A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
wirtschaftslexikon wirtschaftslexikon
 
Wirtschaftslexikon Wirtschaftslexikon

 

wirtschaftslexikon online lexikon wirtschaftslexikon
   
 
     
wirtschaftslexikon    
   
    betriebswirtschaft
     
 
x

Kuppelproduktion


Inhaltsübersicht
I. Grundbegriffe und Gegenstand
II. Vorkommen und Entwicklungstendenzen
III. Erscheinungsformen
IV. Kosten- und Erfolgsrechnung
V. Produktionsplanung
VI. Absatzprobleme

I. Grundbegriffe und Gegenstand


Produktionsprozesse, bei denen naturgesetzlich oder technologisch bedingt zwangsläufig zwei oder mehr Produktarten hervorgehen, werden gewöhnlich als Kuppel- oder Koppelproduktion, daneben auch als primär verbundene Produktion bezeichnet. Die bei strenger Betrachtung gegebene Gleichzeitigkeit des Anfalls kann nach außen als ein zeitliches Nacheinander erscheinen, so der Abraum beim Tagebergbau vor den zu gewinnenden Mineralien, die Eierproduktion vor dem Anfall einer Schlachthenne.
Die Gesamtheit der zwangsläufig entstehenden Produkte bildet das (Kuppel-)Produktbündel oder Produktkombinat, die einzelnen Produkte werden (Teil-)Kuppelprodukte, Spaltprodukte, Zwangsanfallprodukte oder primär verbundene Produkte genannt. Teils im gleichen Sinne, teils umfassender (und dann die sekundär verbundene Produktion einschließend) werden die Ausdrücke Verbundprodukte, verbundene Produkte, joint products gebraucht. Oft beschränkt man sich darauf, von »Nebenprodukten« (by-products, sous-produits) und »Abfällen« (wastes, déchets) zu sprechen, die – neben dem oft nicht besonders benannten »Hauptprodukt« als eigentlichem Ziel der Produktion – in Kauf genommen werden müssen.
In Praxis und Theorie (z.B. Dyckhoff, H. 1992) wird Kuppelproduktion oft im engsten Sinne aufgefasst, wobei Abfälle, Abenergien, Fehlfabrikate usw. ausgeklammert werden. Das führt zwar zu einer Vereinfachung, doch entgehen dabei wesentliche Ansatzpunkte für eine Ökonomisierung und Ökologisierung.
Aus der Diskrepanz, dass die Zusammensetzung der Kuppelproduktbündel grundsätzlich nicht den Nachfrageverhältnissen entspricht, leiten sich die ökonomischen Kernprobleme der Kuppelproduktion ab. Da die einzelnen Teilprodukte eines Bündels i.d.R. nicht auf den gleichen Märkten angeboten werden, sollte man nicht mit Marshall (Marshall, A. 1905) davon sprechen, dass sie ein verbundenes Angebot (joint supply) auslösen, zumal bei gekoppelten Angeboten häufig Güter zusammengefasst werden, die unabhängig voneinander entstehen (Riebel, P. 1972).
Von der Kuppelproduktion streng zu trennen ist die freiwillig oder sekundär verbundene Produktion, bei der gleichzeitig nebeneinander oder sukzessive wechselnd unterschiedliche Leistungsarten hervorgebracht werden, um vorhandene Kapazitäten und sonstige Potenziale ergiebiger zu nutzen. Zwar kann man auch auf die wirtschaftliche Nutzung eines Teils der Kuppelprodukte verzichten, doch muss der unerwünschte Anfall beseitigt werden, was grundsätzlich mit Umweltbelastungen und zusätzlichen internen oder externen Kosten verbunden ist.
Mehr oder weniger eng mit der Kuppelproduktion verwandt, ihr im strengen Sinne aber nicht zugehörig, sind (Riebel, P. 1955; Riebel, P. 1979; Riebel, P. 1993): (1) die gekoppelte Entstehung unterschiedlicher Nutzungsmöglichkeiten (Potenzialkopplung) und (2) die Kopplung heterogener (Teil-)Kapazitäten (Kapazitätskopplung).

