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Haftungsverhältnisse


Inhaltsübersicht
I. Begriff und Abgrenzungen
II. Ausweis
III. Haftungsverhältnisse im Konzernabschluss
IV. Haftungsverhältnisse in Abschlüssen nach IFRS und US-GAAP
V. Prüfung der Haftungsverhältnisse

I. Begriff und Abgrenzungen


1. Haftungsverhältnisse i.w.S.


Unter dem Begriff der Haftungsverhältnisse, für den sich keine gesetzliche Definition findet, subsumiert man im Rahmen der handelsrechtlichen Rechnungslegung i.A. die Bilanzvermerke bzw. Anhangangaben zu bestimmten nicht zu passivierenden oder nicht passivierten Verpflichtungen gemäß den §§ 251, 268 VII HGB und spricht häufig auch von Eventualverbindlichkeiten oder bedingten Verbindlichkeiten. Im zivilrechtlichen Sinn ist der Begriff wesentlich weiter gefasst. Hier stellt jede gesetzliche oder vertragliche Unterwerfung eines Schuldners unter den Vollstreckungszugriff eines Gläubigers bezüglich einer bestimmten Leistung ein Haftungsverhältnis dar. Die Zugriffsmöglichkeit des Gläubigers kann sich dabei auf das gesamte Vermögen des Schuldners (persönliche Haftung) oder nur auf einen bestimmten Gegenstand seines Vermögens (dingliche Haftung) erstrecken.
Auch in der handelsrechtlichen Rechnungslegung ist der Begriff der Haftungsverhältnisse daher zunächst umfassender als nach den §§ 251, 268 VII HGB auszulegen. Hier erlangen Haftungsverhältnisse Bedeutung im Sinne aller bestehenden oder zukünftigen rechtlichen Verpflichtungen des Bilanzierenden gegenüber Dritten, die zu einer Vermögensbelastung führen können (Fey, 1989). Diese Haftungsverhältnisse i.w.S. umfassen damit vier Gruppen derartiger Verpflichtungen: Verbindlichkeiten i.S.d. §§ 253 I, 266 III C HGB, Haftungsverhältnisse i.e.S. nach §§ 251, 268 VII HGB, Rückstellungen i.S.d. § 249 HGB sowie sonstige finanzielle Verpflichtungen nach § 285 Nr. 3 HGB, soweit die zwei letztgenannten Gruppen auf bestehenden oder zukünftigen rechtlichen Verpflichtungen gegenüber Dritten beruhen. Neben diesen rechtlichen Verpflichtungen sind die faktischen (wirtschaftlich unumgänglichen) Verpflichtungen gegenüber Dritten (z.B. branchenübliche Kulanzen) und die Verpflichtungen des Bilanzierenden gegenüber sich selbst (z.B. zukünftig anfallende Großreparaturen, soweit die entsprechenden Aufwendungen wirtschaftlich verursacht sind und gem. § 249 II HGB zurückgestellt werden dürfen) als weitere mögliche Vermögensbelastungen des Bilanzierenden zu berücksichtigen. Sie können sich als Rückstellungen oder als Anhangangaben über sonstige finanzielle Verpflichtungen im Jahresabschluss niederschlagen.
Haftungsverhältnisse
Abb. 1: Die Einordnung der Haftungsverhältnisse i. S. d. §§ 251, 268 VII HGB in die Systematik der bilanzrechtlichen Verpflichtungen
Alle genannten Arten lassen sich unter dem Begriff der bilanzrechtlichen Verpflichtungen im Sinne einer zukünftigen (möglichen) Vermögensbelastung des Bilanzierenden subsumieren. Aus den Grundsätzen der Vollständigkeit (§ 246 I Satz 1 HGB), der Vorsicht (§ 252 I Nr. 4 HGB) sowie des true-and-fair-view (§ 264 II Satz 1 HGB) lässt sich das grundsätzliche Gebot der Berücksichtigung aller Verpflichtungen im Jahresabschluss ableiten. Nur so kann den Jahresabschlussadressaten – unter Beachtung zukünftiger Risiken – ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt werden. Die Qualifizierung einer bilanzrechtlichen Verpflichtung als Verbindlichkeit, Rückstellung, Haftungsverhältnis i.e.S. oder sonstige finanzielle Verpflichtung entscheidet gleichzeitig über die Art der Berücksichtigung im Jahresabschluss. Verbindlichkeiten und Rückstellungen sind zu passivieren, Haftungsverhältnisse i.e.S. sind als Bilanzvermerke oder im Anhang abzubilden und über die sonstigen finanziellen Verpflichtungen haben mittelgroße und große Kapitalgesellschaften und ihnen gleichgestellte Unternehmen (§§ 264a, 264b HGB, §§ 3, 5 PublG) Anhangangaben zu machen, sofern die Angabe für die Beurteilung der Finanzlage von Bedeutung ist (§§ 285 Nr. 3, 288 HGB). Neben bestimmten kodifizierten Voraussetzungen hängt diese Qualifizierung grundsätzlich vom Grad der rechtlichen, wirtschaftlichen und/oder betragsmäßigen Konkretisierung der Verpflichtung ab. Da bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen das stärkere Publizitätsmittel anzuwenden ist, ergibt sich für die Einteilung der abzubildenden Verpflichtungen folgende Reihenfolge:

