A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
wirtschaftslexikon wirtschaftslexikon
 
Wirtschaftslexikon Wirtschaftslexikon

 

wirtschaftslexikon online lexikon wirtschaftslexikon
   
 
     
wirtschaftslexikon    
   
    betriebswirtschaft
     
 
x

Hauptversammlung und Aktionärseinfluss


Inhaltsübersicht
I. Rechte der Hauptversammlung
II. Rechte und Pflichten des Aktionärs in der Hauptversammlung
III. Aktionärskonzentration und tatsächlicher Einfluss
IV.  Minderheitsrechte und Minderheitenschutz
V. Summa

I. Rechte der Hauptversammlung


1. Position der Hauptversammlung in der AG


Das Charakteristische der Organstruktur einer AG besteht in dem ausgewogenen Kräfteverhältnis von Hauptversammlung, Aufsichtsrat und Vorstand. In der hierarchischen GmbH kann die Gesellschafterversammlung der Geschäftsführung Weisungen erteilen. Dem Vorstand der AG hingegen obliegt die Geschäftsführung gemäß § 76 AktG allein. § 119 Abs. 2 AktG gibt dem Vorstand lediglich die Möglichkeit, nicht aber die Pflicht, die Hauptversammlung mit Gegenständen der Geschäftsführung zu befassen. Die Hauptversammlung hat gegenüber dem Vorstand und dem Aufsichtsrat kein Weisungsrecht. Daher kann sie, anders als die Gesellschafterversammlung der GmbH, nicht als oberstes Organ bezeichnet werden. Das System des nicht-hierarchischen Verhältnisses zwischen Hauptversammlung, Vorstand und Aufsichtsrat, der klaren Kompetenzverteilung und der Machtbalance in der AG hat sich bislang bewährt.

2. Einzelne Rechte der Hauptversammlung

a) Rechte gemäß § 119 Abs. 1 AktG


Die wichtigsten und prominentesten Rechte der Hauptversammlung werden in § 119 Abs. 1 AktG aufgezählt. Die ebenfalls dort genannte Satzungsautonomie verleiht ihr aber keine Autorität zur Erweiterung der originären gesetzlichen Zuständigkeiten zu Lasten von Vorstand und Aufsichtsrat.
An erster Stelle bestimmt die Hauptversammlung durch Wahl die Mitglieder des Aufsichtsrats, soweit sie nicht gemäß § 101 Abs. 2 AktG entsendet oder in mitbestimmten Unternehmen von der Arbeitnehmerseite gewählt werden. Hierdurch kann die Hauptversammlung mittelbar auch Einfluss auf die Zusammensetzung des Vorstands nehmen.
Ebenso entscheidet die Hauptversammlung alljährlich über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat (§ 119 Abs. 1 Nr. 3 AktG). Zwar kann sie mit der Verweigerung der Entlastung keine unmittelbaren Rechtsfolgen herbeiführen, insb. keine Klage auf Schadensersatz gegen sie erzwingen. Sie kann aber Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder in der Debatte über die Entlastung öffentlich erheblich schwächen, in dem sie diesen ihr Misstrauen erklärt. Für die Vorstandsmitglieder hat eine solche Verweigerung mittelbar auch rechtliche Folgen: Sie stellt i.d.R. einen wichtigen Grund i.S.v. § 84 Abs. 3 AktG zur Abberufung des Mitglieds aus dem Vorstand dar.
Gemäß § 147 AktG entscheidet die Hauptversammlung auch über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Vorstand und Aufsichtsrat aus der Geschäftsführung.
Neben diesen Möglichkeiten, durch Personalpolitik mittelbaren Einfluss auf die Entscheidungen von Aufsichtsrat und Vorstand zu nehmen, entscheidet die Hauptversammlung unmittelbar über die Bestellung der Abschlussprüfer (durch Wahl) und über die Verwendung des Bilanzgewinns (§ 119 Abs. 1 Nr. 4, Nr. 2 AktG).
Darüber hinaus ist die Hauptversammlung zuständig für die sog. Grundlagenentscheidungen, die die Struktur der Gesellschaft selbst verändern und dadurch die Rechtsstellung der Aktionäre betreffen. Hierzu zählen Entscheidungen über Satzungsänderungen (§§ 119 Abs. 1 Nr. 5, 179 AktG), die Kapitalbeschaffung und Kapitalherabsetzung (§§ 119 Abs. 1 Nr. 6 AktG, 182 ff. AktG), die Zustimmung zu Unternehmensverträgen (§§ 293 ff. AktG), über Verschmelzung (§§ 13, 65 UmwG), Spaltung, Abspaltung und Ausgliederung (§ 125 UmwG), den Formwechsel (§§ 193, 233, 240 UmwG), die Zustimmung zur Eingliederung (§§ 319 ff. AktG) sowie die Auflösung der Gesellschaft selbst (§ 119 Abs. 1 Nr. 8 AktG).

