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Marktsättigung


Inhaltsübersicht
I. Gesamtwirtschaftliche Aspekte
II. Einzelwirtschaftliche Aspekte
III. Marketingstrategische Bedeutung
IV. Marktsättigung in Diffusionsmodellen

I. Gesamtwirtschaftliche Aspekte


Die Vermutung einer Marktsättigung (MS) wird für unterschiedliche wirtschaftliche Aggregationsebenen geäußert, ist aber dennoch schwer nachzuweisen. Am umfassendsten wäre das Aggregat, wenn die Weltwirtschaft gemeint wäre, wofür bisher keine spezifischen Belege zu erbringen sind. Deshalb wird der MS allenfalls in Volkswirtschaften, hier vorzugsweise solcher entwickelter Länder, Beachtung geschenkt. Für eine Volkswirtschaft als Aggregat wird aus marxistischer Sicht MS als Ergebnis kapitalistischer Produktionsweise zumindest für Teilperioden unterstellt, wodurch sog. Überproduktionsrisiken ausgelöst werden (z.B. Akademie der Wissenschaften der UdSSR, 1964). Diese gehen im Wesentlichen auf die Annahme schwindender Kaufkraft, ausgelöst durch »Ausbeutung« der Arbeiter, zurück. Ähnliche Vorstellungen werden als volkswirtschaftliche Stagnationstheorien vorgetragen, teils durch spezifisch Annahmen über die Konsum- und Investitionsfunktionen begründet, teils durch die Annahme der Erschöpfung der Investitionsgelegenheiten, eines periodisch auftretenden Mangels an Innovationen (Hinder, W. 1986) oder einer absoluten Begrenzung der menschlichen Bedürfnisse. Trotz einer langen Beschäftigung mit dem Phänomen der MS ist es umstritten. »In itself stagnationism is practically as old as economic thought. In any prolonged period of economic malaise economists, falling in like other people with the humors of their time, proffer theories that pretend to show that depression has come to stay« (Schumpeter, J. A. 1966, S. 1172). Die Vorstellungen zur MS werden vor allem wegen der Vernachlässigung von Innovationen und ihrer ökonomischen Wirkungen, insbesondere auch auf die Mobilisierung latenter Bedürfnisse, kritisiert. Schumpeter sieht die Innovationen insbesondere durch staatliches Handeln bedroht (Schumpeter, J. A. 1966). Die volkswirtschaftliche Aggregationsebene soll aber nicht weiter betrachtet, sondern der Blick auf einzelne Märkte gerichtet werden.
Sie erlangen hier als Absatzmärkte von Unternehmen Bedeutung. Ihre Identifikation setzt die Abgrenzung von Märkten voraus. Hier wird von der Vorstellung ausgegangen, dass diese aufgrund von behavioristischen Daten, Kaufabsichten, Wahrnehmungen oder Präferenzen gelingt, selbst wenn einzuräumen ist, dass vollständige Willkürfreiheit dabei letztlich nicht zu erreichen ist (Day, G. S./Shocker, A. D./Srivastava, R. K. 1979). Im Ergebnis soll kein Markt allein durch ein einzelnes Produkt gebildet werden. Vielmehr werden Produktarten betrachtet, die alternativ bestimmte Bedürfnisse befriedigen können. Dafür sind pragmatisch einsetzbare Abgrenzungskriterien gefunden worden, die sich unterschiedlicher Verfahren der multivariaten Datenanalyse bedienen.
Sollte tatsächlich auf einem in diesem Sinne abgegrenzten Markt keine Aufnahmebereitschaft für ein zusätzliches Angebot mehr bestehen, so wird innerhalb einer Volkswirtschaft von partieller Sättigung gesprochen. Der Anteil partiell gesättigter Märkte definiert in diesem Sinne relative Sättigung (Helmstädter, E. 1984). Schon diese Vorstellung stellt hohe Ansprüche, weil sie einen optimalen Einsatz absatzpolitischer Instrumente unter Berücksichtigung möglicher Wettbewerbsreaktionen bei einer gegebenen Einkommensverteilung voraussetzt. Darin ist wiederum eine eher statische Gleichgewichtsvorstellung impliziert.