-

Passivierung,

-

Vermerk- bzw. Angabepflicht gem. §§ 251, 268 VII HGB,

-

Angabepflicht gem. § 285 Nr. 3 HGB (Bordt, 1991).


2. Haftungsverhältnisse i.e.S.


Bei den gemäß den §§ 251, 268 VII HGB unter der Bilanz (für Kapitalgesellschaften wahlweise auch im Anhang) anzugebenden Haftungsverhältnissen i.e.S. (im Folgenden Haftungsverhältnisse) handelt es sich um (Fey, 2004; Fey, 1992):

-

einseitige vertragliche Verpflichtungen gegenüber Dritten (ohne unmittelbare Gegenleistungen),

-

die bedingt, aufgrund eines zukünftigen Ereignisses, das unabhängig vom Willen des Bilanzierenden eintreten kann, zu einer Vermögensbelastung führen können und

-

aus denen am Abschlussstichtag aber eine Inanspruchnahme im Gegensatz zu den Verbindlichkeiten und Rückstellungen unwahrscheinlich ist (Nicht-Passivierung).


Die Angabe dieser Verpflichtungen dient in erster Linie der Information über die Vermögenslage und Finanzlage. Insbesondere sollen die möglichen Vermögensbelastungen durch nicht bilanzierte Risiken im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Vermögen und (Gesamt-)Verpflichtungen aufgezeigt werden.

3. Abgrenzung von den Verbindlichkeiten und Rückstellungen


Der Gesetzgeber verwendet den Begriff der Verbindlichkeit nicht eindeutig. So bezeichnet er z.B. auch Haftungsverhältnisse i.S.d. §§ 251, 268 VII HGB als Verbindlichkeiten (§ 251 Satz 1 HGB). Der Begriff soll hier ausschließlich i.S.d. §§ 253 I, 266 III C HGB verwendet werden, d.h. als dem Grunde und der Höhe nach sichere Verpflichtung gegenüber Dritten. Dem Grunde nach sicher ist eine Verpflichtung dann, wenn sie rechtlich bereits entstanden ist, der Bilanzierende sich der Verpflichtung also nicht mehr entziehen kann. Steht darüber hinaus auch der Betrag der zukünftigen Inanspruchnahme fest, ist die Verpflichtung als Verbindlichkeit zu passivieren.
Ist die Verpflichtung dagegen dem Grunde und/oder der Höhe nach ungewiss, ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Rückstellungsbildung vorliegen. Hierzu muss die Verpflichtung bereits wirtschaftlich verursacht sein, d.h. der Tatbestand, der die Verpflichtung verursacht hat, muss im abgelaufenen oder in einem früheren Geschäftsjahr liegen. Darüber hinaus muss mit einer Inanspruchnahme aus dieser Verpflichtung ernsthaft zu rechnen sein (Mayer-Wegelin, /Kessler, /Höfer, 2004).
Sowohl bei den Verbindlichkeiten als auch bei den Rückstellungen ist die Inanspruchnahme aus der Verpflichtung definitionsgemäß sicher bzw. ist mit ihr mit hoher Wahrscheinlichkeit zu rechnen. Im Gegensatz hierzu ist die Angabepflicht von Haftungsverhältnissen gerade nicht vom Grad der Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme abhängig; es reicht vielmehr die auf einem Vertrag beruhende bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme zur Angabepflicht aus (ADS, 1995). So sind auch strittige, künftige oder bedingte Haftungsverhältnisse anzugeben, wenn das Eintreten des Haftungsfalls nicht vom Willen des Bilanzierenden abhängt (Ellrott, 2003).
Die Passivierung einer Verpflichtung und ihre gleichzeitige Angabe als Haftungsverhältnis schließen sich grundsätzlich gegenseitig aus, da ein Doppelausweis das Bild der Vermögens- und Finanzlage des Bilanzierenden verfälschen würde. Daraus folgt aber auch, dass nicht passivierte Teilbeträge einer Verpflichtung entgegen dem Gesetzeswortlaut (§ 251 Satz 1 HGB: „ ?, sofern sie nicht auf der Passivseite auszuweisen sind, ? “ und nicht etwa „ ?, soweit ? “ ) nach h.M. als Haftungsverhältnisse anzugeben sind (ADS, 1995). Eine Ausnahme vom Grundsatz der Nichtangabe passivierter Verpflichtungen ergibt sich aus § 285 Nr. 9c HGB, der für Kapitalgesellschaften (auch bei Passivierung entsprechender Beträge) die Angabe der zu Gunsten der Mitglieder des Geschäftsführungsorgans, eines Aufsichtsrats, eines Beirats oder einer ähnlichen Einrichtung (Organmitglieder) eingegangenen Haftungsverhältnisse jeweils für jede Personengruppe vorschreibt. Damit soll eine Umgehung der gesonderten Angabepflicht verhindert werden (Fey, 2004).

