Aus- und Fortbildung für Führungskräfte
Inhaltsübersicht
I. Ziele, Funktionen und theoretische Grundlagen
II. Konzeption der Führungskräfteentwicklung
III. Grenzen und Ausblick
I. Ziele, Funktionen und theoretische Grundlagen
In der Literatur wird i.a. von individuellen und institutionellen Zielen der Aus- und Fortbildung von Führungskräften ausgegangen, die jedoch nicht als grundsätzlich verschieden, sondern als komplementär angesehen werden.
Institutionelle Ziele sind:
- | direkte Entwicklung der Humanressourcen im Unternehmen durch Ausbau des vorhandenen Führungspotenzials | - | indirekte Entwicklung der Humanressourcen im Unternehmen durch die gewachsenen Einflussmöglichkeiten der qualifizierten Führungskräfte auf die Mitarbeiter | - | Beitrag zur Wissensproduktion und -nutzung sowie einer lernorientierten Unternehmenskultur | - | Signalisierung von Perspektive, Potenzial und Modernität der Organisation gegenüber dem Umfeld und potenziellen Bewerbern. |
Als individuelle Ziele sind zu nennen:
- | Erwerb von Wissen und Fähigkeiten für die Bewältigung der gegenwärtigen und zukünftigen Aufgaben, d.h. Aufbau von kulturellem (und symbolischem) Kapital | - | Sicherung der persönlichen Karriere bzw. Verbesserung der Karrierechancen | - | Befriedigung von Bedürfnissen nach Wissenserwerb, Lernen, sozialem Kontakt etc. | - | Möglichkeit zum Aufbau von Beziehungsnetzwerken, d.h. von sozialem Kapital | - | Chancen zur Persönlichkeitsentwicklung der Teilnehmer. |
Diese Auflistung verdeutlicht die Problematik der Annahme einer Zielharmonie. Zugleich ergibt sich aber auch eine realistischere Einschätzung von Gestaltungsmöglichkeiten und Grenzen unter den jeweiligen situativen Bedingungen im Rahmen einer konzeptionellen und instrumentellen Gestaltung der Führungskräfteaus- und -fortbildung (Sattelberger, 1996).
Besonders verhaltenswissenschaftliche, handlungs- und lerntheoretische Ansätze haben sich für die Gestaltung der Führungskräfteentwicklung als bedeutsam erwiesen. Ihr Erklärungsbeitrag liegt vor allem auf Prozessen der Verhaltensbeeinflussung und -änderung durch das Handeln in organisierten Lernprozessen. In diesem Kontext sind als wichtige (lern)theoretische Grundlagen neuerer Gestaltungsansätze das „ action learning “ und der Zyklus des Erfahrungslernens von Kolb (Kolb, 1984) hervorzuheben.
II. Konzeption der Führungskräfteentwicklung
Mit der verstärkten strategischen Ausrichtung der Unternehmen ist zunehmend der Anspruch verbunden, die Führungskräfteplanung mit der strategischen Unternehmensplanung zu verzahnen. Die strategische Personalplanung für Führungskräfte i.S. einer langfristig problembezogenen und in andere Systeme integrierten Planung orientiert sich damit am derzeitigen und zukünftigen Bedarf sowie an möglichen Erfolgspotenzialen (u.a. Pawlowsky, 1999; Mayerhofer, 1999). Die operative Planung umfasst dann die Bestimmung konkreter Maßnahmen. Der Bedarf an Führungskräften ist sowohl quantitativ als auch qualitativ zu bestimmen. Dabei ist die Personalplanung für Führungskräfte mit folgenden Besonderheiten konfrontiert (vgl. Weber, /Martin, 1987):
- | Die Bestimmung der anzustrebenden Ziele und der (zu erwerbenden) Kompetenzen ist besonders schwierig, da neben fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten insb. Management- und Führungsfähigkeiten im Zentrum des Interesses stehen (Personalbeurteilung; Potenzialbeurteilung). | - | Der Erwerb von spezifischen Qualifikationen oder Verhaltensänderungen benötigt viel Zeit (Personalentwicklung; Trainingsmethoden). | - | Die notwendigen Investitionen je Führungskraft sind im Vergleich zu anderen Beschäftigten sehr hoch. | - | Die Schadensgefahr ist bei Fehlbesetzungen mit unplanbaren Folgeschäden verbunden. |
Prinzipiell müssen Unternehmen klären, auf welchem Weg sie ihren derzeitigen und künftigen Bedarf an Führungskräften sichern können. Der Weg über Neueinstellungen wird in Abhängigkeit von der Arbeitsmarktlage, der Branche und den geforderten Qualifikationen ggf. rasch auf quantitative und qualitative Grenzen stoßen. Als Alternative bietet sich die Führungskräfteentwicklung bzw. die interne Fortbildung von Führungskräften an, bei der das im Unternehmen bereits vorhandene Potenzial genutzt wird.
