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Systemanalyse


Inhaltsübersicht
I. Das Unternehmen als System
II. Theoretische Grundlagen
III.  Systeme und ihre Lenkung
IV. Konzeptionen der Systemanalyse

I. Das Unternehmen als System


Das System Unternehmen lässt sich grob in die Subsysteme der Führung (mit Prozessen der Entscheidung, Planung, Improvisation, Kontrolle, Koordination, Lenkung und dgl.) und der Transformation (mit den Prozessen der Wertschöpfung) einteilen. Es unterhält vielfältige Transaktions- und Interaktionsbeziehungen mit seinen Kunden, Lieferanten, Komplementoren, weiteren Partnern, Konkurrenten und seiner sonstigen Aufgabenumwelt. Informationen, Ressourcen usw. fließen als materieller oder immaterieller Input in das Unternehmen ein. Auf Basis von externen und internen Informationen, der im Unternehmen geltenden Werte, Normen und Prinzipien sowie der vorherrschenden Geschäftsverständnisse werden im Führungssystem Entscheidungen getroffen. Diese betreffen den Zweck, die Rechtsform und die Organisation des Unternehmens; sie legen dessen strategische Ausrichtung fest, bewirken Investitionen, initiieren Innovationen, steuern die operativen Prozesse im Transformationssystem, bestimmen den abfließenden Output in Form von Produkten und Dienstleistungen, aber auch Emissionen und Abfall sowie Image und bewirken letztendlich das betriebswirtschaftliche Ergebnis (Abb. 1).
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Abb. 1: Das Unternehmen als System
Als Teil des Führungssystems hat das Controlling die Funktion der ergebniszielorientierten Koordination. Das Controllingsystem hat die Aufgabe der systemgestaltenden und der systemkoppelnden Koordination (Horváth, P.  1999, S. 120). Generell ist die Koordination von zentraler Bedeutung, da im Unternehmen viele Entscheidungen in interdependenter Abhängigkeit stehen. Fundierte Systemanalysen können solche Wechselwirkungen transparent machen und effektive Entscheidungsunterstützung bieten.