b)  Ungeschriebene Rechte


Im Grundsatz zutreffend hat der BGH beginnend mit der „ Holzmüller-Entscheidung “ (BGHZ 83, 122 ff.) und kürzlich mit der Entscheidung „ Gelatine “ (BG HZ 159, 30) der Hauptversammlung auch ungeschriebene Zuständigkeiten zugebilligt, wenn tief in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre und ihr im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingegriffen wird. Eine ganze Anzahl von Entscheidungen, die formal nicht den o.g. Grundlagenentscheidungen entsprechen, aber in ihrer materiellen Bedeutung vergleichbar sind, würde die Aktionärsrechte aushöhlen, könnte der Vorstand sie alleine entscheiden. Vor der Schwierigkeit, hier eine Grenze zwischen bloßer Geschäftsführung i.S.v. § 76 AktG und wesentlicher Strukturentscheidung zu ziehen, dürfen Rechtsprechung und Lehre nicht zu Lasten des bewährten Kräfteverhältnisses in der AG zurückweichen. Zu Entscheidungen, die der Hauptversammlung vorgelegt werden müssen, zählen jedenfalls: fusionsähnliche Verträge, der Erwerb und die Veräußerung wesentlicher Beteiligungen oder Umstrukturierungen der Gesellschaft durch Verlagerung wesentlicher Unternehmensgegenstände auf Tochterunternehmen, Aufnahme Dritter in die bisher 100%-ige Tochtergesellschaft, Abschlüsse von Unternehmensverträgen der Tochtergesellschaft mit Dritten, der Börsengang und das Delisting (vgl. hierzu zuletzt die „ Macroton “ -Entscheidung des BGH vom 25.11.2002 – II ZR 133/01, DB 2003, 544 ff. mit Anm. Heidel, Thomas). Als Faustregel für die Frage der Wesentlichkeit kann davon ausgegangen werden, dass eine zustimmungspflichtige Strukturänderung bei einer Transaktion vorliegt, die mehr als 50% des Aktivvermögens der Gesellschaft umfasst.

II. Rechte und Pflichten des Aktionärs in der Hauptversammlung


1. Rechte des Aktionärs

a) Teilnahmerecht und Auskunftsrecht


Jedem Aktionär steht die Teilnahme an der mindestens einmal jährlich einzuberufenden Hauptversammlung zu, gleich ob er stimmberechtigt ist oder nicht.
Weiter hat er in der Hauptversammlung ein Auskunftsrecht gegenüber dem Vorstand über alle Angelegenheiten der Gesellschaft, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich sind (§ 131 AktG). Hierzu steht ihm insb. das Rede- und Fragerecht in der Hauptversammlung zu. Aufgrund der Vielzahl an Informationsrechten, auch bereits im Vorfeld der Hauptversammlung, kann an dieser Stelle aber nur auf weiterführende Literatur verwiesen werden (Raiser, Thomas/Veil, 2006, § 16 IV; zur aktuellen Rechtsprechung: Henze, Hartwig 2002, S. 893 ff.; Goette, 2005, S. 603 ff.).

