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Markenmanagement


Inhaltsübersicht
I. Markenverständnis und Bedeutung von Marken
II. Ziele der Markenführung
III. Markenidentität und Markenpositionierung als Grundlage zur Steuerung von Marken
IV. Branding zum Aufbau neuer Marken
V. Grundlegende Markenstrategien und Entwicklungsmöglichkeiten von Marken
VI. Kapitalisierung von Marken durch Markendehnungen und Markenallianzen
VII. Management von Markenportfolios
VIII. Markenarchitekturen zur Strukturierung der Markenbeziehungen im Unternehmen
IX. Markenkontrolle

I. Markenverständnis und Bedeutung von Marken


Marken sind keine Erscheinung unserer Zeit. Schon im alten Ägypten kennzeichneten Handwerker ihre Ziegel, weil sie glaubten, dass diese besser seien als die von Wettbewerbern. Heute gewinnen Marken jedoch zunehmend an Bedeutung. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass funktional-sachliche Qualitäten von Produkten und Dienstleistungen zunehmend als austauschbar wahrgenommen werden. Kunden kaufen keine Produkte, sondern Marken. Diese bieten ihnen Orientierung in der wachsenden Flut von Angeboten, sie tragen zur Differenzierung bei und schaffen Vertrauen. Deshalb gelten Marken heute als zentrale immaterielle Wertschöpfer in Unternehmen.
Diese Entwicklung reflektiert sich auch in den Definitionen zur Marke. In den 1960er-Jahren lag ein objektbezogenes Markenverständnis vor (Bruhn, Manfred 2004, S. 9). Danach ist eine Marke lediglich ein physisches Kennzeichen für die Herkunft eines Markenartikels. Diese garantiert dem Verbraucher eine konstante oder verbesserte Qualität bei gleich bleibender Menge und Aufmachung der ubiquitär erhältlichen Ware (Domizlaff, Hans 1939). Ferner fordert Mellerowicz (Mellerowicz, Konrad 1963, S. 40) für die markierte Fertigware als Merkmale noch eine starke Verbraucherwerbung sowie eine hohe Anerkennung im Markt. Diese merkmalsbezogene Definition ist heute nicht mehr haltbar, da neben Fertigwaren von Herstellern auch Dienstleistungen (Allianz, Eurocard, Aldi) und Vorprodukte (Intel) sowie Ideen, nicht-kommerzielle Einrichtungen (Greenpeace) und Personen (Michael Schumacher) Markenstatus erlangen können.
Deshalb vollzog sich eine Weiterentwicklung von absatzbezogenen über instrumentalen zu wirkungsbezogenen Begriffsdefinitionen (Berekoven, Ludwig 1978; Bruhn, Manfred 2004, S. 9). Letztere haben sich in der Marketingforschung durchgesetzt. Danach sind Marken „ Vorstellungsbilder in den Köpfen der Anspruchsgruppen, die eine Identifikations- und Differenzierungsfunktion übernehmen und das Wahlverhalten prägen “ (Esch, Franz-Rudolf 2005, S. 23; Meffert, Heribert/Burmann, Christoph 1998, S. 81). So verbinden Konsumenten mit BMW Dynamik und Sportlichkeit, Freude am Fahren, den weiß-blauen Propeller und die typische BMW-Niere. Die Erweiterung der Definition auf Anspruchsgruppen ist deshalb notwendig, weil über die Kunden hinaus gerade bei Unternehmensmarken weitere relevante Bezugsgruppen existieren (Mitarbeiter, Financial Community, Lieferanten, Abnehmer, Öffentlichkeit, Medien usw.).
Nach der rechtlichen Definition werden als Marke „ alle Zeichen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware oder ihrer Verpackung sowie sonstiger Aufmachungen einschließlich Farben und Farbzusammenstellungen geschützt werden, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden “ (§ 3 Abs. 1 MarkenG) aufgefasst.