II. Theoretische Grundlagen


Systemtheorie und Kybernetik liefern Erklärungsansätze für komplexe, dynamische Phänomene in verschiedenen Disziplinen. Auf ihren Erkenntnissen basierende Systemanalysen dienen dem Verstehen der Struktur und des Verhaltens von Systemen. Die systemtheoretische Forschung hat eine aus den Ingenieurwissenschaften – z.B. Shannon/Weaver (Shannon, C.E./Weaver, W.  1949) und Wiener (Wiener, N.  1948) – und eine aus der Biologie – z.B. v. Bertalanffy (v. Bertalanffy, L.  1949) – hervorgehende Tradition. Ihre Wurzeln reichen jedoch über Leibnitz bis Platon, dessen Ontologie eng mit der Idee der Ganzheitsbetrachtung verbunden ist, zurück. Norbert Wiener (Wiener, N.  1948) gilt als Vater der Kybernetik (griech. kybernetis = Steuermann, Lotse), der formalen Wissenschaft von der Struktur und dem Verhalten dynamischer Systeme. In der Systemforschung dominiert im Gegensatz zur atomistischen eine ganzheitliche Betrachtungsweise mit einem Denken in interdependenten Zusammenhängen. Soziale Systeme, worunter auch Unternehmen zu subsumieren sind, werden als offene, mit ihrer Umwelt interagierende Systeme verstanden. Das Verhalten solcher Systeme ist durch ihre Struktur determiniert. Diese ergibt sich aus den verschiedenen Elementen respektive Subsystemen des Systems sowie den sie verbindenden Beziehungen. Da soziale Systeme nach dieser Auffassung eng mit ihrer Umwelt in Verbindung stehen, können sie nur dann überleben, wenn sie sich dem Wandel der Umwelt konsequent anpassen bzw. mit dieser evolvieren.
Dieser Systemvorstellung folgt der Kontingenzansatz (engl. contingencies = Umweltbedingungen), der auf Burns/Stalker (Burns, T./Stalker, G.M.  1961) zurückzuführen ist. Auch hier wird ein Unternehmen als offenes System definiert, wobei dessen Effizienz vom Fit zwischen Umweltbedingungen und Unternehmensmerkmalen (Kongruenz-Effizienz-Hypothese) im Sinne des Ashby\'schen Gesetzes der „ requisite variety “ (Ashby, W.  1956) abhängt. Dabei werden bürokratische, mechanistische Strukturen in einer stabilen und entbürokratisierte, organische Strukturen in einer dynamischen Umwelt für adäquat gehalten. Nach der kontingenztheoretischen Auffassung können sich Unternehmen nur durch Veränderung ihrer strukturellen Gestaltungsvariablen an die Umwelt anpassen. Eine ähnliche Auffassung liegt dem systemorientierten Managementansatz von Beer und Ulrich zugrunde (Beer, S.  1966; Ulrich, H.  1970). Er betont eine dynamische Anpassung des Unternehmens an die Umwelt durch adäquate Gestaltung der Regelungs- und Steuerungsmechanismen im Management- (bzw. Führungs-)System. Vertreter des interpretativen Paradigmas, so z.B. Berger/Luckmann (Berger, P.L./Luckmann, T.  1994) gehen von einer sozial konstruierten Umwelt, die nur aus der Perspektive der Selbstdefinition wahrgenommen wird, aus.
In der neueren systemtheoretischen Perspektive (z.B. Luhmann, N.  1984) wird die Systemumwelt als Einheit aus einer äußeren und inneren Umwelt begriffen. Bei der Beschreibung und Erklärung von Systemen und deren Verhalten wird nicht nur (wie in der klassischen Systemtheorie) auf die Phänomene Offenheit, Struktur, Stabilität und Rückkehr zum Gleichgewicht abgestellt; vielmehr wird ein ständiges Oszillieren zwischen Struktur- und Prozessdominanz, Stabilität und Instabilität, Offenheit und Geschlossenheit sowie Gleichgewicht und Ungleichgewicht betont. Systeme werden bzgl. ihres Fortbestandes als selbstreferenziell interpretiert. Sie selbst erzeugen die Elemente, aus denen sie bestehen, und schaffen ihre innere Ordnung, sind nach Maturana (Maturana, H.R.  1982) autopoietisch (griech. Kunstwort: auto = selbst; poein = machen) und demzufolge nicht von außen steuerbar. Ihr Verhalten wird primär durch systemeigene Kräfte (Struktur, Mechanismen, Interaktionen usw.) generiert, ist mithin nicht fremdbestimmt. Selbstorganisation ist ein Schlüsselkonstrukt der modernen Systemtheorie.
Während die klassische Kybernetik (Ashby, W.  1956) Koordination, Regulation und Kontrolle auf der Basis von Rückkopplung betont und die Systemtheorie im Sinne von Forrester (Forrester, J.W.  1961) die allen Typen von Systemen unterliegende Struktur vermaschter Regelkreise durch Modellierung erhellt, schlägt die moderne Komplexitätstheorie (z.B. Holland, J.H./Miller, J.H.  1991; Kauffmann, S.A.  1993; Gell-Mann, M.  1994 und Waldrop, M.M.  1992) eine andere Art der Modellierung des Systemverhaltens, das sich aus den Interaktionen von Agenten in komplexen adaptiven Systemen ergibt, vor. Die Modelle komplexer adaptiver Systeme sind bei aller Unterschiedlichkeit durch vier gemeinsame Elemente charakterisiert, die für das Studium sozialer Systeme von Bedeutung sind: Agenten mit Schemata bzw. mentalen Modellen, selbst-organisierende Netzwerke, die aus miteinander verbundenen Agenten bestehen und die sich durch Energieimport erhalten, Ko-evolution zum Chaosrand, d.h. zu Zuständen fernab von einem stabilen Gleichgewicht sowie Rekombination und Systemevolution. Diese Modelle bieten neue Möglichkeiten zur Analyse komplexer Systeme, ohne von deren Interdependenzen und nichtlinearen Interaktionen abstrahieren zu müssen (Anderson, P.  1999).