b) Stimmrecht


Den größten Einfluss üben die Aktionäre mit ihrem Stimmrecht in der Hauptversammlung, die ihre Entscheidungen durch Beschlüsse als Ergebnis von Abstimmungen und Wahlen trifft, aus.
Stimmberechtigt ist grundsätzlich jeder Aktionär, sofern er seine Einlage geleistet hat (§ 135 Abs. 2 AktG). Ausgeschlossen sind Eigentümer von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht (§ 139 Abs. 1 AktG) und Aktien, die der AG selbst, einem von ihr abhängigen Unternehmen oder einem Dritten für Rechnung der Gesellschaft gehören (§§ 56 Abs. 3 Satz 3, 71 b, 71 d Satz 4 AktG). Darüber hinaus verbietet das Gesetz die Stimmrechtsausübung durch Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat, wenn sie entlastet, von einer Verbindlichkeit befreit, vor Ansprüchen der Gesellschaft bewahrt werden sollen (§ 136 AktG) oder über sie eine Sonderprüfung erfolgen soll (§ 142 Abs. 1 Satz 2 AktG).
Das Stimmrecht und damit das Stimmgewicht bestimmt sich bei Nennbetragsaktien nach dem Nennbetrag der Aktie, bei Stückaktien nach deren Anzahl. Für die Grundlagenentscheidungen (s.o. I.2.b) ist eine 3/4-Stimmmehrheit erforderlich, für andere Beschlüsse genügt die einfache Mehrheit, sofern Gesetz oder Satzung nichts anderes vorsehen.
Der Aktionär kann sich bei der Stimmabgabe gemäß § 134 Abs. 3 AktG vertreten lassen oder einen anderen gemäß § 129 Abs. 3 AktG ermächtigen, das Stimmrecht im eigenen Namen für ihn auszuüben. Die Vollmacht bedarf der Schriftform soweit die Satzung nichts anderes vorsieht (§ 134 Abs. 3 Satz 1, 2 AktG). Der praktisch häufigste Fall der Vertretung von Kleinaktionären durch die Aktien verwahrenden Banken ist in § 135 AktG einer detaillierten Regelung unterworfen (s.u. III.2., 3.).

c) Gerichtlicher Rechtsschutz, insb. Anfechtungsrecht


Neben dem Auskunftserzwingungsverfahren gemäß § 132 AktG, das der Verwirklichung des Informationsanspruchs dient, kann der Aktionär mit der Nichtigkeitsfeststellungsklage und der Anfechtungsklage gemäß § 243 AktG die Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen der Hauptversammlung geltend machen. Vor allem letztere haben in den letzten 20 Jahren zugenommen und als Individualrechte der Aktionäre an Aufmerksamkeit gewonnen. Sie sind praktisch das einzig wirksame Mittel der überstimmten Minderheit, die Wahrung ihrer Rechte durchzusetzen.
Das Gesetz unterscheidet zwischen Fehlern, die den Beschluss per se von Anfang an nichtig machen und solchen, die ihn wirksam, aber gerichtlich vernichtbar machen. Zu den gesetzlich abschließend geregelten Nichtigkeitsgründen zählen etwa: nicht ordnungsgemäße Einberufung der Hauptversammlung (§ 241 Nr. 1, 2 AktG), fehlende notarielle Beurkundung, soweit gesetzlich vorgeschrieben (§ 241 Nr. 3 Akt), Sittenwidrigkeit der Beschlüsse (§ 241 Nr. 4 AktG).
Anfechtungsgründe sind die Verletzung von Gesetz oder Satzung. Sie werden in Verfahrens- und Inhaltsmängel unterteilt, wobei Verfahrensfehler nur bei einiger Relevanz zur Anfechtbarkeit führen. Zu den Inhaltsmängeln gehören vor allem Verstöße gegen das Gesetz, das Gleichbehandlungsgebot oder die Treupflicht der Aktionäre (s.u. II.2.). Erstere sind potenziell zahllos und reichen von unzureichenden Berichten des Vorstands oder Aufsichtsrats an die Hauptversammlung bis zur Wahl eines befangenen Abschlussprüfers (so zuletzt das „ HypoVereins “ -Urt. des BGH v. 25.11.2002 – II ZR 49/01, BGHZ 153, 32).