„ Klassische “ Ansätze beschreiben die Führungskräfteentwicklung als einen Entscheidungs- und Problemlösungsprozess mit den Phasen:
- | Analyse des Entwicklungs- bzw. Fortbildungsbedarfs | - | Generierung, Bewertung und Festlegung entsprechender Maßnahmen sowie deren Durchführung | - | Evaluation und Kontrolle des Entwicklungs- bzw. Fortbildungserfolgs. |
Die Bedarfsermittlung basiert dabei auf einem Vergleich der Ist- und Sollqualifikationen der vorhandenen Führungskräfte zum gegenwärtigen und zukünftigen Zeitpunkt. Entwicklungsbedarf wird abgeleitet, wenn eine Diskrepanz zwischen den (prognostizierten) Soll-Qualitäten der Führungspositionen und den Ist-Qualitäten der Führungskräfte diagnostiziert wird, wobei i.d.R. negative Abweichungen gemeint sind. Die Ermittlungsergebnisse bilden unter Berücksichtigung von Unternehmensressourcen die Basis für anforderungsdefizitgesteuerte Gegenmaßnahmen.
Aufgrund methodischer u.a. Probleme zeigt sich in der betriebswirtschaftlichen Literatur eine allmähliche Distanzierung von „ traditionellen Idealmodellen “ der Bedarfsanalyse als alleinige Grundlage von Weiterbildungsentscheidungen zugunsten von mehr selbstbestimmter Qualifizierung (u.a. Heidack, 1997). Insb. auf der Basis der systemischen Organisationstheorie werden Vorstellungen weitgehender Plan- und Steuerbarkeit zugunsten einer stärkeren Selbstentwicklung der Führungskräfte in Form der Eigeninitiative ( „ career ownership “ ) zurückgedrängt. Schützenhilfe bei der Neukonzeptionalisierung liefern auch die Vertreter politischer Ansätze, die den Eigensinn und die Eigeninteressen der Weiterbildungsadressaten zunehmend ins Blickfeld rücken (u.a. Nienhüser, 1999).
Die veränderten Bedingungen des Managementhandelns in der Gegenwart, die nicht nur durch eine hohe Verfallsgeschwindigkeit gegebener Managementqualifikationen, sondern auch durch neue Anforderungen gekennzeichnet sind, erfordern zeitunabhängige Schlüsselqualifikationen, ein lebenslanges, mehr selbstgesteuertes und innovativeres Lernen (z.B. Friedrich, /Mandel, 1997; Welge, et al. 2000; AoM, Learning & Education2005). Fortbildung in einer lernenden Organisation bedeutet nunmehr auch Qualifizierung der Führungskräfte mit dem Ziel, bereichsübergreifendes Dauerlernen initiieren und etablieren zu können sowie Potenziale zu verstärken.
Vor diesem Hintergrund ergeben sich zusätzliche Probleme einer traditionellen Erfolgssteuerung und -beurteilung. So sind z.B. die in der Literatur zur Evaluation von Trainingsmaßnahmen angebotenen Kontrollgruppen (z.B. Weinert, 1998) nur mit großem Aufwand und unter Laborbedingungen sinnvoll einzusetzen. In der Praxis verzichtet man daher i.d.R. auf diese aufwendigen Verfahren und Tests. Da jedoch „ messbare “ oder zumindest nachweisbare Effekte von Maßnahmen der Führungskräfteentwicklung zunehmend gefordert werden (Häring, /Voss, 2000) und für die Planung und Legitimation der Maßnahmen wichtig erscheinen, gewinnt das Thema in Theorie und Praxis weiter an Gewicht. Konsequenterweise müssen bei Selbstlernprozessen vor allem auch Selbstkontrollen als wichtige Formen stärker integriert werden.