III.  Systeme und ihre Lenkung


Die für eine Systemanalyse zu untersuchende Ganzheit wird als System bezeichnet. Dieses System – sei es eine Problematik im Unternehmen, zwischen Unternehmen und Umwelt oder zwischen Unternehmen – muss zum Zweck seiner Untersuchung künstlich geschlossen, d.h. von seiner nicht relevanten Umwelt abgegrenzt werden. Die Wahl der Systemgrenze hängt von der jeweiligen Fragestellung der Untersuchung ab. Innerhalb der Systemgrenze sollten alle Elemente liegen, die das beobachtete Systemverhalten verursachen. Die Wahl des Aggregationsniveaus wird durch den Beobachtungsstandpunkt bestimmt. Ein System kann somit interagierender Bestandteil eines umfassenden, übergeordneten Super- oder Übersystems sein, das auch als System höherer Ordnung bezeichnet wird. Das System selbst besteht aus einer Menge von Elementen, die auch Subsysteme genannt werden, wobei beliebig viele Dekompositionsebenen betrachtet werden können (Subsysteme niedriger Ordnung). Systemaggregation und -disaggregation verändern die Tiefe der systembildenden Koordination. Mit ihrer Hilfe können Entscheidungs- und Prozessstrukturen in unterschiedlichem Detail abgebildet werden. Beziehungen sind die Verbindungen zwischen den Elementen; sie bestimmen das Verhalten der Elemente und über diese das des ganzen Systems. Beziehungen können verstärkende und verzögernde Momente enthalten. Die Varietät der Elemente und der Beziehungsreichtum zwischen den Elementen determinieren den Grad der Komplexität. Das gesamte Beziehungsgefüge hat zur Folge, dass einzelne Aktivitäten nicht unabhängig voneinander ablaufen.
Zur zielbewussten Beeinflussung des Verhaltens eines (sozialen) Systems sind Kenntnisse über dessen Struktur – die Menge der durch Rückkopplungen verbundenen Elemente – und insbesondere seiner möglichen Lenkung erforderlich. Allen Lenkungsmöglichkeiten ist die Informationsaufnahme, -verarbeitung und -übermittlung gemein. Das Verhalten eines Systems kann grundsätzlich durch vier unterschiedliche Lenkungsmechanismen beeinflusst werden.

1. Steuerung


Abb. 2 zeigt die als Steuerung bezeichnete Einwirkung auf ein System. Die Steuereinrichtung stellt das lenkende Element dar, die Steuerstrecke das zu beeinflussende System. Die vom Entscheider gewünschte Sollgröße geht in die Steuereinrichtung ein. Diese variiert entsprechend über Informationen (Stellgröße) den Input in das System. Davon unbeeinflusst bleibt die auf das System einwirkende Störgröße. Da die Steuereinrichtung keine rückgekoppelten Informationen über die Ergebnisse der Steuerung erhält, kann deren Zweck, den zu steuernden Output auf die Sollgröße zu bringen und dort zu halten, nur unter bestimmten Voraussetzungen erreicht werden. Die Steuerung setzt voraus, dass der Entscheider die Reaktion des Systems auf die Stellgröße und die Störgrößen sowie diese selbst kennt. Störgrößen sind in der Realität jedoch oft nicht bekannt oder nicht kontrollierbar. Die Steuerung ist deshalb kein hinreichendes, aber dennoch wichtiges Instrument zur Lenkung. Sie hat Bezüge zur Planung in einem Unternehmen.
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Abb. 2: Steuerung