d) Freigabeverfahren


Die Anfechtung muss durch Klage vor dem Landgericht geltend gemacht werden. Das Verfahren dauert daher lange, bis zur rechtskräftigen Entscheidung oft 3 bis 4 Jahre. So lange kann die Realisierung wichtiger Beschlüsse der Hauptversammlung wie Kapitalerhöhung oder Verschmelzung nicht warten. Vor diesem Hintergrund hatte sich eine „ Industrie “ räuberischer Aktionäre entwickelt, die sich ihre Anfechtungsklagen von den Gesellschaften „ abkaufen “ ließen. Der Gesetzgeber hat auf diesen Übelstand nur sehr zögernd reagiert, dann aber zunächst für Umwandlungen in § 16 UmwG, zuletzt in UMAG auch für andere wichtige Beschlüsse ein beschleunigtes Verfahren entwickelt (sog. Freigabeverfahren, § 246a AktG).

2.  Pflichten des Aktionärs


Den Rechten gegenüber steht die Treupflicht des Aktionärs. Sie kann im Einzelfall seine Rechte derart einschränken, dass er in der Hauptversammlung zu bestimmter Stimmausübung gezwungen ist, will er der Gesellschaft oder seinen Aktionärskollegen gegenüber nicht pflichtwidrig handeln.
Unter der Treupflicht ist die Pflicht des Aktionärs zu verstehen, die Interessen der Gesellschaft, hierunter namentlich ihr Interesse an wirtschaftlichem Gedeihen und Überleben, zu fördern und Schaden für sie zu vermeiden. Sie besteht sowohl gegenüber der Gesellschaft, wie gegenüber den einzelnen Mitgesellschaftern. Während zunächst nur die Treupflicht des Mehrheitsaktionärs gegenüber der Minderheit anerkannt war, hat mit der „ Girmes-Entscheidung “ der BGH (NJW 1995, 1739 mit Anm. Altmeppen, Holger) auch dem Minderheitsaktionär die Treupflicht auferlegt. Sie kann sich insb. dann konkretisieren, wenn bestimmte Mehrheiten zu den das Überleben der Gesellschaft sichernden Beschlüssen ohne Mitwirkung von Kleinaktionären nicht erreicht werden können.

III. Aktionärskonzentration und tatsächlicher Einfluss


1. Aktionärsstruktur in Deutschland


Ende 2004 gliederte sich der Besitz an Aktien deutscher Unternehmen leicht gerundet wie folgt: 33,8% der Aktien befanden sich in Unternehmensbesitz, 14,1% im Besitz privater Haushalte, 16,8% in ausländischem Besitz, 13,4% im Besitz von Investmentfonds, 11,1% im Besitz von Versicherungen und 9,9% im Besitz von Banken (Quelle: DAI – Factbook, Stand Oktober 2005, S. 08.1 – 3-b). In den letzten 10 Jahren sank der Besitzanteil von privaten Haushalten und Unternehmen im Verhältnis zu den institutionellen Anlegern, d.h. Banken, Versicherungen und Investmentfonds, leicht, der des Staates (heute noch 0,9%) erheblich.