II. Ziele der Markenführung


Zentrales Ziel der Markenführung ist der Aufbau und die Steigerung des Markenwerts. Aus finanzwirtschaftlicher Sicht ist der Markenwert der Barwert aller zukünftigen mit der Marke realisierbaren Einzahlungsüberschüsse (Kaas, Klaus P. 1990). Es ist demnach ein evaluatives Erfolgsmaß. Der finanzielle Markenwert ist allerdings nur mittelbar über die Erreichung verhaltenswissenschaftlicher Ziele realisierbar. Entsprechend ist aus Marketingsicht der Markenwert das Ergebnis unterschiedlicher Reaktionen von Nachfragern auf Marketingmaßnahmen einer Marke im Vergleich zu identischen Maßnahmen einer fiktiven Marke aufgrund spezifischer, mit der Marke im Gedächtnis gespeicherten Vorstellungen (Keller, Kevin L. 1993). Dieses diagnostische Erfolgsmaß gibt Aufschluss darüber, warum eine Marke mehr oder weniger erfolgreich ist.
Aus Marketingsicht ist somit Markenwissen aufzubauen, das über entsprechende Käufe der Marke und Preisbereitschaften kapitalisiert werden kann. Allgemein wird das Markenwissen durch zwei zentrale Konstrukte operationalisiert, die als wesentliche verhaltenswissenschaftliche Ziele der Markenführung gelten: die Markenbekanntheit und das Markenimage. Die Markenbekanntheit ist die notwendige Bedingung für den Markenerfolg. Aktive Markenbekanntheit liegt bei der freien Nennung einer Marke durch die jeweiligen Anspruchsgruppen bei der Frage nach Marken einer Kategorie vor. Bei der passiven Markenbekanntheit geht es hingegen um das Wiedererkennen einer Marke bei Vorlage. Das Markenimage gilt hingegen als hinreichende Bedingung für den Markenerfolg. Gemeint sind hiermit alle Vorstellungen, Bilder und Assoziationen, die man mit einer Marke verbindet. Beide Zielgrößen werden mit Recht als Fundament der Markenführung bezeichnet, weil sie andere Zielgrößen der Markenführung beeinflussen.
Weitere wichtige Zielgrößen der Markenführung, die durch das Markenwissen beeinflusst werden, sind das Vertrauen in eine Marke, die Bindung an eine Marke, die Zufriedenheit mit der Marke und die Markenloyalität (Esch, Franz-Rudolf 2005, S. 76). Diese wirken gemeinsam mit dem Markenwissen auf Erst- und Wiederkäufe. Zudem beeinflusst vor allem das Markenimage auch die Preisbereitschaft. Durch diese komplexen Zusammenhänge ergeben sich in einem Zielsystem der Markenführung die bekannten Zurechnungs- und Operationalisierungsprobleme. Allerdings signalisieren die genannten verhaltenswissenschaftlichen Zielgrößen als Leistungstreiber mit zeitlichem Vorlauf gegenüber ökonomischen Größen, wo das Markenmanagement eingreifen kann, um den gewünschten Markenerfolg zu sichern.