2. Regelung


Das Prinzip der Regelung liegt vor, wenn das System die vom Entscheider vorgegebene Sollgröße durch informationelle Rückkopplung des Outputs, der Regelgröße, erreicht. Die Differenz aus der Sollgröße und der aus dem System (Regelstrecke) gewonnenen Information über den aktuellen Output determiniert den Systeminput in der Folgeperiode. Gelenkt wird dieser Input über den Regler. Die lenkende Instanz bestimmt die Zielvorgabe und die Reglergestaltung zur Durchführung korrigierender Aktionen (Abb. 3). Die Regelung entspricht dem (operativen) Controlling.
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Abb. 3: Regelung
Im Unterschied zur Steuerung werden bei der Regelung die rückgekoppelten Ergebnisse des Lenkvorganges berücksichtigt, damit Abweichungen zwischen Soll- und Istwert der Regelgröße schnellstmöglich korrigiert und in ihrer Wirkung auf das System minimiert werden können. Allerdings kann das Rückkopplungsprinzip unter gewissen Umständen Instabilität erzeugen, und zwar dann, wenn die Stellgröße zu groß gewählt wird oder wenn in der Regelstrecke oder im Regler große, nicht berücksichtigte Zeitverzögerungen vorliegen.

3. Vorkopplung


Als weiterer Lenkungsmechanismus ist die Vorkopplung oder Störgrößenaufschaltung (Abb. 4) bekannt. Während bei der Regelung der Informationsabgriff für den Regler erst nach der Regelstrecke erfolgt, wird bei der Vorkopplung die hinsichtlich ihrer Art und Wirkung auf das System bekannte Störgröße schon vor dem Einwirken auf das System erkannt und bezüglich ihrer Intensität bestimmt. Diese Größe wird bei der Einflussnahme auf den Systeminput durch die Steuereinrichtung so berücksichtigt, dass sich das Verhalten des Systems entsprechend den von außen vorgegebenen Zielen entwickeln kann. Die Idee der Störgrößenaufschaltung findet im Bereich des Controlling in der systembildenden Koordination ihren Niederschlag. Hier soll ein Frühwarnungssystem dafür sorgen, dass antizipierte Störungen von vornherein in der Planung berücksichtigt werden (Horváth, P.  1998, S. 137).
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Abb. 4: Vorkopplung

4. Adaption


Die Adaption lässt sich als Lenkungsmechanismus höherer Ordnung interpretieren. Sie impliziert die Fähigkeit eines Systems zur Selbstregulation und Selbstorganisation – zur Aufrechterhaltung und Anpassung seiner inneren Ordnung unter den Bedingungen des Wandels seiner äußeren Umwelt. Im einfachsten Fall erfolgt die Selbstregulierung dadurch, dass die durch Störungen verursachte Abweichung der Regelgröße vom Sollwert durch kompensierende Rückkopplungen wieder beseitigt wird. Beispiel für ein einfaches adaptives System ist die adaptive Maschine, die nach einem flexiblen Programm gesteuert wird und sich unterschiedlichen Inputs anpassen kann. Das höchste Niveau der Adaptionsfähigkeit erreichen selbstorganisierende Systeme. Diese sind nicht nur in der Lage, ihre Ziele, sondern auch ihre Struktur einschließlich ihrer organisationalen Routinen (z.B. ihre Koordinationsroutinen) zu ändern. In Abb. 5 sind diese Aspekte der Adaption und die Lenkungsoptionen illustriert. Grundlage der Adaption sind Lernprozesse. Dabei kann zwischen einem Verbesserungslernen und einem Erneuerungslernen unterschieden werden (Zahn, E.O.K./Greschner, J.  1996, S. 52 ff.). Im ersten Fall erfolgt organisationales Handeln (z.B. Koordination) im Rahmen bestehender Handlungsroutinen bzw. gemeinsamer mentaler Modelle, die durch Assimilation von Informationen über Veränderungen im Umfeld bzw. Aufgabenkontext lediglich erweitert oder modifiziert werden.
Der zweite Fall liegt vor, wenn sich die durch Kontextwandel veränderten Herausforderungen nicht mehr durch solche Verbesserungen, sondern nur noch durch eine grundsätzliche Veränderung bzw. Erneuerung der jeweiligen Handlungsroutinen bewältigen lassen. Beide Lernvorgänge ergänzen sich, können sich aber auch behindern. Um dies zu vermeiden und um immer wieder neue Fortschrittspotenziale zu erschließen, ist die Fähigkeit zum Metalernen unerlässlich. Dieses Lernen des Lernens bestimmt generell die Qualität der individuellen und der organisationalen Lernfähigkeit: Es ist speziell von Bedeutung für ein Erneuerungslernen, das sich besonders schwierig initiieren lässt und deshalb auch relativ selten in der Unternehmenspraxis anzutreffen ist (Argyris, C./Schön, D.A.  1987, S. 130 ff.). Im Controlling übernimmt die Revision die Rolle der Adaption. Hier findet auch eine Überprüfung der systemgestaltenden Koordination statt. Zielbildung und Lenkungsmechanismen werden nach ihrer Eignung beurteilt. Die gewonnenen Erkenntnisse führen dann zur Verbesserung oder Erneuerung der Lenkungsmechanismen.
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Abb. 5: Adaption