II. Vorkommen und Entwicklungstendenzen


Die Kuppelproduktion ist kein kurioser Sonderfall, sondern kommt in allen Wirtschaftszweigen und Konsumbereichen vor. Wie schon Jevons (Jevons, W. S. 1881; Jevons, W. S. 1924) erkannt hat, dürfte es nur mit großer Mühe gelingen, Ausnahmen zu finden (s.a. Riebel, P. 1955 und Riebel, P. 1993, Dyckhoff, H. 1992).
Wenig beachtet sind der Zwangsanfall vorübergehend eingesetzter Hilfsstoffe, lange Zeit auch von Packmitteln beim Auspacken sowie die Kuppelproduktion beim Aussortieren heterogener Qualitäten in Handel und Industrie, das Vorkommen im Erd- und Tiefbau (Riebel, P. 1979). Besonders wichtig sind die Kopplung von Anlagennutzung bzw. -vorhaltung mit dem Zwangsanfall reduzierter Restkapazitäten und schließlich ausgemusterter Anlagen, die – soweit sich keine Sekundärverwendungen finden lassen – beseitigt werden müssen (Riebel, P. 1955). Kaum untersucht sind kuppelproduktionsartige Phänomene in Banken und Versicherungen (Jacob, A.-F. 1977, Albrecht, P. 1987) sowie anderen Dienstleistungsbereichen.

III. Erscheinungsformen


1. Zweck- und stoffverwertungsorientierte Kuppelproduktion


Historisch gesehen ist oft nur eines der Spaltprodukte produktionswirtschaftliches Ziel. Neben diesem Zweckprodukt gibt es nur unerwünschte Abfälle oder »Missgüter« (Lehmann, M. R. 1956), die – soweit sie nicht von selbst entweichen – weggeworfen oder auf billigste Art und Weise vernichtet werden. Die Produktkopplung ist ökonomisch noch kaum wirksam. Das Bemühen, die Abfallquote möglichst klein zu halten, braucht jedoch nicht zur wirtschaftlich optimalen Ausbeute zu führen (Riebel, P. 1957). Das Gewinnstreben, der Wettbewerb mit moderneren Verfahren oder die Gesetzgebung lösen früher oder später Bemühungen aus, die Abfälle nicht nur gelegentlich, sondern planmäßig zu verwerten. Nach der wirtschaftlichen Bedeutung unterscheidet man dann oft zwischen dem Hauptprodukt als dem ursprünglichen Ziel der Produktion und Nebenprodukten, die einen zunehmenden Einfluss auf die Produktions- und Absatzpolitik erlangen können, regelmäßig und gelegentlich verwertbaren Abfällen, sich selbst beseitigenden und schließlich zu vernichtenden Abfällen.
Schließlich ist das Produktionsziel darauf ausgerichtet, den eingesetzten Rohstoff so günstig wie möglich zu verwerten, wobei es letztlich gleichgültig ist, welche Produkte entstehen und für welche Zwecke sie verwendet werden. Oft gibt es dann mehr oder weniger gleichrangige Koprodukte, von denen – mit der Marktlage wechselnd – eines die Rolle eines Leitprodukts übernehmen kann, wenngleich bei allen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen stets auf die Gesamtheit der Kuppelprodukte abzustellen ist. Das Streben nach optimaler Stoffverwertung führt häufig zur Angliederung von Weiterverarbeitungsbetrieben; es setzt eine intensive Verwendungsforschung, die Erschließung heterogener Absatzmärkte sowie eine vielgestaltige Absatzorganisation voraus.