III. Markenidentität und Markenpositionierung als Grundlage zur Steuerung von Marken


Die Markenidentität und die Markenpositionierung bilden die Grundlage für die Markenführung. Die Markenidentität bringt zum Ausdruck, wofür eine Marke stehen soll. Sie umfasst die essenziellen, wesensprägenden Merkmale einer Marke und stellt das Selbstbild aus Sicht des Managements eines Unternehmens dar. Die Markenidentität wird bei der Entwicklung einer Marke neu gestaltet, während bei vorhandenen Marken die Identitätsmerkmale im Zeitablauf den Rahmenbedingungen und den Zielvorstellungen des Unternehmens angepasst werden. Bei der Entwicklung und Gestaltung der Markenidentität gilt das Motto: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Markenidentitäten sind ganzheitlich zu bestimmen. Dazu sind sowohl sachlich-funktionale Eigenschaften (funktionale und psychosoziale Nutzen, Kompetenzen, Eigenschaften des Angebots oder des Unternehmens) als auch emotionale Eigenschaften (Gefühle und Emotionen, Persönlichkeitseigenschaften, Beziehungsmerkmale, Erlebnisse) zur Marke zu erfassen, die verbal (Coca-Cola ist erfrischend) oder nonverbal (Farbcode von Coca-Cola, Coca-Cola-Schriftzug, Geschmack von Coca-Cola, Bild der Coca-Cola-Flasche, Bilder von jungen, fröhlichen Menschen usw.) zum Ausdruck kommen können. Es liegen zahlreiche Ansätze zur Erfassung der Markenidentität vor (Esch, Franz-Rudolf 2005).
Mit Blick auf den relevanten Markt, die Kunden und die Wettbewerber erfolgt durch die Markenpositionierung eine Fokussierung der vielen, wesensprägenden Eigenschaften auf wenige, kaufrelevante Merkmale. Eine Markenpositionierung zielt darauf ab, dass die Marke in den Augen der Zielgruppen so attraktiv ist und gegenüber konkurrierenden Marken so abgegrenzt wird, dass sie gegenüber diesen Konkurrenzmarken vorgezogen wird (Kroeber-Riel, Werner/Esch, Franz-Rudolf 2004). So steht Ryan Air für billiges Fliegen, Krombacher für frisches, natürliches Bier sowie Mercedes für Sicherheit und Prestige. Die Positionierung bildet die Vorgabe für die Umsetzung der Marke in alle sichtbaren Maßnahmen. Je besser die Umsetzung der Markenpositionierung wahrnehmbar, eigenständig und integriert, d.h. aufeinander abgestimmt, erfolgt, umso klarer wird das Markenimage bei den Anspruchsgruppen. Im Idealfall stimmen Markenidentität und Markenimage weitestgehend überein.

IV. Branding zum Aufbau neuer Marken


Branding umfasst alle konkreten Maßnahmen zum Aufbau einer Marke, die ein Angebot aus der Masse gleichartiger Angebote herausheben und eine eindeutige Zuordnung von Angeboten zu einer Marke ermöglichen (Esch, Franz-Rudolf/Langner, Tobias 2005, S. 577). Der Aufbau einer neuen Marke erfolgt durch die Markierung selbst sowie durch die Markenkommunikation. Bei der Markierung ist durch die Gestaltung des Markennamens, des Markenzeichens sowie der Verpackung ein schneller Markenaufbau zu ermöglichen. Dazu sollten sich die einzelnen Elemente des Branding-Dreieckes (Name, Zeichen, Verpackung) gegenseitig ergänzen und stützen sowie konnotieren, wofür eine Marke steht (Langner, Tobias 2006). Ähnliches gilt für die Markenkommunikation, deren Beitrag für den wirksamen Markenaufbau umso größer wird, je höher der Fit, also die Übereinstimmung zwischen der Markierung und der Kommunikation und je wahrnehmbarer, eigenständiger und integrierter die Kommunikation gestaltet ist.
Ziel sollte es hier sein, durch eine wirksame sozialtechnische und strategische Gestaltung dieser Elemente eine Marke zu entwickeln, die

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die Identifikation und die Differenzierung von Konkurrenzmarken fördert (Rocher von Ferrero),

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das Verständnis für die Markenpositionierung fördert und das angestrebte Markenimage klar, einfach, prägnant sowie verständlich vermittelt (Securitas = Sicherheitsdienst),

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positive Gefallenswirkungen auslöst und Akzeptanz bei der Zielgruppe erzielt,

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man leicht lernen und gut behalten kann,

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die schützbar ist.