IV. Konzeptionen der Systemanalyse


Ein bewährtes Vorgehen zur Gewinnung derartiger Erkenntnisse wie überhaupt zur Erlangung tiefer Einsichten in die Struktur und das Verhalten von Systemen sind umfassend angelegte und systematisch durchgeführte Systemanalysen.

1. Methoden und Arten der Systemanalyse


Systemanalysen bedienen sich eines breiten Spektrums von exakten und heuristischen Methoden. Dazu zählen Methoden zur Identifikation, Strukturierung, Dekomposition und Synthese von Systemaspekten, zur Unterstützung von Systemdenken, zur Optimierung von Systemprozessen, zur Abbildung von Systemstrukturen und zur Simulation von Systemverhalten.
Systemanalysen lassen sich grob in pragmatische und modellgestützte Ansätze einteilen. Erstere beinhalten lediglich ein sequenzielles, phasenbezogenes Vorgehen; Letztere basieren auf expliziten Modellen und lassen sich nach Checkland in „ hard system analysis “ auf Grundlage des klassischen „ hard “ Operations Research und in „ soft system analysis “ auf Basis eines „ soft “ Operations Research differenzieren (Checkland, P.B.  1983). Beide implizieren unterschiedliche Traditionen des Systemdenkens: hartes Systemdenken, das sich an der Zielrealisierung orientiert und eine Welt aus Systemen unterstellt, die „ engineered “ werden können, sowie weiches Systemdenken, das Lernen betont und davon ausgeht, dass die Welt zwar problematisch, aber mit Hilfe von Systemmodellen ergründbar ist. Modellgestützte Systemanalysen (z.B. vom Typ System Dynamics) sind im Vergleich zu pragmatischen Systemanalysen theoretisch fundierter und bieten ein größeres Erkenntnispotenzial. Die sorgfältige Modellierung eines Systems erlaubt die Integration von verfügbarem, bewährtem Wissen und gleichzeitig die Generierung von neuem Wissen in kontrollierten Experimenten in einer virtuellen Welt. Solche Experimente in Form der Simulation erlauben die Komprimierung und Entzerrung von Raum und Zeit. Entscheidungen und Aktionen können für unterschiedliche Bedingungen wiederholt werden. Konkrete, formale Modelle unterstützen die Entscheidungsfindung von Individuen und Gruppen. Sie können Schwachstellen im empirisch kognitiven Wissen aufdecken sowie mittels Simulation die Wirkungen von Entscheidungen aufzeigen und der Analyse zugänglich machen. Mit ihrer Hilfe können die mentalen Modelle der Entscheidungsträger leichter expliziert und besser diskutiert und damit die Konsensfindung im Entscheidungsprozess beschleunigt werden.
Durch kontrollierte Experimente in der virtuellen Welt wird es möglich, Lernprozesse zu beschleunigen und auch solche Alternativen zu testen, die in der Realität zu schlechten Systemleistungen führen würden. Das Nutzen von Potenzialen virtueller Welten erfordert jedoch ein kritisch reflektiertes Vorgehen.