2. Inhaltliche Ausrichtung
Die Betrachtung der Aus- und Fortbildung von Führungskräften als Element strategischer Unternehmensführung impliziert, dass geklärt werden muss, über welche Kenntnisse, Fähigkeiten, Erfahrungen und Verhaltensweisen Führungskräfte verfügen sollen. Wie dies genau erfolgt, ob in Form eines allgemeinen Anforderungsprofils oder differenziert nach Hierarchieebenen, Funktionsgruppen oder auch für einzelne strategisch bedeutsame Positionen, wird in jedem Unternehmen i.d.R. spezifisch entschieden werden. Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Rollenanforderungen (vgl. Bartlett, /Goshal, 1998 für Managementebenen) erscheint eine Differenzierung zweckmäßig. Trotzdem tragen Managementbestseller, Berater und Trainer mit entsprechenden Trainingsprogrammen und Empfehlungen auch zu einer gewissen Uniformierung bei, die dem angestrebten Ziel entgegensteht, unternehmensspezifische Potenziale zu entwickeln, die aufgrund ihrer Einmaligkeit einen Wettbewerbsvorteil darstellen.
In der Literatur werden die erforderlichen Persönlichkeitseigenschaften, Kenntnisse, Denkweisen und Fähigkeiten sowie Handlungspotenziale, mit denen eine Führungskraft zur Bewältigung ihrer jeweiligen Aufgaben ausgestattet sein soll, als Kompetenzen bezeichnet. Eine allgemeine Gliederung der Kompetenzen geht von drei Dimensionen aus, die jeweils den Bezug zu bestimmten Teilen der Tätigkeit kennzeichnen: die Fach- und Methoden-Kompetenz (Bezug zu Objekten und Prozessen), die soziale Kompetenz (Bezug zu anderen Personen) und die personelle bzw. Selbstkompetenz (Bezug auf sich selbst). Dabei konkretisieren sich die beiden letztgenannten Basiskompetenzen u.a. in der Führungskompetenz und in der interkulturellen Kompetenz als weitere, die spezifische Rolle der Führungskräfte sowie aktuelle Anforderungen und Schwerpunkte der Führungstätigkeit adressierende Dimensionen. Daneben werden zunehmend Kompetenzbereiche bestimmt, die sich aus einer Kombination fachlich-methodischer Kompetenzen mit der Selbstkompetenz und sozialen Kompetenzen ergeben. Dazu gehört insb. der Begriff der Managementkompetenz und, als besondere Ausprägungen, die strategische Kompetenz sowie die Lernkompetenzen. Im angelsächsischen Sprachraum richtet sich der Fokus auf die Entwicklung unterschiedlicher „ Management Skills “ (Whetten, 2005). Die weitere Ausdifferenzierung des Kompetenzbegriffes führt jedoch eher zu einer zunehmenden Unschärfe (Baitsch, 1996).
Diese Problematisierung des Kompetenzbegriffes beinhaltet jedoch auch ein wesentliches Argument, das für die Gestaltung bedeutsam ist. Kompetenzen im Sinne von Wissen, Kenntnissen und Fähigkeiten sowie Erfahrungen als Ausgangspunkt der Personal- und Führungskräfteentwicklung greifen insofern zu kurz, als grundlegende Veränderungen in diesem Bereich aus handlungstheoretischer und lerntheoretischer Sicht eng mit einer Veränderung der Alltagstheorien des Handelns, der „ theories in use “ und der dahinterstehenden Werte verbunden sind. Führungskräfteentwicklung kann damit nicht auf die Veränderung von Kompetenzen im o.g., engeren Sinne reduziert werden, sondern muss Veränderungen in den Werten, Einstellungen, Bedürfnissen, Zielen und Motiven in ihren wechselseitigen Zusammenhängen einschließen. Die noch verbreitete isolierte „ Skill “ - oder Kompetenz-Orientierung praktischer Managementtrainings greift demnach auch zu kurz, es geht um umfassende Handlungskompetenz (Hollenbeck, /McCall, 2003).