II. Einzelwirtschaftliche Aspekte


MS äußert sich darin, dass alle Anbieter auf einem Markt gemeinsam einer spürbar begrenzten und auf längere Sicht hin nicht ausdehnbaren Nachfrage gegenüberstehen. Das bedeutet nicht zugleich, dass jeder einzelne Anbieter in gleicher Weise beschränkt wäre, wohl aber, dass Marktanteilsgewinne nur in Form eines Nullsummenspiels möglich sind. Ist auch dies (und damit das Wirken der Wettbewerber) berücksichtigt, so kann MS unter der oben genannten Bedingung der Optimierung des absatzwirtschaftlichen Instrumentariums in einer gegebenen Umweltsituation erreicht sein. Das einzelne Unternehmen kann die Umweltbedingungen (z.B. in der Form von Einkommen, Konsumneigung usw.) kaum entscheidend beeinflussen. Deshalb ist es wichtig zu fragen, welche absatzwirtschaftlichen Instrumente in den Optimierungskalkül einbezogen werden. Diese Frage wird in III. wieder aufgenommen.
Diese beschriebene Situation der MS ist auf sehr verschiedene Weise pragmatisch spezifiziert worden; z.B. dadurch, dass eine mittlere Phase in einem Produktarten-Lebenszyklus erreicht ist, das Wachstum des Marktpotenzials (s.u.) einen kleinen positiven Betrag nicht überschreitet (also: kleiner ist als ein positiv definiertes Anspruchsniveau) bzw. null oder negativ ist (Bauer, H. H. 1988), die gesamte Nachfragemenge eines Marktes weniger wächst als es einem vorgegebenen Bruchteil des Wachstums des Bruttosozialprodukts – oder einer anderen unternehmensübergreifenden Bezugsgröße – entspricht (Hamermesh, R. G./Silk, S. B. 1979) oder Nachfrage bei Gebrauchsgütern ausschließlich als Ersatznachfrage erfolgt (Simon, H. 1993). Letzteres kann sich als eine zu sehr einschränkende Definition erweisen. In der Vielfalt der pragmatischen Abgrenzungen zeigt sich eine der Schwierigkeiten einer rationalen Behandlung der Situation.
Die Messung von Marktsättigung impliziert den Vergleich zweier Größen, nämlich des Marktpotenzials und des Marktvolumens (Köhler, R. 1992). Letzteres wird als tatsächliche Absatzmenge aller Anbieter im Markt angesehen. Ersteres ist eine nicht geringere Schätzgröße, die im Folgenden näher zu bestimmen ist. Von Meffert wird sie als Untergrenze einer als Marktkapazität bezeichneten Größe aufgefasst, bei deren Abschätzung von wirtschaftlichen, rechtlichen oder anderen Beschränkungen der Bedarfsträger abgesehen wird (Meffert, H. 1983; ähnlich: Hüttner, M. 1989; vgl. auch die Begriffe »potenzieller«, »zugänglicher« und »qualifiziert zugänglicher Markt« bei Kotler, P./Bliemel, F. W. 1992). Die darin implizit angesprochene Berechnungsbasis für das Marktvolumen ist sehr weit gefasst; sie birgt vor allem wegen der Berücksichtigung der auch durch Unternehmen zu gestaltenden wirtschaftlichen Beschränkungen (z.B. durch ihre Preispolitik) die Gefahr in sich, dass bei entsprechender Interpretation jede Marktsituation als eine solche der MS erscheint.