2. Institutionelle Anleger


Das Stimmgewicht der institutionellen Anleger im Vergleich zu den übrigen Aktionären ist bei den Hauptversammlungen der Publikumsgesellschaften entgegen der zuvor dargestellten Aktionärsstruktur aber meist bestimmend. Das hängt entscheidend mit dem Vollmachtstimmrecht der Banken gemäß § 135 AktG zusammen. Insbesondere die depotführenden Banken werden regelmäßig von ihren Kunden, insb. von Kleinaktionären mit Streubesitz und ohne relevantes Stimmgewicht, zur Stimmrechtausübung bevollmächtigt. Sie üben damit aber nicht nur das eigene Stimmrecht, sondern auch das der von ihnen betreuten Kunden aus und vereinigen somit regelmäßig einen großen Stimmanteil auf sich. Das hat immerhin dazu geführt, dass eine respektable Präsenz in den Hauptversammlungen der Publikumsgesellschaften erreicht wurde. Denn bei weit gestreutem Besitz steht der Nutzen des Kleinaktionärs aus der eigenständigen Wahrnehmung seines Stimmrechts zum Aufwand außer Verhältnis, sodass andernfalls seine Stimme unberücksichtigt bliebe. Die so nicht genutzten Stimmen würden in ihrer Summe dann beträchtlich sein.
Der Gesetzgeber hat möglichen Interessenkonflikten eine moderate Grenze gezogen: Kreditinstitute, die selbst über mehr als 5% des Grundkapitals einer Gesellschaft verfügen, dürfen neben ihren eigenen Stimmrechten nur noch Vollmachtsstimmrechte mit konkreten Einzelweisungen ausüben (§ 135 Abs. 1 Satz 3 AktG). Nicht zuletzt wegen der Kritik an ihrer Stimmrechtsmacht ziehen sich die Banken aber ohnehin mehr und mehr aus der Stimmrechtsvertretung zurück. So hat der gesamte Volksbanken- und Sparkassenbereich erklärt, man werde keine Stimmrechte mehr in den Hauptversammlungen vertreten. Dem entsprechend sinken derzeit die Präsenzen auf den Hauptversammlungen.

3. Ausübung der (Stimm-)Rechte via Internet


Mit der schrittweise fortlaufenden Unternehmensrechtsreform hat der Gesetzgeber beginnend ab 2001 den Einsatz moderner Kommunikationsmittel auch für die Hauptversammlung fruchtbar gemacht.
Das bisherige Druckwerk des Bundesanzeigers wurde als elektronischer Bundesanzeiger ins Internet gestellt und ist somit für jeden weltweit und unschwer einsehbar (http://www.bundesanzeiger.de). In ihm sind auch die bisherigen Pflichtveröffentlichungen wie etwa die Einberufung der Hauptversammlung mit Tagesordnung etc. bekannt zu machen. Auch der vom Bundesjustizministerium erlassene Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK), zu dessen Einhaltung sich die Verwaltung der AG gemäß § 161 AktG jährlich erklären muss, ist dort abrufbar. Er empfiehlt seinerseits unter Ziff. 2.2, 2.3 die Nutzung des Internets zur Erleichterung der Informationsgewinnung für die Aktionäre. Im Übrigen kann die Satzung im Falle von Namensaktien auch die Einberufung (§ 121 Abs. 4 AktG) sowie für Namens- und Inhaberaktien die Vollmachtserteilung zur Stimmrechtsvertretung gemäß § 134 Abs. 3 Satz 2 AktG per E-Mail vorsehen.
Die wohl größte Erleichterung bietet dem Aktionär sicherlich die Online-Hauptversammlung, die allerdings keine rein virtuelle Zusammenkunft ist. Der Gesetzgeber hat bis jetzt an der herkömmlichen Präsenzhauptversammlung festgehalten. § 118 Abs. 3 AktG gibt die Möglichkeit, in Satzung oder Geschäftsordnung gemäß § 129 AktG festzuschreiben, dass die Hauptversammlung in Ton und Bild übertragen werden darf, insb. also auch live ins Internet. Während der Aktionär bisher seinem Vertreter Weisungen im Vorhinein erteilen musste, kann er nun durch die Übertragung der Hauptversammlung diesem ebenfalls via Internet Weisungen live in die Hauptversammlung hinein erteilen.
Abgerundet wird der Komfort für den Aktionär schließlich, wenn die AG eigene Mitarbeiter als solche Vertreter zur Verfügung stellt, wie durch kürzlich erfolgte Änderung des Gesetzes erlaubt (§ 134 Abs. 3 AktG). Der DCGK nimmt diesen Gedanken unter Ziff. 2.3.3. auf und fordert die Gesellschaften auf, davon Gebrauch zu machen und für eine weisungsgebundene, während der Hauptversammlung erreichbare Vertretung zu sorgen.