V. Grundlegende Markenstrategien und Entwicklungsmöglichkeiten von Marken


Markenstrategieentscheidungen stehen an, wenn ein Unternehmen vor der Einführung eines neuen Produktes über dessen Markierung nachdenkt, oder wenn vorhandene Markensysteme restrukturiert werden sollen. Mit der Markierung werden die Weichen für den zukünftigen Produkt- und Unternehmenserfolg gestellt. Unter Berücksichtigung des unternehmerischen Kompetenzfeldes, der Zielgruppenbedürfnisse und der Wettbewerbsstrukturen ist die Entscheidung für eine eher enge (= Einzelmarkenstrategie), mittlere (= Familienmarkenstrategie) oder breite Ausrichtung (= Dachmarkenstrategie) der Markenstrategie zu treffen. Hierzu stehen drei markenstrategische Grundoptionen zur Verfügung (vgl. Becker, Jochen 2005, S. 381 ff.; Kapferer, Jean-Noel 1992, S. 114 ff.; Esch, Franz-Rudolf 2005):

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Einzelmarken (Produkt- oder Mono-Marken-Konzept: z.B. Persil, Knoppers, Kitkat).

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Familienmarken (Produktgruppen- oder Range-Marken-Konzept: z.B. Nivea, Tesa).

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Dachmarken bzw. Unternehmensmarken (Corporate Brands, Company-Marken, Umbrella-Brands: z.B. Allianz, Siemens).


Bei einer Einzelmarkenstrategie wird für jedes Produkt eines Anbieters eine eigene Marken geschaffen und im Markt durchgesetzt. Das Prinzip lautet: Eine Marke = ein Produkt = ein Produktversprechen (z.B. Rocher, Red Bull). Der zentrale Vorteil dieser Strategie liegt darin, dass man Einzelmarken sehr spitz im Markt positionieren und auf spezifische Zielgruppenbedürfnisse zur Abgrenzung vom Wettbewerb ausrichten kann. Allerdings ergibt sich daraus der Nachteil, dass die Markenführungskosten nur durch eine Marke getragen werden.
Eine Familienmarkenstrategie ist dadurch gekennzeichnet, dass mehrere Produkte unter einer Marke geführt werden. Hierbei gibt es zwei Spielformen: die line brand strategy (z.B. Kinder von Ferrero), die dem Gedanken der klassischen Familienmarke entspricht und sich auf einen Produktbereich bezieht, und die range brand strategy. Diese geht über enge Produktlinien hinaus und umfasst wie bei Nivea mehrere Produktkategorien. Sie unterscheidet sich von einer Dachmarkenstrategie dadurch, dass im Unternehmen zusätzlich noch andere Marken geführt werden (Kapferer, Jean-Noel 2004). Anders als bei Einzelmarken sind hier Synergien durch die Markennutzung über verschiedene Produkte hinweg realisierbar, ohne auf eine klare Profilierung verzichten zu müssen. Allerdings besteht die Gefahr der Markenverwässerung, wenn die Marke zu stark in Bereiche gedehnt wird, die nicht der Markenidentität entsprechen.
Bei einer Dachmarkenstrategie (Corporate Brand) werden alle Produkte eines Unternehmens unter einer Marke geführt (Siemens, BASF, Deutsche Bank). Im Vordergrund der Profilierungsbemühungen steht das Unternehmen. Dadurch ergeben sich, wie bei der Familienmarkenstrategie, Synergien, die allerdings häufig zu Lasten eines klaren Profils erkauft werden müssen. Dies ist um so eher der Fall, je mehr verschiedene Produkte unter einer Dachmarke geführt werden und je heterogener die Zielgruppen sind, die man mit dieser anspricht.