4. Abgrenzung von den sonstigen finanziellen Verpflichtungen


Gemeinsam ist den Haftungsverhältnissen und den sonstigen finanziellen Verpflichtungen, dass ihnen nicht passivierungspflichtige Sachverhalte zugrunde liegen. Während bei den Haftungsverhältnissen die Verpflichtung rechtlich noch nicht konkretisiert ist, also lediglich die Möglichkeit bestehen muss, dass sie sich in der Zukunft bei Eintreten bestimmter Bedingungen konkretisiert, handelt es sich bei den sonstigen finanziellen Verpflichtungen um sichere oder sehr wahrscheinliche zukünftige Finanzmittelabflüsse, die aufgrund eines Passivierungsverbots (z.B. im Rahmen eines ausgeglichenen schwebenden Geschäftes) oder aufgrund eines Passivierungswahlrechts (z.B. einer Verpflichtung, die aus Sachverhalten resultiert, für die eine Aufwandsrückstellung nach § 249 II HGB gebildet werden könnte) nicht passiviert wurden (Kortmann, 1987). Es kommt dagegen nicht darauf an, ob die sonstigen finanziellen Verpflichtungen gesetzlich, vertraglich oder faktisch begründet sind, ob diese Verpflichtungen gegenüber Dritten oder dem Bilanzierenden selbst bestehen und ob mit der Verpflichtung eine unmittelbare Gegenleistung verbunden ist (Fey, 1992).

II. Ausweis


1. Grundsätzliches


Nach § 251 Satz 1 HGB haben alle Kaufleute die Verpflichtungen aus der Begebung und Übertragung von Wechseln (Wechselobligo), aus Bürgschaften, aus Gewährleistungsverträgen sowie aus der Bestellung von Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten unter der Bilanz anzugeben. Verpflichtungen, die nicht in eine dieser vier Fallgruppen einzuordnen sind (im Einzelnen II.2. – II.5.), fallen nicht unter die Angabepflicht (Kortmann, 1987). Auch innerhalb der Haftungsverhältnisse ist zur Vermeidung einer Verfälschung des Bildes der tatsächlichen Vermögens- und Finanzlage ein Doppelausweis bei so genannten doppelten Haftungsverhältnissen zu vermeiden (vgl. I.3.). Übernimmt der Bilanzierende z.B. für eine fremde Verbindlichkeit eine Bürgschaft und sichert er die gleiche Verbindlichkeit daneben durch ein Grundpfandrecht ab, bestehen zwar zwei Haftungsverhältnisse, der Bilanzierende kann aber nur einmal in Anspruch genommen werden. Es ist also lediglich ein Haftungsverhältnis anzugeben. Gleiches gilt für nachgeordnete Haftungsverhältnisse, z.B. Grundpfandrechte, die zur Sicherung gewährter Bürgschaften bestellt wurden (Fey, 1989; vgl. aber unten die Besonderheiten für Kapitalgesellschaften). Nicht-Kapitalgesellschaften dürfen die Haftungsverhältnisse in einem Gesamtbetrag zusammenfassen (§ 251 Satz 1 2. Halbsatz HGB). Sie sind auch dann anzugeben, wenn ihnen gleichwertige Rückgriffsforderungen gegenüberstehen (§ 251 Satz 2 HGB). Die entsprechenden Rückgriffsforderungen können, müssen aber nicht auf der Aktivseite unter dem Bilanzstrich vermerkt werden (IDW, 2006).
§ 268 VII HGB verschärft die Angabepflichten für Kapitalgesellschaften und ihnen gleichgestellte Unternehmen (§§ 264a I, 264b HGB; §§ 3, 5 PublG) dahingehend, dass diese unter der Bilanz oder im Anhang