2. Ein- und mehrstufige Kuppelproduktion


Die einstufige oder einfache Kuppelproduktion ist relativ selten. Häufig folgen mehrere Kuppelproduktionen aufeinander (Abb. 1, Typen D und H), insbes. zur Trennung von Vielstoffgemischen sowie bei der Weiterverarbeitung einzelner Kuppelprodukte mithilfe analytischer oder austauschender Stoffverwertung (Riebel, P. 1963; Schäfer, E. 1978). Die aufeinander folgenden Stufen können verfahrensmäßig und räumlich oft so eng verknüpft sein, dass sie als ein einheitlicher Prozess erscheinen, wie die Destillation von Erdöl. Bei mehrstufiger Kuppelproduktion ist weiter zu unterscheiden, ob zur Gewinnung eines bestimmten Kuppelprodukts eine ganz bestimmte Reihenfolge von Aufspaltungsprozessen durchlaufen werden muss oder ob das gewünschte Produkt – ohne eine solche Bindung – selektiv gewonnen werden kann, wie bei selektiver Extraktion (Riebel, P. 1955).
Kuppelproduktion
Abb. 1: Grundtypen der Weiterverarbeitung von Kuppelprodukten
Wird eines der Kuppelprodukte in denselben Prozess oder eine vorgelagerte Stufe zurückgeführt (Abb. 1, Typ H), spricht man von Kreislaufprozessen oder Stoffkreisläufen. In diesem Sinne unterscheidet Kilger (Kilger, W. 1973) zyklische Kuppelproduktionen von linearen ohne Stoffkreislauf. Um die mengenmäßigen Beziehungen zwischen Stoffeinsatz und Ausbringung bei mehrstufiger Kuppelproduktion überschaubar zu machen, hat Pichler (Pichler, O. 1953) die Matrizenrechnung eingeführt.

3. Unmittelbare und mittelbare Produktkopplung


Die Zwangsverhältnisse der Kuppelproduktion wirken sich nicht nur auf die aus dem Aufspaltungsprozess hervorgehenden »unmittelbaren« Kuppelprodukte aus, sondern auch auf deren »Abkömmlinge« oder Weiterverarbeitungsprodukte (mittelbare Kuppelprodukte). Daher müssen diese in Wirtschaftlichkeitsüberlegungen grundsätzlich einbezogen werden. Beschaffungs- und absatzwirtschaftlich kann die mittelbare Produktkopplung sogar über das einzelne Unternehmen hinaus wirksam werden. Z.B. sind die verfügbaren Rindledermengen mittelbar an die Rindfleisch- und Milchproduktion gekoppelt. Je nach Art der Weiterverwertung können die mittelbaren Kuppelprodukte noch untereinander unterschiedlich verbunden sein: Bei synthetischer Stoffverwertung (Abb. 1, Typen E, F, G) – vor allem von Kuppelprodukten aus unterschiedlichen Aufspaltungsprozessen (verflochtene Kuppelproduktion, Abb. 1, Typ G) – wird mit zunehmender Zahl von Kombinationsmöglichkeiten die Bildung von Produktpäckchen oder -bündeln komplizierter, weil auch noch der Verwendungsverbund berücksichtigt werden muss und die verschiedenen Verwertungsmöglichkeiten der Spaltprodukte gleichzeitig in einem konkurrierenden und komplementären Verhältnis stehen können – ebenso wie im Falle einer verbundenen Nachfrage (Riebel, P. 1955; Sundhoff, E. 1968).

4. Die Lenkbarkeit von Produktkopplung


Die Zwangsverhältnisse der Produktkopplung und ihre ökonomischen Auswirkungen sind besonders gravierend, wenn die Zusammensetzung des Kuppelproduktbündels unbeeinflussbar hingenommen werden muss. Der Extremfall: Ein absolut starres, auch langfristig unveränderliches Mengenverhältnis ist wohl nur beim Zerlegen einfacher chemischer Verbindungen anzutreffen. Auf einer anderen Ebene liegt das bewusste Konstanthalten an sich flexibler Mengenverhältnisse. Hinzuzunehmen sind auch stochastische Änderungen der Bündelstruktur infolge unkontrollierbarer Schwankungen der Rohstoffzusammensetzung oder mangelhafter Beherrschung der Produktionsbedingungen.
Langfristig kann die Zusammensetzung des Produktbündels durch Übergang auf andere Verfahren und Produktionsapparaturen verändert werden, in der biologischen Produktion auch durch Züchtung und Genmanipulation. Kurzfristige Änderungen der Mengenverhältnisse, die auch mit einer Änderung der Güte oder Art aller oder eines Teils der gekoppelten Produkte verbunden sein können, sind durch mannigfaltige, prozessspezifische Maßnahmen möglich.
So sind chemische, physikalische und biologische Prozesse nur im Rahmen bestimmter, naturgesetzlich vorgegebener Bahnen lenkbar, z.B. durch Rohstoffauswahl und die Variation der Verfahrensparameter (Riebel, P. 1955; Riebel, P. 1963; Riebel, P. 1979). Bei mechanischen Formgebungs- und Zerlegungsverfahren (z.B. Sägewerk, Schlachthaus) ist der Anpassungsspielraum relativ groß, doch liegt auch hier nur eine »begrenzt willkürlich lenkbare Produktkopplung« vor.
Oft lässt auch der Markt eine begrenzte Anpassung der Mengenverhältnisse durch Verschiebung von Qualitätsgrenzen zwischen Stoffgemischen (z.B. den Erdölfraktionen) oder bei der Sortenauslese zu.
Bei elastischer Kopplung sind die benötigten Kapazitäten der Produktionsmittel und ihre Ausnutzungsmöglichkeiten von den jeweils gewählten Rohstoffen und Verfahrensbedingungen und damit von der Zusammensetzung des Kuppelproduktbündels abhängig (Riebel, P. 1955; Riebel, P. 1957). Das erschwert die Abstimmung der Teilkapazitäten und führt oft zu einer Einschränkung der an sich möglichen Anpassungsspielräume, wenn man in der Weiterverarbeitung keine Kapazitätsreserven hält. Um die Flexibilität (Elastizität und Reagibilität) zu erhöhen, werden oft mehrere Produktionsverfahren nebeneinander angewandt, in denen die vorzugsweise gewollten Produkte an unterschiedliche Nebenprodukte und Abfälle gekoppelt entstehen oder indem man Prozesse mit gekoppelten und (angenähert) isoliertem Produktanfall nebeneinander betreibt.