2. Phasen und Inhalte der Systemanalyse


Die nachstehende Abb. 6 zeigt die Phasen einer modellgestützten Systemanalyse. Dabei handelt es sich weniger um eine lineare, sequenzielle Schrittfolge, sondern mehr um einen zirkularen Prozess mit Rückkopplungen.
Systemanalyse
Abb. 6: Phasen der Modellerstellung

a) Identifikation und Beschreibung des Problems


Der erste und wichtigste Schritt bei einer modellgestützten Systemanalyse (mSA) betrifft die Identifikation und Beschreibung des zu untersuchenden Problems. Ausgangspunkt sind Informationen über die vom Klienten bzw. Auftraggeber zu bewältigenden Probleme und verfolgten Absichten. Problemsymptome sind von Problemursachen zu unterscheiden, und vor allem ist der Untersuchungszweck festzulegen. Ein klar formulierter Zweck ist die fundamentale Voraussetzung für die Einschätzung der Eignung einer mSA zur Gewinnung von Einsichten in das zu bewältigende Problem. Mit seiner Hilfe lässt sich entscheiden, welche Aspekte problemrelevant sind und wo sich eine Systemgrenze für die Abbildung des Untersuchungsproblems sinnvoll ziehen lässt. Der Untersuchungszweck hilft auch wesentliche Variablen (endogene Größen) sowie wichtige Außeneinflüsse (exogene Größen) zu erkennen und das Aggregationsniveau für die Systemmodellierung zu bestimmen. Schließlich determiniert er die Wahl des Zeithorizonts. Dieser sollte weit genug in die Vergangenheit und in die Zukunft reichen, um einerseits die Entwicklung des Problems nachvollziehen sowie dessen Symptome beschreiben und andererseits die verzögerten und indirekten Wirkungen potenzieller Problemlösungsmaßnahmen erfassen zu können. Zur Illustration einer derartigen Problemdynamik über die Zeit eignet sich das Verwenden von Referenzmodi in Form von Zeitreihen. Gewöhnlich lassen sich Beschreibungen komplexer Probleme nicht uno acto, sondern nur in einem zyklischen Prozess mit Gruppendiskussionen sowie Auswertungen von Datenbeständen, Befragungen und Beobachtungen vornehmen.

b) Konzeptionalisierung des Analysemodells


Ist der Untersuchungsgegenstand hinreichend nach Inhalt, Detaillierungsgrad und Zeithorizont artikuliert, kann eine „ dynamische Hypothese “ über die Entwicklung des zu untersuchenden Phänomens entwickelt werden. Diese Arbeitshypothese, die im mSA-Prozess gewöhnlich noch revidiert werden muss, liefert eine Erklärung für die Problememergenz, d.h. über die ihr zugrunde liegenden Rückkopplungsmechanismen sowie „ Stock and Flow “ -Strukturen.
MSAs vom Typ System Dynamics suchen nach endogenen Problemlösungen und basieren auf der Annahme, dass die Systemstruktur – die interagierenden Variablen (in Modellen komplexer adaptiver Systeme die Agenten) – das Systemverhalten generiert. Über die Kenntnis der Struktur und Interaktions-/Koordinationsprinzipien lassen sich nicht nur Erklärungen für die beobachteten Verhaltensmuster finden, sondern auch jene Stellhebel (Entscheidungsregeln, Handlungsroutinen und Strukturen) identifizieren, über die das Systemverhalten zielbewusst beeinflusst werden kann. Kann die gefundene Struktur das Problem nicht erklären, muss entweder die Systemstruktur modifiziert oder die Systemgrenze erweitert werden, d.h. exogene werden zu endogenen Größen gemacht. Exogene Größen sollten insgesamt aber gering gehalten werden.
Zur Darstellung und Kommunikation der in der Konzeptionalisierungsphase gewonnenen Erkenntnisse stehen verschiedene Werkzeuge zur Verfügung: Modellgrenzendiagramme, Subsystemdiagramme, Kausaldiagramme, Flussdiagramme und Policydiagramme.