3. Methoden, Instrumente und Maßnahmen
Im Rahmen der Führungskräfteentwicklung kommt eine Vielzahl von Methoden, Instrumenten und Maßnahmen zum Einsatz. Aufgrund der Anzahl und Unterschiedlichkeit hinsichtlich Zielrichtung und -arten, Zielgruppe nach Größe und Zusammensetzung, Dauer der Maßnahme, Systematik, Aktivität und Einbeziehung der Teilnehmer, Träger, Anforderungen an Ort, Umfeld und Ausstattung u.a.m. ist eine rationale Auswahl erschwert (Neuberger, 1994). Vielmehr spielen bei der Auswahl und Kombination der Methoden und Instrumente im Rahmen der durchgeführten Maßnahmen zur Führungskräfteentwicklung insb.
- | die Größe des Unternehmens | - | die Landes- und Unternehmenskultur | - | die Personalpolitik und der Grad der Professionalisierung des Personalmanagements | - | die intern vorhandenen Kompetenzen und Erfahrungen in der Führungskräfteentwicklung | - | der Grad der Integration der Führungskräfteentwicklung in die Unternehmensstrategie sowie ihrer Verbindung mit weiteren Maßnahmen der Unternehmensentwicklung | - | das Interesse am Transfer von externem Know how und externen Erfahrungen sowie | - | der Zeitfaktor |
eine wichtige Rolle.
Unter Beachtung der grundsätzlichen Systematik der Maßnahmen gehören zur Ausbildung des Führungskräftenachwuchses und der sog. „ high potentials “ sowohl Traineeprogramme zur systematischen Einarbeitung in unternehmensspezifische Probleme wie auch die Mitarbeit in oder Leitung von Projekt- und Arbeitsgruppen sowie die Teilnahme an Führungstrainings off the job. Auch die Mitwirkung und Übernahme von Führungsaufgaben in Junior- oder Übungsfirmen stellt eine geeignete und zunehmend genutzte Form für den Führungsnachwuchs dar. Häufig erfolgt im Anschluss an das Traineeprogramm ein Einsatz als Assistent oder in Stabsbereichen. I.V.m. und im Ergebnis einer Potenzialbeurteilung erfolgt dann oft die Aufnahme in einen Förderkreis oder Talentpool, der Abschluss von Entwicklungspartnerschaften, die Benennung eines Mentors o.Ä.
Aus den veränderten Rahmenbedingungen ergibt sich fast zwangsläufig die wachsende Bedeutung und zunehmende Dominanz der arbeitsplatzgebundenen Trainings- und Entwicklungsmaßnahmen, die unmittelbar mit der Erfüllung unternehmerischer Aufgaben gekoppelt sind und die Teilnehmer unter realistischen Bedingungen mit den Anforderungen des jeweiligen Funktionsfeldes konfrontieren (Heidack, 1997). Die Wirksamkeit solcher Maßnahmen setzt jedoch voraus, dass ein deutlicher Zusammenhang zur Laufbahn- und Nachfolgeplanung von Fach- und Führungskräften vorhanden ist, die weiteren Rahmenbedingungen (entsprechende Vergütungssysteme, entsprechende Lernumgebungen und Lernressourcen im Arbeitsumfeld, flexible Organisationsstrukturen, eine Kultur, die es gestattet, Neues zu probieren und dabei Fehler zu machen) den Lernprozess unterstützen und eine Reflexion der gewonnenen Erfahrungen durch Coaching oder Supervision flankiert wird. Die verschiedenen Instrumente der Aus- und Weiterbildung von Führungskräften sind dabei in den Unternehmen in Deutschland wie auch im internationalen Kontext in unterschiedlichem Ausmaß verbreitet; vor allem Instrumente und Formen wie Coaching, Mentoring oder Supervision finden sich eher in großen Unternehmen (Becker, /Schwertner, 2002) und sind etwa in Schweden oder Großbritannien deutlich häufiger anzutreffen als in Deutschland (Larsen, 2000, übergreifend Brewster, et al.2004).