-

die Haftungsverhältnisse für jede der vier Fallgruppen gesondert anzugeben haben;

-

zu den vier Fallgruppen jeweils auch die Beträge gewährter Pfandrechte (Grundpfandrechte, Pfandrechte an beweglichen Sachen und an Rechten) und sonstiger Sicherheiten (v.a. Sicherungsübereignungen, Sicherungsabtretungen, Eigentumsvorbehalte) zu vermerken haben, die in einem gleich- oder nachgeordneten Verhältnis zu den nach den oben angeführten Grundsätzen anzugebenden Haftungsverhältnissen stehen;

-

die Haftungsverhältnisse, die gegenüber verbundenen Unternehmen (§ 271 II HGB) bestehen, gesondert (z.B. mit einem „ Davon-Vermerk “ ) ausweisen müssen.


Die gesonderte Angabe der Haftungsverhältnisse für die einzelnen Fallgruppen sowie der Haftungsverhältnisse gegenüber verbundenen Unternehmen kann nach h.M. von kleinen Kapitalgesellschaften unterlassen werden (ADS, 1995). Begründet wird dies damit, dass kleine Kapitalgesellschaften auch in der Bilanz weder die Verbindlichkeiten aufzugliedern noch die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen offen zu legen haben (§ 266 I Satz 3 HGB).
Für Kreditinstitute (§ 340 I HGB) und Finanzdienstleistungsinstitute (§ 340 IV HGB) sowie für Versicherungsunternehmen (§ 341 HGB) gelten wegen der im Vergleich zu anderen Branchen wesentlich größeren Bedeutung der Haftungsverhältnisse besondere Angabevorschriften (§§ 26, 27 RechKredV i.V.m. § 340a II Satz 2 HGB sowie § 51 III RechVersV i.V.m. § 341 II Satz 2 HGB).

2. Haftungsverhältnisse aus der Begebung und Übertragung von Wechseln


Aus der Begebung und Übertragung von Wechseln können sich dann Zahlungsverpflichtungen ergeben, wenn der Wechsel vom Bezogenen nicht eingelöst wird (Bieg, 1997). Der Aussteller haftet in jedem Fall (Art. 9 WG), der Indossant bei Fehlen eines entgegenstehenden Vermerks – z.B. „ ohne Obligo “ – (Art. 15 WG) für die Zahlungsverpflichtung des Bezogenen aus dem Wechsel. Als Haftungsverhältnisse vermerkpflichtig sind unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze (vgl. I. und II.1.) demnach alle denkbaren Verpflichtungen, die sich aus am Abschlussstichtag weitergegebenen, aber noch nicht eingelösten Wechseln ergeben können (Wechselobligo). Wechsel, die sich noch im Besitz des Bilanzierenden befinden oder unter Haftungsausschluss weitergegeben wurden, können demnach nicht unter diese Angabepflicht fallen. Es kommt nicht darauf an, welche Rechtsgeschäfte dem Wechsel zugrunde liegen, so dass Haftungsverhältnisse sowohl aus Handels-, als auch aus Finanz- oder Depotwechseln anzugeben sind. Maßgebend kann ebenfalls nicht die Bonität des Bezogenen sein, da bei Haftungsverhältnissen bereits die bloße Möglichkeit einer Inanspruchnahme zur Angabepflicht genügt. Ist die Bonität des Bezogenen aber derart einzuschätzen, dass mit einer Inanspruchnahme ernsthaft gerechnet werden muss, ist an Stelle des Vermerks bzw. der Anhangangabe eine entsprechende Rückstellung zu bilden. Dies gilt auch für den Fall der endgültigen Nichteinlösung des Wechsels, da sich die Verpflichtung dann hinreichend konkretisiert hat. Die Passivierung einer Verbindlichkeit kommt nicht in Betracht, da nicht sicher ist, welcher der Wechselbeteiligten in Anspruch genommen wird. Den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht es, wenn für latente Risiken aus dem Wechselobligo Pauschalrückstellungen nach Erfahrungswerten aus der Vergangenheit gebildet werden. Alle passivierten Beträge sind vom Betrag der Haftungsverhältnisse aus der Begebung und Übertragung von Wechseln abzusetzen.