Köhler benutzt den Begriff der Kapazität, um zu einer Definition des Marktpotenzials als Kapazitätsgröße zu gelangen (Köhler, R. 1992). Es setzt sich danach aus drei Komponenten multiplikativ zusammen, nämlich aus (1) der – gegebenenfalls in Marktsegmente aufzuteilenden – Anzahl der Bedarfsträger, (2) der durchschnittlich maximal möglichen Kaufmenge pro Bedarfsträger und Kaufvorgang sowie (3) der Anzahl der durchschnittlich höchstens zu erwartenden Käufe eines Bedarfsträgers während eines Referenzzeitraums (ähnlich: Meffert, H. 1988). Bauer definiert in ähnlichem Sinne Marktvolumen, wobei der hier an dritter Stelle genannte Faktor weiter aufgespalten wird durch Berücksichtigung der Bedingungen für die Ersatznachfrage, des Wertes je Einheit, kaufhemmender situativer Aspekte und eines Maßes der den bei MS häufig zu beobachtenden Preisverfall bestimmenden Wettbewerbsintensität (Bauer, H. H. 1988). Kritisch ist hierbei der an zweiter Stelle genannte Faktor aus zwei Gründen. Erstens führt der Bezug auf die Kaufmenge zu einem in Mengen- statt in Wertdimension ausgedrückten Begriff der Kapazität. Dies ist unzweckmäßig, wenn bei gleich bleibender Kaufmenge deren Wert gesteigert und damit die wertmäßige Marktkapazität erweitert wird. Man erkennt hier, dass es darauf ankommt, zwischen einem mengen- und einem wertorientierten Konzept der MS zu unterscheiden, wobei für wirtschaftliche Betrachtungen ein Wertkonzept vorzuziehen ist. Dafür spricht, dass Unternehmen Renditen erwirtschaften und Liquidität aufrechterhalten müssen, wobei diese Größen wertmäßig bestimmt sind. Zweitens bleibt zunächst noch unklar, wie das angesprochene Maximum der Kaufmenge operational definiert werden kann,
Durch die Grenznutzentheorie wird die zu berücksichtigende Menge individuell so bestimmt, dass bei ihr der Grenznutzen auf null sinkt (Gossen, H. H. 1889). Nimmt man an, I seien die optimal eingesetzten absatzpolitischen Instrumente mit Ausnahme der Preispolitik p, und Z seien alle den Markt beeinflussenden Umweltfaktoren, so würde durch die Grenznutzentheorie die die Marktsättigung bestimmende Absatzmenge x durch die Beziehung
(1) x = f(p=k\' | I(Z), Z),
bestimmt, wenn die durch die Grenzkosten k\' bestimmte Nutzeneinbuße des Erwerbspreises dem Nutzen des letzten erworbenen Gutes entspricht. Als Spezialfall wird gelegentlich mit k\' = 0 argumentiert, der so genannten Sättigungsmenge, die als endlich angenommen wird.
Da die durch (1) bestimmte Menge für jedes Individuum einen anderen Wert annehmen kann, können statistisch ermittelte Versorgungsgrade von Haushalten mit langlebigen Gebrauchsgütern auch dann nicht als Indiz für individuelle Sättigung angenommen werden, wenn dabei Werte von 100% auftreten (vgl. dazu Tab. 1). Versorgungsgrade größer oder kleiner als 100% können mit der Bedingung kompatible sein. Selbst sinkende Versorgungsgrade (z.B. für die Ausstattung der Haushalte mit Plattenspielern) können durch steigende Versorgungsgrade mit Substituten (z.B. CD-Player) mehr als kompensiert werden, um die Entwicklungen im Jahrzehnt zwischen 1981 und 1991 zu betrachten. Hierin zeigt sich, dass die Frage der Marktabgrenzung zu beachten ist.