Das Führungstraining stellt ein wichtiges Element der Aus- und Fortbildung von Führungskräften dar. Training ist dabei als Sammelbegriff für verschiedene Methoden mit übungsorientiertem Charakter zu verstehen, die i.d.R. „ off the job “ zunehmend jedoch auch „ on “ und „ near the job “ realisiert werden. Führungstraining richtet sich insb. auf Führungs- sowie (inter)kulturelle Kompetenzen und wird unter Beachtung von bestimmten Lernprinzipien (u.a. Anknüpfen an Zielen u. Motiven der Teilnehmer, Strukturierung in Übungssequenzen mit Feedback, Berücksichtigung interindividueller Unterschiede) geplant und realisiert (u.a. Weinert, 1998). Die Auswahl der Trainingsmethoden erfolgt analog der Führungskräfteentwicklung insgesamt (Mayer, 2003).
Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Globalisierung und weltweitem Einsatz von Führungskräften hat vor allem das interkulturelle Training an Bedeutung gewonnen. Ziel ist der global agierende Manager (DiStefano, /Maznevski, 2003; House, et al.2004).
Zur Unterstützung der Aus- und Fortbildung der Führungskräfte und ihrer Integration in Prozesse der Unternehmensentwicklung, des Kulturwandels, der Generierung und Verbreitung von Wissen in der Organisation und des organisationalen Lernens haben sich in den letzten Jahren insb. in größeren Unternehmen Corporate universities herausgebildet. Diese unternehmenseigenen Einrichtungen bestehen i.d.R. aus einem Netzwerk interner und externer Experten unter Einbeziehung von Universitäten und Business Schools (u.a. Töpfer, 1999; Scholz, 2000). Ziel ist die unternehmensspezifische Entwicklung, Nutzung und (Weiter)Vermittlung von Aus- und Fortbildungsprogrammen ( „ customized consortia programs “ ), die auch vor dem Hintergrund einer zunehmenden Kritik an der MBA-Ausbildung zu sehen ist (Mintzberg, 2001). Durch den speziellen Zuschnitt soll eine bessere Passfähigkeit und Integration in die weiteren Maßnahmen der Führungskräfteentwicklung erreicht werden. Beispiele sind General Electric, Daimler Chrysler, Bertelsmann, Lufthansa, Deutsche Bank u.a.
III. Grenzen und Ausblick
Die Erfahrungen in Praxis und Wissenschaft haben gezeigt, dass eine weitgehend fremdbestimmte Planung und Steuerung der Führungskräfteentwicklung an ihre Grenzen stößt. Steuerungsimpulse können nur dann das beabsichtigte Ziel erreichen, wenn die Akteure „ mitspielen “ (Eckardstein, von, 1999). Bezüglich der Möglichkeiten und der Ausgestaltung der Führungskräfteentwicklung heißt dies, dass mit der traditionellen Illusion der Machbarkeit, der Vorstellung von einer uneingeschränkten Erzeugung von Fähigkeits- und Verhaltensänderungen zunehmend gebrochen wird (Felsch, 1999; Kammel, 2001). Die aktuellen Entwicklungen in Praxis und Wissenschaft haben eine Neuorientierung in der Führungskräfteentwicklung angestoßen (vgl. Tab. 1).
Tab. 1: Neuorientierung im Management Development (nach Kammel, 2001, S. 59; Baum, /Russell, 1999, S. 357 ff.)