5. Speicherbarkeit und Transportierbarkeit


Unterscheiden sich die gekoppelten Produkte erheblich in ihrer Speicherbarkeit und Transportierbarkeit, werden die Spannungen zwischen Produktions- und Nachfrageverhältnissen erheblich verschärft. Das am wenigsten speicherbare Kuppelprodukt hat oft einen stärkeren Einfluss auf die Programmplanung, als es seiner wirtschaftlichen Bedeutung entspricht. Schlechte Speicher- und Transportierbarkeit sind oft der Grund für eine Standortwahl am Ort der Verwendung dieser Produkte oder für die Angliederung von Betrieben zur Weiterverarbeitung in speicher- und transportierbare Produkte.

IV. Kosten- und Erfolgsrechnung


Sämtliche Kosten bis zum Spaltpunkt – und zwar auch die leistungsabhängigen – entstehen für alle Kuppelprodukte gemeinsam und sind als echte Gemeinkosten oder Verbundkosten für die einzelnen Produktarten weder getrennt erfassbar noch ihnen ohne Willkür zurechenbar.
Die nach dem Spaltpunkt anfallenden Kosten sind zwar spezifisch für die Verwertungsweise, aber den einzelnen Kuppelprodukten nur bedingt zurechenbar (Riebel, P. 1970; Riebel, P. 1983). Soweit nämlich diese Kosten durch die Erlöse nicht gedeckt werden, müssen sie wie Vernichtungskosten mit den Kosten bis zum Spaltpunkt zusammengefasst von den übrigen Kuppelprodukten gemeinsam getragen werden. Zudem kann jede Veränderung der Zusammensetzung des unmittelbaren Kuppelproduktbündels die Anpassungsmöglichkeiten in den einzelnen Weiterverarbeitungs-»zweigen« unterschiedlich beeinflussen, sodass auch Höhe und Verlauf der leistungsabhängigen Verwertungskosten mittelbar verbunden sein können.
Obgleich die Verrechnung der Verbundkosten auf die einzelnen Kuppelprodukte willkürlich und für Planungs- sowie Kontrollzwecke überflüssig ist, ja schädlich sein kann, verzichtet die Praxis nur selten darauf. Auch in der Theorie wird versucht, unter Missachtung der sachlogischen Gegebenheiten mithilfe mathematischer Ansätze das Verbundenheitsproblem zu überlisten (Moriarity, S. 1981).
Bei der Restwertrechnung gilt das Haupt-(Leit-)produkt als eigentlicher Träger der Gesamtkosten, die einerseits um die Erlöse bzw. die Überschüsse der Nebenprodukt- und Abfallverwertung zu vermindern und andererseits um etwa auftretende Unterdeckungen oder Beseitigungskosten zu erhöhen sind. Demgemäß wird von Subtraktions- bzw. Additionsmethode gesprochen.
Richtig interpretiert gibt die Restwertrechnung lediglich an, welche der angesetzten Gesamtkosten – bei gegebener Nebenproduktsituation – durch das Hauptprodukt hereingeholt werden müssten. Auf die zusätzlichen Kosten begrenzt ist sie geeignet, die Preisuntergrenze des Haupt- oder Leitprodukts zu ermitteln.
Die Verteilungsverfahren belasten dagegen alle Kuppelprodukte gemäß den jeweiligen Schlüsseln oder Äquivalenzziffern. Beruhen diese auf technischen Merkmalen (z.B. Heizwert, Molekulargewicht), sind die anteiligen Kosten ohne Aussagewert, weil sie weder der Kostenentstehung noch der Verwertbarkeit der Kuppelprodukte entsprechen (Riebel, P. 1970; Riebel, P. 1983). Für die Programmplanung und die Betriebslenkung sind die Verteilungsverfahren auch dann ungeeignet, wenn sie auf ökonomischen Größen beruhen (z.B. Marktpreisen, Verwertungsüberschüssen, Opportunitätskosten, Alternativkosten bei isolierter Herstellung mittels anderer Verfahren, Marktpreisen von Substitutionsgütern unter Berücksichtigung von Ersparnissen oder Zusatzkosten) und wenn auf die Schlüsselung fixer Kosten verzichtet wird (Riebel, P./Paudtke, H./Zscherlich, W. 1973). Auch die Schlüsselung nach partiellen Grenzkosten (und deren Ermittlung) bei variabler Kopplung (Tillmann, K.-H. 1954) sowie nach Dualwerten linearer Programme (Wenke, K. 1961) sind fragwürdig (Brink, H.-J. 1967).
Unter bestimmten Voraussetzungen eignen sich die Gewinn- und Programmplanung sowie die Betriebslenkung, die Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung und die Rest-Proportionalkostenrechnung, die sich als verkürzte Totalrechnung erweisen, sowie der Ansatz von berichtigten Marktpreisen für Zwischenprodukte (Riebel, P./Paudtke, H./Zscherlich, W. 1973). Für die Erfolgsquellenanalyse – auch bei mehrstufiger Kopplung und alternativen Verwertungsmöglichkeiten – sind die Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung in Verbindung mit der Päckchenrechnung sowie die Rest-Proportionalkostenrechnung nützlich. Unabhängig vom Rechnungssystem sind die Differenzierungsmöglichkeiten bei nachfolgender synthetischer Verarbeitung der Kuppelprodukte zwangsläufig begrenzt.
Für die bilanzielle Bewertung von Beständen sind die Restwertrechnung und die Verteilung nach dem Tragfähigkeitsprinzip – etwa unter Anlehnung an die (reduzierten) Marktpreise der Kuppelprodukte oder »Verwertungsüberschüsse am Spaltpunkt« – brauchbar, weil hier die unterschiedliche Ertragskraft der Kuppelprodukte zum Ausdruck kommt (Riebel, P. 1970; Riebel, P. 1983). Grenzen für die Bewertung nach Verwertungsüberschüssen ergeben sich jedoch bei Kuppelproduktion mit nachfolgender synthetischer Weiterverarbeitung (Weblus, B. 1958; Wurl, H.-J. 1975). Generell sollte auf die Aktivierung anteiliger Fixkosten verzichtet werden; zudem ist unter bestimmten Voraussetzungen eine Bewertung mit null vorzuziehen (Brink, H.-J. 1967; Layer, M. 1969; Riebel, P. 1976).