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Modellgrenzendiagramm


Ein Modellgrenzendiagramm gibt einen groben Überblick über Umfang und Inhalt einer mSA – die Systemgrenze, die endogenen Schlüsselvariablen und die kritischen Außeneinflüsse (exogene Größen). Bei großen Modellen können zum Zwecke der besseren Übersichtlichkeit Subsystemdiagramme, die z.B. Markt- und Wettbewerbsaspekte oder verschiedene Unternehmensaspekte repräsentieren, verwendet werden.

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Kausaldiagramm


Kausaldiagramme illustrieren die in der Systemgrenze eingebetteten vermaschten Rückkopplungsschleifen. Dabei wird zwischen Schleifen mit positiver Rückführung (positive feedback loops), die durch Selbstverstärkung exponentielles Wachstum oder exponentielle Schrumpfung erzeugen, und Schleifen mit negativer Rückführung (negative feedback loops), denen ziel- oder gleichgewichtssuchende Prozesse (Balancierungseffekt) inhärent sind, unterschieden.

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Flussdiagramm


Während Kausaldiagramme die Feedbackstruktur eines Systems abbilden, repräsentieren Flussdiagramme die Zustands- und Veränderungsvariablen ( „ stocks and flows “ ) der Systemstruktur. Zustände sind Akkumulationen und stehen für Bestände aller Art; Flüsse verändern die Zustände in Form von Inputs und Outputs. Zwischen Zustands- und Flussgrößen besteht ein fundamentaler Zusammenhang, und zwar derart, dass die Zustände eines Systems Informationsinput für Entscheidungen sind und diese Entscheidungen dann die Flussgrößen und diese wiederum die Zustandsgrößen verändern, wodurch ein Regelkreis entsteht.
Dieser Informations-Feedback konstituiert eine Entscheidungsregel – „ policy “ – , die angibt, wie durch Entscheidungen Informationen in Aktionen transformiert werden. Diagramme solcher „ Policy “ -Strukturen fokussieren auf die Entscheidungsstrukturen einschließlich der Zeitverzögerungen in Entscheidungsprozessen und damit auf die Stellhebel zur Beeinflussung des Systemverhaltens. Die Gestaltung solcher „ policies “ ist eine zentrale Managementaufgabe, die allerdings ein fundiertes Systemverständnis erfordert. Sehr häufig erweisen sich die zur Bewältigung eines Problems angewendeten „ policies “ als Problemverstärker oder sogar als Problemverursacher. Dies ist etwa dann der Fall, wenn dieselben „ policies “ unter dem Druck sich verschärfender Problemlagen noch konsequenter angewandt werden. „ Policies “ sollten deshalb vor ihrer Anwendung sorgfältig getestet werden. Ein geeignetes und rigoroses Mittel dazu sind Simulationen.

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Computerprogramm


Dazu ist zunächst die vollständige Ausformulierung eines formalen Modells – mit Gleichungen, Parametern und Anfangswerten – erforderlich. Da Computerprogramme in ihrer Logik unerbittlich sind und keine vagen Aussagen zulassen, zwingt dieser Modellierungsschritt zur Konkretisierung des Systemwissens und zur Beseitigung von Widersprüchen, die in den vorangegangenen Schritten der mSA oft noch implizit vorliegen.

c) Simulation und Validierung des Modells


Der nächste konsequente Schritt einer mSA ist die Simulation. Mit ihrer Hilfe kann Systemverhalten in der virtuellen Welt generiert und mit dem Verhalten des Systems in der realen Welt verglichen werden. Darüber hinaus können via Simulation unterschiedliche, auch extreme und in der Realität wenig wahrscheinliche Bedingungen getestet werden. Die Validierung des Modells umfasst jedoch mehr. Parameter, Anfangswerte und Variablen müssen empirisch überprüft, die Sensitivität des Modellverhaltens und die Eignung von Policyempfehlungen müssen kritisch beurteilt werden. Es gilt, auf der Grundlage verschiedener Tests Vertrauen in die Struktur und das Verhalten des Modells zu gewinnen.