Nachdem das Lernen von Organisationen seit Beginn der 1990er-Jahre in Wissenschaft und Praxis zu einem aktuellen Thema geworden ist, verschiebt sich der Fokus vom Lernen einzelner Führungskräfte hin zum Lernen von Managementteams und bereichsübergreifenden (Dauer-)Lernen. Die Bedeutung von kollektiv handlungsbezogenem Wissen und oft implizitem Wissen als Quelle dauerhafter Wettbewerbsvorteile wird in diesem Zusammenhang herausgestellt. Anders als reines Sachwissen kann kollektiv handlungsbezogenes Wissen jedoch nur langfristig entwickelt werden. Dies spricht dafür, neben den Aktivitäten für die verschiedenen Führungsebenen frühzeitig mit der Erschließung eines größeren Pools an Managementtalenten zu beginnen. Verbunden ist damit die Option, schneller neue Strategien formulieren und realisieren zu können sowie die organisationale Flexibilität zu erhöhen. Alle Reorganisationsbemühungen gehen jedoch davon aus, dass die Führungskräfteentwicklung als strategische HR-Aufgabe nicht ausgelagert wird (Wals, 2005)
Entgegen der insgesamt recht positiven Beurteilung der Führungskräfteentwicklung in der Mainstream-Literatur muss jedoch auch auf wichtige Beiträge der kritischen Managementforschung verwiesen werden. So begünstigen insb. die Konsequenzen neuer, schlanker und flexibler Unternehmensformen, wie Netzwerke, sowie einer Einbeziehung breiterer Gruppen in die Führungskräfteentwicklung eine Diffusion des Managementwissens und partielle Entwertung des Expertenwissens, eine Polarisierung zu Lasten der mittleren Führungskräfte und eine Steigerung der Arbeitsintensität dieser Gruppe. Der neue flexible Manager verfügt zwar noch über entsprechende Ressourcen, aber das Feld seiner Expertise wird zunehmend fragmentiert und instabil (Reed, 1996; Scarbrough, 1998). Der Gegensatz zwischen langfristiger Führungskräfteentwicklung und der Eigenverantwortung für die Karriere erscheint unter diesen Rahmenbedingungen problematisch. Für die Führungskräfteentwicklung bedeutet dies, dass die Perspektive des „ critical action learning “ , d.h. die kritische Reflexion und Überprüfung aller Managementfunktionen im Rahmen des „ Action learning “ (Alvesson, /Willmott, 1996), wie auch eine kritische Betrachtung und Selektion der in einem „ Agenda setting “ – Prozess entstandenen Inhalte und Formen der Aus- und Fortbildung durch den Einzelnen erfolgen muss.
Literatur:
Academy of Management, : Learning & Education, Vol. 4 No. 2, Special Feature on Management education 2005
Alvesson, M./Willmott, H. : Making Sense of Managemenet, London 1996
Baitsch, C. : Kompetenz von Individuen, Gruppen und Organisationen. Psychologische Überlegungen zu einem Analyse- und Bewertungskonzept, in: Partizipation und Produktivität. Zu einigen kulturellen Aspekten der Ökonomie, hrsg. v. Denisow, K./Fricke, W./Stieler-Lorenz, B., Bonn 1996, S. 102 – 112
Bartlett, C./Goshal, S. : Wie sich die Rolle des Managers verändert, in: Harvard Business Manager, H. 6/1998, S. 79 – 90
Baum, J.F./Russell, L. : Technology in Executive Learning, in: Advances in Global Leadership, Vol. 1, Stamford 1999, S. 355 – 369
Becker, M./Schwertner, A. : Gestaltung der Personal- und Führungskräfteentwicklung, München 2002
Brewster, Ch./Mayrhofer, W./Morley, M. : Human Resource Management in Europe: Evidence for Convergence? Oxford 2004
DiStefano, J.J./Maznevski, M.L. : Developing Global Managers: Integrating Theory, Behavior, Data and Performance, in: Advances in Global Leadership, Vol. 3, Stamford 2003, S. 341 – 371
Eckardstein, D. von : Implizite Qualifizierung zwischen Steuerung und Selbstentwicklung, in: Die Bildungsgesellschaft im Unternehmen?, hrsg. v. Martin, A./Mayrhofer, W./Nienhüser, W., München et al. 1999, S. 117 – 130
Felsch, A. : Personalentwicklung und Organisationales Lernen, Hamburg 1996