V. Produktionsplanung


Auf Kuppelproduktion mit konstantem Mengenverhältnis lässt sich nach von Stackelberg (Stackelberg, H. v. 1932) die Theorie des Einproduktbetriebs anwenden, wenn man für die Messung der Kapazität und der Ausbringung als fiktive Leistungseinheiten »Päckchen« bildet, die alle Kuppelprodukte im Verhältnis ihres Anfalls enthalten.
Bestehen alternative Verarbeitungs-(Verwertungs-)möglichkeiten, können diese formal wie verschiedenartige mittelbare Kuppelprodukte in der Päckchenrechnung behandelt werden (Riebel, P. 1971a).
Statt hierbei von Produktpäckchen auszugehen, ist es zweckmäßig, die technologischen Bedingungen des Stoffflusses in Nebenbedingungen auszudrücken und die Spaltrohstoffe und Produkte nach Bereitstellungs- und Verwertungsvarianten differenziert als Variable einzusetzen (insb. Kruschwitz, L. 1974; s.a. Brink, H.-J. 1969; Kilger, W. 1973). Der Vorteil dieser Vorgehensweise zeigt sich bei komplexen und unübersichtlichen Fertigungsstrukturen, weil bei der Programmformulierung alle Verzweigungen des Produktionsflusses sukzessive berücksichtigt werden können und die Anzahl der Variablen des mathematischen Programms von der Anzahl der Erzeugnisvarianten nur linear abhängt. Zwar werden meist konstante Preise und Absatzhöchstmengen angenommen, doch können auch Preis-Absatz-Funktionen einbezogen werden (Kilger, W. 1973).
Bei lenkbarer Kopplung ist es zweckmäßig, von den (meist nicht linearen) konkreten technischen Verbrauchs- und Ausbringungsfunktionen in Abhängigkeit von den Prozessparametern auszugehen (Riebel, P. 1957) und di erwarteten Preis-Absatzmengen-Kombinationen einzubeziehen.