VI. Kapitalisierung von Marken durch Markendehnungen und Markenallianzen


Bei einer Markendehnung nutzt man die Kraft einer Marke, um unter der Marke in der vorhandenen Produktkategorie neue Produktvarianten einzuführen (Produktlinienerweiterung) oder diese in eine völlig neue Produktkategorie zu dehnen (Markenerweiterung).
Bei einer Produktlinienerweiterung erwartet man durch Einführung neuer Produktvarianten eine bessere Abdeckung unterschiedlicher Zielgruppenbedürfnisse als nur mit einem Produkt. Die Voraussetzungen für erfolgreiche Produktlinienerweiterungen liegen somit in unterschiedlichen Marktsegmenten, die hinreichend ergiebig und adressierbar sind, und in der Relevanz des Markenversprechens für diese Zielgruppen.
Bei Markenerweiterungen wird eine Marke in eine neue Produktkategorie gedehnt (z.B. Nivea Creme, Sonnenschutz, Deodorant, Shampoo usw.). Man erwartet im Idealfall einen positiven Imagetransfer auf das Erweiterungsprodukt sowie einen positiven Rücktransfer des Erweiterungsproduktes auf die Marke. Aufgrund des Vertrauensvorschusses und der Nutzung der Bekanntheit und des Images einer etablierten Marke sind Markenerweiterungen grundsätzlich kostengünstiger als die Einführung neuer Marken (Sattler, Henrik 2001). Für eine erfolgreiche Markenerweiterung muss eine gewisse Markenstärke (= hohe Markenbekanntheit und ausgeprägtes Markenimage) vorhanden sein, damit eine Marke gedehnt werden kann. Zwischen der Marke und der neuen Produktkategorie muss zudem ein Fit vorliegen, also eine Passung. Diese kann auf sachlich-funktional oder emotional empfundenen Übereinstimmungen beruhen.
Selbst bei fehlenden unternehmensinternen Möglichkeiten (Know-how, Managementkapazitäten und finanzielle Mittel) und marktlichen Beschränkungen sind Markenerweiterungen durch Markenlizenzierungen möglich (Binder, Christof U. 2005). Hierbei räumt der Markeninhaber (Lizenzgeber) dem Lizenznehmer mit klaren Vorgaben zum Gebrauch der Marke die Möglichkeit zu deren Nutzung in einem klar abgegrenzten Bereich ein (räumlich: z.B. Lizenznahme zum Brauen von Löwenbräu-Bier in den USA, produktbezogen: z.B. Lizenzvergabe für BOSS Uhren oder Lederaccessoires) und erhält dafür ein Nutzungsentgelt.
In den letzten Jahren wurden viele Markenerweiterungen durchgeführt. Weil man dabei zunehmend angestammtes Markenterrain verlässt und sich in gefährliche Markendehnungszonen begibt, gewinnen in jüngerer Zeit Markenallianzen an Bedeutung (Esch, Franz-Rudolf/Redler, Jörn 2005). Unter Markenallianzen versteht man die gemeinsame Darbietung mehrerer Marken bei der Markierung eines Angebots, z.B. ein Capuccino von Jacobs und Milka, ein Computer von Fujitsu und Siemens oder Kreditkarten von Mastercard und Lufthansa (Simonin, Bernard L./Ruth, Julie A. 1998; Esch, Franz-Rudolf/Redler, Jörn 2005). Durch Markenallianzen erhofft man sich eine stärkere Hebelwirkung gemeinsam markierter Angebote als bei Nutzung einer einzelnen Marke. Diese Hebelwirkung ergibt sich durch positive Wechselwirkungen zwischen zwei Marken, weil sich deren Kompetenzen gegenseitig ergänzen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass eine gewisse Passung der Marken einer Allianz gewährleistet ist. Im eigentlichen Sinne beziehen sich Markenallianzen auf die gemeinsame Markierung von Produkten oder Dienstleistungen (synonym: Co-Branding). Davon abzugrenzen sind Co-Promotions, bei denen Marken gemeinsam in der Kommunikation auftreten.
Markenallianzen können horizontal oder vertikal gebildet werden. Im letztgenannten Fall geht es um die Markierung von Vorprodukten, das Ingredient Branding (Intel bei IBM-Computern, Goretex bei Adidas-Sportbekleidung, Nutrasweet bei Diet Coke; Freter, Hermann/Baumgarth, Carsten 2005). Mit dem Ingredient-Branding will man eine Pull-through-Wirkung erzielen. