funktionelle Einkommensverteilung
1. Gegenstand. Die f. erfaßt die Entlohnung, die die Produktionsfaktoren für ihre Mitwirkung am Wertschöpfungsprozeß erhalten. Analysiert werden kann die funktionelle Verteilung des Produktionsergebnisses einer Unternehmung (Betrieb, I.). Dann fällt die f. mit der Theorie der Faktorpreisbildung zusammen. Im Vordergrund der Verteilungstheorie und des verteilungspolitischen Interesses (Einkommenspolitik) stehen die Einkommensanteile (Einkommen) am Sozialprodukt , die auf die beiden wichtigsten gesamtwirtschaftlichen Faktorgruppen, Arbeit und Kapital , entfallen. Das sind die Lohnquote und die Gewinnquote , die sich zu eins addieren.
2. Empirische f. Die aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung hergeleitete (tatsächliche) Lohnquote ist gleich dem Anteil der Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit am Volkseinkommen (Einkommen). Die so definierte Lohnquote ist langfristig gestiegen; u. zw. in einem hundert-jährigen Zeitraum von 43 v.H. in 1870 auf knapp 75 v.H. Mitte der 70er Jahre dieses Jahrunderts. Im Aufschwung der 80er Jahre ist sie auf 67 v.H. abgesunken. Aus der langfristigen Beobachtung darf nicht geschlossen werden, daß sich die f. im selben Ausmaß zugunsten des einzelnen Arbeitnehmers verbessert hat. Bis in die Gegenwart ist nämlich der Anteil der abhängig Beschäftigten an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen stetig angewachsen, von 56 v.H. in 1870 auf derzeit 88 v.H. Diesen Strukturwandel will die bereinigte Lohnquote sichtbar machen. Sie gibt an, wie sich die f. entwickelt hätte, wenn keine Umschichtungen in der Beschäftigungsstruktur stattgefunden hätten. Der langfristige Anstieg dieser Lohnquote fällt erheblich niedriger aus.
3. Theorienbildung. Die Erklärung der f. reicht bis zur Klassik zurück. Sie bildet deshalb ein bedeutsames Kapitel der Dogmengeschichte .
3. 1. Bei den Klassikern diktieren die Gesetzmäßigkeiten der f. die Dynamik der langfristigen Wirtschaftsentwicklung. Ricardo (1772-1822) unterscheidet entsprechend den Gegebenheiten seiner Zeit drei soziale Klassen, die jeweils einen Produktionsfaktor einbringen: Landbesitzer, Arbeiter und Kapitalgeber (als Pächter des Bodens). Die an die Grundbesitzer abzuführende Rente resultiert daraus, daß Grund und Boden unterschiedliche Qualitäten aufweisen, so daß für die Böden höherer Fruchtbarkeit nach Abzug der Produktionskosten ein Überschuß (Differentialrente) verbleibt im Vergleich zu dem Boden minderer Qualität, der noch in Bebauung genommen werden muß (Grenzboden). Da der Ertrag auf diesem Grenzboden die (gemeinsame) Entlohnung der variablen Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital festlegt, findet sich in der ricardianischen Rententheorie eine erste Anwendung des Marginalprinzips (Marginalanalyse); wenn auch in der speziellen Begründung durch einen inhomogenen und vorgegebenen Produktionsfaktor (Boden). Der Lohnsatz spielt sich nach Malthus (1766-1834) langfristig auf dem Existenzminimum ein. Somit ergibt sich schließlich als Residuum zum Gesamtprodukt der Profit (Gewinn). Er wird durch die Pächter akkumuliert und ermöglicht ein Bevölkerungswachstum. Mit wachsender Bevölkerung müssen zunehmend Böden schlechterer Qualität in Bebauung genommen werden. Die Renten steigen und die Profitrate auf das von den Pächtern eingesetzte Kapital sinkt. Hat die Profitrate ein bestimmtes Minimum unterschritten, akkumulieren die Kapitalisten nicht mehr. Bevölkerung und Wirtschaft stagnieren. Marx (1818-1883) reduziert in seiner Theorie vom Mehrwert die klassische Dreiteilung auf zwei soziale Klassen, indem er die Grundeigentümer mit den Kapitalgebern zur Klasse der Kapitalisten zusammenfaßt. Der Kapitalist entlohnt den Arbeiter mit den Reproduktionskosten (Subsistenzminimum) seiner Arbeitskraft. Der durch Mehrarbeit darüberhinaus geschaffene Mehrwert behält der Kapitalist als Profit ein, den er akkumuliert. Auch bei Marx fällt tendenziell die Profitrate, das Verhältnis von Mehrwert zu eingesetztem Kapital. Wenn die Profitrate so niedrig geworden ist, daß ein Anreiz zur weiteren Kapitalakkumulation entfällt, mündet die wirtschaftliche Entwicklung jedoch nicht in eine Stagnation, sondern das kapitalistische System bricht zusammen (Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate) (Gesetz der kapitalistische Akkumulation).
3. 2. Die Grenzproduktivitätstheorie wendet das Marginalkonzept auf alle (jetzt homogenen) Produktionsfaktoren an. Der reale Entlohnungssatz eines jeden Inputfaktors ist gleich seinem physischen Grenzprodukt ; kein Faktor erhält ein Residualeinkommen (Einkommen). Damit stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen das Gesamtprodukt genau ausgeschöpft wird (Ausschöpfungsproblem). Das ist dann der Fall, wenn das Grenzproduktivitätsprinzip mit der Annahme der vollständigen Konkurrenz auf allen Märkten verknüpft wird. Formal gesehen muß die Produktionsfunktion im Bereich des Verteilungsgleichgewichtes homogen vom Grad eins sein (konstante Skalenerträge, Skalenerträge). Für die Bestimmung der makroökonomischen Einkommensanteile ist die Substitutionselastizität (Elastizitäten) zwischen Kapital und Arbeit entscheidend. Ist diese gleich eins, ist die Lohnquote unabhängig von der Kapitalintensität ; ist sie kleiner eins, hebt eine steigende Kapitalintensität die Lohnquote an. Andererseits senkt arbeitssparender technischer Fortschritt (technischer Fortschritt) bei gegebener Kapitalintensität die Lohnquote.
3. 3. Die Monopolgrad- und Machttheorien gehen davon aus, daß die Unternehmen über einen Preissetzungsspielraum verfügen (Kalecki, Preiser). Das ermöglicht den Anbietern, ihre Preise auf der Basis einer Zuschlagskalkulation zu bilden. In der Höhe des am Absatzmarkt durchsetzbaren Zuschlags auf die variablen Durchschnittskosten (Kosten) schlägt sich der Monopolgrad der Wirtschaft nieder. Er ist ein Strukturparameter, der nicht nur die Monopolstärke im Sinne der Preistheorie widerspiegelt, sondern zusätzlich von sozialen Machtfaktoren abhängt. Er ändert sich nicht kurzfristig und determiniert deshalb ein mittel- oder sogar langfristiges Verteilungsgleichgewicht.
3. 4. Die postkeynesianische Verteilungstheorie leitet die f. aus dem makroökonomischen Kreislaufgleichgewicht (Gleichgewicht,
3.) her, in dem geplante Ersparnis (Sparen) und geplante Investitionen übereinstimmen. Ihre Ansätze sind damit nachfrageorientiert. In Anlehnung an die Klassiker wird von zwei sozialen Klassen ausgegangen, die mit den beiden Einkommensklassen der Lohnempfänger und Gewinnbezieher gleichgesetzt werden. Beide unterscheiden sich in ihren Sparquoten (Kaldor): Die Sparquote der Gewinnbezieher ist höher als die der Lohnbezieher. Bei gegebenen Sparquoten und exogenen Nachfragekomponenten (gesamtwirtschaftliche Güternachfrage) ist jetzt nur eine bestimmte Aufteilung des Volkseinkommens auf Löhne und Gewinne mit dem Kreislaufgleichgewicht kompatibel, so daß die Unternehmer mit ihren autonomen Investitionsentscheidungen die Verteilung für ihre eigene soziale Klasse (mit) bestimmen. Eine Erhöhung der Investitionsquote verteilt bei kurzfristig gegebenem realen Sozialprodukt über ausgelöste Preissteigerungen die Einkommen zugunsten der Gewinnbezieher in dem Ausmaß um, daß sich endogen die gesamtwirtschaftliche Ersparnis dem erhöhten Investitionsvolumen anpaßt. Über denselben Anpassungsprozeß führt eine Erhöhung der Sparquote einer der beiden Einkommensklassen zu einer Umverteilung zugunsten der Lohnquote. Da in diesem Ansatz die Arbeitnehmer sparen, akkumulieren sie Vermögen und beziehen ebenfalls ein Gewinneinkommen (Einkommen) (Querverteilung). Erzielen beide soziale Klassen auf ihr Vermögen die gleiche Profitrate, ist die f. langfristig von der Sparquote der Arbeitnehmer unabhängig (Pasinetti-Paradoxon).
3. 5. Die einzelnen Verteilungserklärungen müssen nicht isoliert nebeneinander stehen. Es existieren Integrationsversuche (u.a. Solow/Stiglitz), die unterschiedliche gesamtwirtschaftliche Beschäftigungssituationen und Verteilungskonflikte zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften berücksichtigen. Abhängig von der jeweiligen ökonomischen Konstellation erklärt eine der skizzierten Verteilungshypothesen die jeweils augenblickliche f., und im Wechsel dieser Konstellationen werden zyklische Entwicklungen der f. ausgelöst.
Literatur: G. Blümle, Theorie der Einkommensverteilung. Berlin-Heidelberg 1975. B. Külp, Verteilungstheorie.
2. A., Stuttgart 1981. E. Scheele, Einkommensverteilung I: Theorie, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, Bd. 2, 257-285.
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