VI. Absatzprobleme


Die Märkte der gekoppelten Produkte sind in der Regel heterogen und durch unterschiedliche Entwicklungstendenzen, Wettbewerbsverhältnisse, Nachfrageschwankungen und Elastizitäten gekennzeichnet. Je unflexibler die Kopplung und je geringer die Bedeutung des einzelnen Produkts im Kuppelproduktbündel, desto geringer ist sein Einfluss auf das Produktionsvolumen und desto stärker sind die zu beobachtenden Preisschwankungen. So kann bei starrer Kopplung auch eine erhebliche Preissteigerung für ein Nebenprodukt allenfalls eine geringe Erhöhung des Angebotes auslösen. Umgekehrt wird auch ein extremer Preisverfall das Angebot kaum reduzieren, weil die Preisuntergrenze einzelner Kuppelprodukte unter den zusätzlichen Verwertungskosten liegen kann, im Extremfalle bei den alternativ entstehenden Vernichtungskosten, also im Negativen.
Diese Verhältnisse werden teils verschärft, teils gemildert, wenn Prozesskonkurrenz vorliegt, d.h. völlig gleichartige Erzeugnisse oder Substitute mithilfe anderer Rohstoffe und/oder Prozesse im Rahmen anders zusammengesetzter Kuppelproduktbündel oder gar (angenähert) ungekoppelt erzeugt werden können, wie häufig in der chemischen Industrie. Infolge der geringen Angebotselastizität überschüssig anfallender Kuppelprodukte niedrigen Ranges können daher »hochrangige« Produkte anderer Prozesse vorübergehend oder endgültig vom Markt verdrängt werden. Andererseits bietet sich die Möglichkeit, durch inner- und überbetriebliche Kombination konkurrierender Prozesse einen besseren Marktausgleich zu erreichen, etwa indem unelastische Kuppelprozesse zur Deckung des Grundbedarfs und elastische für den Spitzenbedarf herangezogen werden (Kreps, T. J. 1938; Riebel, P. 1955).
Je geringer die Spielräume für die Lenkung der Kuppelproduktion sind, desto stärker muss ein Ausgleich im Verwertungs- und Absatzbereich gesucht werden. Die Erschließung neuer Märkte, vor allem durch Entwicklung neuer Verwendungsmöglichkeiten, spielt eine vorrangige Rolle. Sie lassen sich oft nur über anwendungstechnische Forschung und Beratung, die Angliederung von Weiterverarbeitungskapazitäten und Ausweitung des Sortiments um bedarfsverbundene Produkte und Dienstleistungen erreichen. Auch eine an den Nutzenunterschieden ausgerichtete Preisdifferenzierung bei Kuppelprodukten mit mehreren Verwendungszwecken lässt sich meist nur über eine Produktmodifikation und die Einordnung in unterschiedliche Teilsortimente sowie eine nach Verwendungszwecken und Abnehmergruppen differenzierte Absatzorganisation verwirklichen.