Marktsättigung
Tab. 1: Ausstattung privater Haushalte des Haushaltstyps 3(*) mit ausgewählten langlebigen Gebrauchsgütern 1981 und 1991 (Statistisches Bundesamt, 1982, S. 452; Statistisches Bundesamt, 1992, S. 562)
Man kann bei der Nutzung des Gossen\'schen Konzepts davon sprechen, dass daraus eine absolute Marktsättigung resultiert (Brockhoff, K. 1974; Brockhoff, K. 1986). Da die Ermittlung der Nutzenfunktion auf eine Periode bezogen ist, schließt das Konzept die identische Wiederholung der Situation in einer Folgeperiode nicht aus.
Die bisher dargestellten Verhältnisse können völlig verändert werden, wenn man von der implizit angenommenen Gegebenheit der Produkte absieht, also in modernerer Terminologie Innovationsstrategien berücksichtigt. Die theoretische Grundüberlegung hierfür geht ebenfalls auf klassische Ansätze zurück: »Die Möglichkeit, die Summe des Lebensgenusses zu vergrößern, wird unter den noch vorhandenen Umständen dem Menschen jedes Mal dann gegeben, wenn es gelingt, einen neuen Genuss, sei dieser auch an und für sich noch so klein, zu entdecken, oder irgendeinen bereits bekannten durch die Ausbildung seiner selbst, oder durch Einwirkung auf die Außenwelt zu steigern« (Gossen, H. H. 1989, S. 21). Sieht man Produkte als Bündel wahrgenommener Produkteigenschaften an (Brockhoff, K. 1993), so kann man durch die Veränderung der Wahrnehmung oder durch die Veränderung der objektiven Eigenschaften einen »neuen Genuss« schaffen. Dafür können grundsätzlich alle absatzpolitischen Instrumente eingesetzte werden. Im Hinblick auf die Produktpolitik wird dies in Tab. 1 beispielhaft durch den Übergang von Schreibmaschinen auf PC oder von Plattenspielern auf CD-Player sichtbar; die Anschaffung von Mountain Bikes zur Befriedigung neuer Bedürfnisse aber wird, da als spezielle Kategorie nicht ausgewiesen, nicht unmittelbar sichtbar. Der Hinweis auf den »neuen Genuss« darf nicht so verstanden werden, dass die Überlegungen ausschließlich für Konsumgüter gelten. Vielmehr sind sie entsprechend auch auf Investitionsgütermärkte zu übertragen, insbesondere wenn die neuen Produkte zur Produktivitätssteigerung bei ihren Verwendern beitragen.
Die durchschnittlich maximal mögliche Kaufmenge pro Bedarfsträger und Kaufvorgang wird damit von der Produktpolitik der Unternehmen abhängig.
Allerdings wird bei dieser Betrachtung noch eine weitere Unterstellung gemacht. Die Veränderung der Grenznutzen durch die Schaffung eines »neuen Genusses« setzt voraus, dass entweder die Bedürfnisse unlimitiert sind oder ein Bedürfnis nach Abwechslung existiert. Die Erfahrung lässt dies tatsächlich vermuten, zumal in letzter Zeit auf verschiedenen Märkten ein früher nur latentes Bedürfnis nach Abwechslung manifest geworden ist. Als Beispiele sei auf Sportmoden, Armbanduhren oder Modelleisenbahnen verwiesen.