Friedrich, F. H./Mandel, H. : Analyse und Förderung selbstgesteurerten Lernens, in: Psychologie der Erwachsenenbildung, Enzyklopädie der Psychologie, hrsg. v. Weinert, F. D./Mandel, H., 4. A., Göttingen 1997, S. 237 – 293
Häring, K./Voss, A. : Evaluation in der Management-Weiterbildung: Nutzenoptimierung oder Kostentreiber?, in: Management Development – Praxis, Trends und Perspektiven, hrsg. v. Welge, M. K./Häring, K./Voss, A., Stuttgart 2000, S. 311 – 326
Heidack, C. : Arbeitsstrukturen im Umbruch, in: Der Arbeitsprozeß als „ Lernort “ . Erfolgreiche Gestaltung zeitgemäßer Unternehmenskulturen durch kooperative Lernstrategien, hrsg. v. Heidack, C., 2. A., München und Mering 1997, S. 85 – 126
Hollenbeck, G.P./McCall, Jr., M.W. : Competence not Competencies: Making Global Executive Development Work, in: Advances in Global Leadership, Vol. 3, Stamford 2003, S. 101 – 119
House, R.J./Hanges, P.J./Javidan, M./Dorman, P.F./Gupta, V. : Culture, Leadership, and Organizations, The GLOBE Study of 62 Societies, Thousand Oaks et al. 2004
Kammel, A. : Kompetenzvermittlung für Führungskräfte: Entwicklungstendenzen im Management Development, in: Kompetenzen moderner Unternehmensführung, hrsg. v. v. Oelsnitz, A./Kammel, A., Bern 2001, S. 47 – 68
Kolb, D. A. : Experiential Learning: Experience as the Source of Learning Development, Englewood Cliffs 1984
Larsen, H. H. : In Search of Management Development in Europe: From Self-fulfilling Prophecies to Organisational Competence, in: New Challenges for European Human Resource Management, hrsg. v. Brewster, C./Mayrhofer, W./Morley, M., London et al. 2000, S. 168 – 196
Martin, A./Behrends, T. : Die empirische Erforschung des Weiterbildungsverhaltens von Unternehmen, Universität Lüneburg – Institut für Mittelstandsforschung 1999
Mayer, B.M. : Systemisches Managementtraining: Theorieansätze und Lernarchitekturen, Heidelberg 2003
Mayerhofer, H. : Personalenwicklung aus personalpolitischer Perspektive, in: Strategische Personalpolitik, hrsg. v. Elsik, W./Mayrhofer, W., München, Mering 1999, S. 173 – 196
Mintzberg, H. : Managers not MBAs: a Hard Look at the Soft Practice of Managing and Management Development, San Francisco 2001
Neuberger, O. : Personalentwicklung, 2. A., Stuttgart 1994
Nienhüser, W. : Weiterbildung als Macht – Macht als Weiterbildung?, in: Die Bildungsgesellschaft im Unternehmen?, hrsg. v. Albert, M./Mayrhofer, W./Nienhüser, W. et al., München 1999, S. 131 – 162
Pawlowsky, P. : Strategieerfüllung und Strategiegestaltung als Funktion der betrieblichen Bildungsarbeit, in: Die Bildungsgesellschaft im Unternehmen?, hrsg. v. Martin, A./Mayrhofer, W./Nienhüser, W., München und Mering 1999, S. 91 – 116
Reed, M. I. : Expert Power and Control in Late Modernity: An Empirical Review and Theoretical Synthesis, in: Organization Studies, Bd. 17, H. 4/1996, S. 573 – 597
Sattelberger, T. : Strategische Lernprozesse, in: Human Resource Management im Umbruch, hrsg. v. Sattelberger, T., Wiesbaden 1996, S. 288 – 313
Scarbrough, H. : The Unmaking of Management? Change and Continuity in British Management in the 1990s, in: Human Relations, Jg. 51, H. 6/1998, S. 691 – 716
Scholz, C. : Personalmanagement, 5. A., München 2000
Töpfer, A. : Corporate Universities als Intellectual Capital, in: Personalwirtschaft, H. 7/1999, S. 32 – 37
Wald, P.M. : Von der Reorganisation zur Zukunft des Personalmanagements. Voraussetzungen, Ergebnisse, Perspektiven, in: Wald, P.M. et al.: Neue Herausforderungen im Personalmanagement, Wiesbaden 2005, S. 309 – 337
Weber, W./Martin, A. : Personalplanung für Führungskräfte, in: Handwörterbuch Führung, hrsg. v. Kieser, A./Reber, G./Wunderer, R., Stuttgart 1987, S. 1682 – 1695
Weinert, A. B. : Organisationspsychologie, 4. A., Weinheim et al. 1998
Welge, M. K. : Management Development, Stuttgart 2000
Whetten, D.A. : Developing Management Skills, 6.A., Upper Saddle River 2005
|