3. Haftungsverhältnisse aus Bürgschaften, Wechsel- und Scheckbürgschaften


Bei der Bürgschaft handelt es sich um einen einseitig verpflichtenden Vertrag, mit dem der Bürge sich gegenüber dem Gläubiger eines Dritten verpflichtet, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen (§ 765 I BGB). Dabei kann es sich bei der Verbindlichkeit auch um eine bedingte oder zukünftige handeln (§ 765 II BGB). Die Angabepflicht erstreckt sich auf alle Bürgschaftsarten (selbstschuldnerische Bürgschaft, Ausfallbürgschaft, Höchstbetragsbürgschaft, Zeitbürgschaft, Mitbürgschaft, Nachbürgschaft, Rückbürgschaft; Bieg, 1997). Auch die mit einem Kreditauftrag verbundene Bürgschaft des Auftraggebers (§ 778 BGB) führt zu einem vermerkpflichtigen Haftungsverhältnis. Gleiches gilt für die Wechselbürgschaft, die durch die Zeichnung auf dem Wechsel oder auf einem Anhang mit der Erklärung „ als Bürge “ oder mit einem gleichbedeutenden Vermerk (Art. 31 WG) bzw. durch die bloße Unterschrift (zusätzlich zu der des Ausstellers und des Bezogenen) auf der Vorderseite der Wechselurkunde begründet wird (Art. 31 WG), und für die Scheckbürgschaft, die auf vergleichbare Weise zustande kommt (Art. 26 ScheckG).
Eine Angabepflicht bei Bürgschaften kann aufgrund ihrer Akzessorietät und der obigen Grundsätze für die Angabe von Haftungsverhältnissen nicht vorliegen, wenn die gesicherte Hauptschuld endgültig erloschen ist. Geht der Bürge eine Höchstbetragsbürgschaft ein, bei der die Höhe der Hauptschuld variabel ist und nicht von seinem Willen abhängt, hat er den Höchstbetrag zu vermerken (Fey, 2004; a.A. Ellrott, 2003, der lediglich die Angabe des – allerdings u.U. schwer zu ermittelnden – Betrags der am Abschlussstichtag bestehenden Hauptschuld fordert).