III. Marketingstrategische Bedeutung


Es wird von der These ausgegangen, dass sich das strategische Management in der Wahl seiner Mittel an vorgegebene Marktbedingungen weitgehend anzupassen hat. Deshalb liegt auch der Gedanke nahe, dass es bei MS ganz bestimmte, in Abhängigkeit von der Situation des Marktwachstums verschiedene Mittel einzusetzen hat, insbesondere weil es sättigungsspezifische Wirkungsgrenzen einzelner Marketinginstrumente geben kann (Hinder, W. 1986).
Wird also MS als gegeben akzeptiert, so sind typische unternehmerische Reaktionsweisen auf diese Situation Marktbehauptung, Kooperation und Rückzug (Picot, A. 1984; Meffert, H. 1988). Marktbehauptung (später differenziert nach Marktanteilswachstumsstrategie und Marktanteilserhaltungsstrategie: Meffert, H. 1992) kann durch Kostenführerschaft und Angebotsdifferenzierung sowohl für einen gesamten Markt als auch für Marktnischen angestrebt werden. In diesen Fällen können Vorteile einerseits durch Kostensenkung (Picot, A. 1984) und andererseits durch neue oder veränderte Produkte erreicht werden. In jedem Falle müssen spezifische Wettbewerbsvorteile aufgebaut und kommuniziert werden, um Angriffe auf die eigene Marktposition abwehren zu können. Dabei geht es nicht nur um die unmittelbar produktionstechnischen oder marketingtechnischen Bedingungen für solche Strategien, vielmehr sind organisatorische Aspekte und solche der Mitarbeiterführung ebenfalls zu berücksichtigen. (Bauer, H. H. 1988). Die Auswahl der strategischen Instrumente hat außerdem Marktbedingungen zu berücksichtigen, die z.B. die finanzielle Stärke der Wettbewerber umfassen oder ihre Möglichkeiten zu anhaltenden Dumping-Strategien. Kooperationsstrategien zielen auf eine »Verminderung der Wettbewerbsintensität und die Ausnutzung von Synergiepotenzialen ab« (Meffert, H. 1988, S. 94), sind aber in Anbetracht der Gesetze zum Schutze des Wettbewerbs nicht beliebig wählbar. Bei der Wahl von Rückzugsstrategien dürfen deren Kosten nicht übersehen werden. Sie werden auch als »Austrittsbarrieren« dargestellt, die sowohl vom eigenen Unternehmen (z.B. in der Form bestehender Service- oder Ersatzteilverpflichtungen), von Wettbewerbern (z.B. durch Übernahme von Personal) als auch von Staat oder Gewerkschaften (z.B. durch Forderungen nach innerbetrieblichem Ausgleich Verlust bringender durch ertragreiche Produktgruppen) beeinflusst werden können. Im Übrigen wird partiell durch Kooperationen, in jedem Falle aber durch Rückzugsstrategien nicht das Marktpotenzial (oder die Marktkapazität) verändert, sondern durch Reduktion des Absatzvolumens zur Angleichung von Marktvolumen und Marktpotenzial beigetragen.
Als weiterer Einfluss auf die Wahl einer Normstrategie für stagnierende Märkte ist die »Attraktivität der Branche« ins Spiel gebracht worden (Harrigan, K. R. 1980). Diese Attraktivität wird durch die Nachfragebedingungen (im Sinne des Wachstums der Gesamtnachfrage, ihrer Unsicherheit und ihrer Segmentierung), die – bereits erwähnte – Höhe der Austrittsbarrieren und durch Wettbewerbsdeterminanten (im Sinne der Ressourcenstärke der Wettbewerber und ihrer Ziele) gekennzeichnet (Harrigan, K. R./Porter, M. E. 1983; Bauer, H. H. 1988). Durch Kombination von Branchenattraktivität und relativer Wettbewerbsstärke eines Anbieters wird eine Matrix aufgespannt, in der plausibel verschiedene Marktaustrittsstrategien (»Abernten« ohne weitere Investitionen oder schneller Verkauf der Interessen), Marktbehauptungsstrategien (Führerschaft durch Beeinflussung der Unsicherheit für die Wettbewerber oder ihrer Austrittsbarrieren) und selektive Strategien (durch die Nutzung der Nachfrage in Nischen) eingeordnet werden.
Empirische Belege zur Wirksamkeit von Strategien in stagnierenden Märkten hat Hinder im Vergleich dargestellt (Hinder, W. 1986).
Es ist aber auch gezeigt worden, dass MS bei geeigneter, bedürfnisorientierter Definition von Märkten kein hinzunehmendes Schicksal ist, vielmehr Marktpotenziale durch unternehmerische Absatzstrategien ausgeweitet werden können. Damit entgeht man der Situation des Nullsummenspiels, was auch dann für den gesamten Markt von Bedeutung sein kann, wenn diese Situation nur durch einen Anbieter beseitigt wird. Die dafür notwendige Beeinflussung der Marktpotenziale kann an jedem der genannten drei Elemente des Kapazitätsbegriffs ansetzen: Veränderung des Kapazitätsquerschnitts durch Beeinflussung der Verwenderzahl, Veränderung der Intensitätskomponente durch Beeinflussung der Kaufmengen, Veränderung der Kauffrequenzen (Köhler, R. 1992).
Die Beeinflussung der Verwenderzahl kann z.B. durch Erschließung neuer Verwendungen für ein gegebenes Produkt möglich sein, sei dies in funktionsorientierter Hinsicht (z.B. Erschließung neuer Therapiegebiete für ein gegebenes Präparat) oder in regionaler Hinsicht (z.B. Erschließung von Exportmärkten). Die Beeinflussung der Kaufmengen und Kauffrequenzen kann dadurch erfolgen, dass durch neue Produktvarianten neue Nutzenerlebnisse ermöglicht werden. Dafür eignen sich auf Konsumgütermärkten z.B. Strategien des Erlebnismarketing (Weinberg, P. 1992), während auf Investitionsgütermärkten z.B. Sicherheitserhöhung für den Anlageneinsatz mit einer Verkürzung ihrer Lebensdauer einhergehen kann. In jedem dieser Fälle sprechen solche Strategien nicht alle potenziellen Kunden in gleichem Maße an. Es ist also auf die Segmentierung der Märkte zu achten (für Investitionsgüter z.B. Droege, W.P. J./Backhaus, K./Wieber, R. 1993).