4. Aktionärsvereinigungen


Genau so gut kann sich der Aktionär aber auch durch Aktionärsvereinigungen bei der Stimmausübung in der Hauptversammlung vertreten lassen. Neben medienwirksamer Opposition gegen sich abzeichnende Mehrheiten in der Hauptversammlung bleibt angesichts des geringen Stimmgewichts, das sie ausüben, tatsächlich aber meist nicht mehr als die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der getroffenen Beschlüsse und ggf. deren gerichtliche Anfechtung. Demgemäß bieten die Vereinigungen neben der meist für jedermann kostenlosen Stimmrechtsvertretung ihren Mitgliedern auch professionelle Rechtsberatung in Aktienangelegenheiten an.

5. Aktionärsforum


Institutionelle Anleger und Großaktionäre haben keine Schwierigkeit, auch außerhalb der Hauptversammlung miteinander ins Gespräch zu kommen und ihr Verhalten in diesen abzustimmen. Den privaten Streubesitz-Aktionären war das bislang nicht möglich. Deshalb verpflichtet jetzt das UMAG die Gesellschaften im neuen § 127a AktG zur Einrichtung eines elektronischen Aktionärsforums, mit dessen Hilfe diese Aktionäre miteinander in Kontakt treten und etwa Allianzen zur Ausübung von Minderheitsrechten (unten IV) bilden können.

IV. Minderheitsrechte und Minderheitenschutz


Während in der AG der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung der Aktionäre gilt, sieht das Gesetz zusätzlichen Schutz für Minderheiten von Aktionären vor. Dieses Schutzes bedarf es umso mehr, als regelmäßig für Beschlüsse die einfache Mehrheit reicht, die unterlegene Minderheit also relativ groß sein kann. Zu solchen Schutzrechten mit gesetzlich jeweils quantifizierter Minderheit zählen insb.: die gerichtliche Durchsetzung einer Sonderprüferbestellung gemäß § 142 Abs. 2 AktG (Minderheit von 1% des Kapitals) und die Herbeiführung einer gesonderten Abstimmung über Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat (Minderheit von 10% der Aktien erforderlich); Einberufung der Hauptversammlung sowie Aufnahme gewünschter Themen in der Tagesordnung gemäß § 122 Abs. 1, 2 AktG (jew. Minderheit von 5% der Aktien erforderlich) und die gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Vorstand, Aufsichtrat u.a. gemäß § 148 AktG (nach Abs. 1 Satz 1 Minderheit von 1% erforderlich, nach § 147 Abs. 2 über die gerichtliche Bestellung eines Sondervertreters durch eine Minderheit von 10%). Insb. vermag aber eine Minderheit von 25% des Grundkapitals die wesentlichen Strukturentscheidungen, die das Anteilseigentum selbst verändern, zu blockieren. Sie kann dabei allerdings der Mehrheit gegenüber durch die Treupflicht (s.o. II.2.) gebunden sein.
Darüber hinaus gewährt die Rechtsprechung dem Minderheitsaktionär zunehmend auch ungeschriebene Schutzrechte. Als aktuelles Beispiel kann das bereits oben zitierte „ Macroton “ -Urt. des BGH (s.o. I.2.b) angeführt werden, das im Falle eines Delisting (Herausnahme der AG aus dem Börsenhandel) die Gesellschaft oder den Großaktionär dazu verpflichtet, den Minderheitsaktionären, als Ausgleich für den damit verbundenen Wertverlust ein Pflichtangebot zum Kauf ihrer Aktien oder der Erstattung des vollen Werts ihres Aktieneigentums zu unterbreiten.