Da die gekoppelten Produkte einander nur selten substituieren oder in denselben Bedarfskomplex eingehen, zwingt ihre Verschiedenartigkeit und die ihrer Verwendungszwecke dazu, sich mit sehr vielen Märkten auseinander zu setzen. Diese absatzwirtschaftliche Divergenz erfordert daher eine weit stärkere Differenzierung der absatzpolitischen Maßnahmen und der Absatzorganisation als bei bedarfsorientierten Produktionsprogrammen. Um eine Zersplitterung zu vermeiden, konzentriert man seine Absatzaktivität oft nur auf einen Ausschnitt der Produktbündels (und/oder der Verwendungszwecke und Abnehmergruppen); die übrigen Teilmärkte werden nur »nebenher« oder über fremde Absatzorgane beliefert. Zum Teil wird dafür die Form des »Anschlussabsatzes« über andere Industriebetriebe gewählt, deren Absatzapparat auf die interessierenden Märkte ausgerichtet ist. Falls gleichartige Kuppelprodukte in mehreren Unternehmen anfallen, werden oft für den Absatz und z.T. auch für die Weiterverarbeitung Gemeinschaftsorgane gebildet (Riebel, P. 1956).
Literatur:
Albrecht, P. : Die Versicherungsproduktion – eine Kuppelproduktion auf Risiko, in: ZfB, 1987, S. 316 – 328
Betriebswirtschaftlicher Ausschuß f. Verb. d. Chem. Industrie e. V., : Kostenrechnung in der Chemischen Industrie, Wiesbaden 1962
Brink, H.-J. : Zur Planung des optimalen Fertigungsprogramms, dargestellt am Beispiel der Kalkindustrie, Köln et al. 1969
Bührens, J. : Programmplanung bei Kuppelproduktion, Wiesbaden 1979
Clemen, R. A. : By-Products in the Packing Industry, Chicago 1927
Colberg, M. R. : Monopoly Prices under Joint Costs fixed Proportions, in: Journal of Political Economy, 1941, S. 103 – 110
Dyckhoff, H. : Betriebliche Produktion, Berlin 1992
Fandel, G. : Zur Berücksichtigung von Überschuß- bzw. Vernichtungsmengen in der optimalen Programmplanung bei Kuppelproduktion, in: Unternehmensplanung, hrsg. v. Brockhoff, K./Krelle, W., Berlin et al. 1981, S. 193 – 212
Gerhardt, C. : Bestimmungsmöglichkeiten optimaler Produktionsprogramme bei primärer Verbundproduktion, Hamburg 1966
Jacob, A.-F. : Leistungserstellung einer Großbank als Kuppelproduktion, in: Blick durch die Wirtschaft, 16.12.1977
Jensen, D. L. : The Role of Cost in Pricing Joint Products: A Case of Production in Fixed Proportions, in: Acc. Rev., 1974, S. 465 – 476
Jevons, W. S. : Die Theorie der politischen Ökonomie, Jena 1924 (The Theory of Political Economy, London 1871)
Kilger, W. : Optimale Produktions- und Absatzplanung, Opladen 1973
Kilger, W. : Einführung in die Kostenrechnung, Opladen 1976
Kreps, T. J. : Joint Costs in the Chemical Industry, in: QJE, 1930, S. 416 – 461
Kreps, T. J. : The Economics of the Sulfuric Acid Industry, Stanford (Cal.) 1938
Kruschwitz, L. : Zur Programmplanung bei Kuppelproduktion, in: ZfbF, 1974, S. 96 – 109
Layer, M. : Die Herstellkosten der Deckungsbeitragsrechnung und ihre Verwendbarkeit in Handels- und Steuerbilanz für die Bewertung unfertiger und fertiger Erzeugnisse, in: ZfbF, 1969, S. 131 – 154
Lehmann, M. R. : Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 3. A., Wiesbaden 1956
Lehmann, M. R. : Industriekalkulation, 5. A., Essen 1965
Manes, R. P./Smith, V. L. : Economic Joint Costs Theory and Accounting Practices, in: Acc. Rev., 1965, S. 31 – 35
Marshall, A. : Handbuch der Volkswirtschaftslehre, Bd. 1, 4. A., Stuttgart et al. 1905 (Principles of Economics, London 1890 ff.)
Merian, R. J. : Betriebswirtschaftliche Preisbildung der Kuppelprodukte, in: ZfhF, 1931, S. 225 – 248, 289 – 308
Moriarity, S. : Joint Cost Allocations, Norman, OK 1981
Müller, A. : Die Berechnung der Kosten von Kuppelerzeugnissen im Eisenhüttenwesen, in: Arch f. d. Eisenhüttenwes., 1933/34, S. 699 – 706
National Association of Accountants, : Costing Joint Products, Research Series No. 31, New York 1957
Pichler, O. : Anwendung der Matrizenrechnung zur Erfassung von Betriebsabläufen, in: Ingenieur-Archiv, 1953, S. 157 – 175
Riebel, P. : Die Kuppelproduktion, Köln/Opladen 1955
Riebel, P. : Formen des gemeinschaftlichen Vertriebs der Industrie, in: ZfB, 1956, S. 1 – 14, 105 – 118
Riebel, P. : Einfluß der zeitlichen Unterbeschäftigung auf die Kosten- und Ertragsverläufe bei Prozessen mit verweilzeitabhängiger Ausbeute, in: ZfhF, 1957, S. 473 – 501
Riebel, P. : Industrielle Erzeugungsverfahren in betriebswirtschaftlicher Sicht, Wiesbaden 1963
Riebel, P. : Kuppelprodukte, Kalkulation der, in: HWR, hrsg. v. Kosiol, E., Stuttgart 1970, S. 994 – 1006
Riebel, P. : Zur Programmplanung bei Kuppelproduktion, in: ZfbF, 1971a, S. 733 – 775
Riebel, P. : Ertragsbildung und Ertragsverbundenheit im Spiegel der Zurechenbarkeit von Erlösen, in: Beiträge zur betriebswirtschaftlichen Ertragslehre, hrsg. v. Riebel, P. et al., Opladen 1971b, S. 147 – 200
Riebel, P. : Kosten und Preise bei verbundener Produktion, Substitutionskonkurrenz und verbundener Nachfrage, 2. A., Opladen 1972
Riebel, P. : Kuppelproduktion, in: HWProd, hrsg. v. Kern, W., Stuttgart 1979, Sp. 1009 – 1022
Riebel, P. : Kuppelproduktion und -kalkulation, in: Management Enzyklopädie Bd. 5, hrsg. v. Dummer, W, 2. A., Landsberg a.L. 1983, S. 875 – 900
Riebel, P. : Kuppelproduktion – Urphänomen und Problemquelle, in: Paul Riebel zu Ehren, hrsg. v. Kaufhold, K. H., Göttingen 1993, S. 27 – 54
Riebel, P. : Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung, 7. A., Wiesbaden 1994
Riebel, P./Paudtke, H./Zscherlich, W. : Verrechnungspreise für Zwischenprodukte, Opladen 1973
Schäfer, E. : Der Industriebetrieb, 2. A., Wiesbaden 1978
Stackelberg, H. v. : Grundlagen einer reinen Kostentheorie, Wien 1932
Sundhoff, E. : Preis- und Mengenpolitik bei verbundener Produktion, in: Distributionswirtschaft, hrsg. v. Sundhoff, E., Köln/Opladen 1968, S. 301 – 385
Tillmann, K.-H. : Die Bewertung von marktpreislosen Kuppelprodukten in der Kostenrechnung der chemischen Industrie, in: ZfhF, 1954, S. 156 – 172
Vonderreck, R. : Die Kalkulation von Kuppelprodukten in der chemischen Industrie, in: ZfhF, 1933, S. 617 – 641
Weblus, B. : Produktionseigenarten der chemischen Industrie, ihr Einfluß auf Produktion und Programmgestaltung, Berlin 1958
Wenke, K. : Zur Kalkulation von Kuppelprodukten, eine Anwendung des linearen Programmierens, in: ZfB, 1961, S. 12 – 29
Wurl, H.-J. : Handelsrechtliche Bewertung unfertiger und fertiger Erzeugnisse bei Kuppelproduktion, in: WPg, 1975, S. 101 – 109

 

 


 

<< vorhergehender Begriff
nächster Begriff >>
Kuponsteuer
 
Kuppelproduktkalkulation