IV. Marktsättigung in Diffusionsmodellen


Die marketingstrategische Erkenntnis der Beeinflussbarkeit des Marktpotenzials findet ihren Niederschlag auch in verschiedenen Marketing-Modellen, vor allem solchen, die die langfristige Marketing-Planung unterstützen sollen. Hier ist vor allem an Diffusionsmodelle zu erinnern. Viele Diffusionsmodelle gehen grundsätzlich von gegebenem Marktpotenzial (oder gegebener Marktkapazität) aus, das auch im Zeitablauf als unveränderlich angenommen wird. Das wird damit begründet, dass diese Modelle als Planungshilfe für eine Produktgeneration langlebiger Gebrauchsgüter bei auf kurze Sicht beschränktem Planungshorizont zu verstehen sind (Schmalen, H. 1979). Gleiche Überlegungen gelten für Absatzmodelle, die im Rahmen von Testmärkten oder Testmarktsimulatoren verwendet werden. Modellüberblicke zeigen, dass zwar schon früh eine beachtliche Anzahl von Modellen mit variablem Marktpotenzial vorgelegt wurde (Brockhoff, K. 1974). Allerdings wird darin meist ein exogenes Bevölkerungswachstum oder eine einkommensabhängige Veränderung des Marktpotenzials angenommen, d.h. die Marktpotenziale werden nicht unmittelbar von den Anbietern beeinflusst.
Soweit die Anbieter selbst unmittelbar das Marktpotenzial beeinflussen können, müssen deren Marketing-Variablen berücksichtigt werden. Modelle dieses Typs sind selten; die Marketing-Variablen sind dann auf den Preis (bzw. auf relative Preise) oder die Werbung beschränkt (Böcker, F./Gierl, H. 1988; Mahajan, V./Muller, E./Bass, F. M. 1990). Insbesondere die Produktpolitik ist in diesem Rahmen noch weitgehend ausgespart, obwohl auch Diffusionsmodelle für Folgen von substitutiven Produkten vorliegen (Norton, J. A./Bass, F. M. 1987) bzw. für die Erschließung neuer Märkte durch das gleiche Produkt (Sartorius, B. 1983). Diese Modelle gehen aber wieder von unveränderlichen Marktpotenzialen aus. Die Vernachlässigung der Produktpolitik in Diffusionsmodellen ist insofern erstaunlich, als z.B. nur die Rückzugsstrategie darauf festgelegt ist, die Produkte unverändert zu lassen. Ökonometrische Erklärungsmodelle deuten darauf hin, dass MS im Sinne des Erreichens einer Phase der Absatzstagnation tatsächlich Angebotsveränderungen durch Einführung neuer oder variierter Produkte auslöst (Putsis jr., W. P. 1989).
Literatur:
Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Institut für Ökonomie : Politische Ökonomie, Berlin 1964
Bauer, H. H. : Marktstagnation als Herausforderung für das Marketing, in: ZfB, 1988, S. 1052 – 1071
Böcker, F./Gierl, H. : Die Diffusion neuer Produkte, in: ZfbF, 1988, S. 32 – 48
Brockhoff, K. : Marktsättigung, in: HWA, hrsg. v. Tietz, B., Stuttgart 1974, Sp. 1401 – 1408
Brockhoff, K. : Marktsättigung, in: DBW, 1986, S. 514 – 516
Brockhoff, K. : Produktpolitik, 3. A., Stuttgart et al. 1993
Day, G. S./Shocker, A. D./Srivastava, R. K. : Customer-Oriented Approaches to Identifying Product Markets, in: JM, No. 3/1979, S. 8 – 19
Droege, W.P. J./Backhaus, K./Weiber, R. : Strategien für Investitionsgütermärkte, Landsberg a.L. 1993