4. Haftungsverhältnisse aus Gewährleistungsverträgen


Der Begriff des Gewährleistungsvertrags ist gesetzlich nicht definiert. I.S.d. §§ 251, 268 VII ist unter einem Gewährleistungsvertrag jeder einseitig verpflichtende Vertrag zu verstehen, mit dem der Gewährleister zugunsten eines Dritten für einen bestimmten Erfolg oder eine Leistung bzw. für das Nichteintreten eines Nachteils einsteht (IDW, 1976) und bei dem die zivilrechtlichen Kriterien für eine Bürgschaft (z.B. die Existenz einer Verbindlichkeit des Dritten) nicht vorliegen. Darunter fallen Gewährleistungen für fremde Schulden (z.B. die Verpflichtungen des Forderungsüberträgers beim unechten Factoring, für das Delkredere-Risiko einzustehen; Exportgarantien), für eigene Leistungen (z.B. Leistungs- oder Lieferungsgarantien) oder für die Folgen des Eintritts oder Nicht-Eintritts eines sonstigen Ereignisses (z.B. Kurs- oder Liquiditätsgarantien). Bei den Gewährleistungen für eigene Leistungen sind nach h.M. lediglich die das betriebs- oder branchenübliche Maß (z.B. durch gesetzliche Vorschriften oder AGB festgelegt) übersteigenden Gewährleistungen anzugeben. Dies ist zwar nicht durch den Gesetzeswortlaut gedeckt, der die Angabe dieser Gewährleistungen nicht explizit ausschließt. Für die Nichtangabe spricht jedoch neben Praktikabilitätsgründen auch, dass diese aus dem allgemeinen Unternehmerrisiko resultierenden Gewährleistungsbeträge in vielen Fällen die Bilanzsumme und den Betrag der anderen Haftungsverhältnisse um ein Vielfaches übersteigen würde. Die Angabe der Maximalbeträge ergäbe ein nicht aussagefähiges und unrealistisches Bild der Risikolage (Fey, 1992 m.w.N.).
Ebenfalls zu den Haftungsverhältnissen aus Gewährleistungsverträgen gehören bestimmte Formen der Patronatserklärung. Patronatserklärungen haben gemeinsam, dass „ eine Muttergesellschaft einem Kreditgeber ihrer Tochter zur Förderung oder Erhaltung der Kreditbereitschaft Maßnahmen oder Unterlassungen in Aussicht stellt oder zusagt “ (IDW, 1976). In seiner Stellungnahme 2/1976 unterscheidet der HFA die folgenden Grundformen:

-

Beibehaltung des Gesellschaftsverhältnisses;

-

Änderung, Aufhebung oder Kündigung eines Unternehmensvertrages;

-

Einflussnahme auf die Geschäftsführung;

-

Liquiditätsausstattung;

-

Kapitalausstattung;


wobei nur die letzten beiden Formen –  die so genannten harten Patronatserklärungen – als Haftungsverhältnisse i.S.d. §§ 251, 268 VII HGB zu qualifizieren und damit zu vermerken sind.

5. Haftungsverhältnisse aus der Bestellung von Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten


Unter die zu vermerkenden Sicherheiten fallen typischerweise

-

Pfandrechte an beweglichen Sachen und an Rechten;

-

Grundpfandrechte;

-

Sicherungsübereignungen und

-

Sicherungsabtretungen (zu den Sicherungsformen Bieg, 1997),


die der Bilanzierende für fremde Verbindlichkeiten eingeht. Die für eigene Verbindlichkeiten gewährten Sicherheiten haben Kapitalgesellschaften und ihnen gleichgestellte Unternehmen nach § 285 Nr. 1b HGB im Anhang anzugeben. Wenn die für eigene Verbindlichkeiten gewährten Sicherheiten gleichzeitig aufgrund einer Konzernklausel für die Verbindlichkeiten anderer Konzernunternehmen, also für fremde Verbindlichkeiten haften, sind sie unter den Haftungsverhältnissen mit aufzunehmen (Fey, 2004).