V. Summa


Die Hauptversammlung ist entscheidendes Organ für alle Unternehmens- und Strukturentscheidungen. Sie hat mit der Wahl der Anteilseigner-Vertreter Einfluss auf die personelle Zusammensetzung des Aufsichtsrats, der im unternehmerischen Geschehen der Gesellschaften immer wichtiger wird. Mit dem jährlichen Beschluss über Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat übt sie die Kontrolle über deren Amtsführung aus. Ihre Stellung in der Gesellschaft ist bedeutend.
Der typische Kleinaktionär hat Einfluss über das Individualrecht der Anfechtung und zunehmend auch – allein oder mit anderen – mit Hilfe von Minderheitsrechten.
Wer hingegen die Gesellschaft als Aktionär mehrheitlich beherrscht, hat breite mittelbare Einflussmöglichkeiten auf die Führung und Leitung der Gesellschaft.
Literatur:
Baums, Theodor : Vollmachtstimmrecht der Banken – Ja oder Nein?, in: AG, Jg. 41, 1996, S. 11 – 26
Bunke, Caspar : Das Stimmrechtsvertretermodell als Grundlage der virtuellen Hauptversammlung, in: Die Virtuelle Hauptversammlung, hrsg. v. Zetsche, Dirk, Berlin 2002, S. 21 – 33
Fraune, Christian : Der Einfluß institutioneller Anleger in der Hauptversammlung, Köln et al. 1996
Goette, Wulf : Aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Aktienrecht, in: Deutsches Steuerrecht, Jg. 44, 2005, S. 603 – 608
Henze, Hartwig : Pünktlich zur Hauptversammlungssaison: Ein Rechtsprechungsüberblick zu Informations- und Auskunftsrechten, in: BB, Jg. 57, 2002, S. 893 – 903
Lutter, Marcus : Das Girmes – Urteil, in: JZ, Jg. 50, 1995, S. 1053 – 1056
Lutter, Marcus/Leinekugel, Rolf : Kompetenzen von Hauptversammlung und Gesellschafterversammlung beim Verkauf von Unternehmensteilen, in: ZIP, Jg. 19, 1998, S. 225 – 232
Lutter, Marcus/Leinekugel, Rolf : Der Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung zu grundlegenden Strukturmaßnahmen – zulässige Kompetenzübertragung oder unzulässige Selbstentmachtung?, in: ZIP, Jg. 19, 1998, S. 805 – 817
Marsch-Barner, Reinhard : Treuepflichten zwischen Aktionären und Verhaltenspflichten bei der Stimmrechtsausübung, in: ZHR, Jg. 157, 1993, S. 172 – 195
Mimmberg, Jörg : Schranken der Vorbereitung und Durchführung der Hauptversammlung im Internet – die Rechtslage nach dem Inkrafttreten von NaStraG, Formvorschriften-AnpassungsG und TransPuG – , in: ZGR, Jg. 32, 2003, S. 21 – 58
Noack, Ulrich : Neuerungungen im Recht der Hauptversammlung durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz und den Deutschen Corporate Governance Kodex, in: DB, Jg. 55, 2002, S. 620 – 626
Raiser, Thomas/Veil, Rüdiger : Recht der Kapitalgesellschaften, 4. A., München 2006
Roth, Günter H. : Die (Ohn-)Macht der Hauptversammlung, in: ZIP, Jg. 24, 2003, S. 369 – 378
Spindler, Gerald : Die Reform der Hauptversammlung und der Anfechtungsklage durch das UMAC, in: NZG, Jg. 8, 2005, S. 825 – 831
Westermann, Harm Peter : Vollmachtstimmrecht und Streubesitzaktionäre in der Hauptversammlung deutscher Aktiengesellschaften, in: Corporate Governance, hrsg. v. Feddersen, Dieter/Hommelhoff, Peter/Schneider, Uwe H., Köln 1996, S. 264 – 286
Zetsche, Dirk : Die Online-Hauptversammlung für Inhaberaktien, in: Die Virtuelle Hauptversammlung, hrsg. v. Zetsche, Dirk, Berlin 2002, S. 47 – 73

 

 


 

<< vorhergehender Begriff
nächster Begriff >>
Hauptversammlung
 
Haushalt