Gossen, H. H. : Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und der daraus fließenden Regeln für menschliches Verhalten, neue Ausg., Berlin 1889
Hamermesh, R. G./Silk, S. B. : How to compete in stagnant industries, in: HBR, 1979, September/October, S. 161 – 168
Harrigan, K. R. : Strategies for Declining Business, Lexington/MA 1980
Harrigan, K. R./Porter, M. E. : End-game Strategies for Declining Industries, in: HBR, 1983, July/August, S. 111 – 121
Helmstädter, E. : Sättigung: Ein Phänomen und kein Begriff, in: IFO-Studien, Zeitschrift für empirische Wirtschaftsforschung, 1984, S. 243 – 247
Hinder, W. : Strategische Unternehmensführung in der Stagnation, München 1986
Hüttner, M. : Grundzüge der Marktforschung, 4. A., Berlin et al. 1989
Köhler, R. : Marktsättigung als absatzwirtschaftliches Kapazitätsproblem, in: Kapazitätsmessung, Kapazitätsgestaltung, Kapazitätsoptimierung – eine betriebswirtschaftliche Kernfrage, hrsg. v. Corsten, H./Köhler, R./Müller-Merbach, H. et al., Stuttgart 1992, S. 95 – 114
Kotler, P./Bliemel, F. W. : Marketing-Management, 7. A., Stuttgart 1992
Mahajan, V./Muller, E./Bass, F. M. : New Product Diffusion Models in Marketing: A Review and Directions for Research, in: JM, No. 1/1990, S. 1 – 26
Meffert, H. : Strategische Planungskonzepte in stagnierenden und gesättigten Märkten, in: DBW, 1983, S. 193 – 209
Meffert, H. : Strategische Unternehmensführung und Marketing, Wiesbaden 1988
Meffert, H. : Strategien zur Profilierung von Marken, in: Marke und Markenartikel als Instrumente des Wettbewerbs, hrsg. v. Dichtl, E./Eggers, W., München 1992, S. 129 – 156
Norton, J. A./Bass, F. M : A Diffusion Theory Model of Adoption and Substitution for Successive Generations of High-Tehcnology Products, in: Man. Sc., 1987, S. 1069 – 1086
Picot, A. : Alternativen der Unternehmenspolitik bei rückläufiger Wirtschaftsentwicklung: Die Rolle der Kostenpolitik, in: Betriebswirtschaftliche Entscheidungen bei Stagnation, hrsg. v. Pack, L./Börner, D., Wiesbaden 1984, S. 145 – 163
Putsis jr., W. P. : Product Diffusion, Product Differentiation and the Timing of New Product Introduction: The Television and VCR Market 1964 – 1985, in: Managerial and Decision Economics, No. 1/1989, S. 37 – 50
Sartorius, P. : Exportmarketing für neuartige Gebrauchsgüter auf verbundenen Märkten, Passau 1983
Schmalen, H. : Marketing-Mix für neuartige Gebrauchsgüter, Wiesbaden 1979
Schumpeter, J. A. : History of Economic Analysis, 6. A., New York 1966
Simon, H. : Wettbewerbsstrategien, in: HWB, Bd. 3, hrsg. v. Wittmann, W./Kern, W./Köhler, R. et al., 5. A., Stuttgart 1993, Sp. 4687 – 4704
Statistisches Bundesamt, : Statistisches Jahrbuch 1982 für die Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden et al. 1982
Statistisches Bundesamt, : Statistisches Jahrbuch 1992 für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1992
Weinberg, P. : Erlebnismarketing, München 1992

 

 


 

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