III. Haftungsverhältnisse im Konzernabschluss


Gemäß § 298 I HGB sind für die Konzernrechnungslegung die Vorschriften für den Einzelabschluss großer Kapitalgesellschaften entsprechend anzuwenden, soweit die Eigenart des Konzernabschlusses keine Abweichungen erfordert oder die besonderen Rechnungslegungsvorschriften für Konzernabschlüsse nichts anderes bestimmen. Damit sind für Haftungsverhältnisse auch hier die Vorschriften der §§ 251, 268 VII HGB und die aus ihnen bereits unter I. und II. abgeleiteten Grundsätze maßgeblich.
Spezialvorschriften ergeben sich allerdings aus § 314 I Nr. 2 HGB, der die gesonderte Angabepflicht der sonstigen finanziellen Verpflichtungen und der Haftungsverhältnisse i.S.d. §§ 251, 268 VII HGB gegenüber Tochterunternehmen fordert, die nicht in den Konzernabschluss einbezogen wurden. § 314 I Nr. 6c HGB stellt klar, dass die gesonderte Angabe der Haftungsverhältnisse, die zugunsten von Organmitgliedern eingegangen wurden (vgl. I.3.), auch im Konzernabschluss vorzunehmen ist. Unter diese Angabepflicht fallen selbstverständlich nicht nur derartige Haftungsverhältnisse des Mutterunternehmens, sondern auch die der in den Konzernabschluss einbezogenen Tochterunternehmen.
Aus der Einheitstheorie des Konzernabschlusses (§ 297 III Satz 1 HGB) und implizit aus § 303 I HGB folgt die Notwendigkeit der Konsolidierung von Haftungsverhältnissen. Dabei sind je nach Zugehörigkeit der drei Beteiligten des Haftungsverhältnisses (Sicherungsgeber = Bilanzierender, Sicherungsnehmer = Hauptgläubiger, Sicherungsbegünstigter = Hauptschuldner) vier Fälle zu unterscheiden. Ist erstens lediglich der Sicherungsgeber Konzernunternehmen, so ergibt sich kein Konsolidierungsbedarf. Das entsprechende Haftungsverhältnis ist im Konzernabschluss zu zeigen. Sind zweitens sowohl der Sicherungsgeber als auch der Sicherungsnehmer, nicht aber der Sicherungsbegünstigte Konzernunternehmen, gleichen sich eventuelle Zahlungsverpflichtungen mit Zahlungsansprüchen in gleicher Höhe auf Konzernebene aus. Die Angabe dieses Haftungsverhältnisses ist im Konzernabschluss zu unterlassen, da sie das Bild der tatsächlichen Vermögens- und Finanzlage des Konzerns verfälschen würde. Gleiches gilt drittens für den Fall, dass alle Beteiligten Konzernunternehmen sind. Hier ist bereits die Hauptschuld im Rahmen der Schuldenkonsolidierung zu eliminieren. Sind schließlich viertens der Sicherungsgeber und der Sicherungsbegünstigte Konzernunternehmen, nicht aber der Sicherungsnehmer, muss auch hier die Angabe des Haftungsverhältnisses unterbleiben, da bereits die Hauptschuld in der Konzernbilanz zu passivieren ist (Fey, 1992).
Konsolidierungsbedarf ergibt sich auch insofern, als bei Haftungsverhältnissen, die von mehreren Konzernunternehmen für die gleiche Hauptschuld eingegangen wurden, nur der Maximalbetrag der möglichen Inanspruchnahme auf Konzernebene anzugeben ist (Maas, R. 2005).

IV. Haftungsverhältnisse in Abschlüssen nach IFRS und US-GAAP


Auch in internationalen Rechnungslegungsnormen ergibt sich das Problem der Abgrenzung der Haftungsverhältnisse zu den zu passivierenden Verbindlichkeiten und Rückstellungen. Haftungsverhältnisse i.S.d. §§ 251, 268 VII HGB fallen unter die nicht zu passivierenden Contingent Liabilities (Eventualverpflichtungen), über die bestimmte Angaben in den Notes (Anhang) zu machen sind (Förschle, /Kroner, /Heddäus, 1999). Die Angaben müssen eine Beschreibung der Verpflichtung, den geschätzten Erfüllungsbetrag, Hinweise zur Ungewissheit hinsichtlich Höhe und Zeitpunkt der möglichen Vermögensbelastung sowie Hinweise auf etwaige Rückgriffsforderungen enthalten (IAS 37.86). Bilanzvermerke, also Posten unter der Bilanz, kennt das internationale Recht nicht, der Ausweis hat demnach ausschließlich in den notes zu erfolgen.

