, wird eine restriktive wettbewerbspolitische Behandlung derartiger Konzentrationsprozesse abgelehnt. Angesichts der wissenschaftlichen Kontroversen über eine leistungsfähige Konzeption für die W. und der als Ergebnis politisch-ökonomischer Willensbildungsprozesse in pluralistischen Gesellschaften verbreiteten Kompromisse erstaunt es nicht, daß sich die praktische W. und ihre rechtlichen Grundlagen als eine Mischung verschiedener Konzeptionen darstellen. Die wichtigsten gesetzlichen Wettbewerbsregelungen in der Bundesrepublik Deutschland sind das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG)und insbesondere das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) . Das UWG intendiert allgemeine Spielregeln für einen "fairen" Wettbewerb, indem es repressive oder bewußt irreführende Marktpraktiken zwischen den Marktteilnehmern verbietet. Die extensive Interpretation des UWG kann jedoch auch zu Wettbewerbsbeschränkungen führen, wenn etwa Gerichte  auch objektiv zutreffende vergleichende Werbung als sittenwidrig betrachten. Das Hauptanliegen des GWB besteht in der Sicherung der Wettbewerbsfreiheit. Dazu dienen Verbote wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen wie z.B. Kartellabsprachen, abgestimmte Verhaltensweisen, Preisbindungen, Ausschließlichkeitsverträge oder Fusionen (oberhalb bestimmter Toleranzschwellen). Das Verbotsprinzip wird jedoch nicht selten von Ausnahmeregelungen durchbrochen; vielen dieser Ausnahmeregelungen liegt die Vermutung zugrunde, daß die Beschränkung des Wettbewerbs zu besseren ökonomischen Ergebnissen führen würde. Solche zulässigen Wettbewerbsbeschränkungen unterliegen jedoch ebenso wie marktbeherrschende Unternehmen der Mißbrauchsaufsicht durch die Kartellbehörden; Gegenstand der W. sind in diesen Fällen also nicht Wettbewerbsbeschränkungen, sondern deren unerwünschte Folgen. Die Problematik des Mißbrauchsprinzips besteht darin, daß vielfach mit Fiktionen operiert werden muß. So wird z.B. eine mißbräuchliche Preisüberhöhung anhand hypothetischer Marktergebnisse diagnostiziert, d.h. anhand der Preise, die sich bei unbeschränktem Wettbewerb ergeben hätten. Diese Wettbewerbspreise sind aber unbekannt. Ein spezielles Problemfeld der praktischen W. stellen die Ausnahmebereiche dar. Völlige oder teilweise Freistellungen vom GWB gelten für so wichtige Wirtschaftszweige wie Verkehrswirtschaft, Landwirtschaft, Kredit- und Versicherungswirtschaft und Versorgungswirtschaft. Ausnahmeregelungen wären dann ordnungskonform, wenn in diesen Bereichen Wettbewerbsprozesse die ihnen zugeschriebenen Funktionen nicht erfüllen können. Effizienzgewinne durch Leitungsmonopole von Elektrizitätsgesellschaften oder durch das Versorgungsmonopol der Bundespost im Fernmeldewesen basieren jedoch bestenfalls auf a priori-Vermutungen, nicht aber auf empirischen Erfahrungen.

Literatur: K. Herdzina, Wettbewerbspolitik. 
3. A., Stuttgart 1991. H. Berg, Wettbewerbspolitik, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, Bd.
2.
4. A., München 1990, 233-294.

 

 


 

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