d)  „ Policy “ -Gestaltung und -Evaluierung


Auf der Basis eines so validierten Modells können dann „ policies “ zur Verbesserung der Systemleistung gestaltet und evaluiert werden. Die „ Policy “ -Gestaltung führt zu modifizierten und neuen Entscheidungsregeln, Handlungsroutinen, Strategien und Strukturen. Bei der „ Policy “ -Evaluierung sind auch Wechselwirkungen zwischen verschiedenen „ Policies “ zu berücksichtigen, und schließlich ist die Eignung der „ policies “ für unterschiedliche Szenarien zu testen. Erst dann sind solide Voraussetzungen für eine erfolgversprechende Modellimplementierung und für Interventionen in das System geschaffen.

3. Anwendungen der Systemanalyse


Modellgestützte betriebswirtschaftliche Systemanalysen haben ein breites Anwendungsfeld. Deren Eignung hat sich bei der Erklärung von Wachstums-, Innovations- und Änderungsprozessen als ebenso nützlich erwiesen wie bei der Aufdeckung von unerwünschten Nebenwirkungen in Konzeptionen des Total Quality Management, bei der Untersuchung von Supply Chains und Wertschöpfungssystemen sowie bei der Gestaltung flexibler und wandlungsfähiger Produktionssysteme. Besondere Hervorhebung verdienen ihre Rolle als Strategieunterstützungssysteme, ihre Bedeutung bei der Explizierung von mentalen Modellen und bei der Förderung von Lernprozessen in virtuellen Welten.
Literatur:
Anderson, Philip : Complexity Theory and Organization Science, in: Organization Science, Jg. 10, H. 3/1999, S. 216 – 232
Argyris, Chris/Schön, Donald A. : Organizational Learning: a Theory of Action Perspective, Reading 1987
Ashby, William : An Introduction to Cybernetics, London 1956
Beer, Stafford : Decisions and Control, London, New York, Sydney, Toronto et al. 1966
Berger, Peter L./Luckmann, Thomas : Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, Frankfurt am Main 1994
Burns, Tom/Stalker, George M. : The Management of Innovation, London 1961
Checkland, Peter B. : OR and the Systems Movement: Mappings and Conflicts, in: Journal of the Operational Research Society, Jg. 34, H. 8/1983, S. 661 – 675
Forrester, Jay W. : Industrial Dynamics, Cambridge 1961
Gell-Mann, Murray : The Quark and the Jaguar: Adventures in the Simple and the Complex, New York 1994
Holland, John H./Miller, John H. : Adrificial Adaptive Agents in Economic Theory, in: American Economic Review Papers and Proceedings, Jg. 81, H. 2/1991, S. 365 – 370
Horváth, Peter : Controlling, München, 7. A., 1998
Kauffmann, Stewart A. : The Orignis of Order: Self Organization and Selecting in Evolution, New York 1993
Luhmann, Niklas : Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt am Main 1984
Maturana, Humberto R. : Erkennen: Die Organisation und Verkörperung der Wirklichkeit, Braunschweig, Wiesbaden et al. 1982
Shannon, Claude E./Weaver, Warran : The Mathematical Theory of Communication, Urbana 1949
Ulrich, Hans : Die Unternehmung als produktives soziales System, Bern, Stuttgart et al., 2. A., 1970
von Bertalanffy, Ludwig : Zu einer allgemeinen Systemtheorie, in: Biologia Generalis, Jg. 24, H.  /1949, S. 114 – 129
Waldrop, M. Mitchell : Complexity: the Emerging Science at the Edge of Order and Chaos, New York 1992
Wiener, Norbert : Cybernetics: or Control and Communication in the Animal and the Machine, New York 1948
Zahn, Erich O.K./Greschner, Jürgen : Strategische Erneuerung durch organisationales Lernen, in: Lernende Organisationen – Konzepte, Methoden und Erfahrungsberichte, hrsg. v. Bullinger, Hans-J., Stuttgart 1996, S. 41 – 74

 

 


 

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