V. Prüfung der Haftungsverhältnisse


Neben der für alle Prüfungssachverhalte geltenden Erfordernis des Nachweises der vollständigen und richtigen Dokumentation, Angabe und Bewertung ergeben sich aus der Natur der Haftungsverhältnisse besondere Problemfelder für ihre Prüfung. Aufgrund der i.d.R. fehlenden buchhalterischen Erfassung der Haftungsverhältnisse ist es schwierig, Nachweise für das Vorliegen von Haftungsverhältnissen zu erlangen. In größerem Maß als bei anderen Sachverhalten muss sich der Prüfer deswegen Auskünfte und Bestätigungen Dritter einholen. Z. B. ist es angebracht, die üblichen Saldenbestätigungen um Anfragen bezüglich der Haftungsverhältnisse zu erweitern (Haegert, 1992).
Die ordnungsmäßige Erfassung der Haftungsverhältnisse setzt voraus, dass das Rechnungswesen über alle Verträge, aus denen sich derartige Verpflichtungen ergeben könnten, informiert ist. Zur lückenlosen Erfassung ist es bei sehr umfangreichen Vertragsbeständen unumgänglich, eine systematische Risikoerfassung (z.B. durch das Führen einer entsprechenden Datenbank) zu implementieren (Bordt, 1991). Denkbar ist auch die Erfassung von Haftungsverhältnissen in einer Nebenbuchhaltung.
Anhaltspunkte zur Prüfung ergeben sich in jedem Fall aus der genauen Untersuchung der Geschäftstätigkeit (Branchenspezifika) sowie der individuellen Bindungen zu den Vertragspartnern der Unternehmung (z.B. ungewöhnlich hohe Kulanzen oder Gewährleistungen). Konkrete Hinweise ergeben sich darüber hinaus bei der Prüfung entsprechender Vermögenspositionen (v.a. Wechsel bezüglich Ausstellung und Indossamenten, Grundstücke bezüglich Grundpfandrechten, Anlagen bezüglich Sicherungsübereignungen, Forderungen bezüglich Sicherungsabtretungen, Beteiligungen bezüglich Bürgschaften und Patronatserklärungen). Insgesamt ist bezüglich der Haftungsverhältnisse demnach insbesondere auf die Prüfung der Branchenspezifika, der internen Organisation, der Verträge und des Schriftverkehrs sowie der Beteiligungsverhältnisse abzustellen (Haegert, 1992).
Literatur:
ADS, : Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, Kommentar, bearb. v. Forster, K.-H./Goerdeler, R./Lanfermann, J. et al., 6. A., Stuttgart ab 1995
Bieg, H. : Die Kreditfinanzierung, in: StB 1997, S. 221 – 227, S. 268 – 275, S. 306 – 313, S. 347 – 354 u. S. 394 – 402
Bordt, K. : Die Eventualverbindlichkeiten, in: HdJ, hrsg. v. v. Wysocki, K./Schulze-Osterloh, J., 2. A., Köln 1991, Abt. III/9
Ellrott, H. : Kommentierung zu § 251 HGB, in: Beck\'scher Bilanz-Kommentar, hrsg. v. Berger, A./Ellrott, H./Förschle, G. et al., 5. A., München 2003, S. 369 – 385
Fey, D. : Kommentierung zu § 251 HGB, in: Handbuch der Rechnungslegung, Bd. I, hrsg. v. Küting, K./Weber, C.-P., 5. A., Stuttgart 2004, S. 1 – 25
Fey, G. : Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Haftungsverhältnisse, Düsseldorf 1989
Fey, G. : Probleme bei der Rechnungslegung von Haftungsverhältnissen, in: WPg 1992, S. 1 – 15
Maas, R. : Schuldenkonsolidierung, in: Beck\'sches Handbuch der Rechnungslegung, hrsg. v. Castan, E./Böcking, H. J./Heymann, G. et al., Bd. II, München 2005, Stand 2005, Abschn. C 420
Förschle, G./Kroner, M./Heddäus, B. : Ungewisse Verpflichtungen nach IAS 37 im Vergleich zum HGB, in: WPg 1999, S. 41 – 54
Haegert, L. : Eventualverbindlichkeiten, Prüfung der, in: HWRev, hrsg. v. Coenenberg, A. G./v. Wysocki, K., 2. A., Stuttgart 1992, Sp. 495 – 503
IDW, : Zur handelsrechtlichen Vermerk- und Berichterstattungspflicht bei Patronatserklärungen gegenüber dem Kreditgeber eines Dritten, Stellungnahme HFA 2/1976 i.d.F. 1990, in: WPg 1976, S. 528 – 536
IDW, : WP-Handbuch 2006, Bd. I, 13. A., Düsseldorf 2006
Kortmann, H. : Zur Darlegung von Haftungsverhältnissen im Jahresabschluß, in: DB 1987, S. 2577 – 2580
Mayer-Wegelin, E./Kessler, H./Höfer, R. : Kommentierung zu § 249 HGB, in: Handbuch der Rechnungslegung, Bd. I, hrsg. v. Küting, K./Weber, C.-P., 5. A., Stuttgart 2004, S. 1 – 212
Wiehn, S. : Haftungsverhältnisse, in: Beck\'sches Handbuch der Rechnungslegung, hrsg. v. Castan, E./Böcking, H.-J./Heymann, G. et al., Bd. I, München 2005, Stand 2005, Abschn. B 250

 

 


 

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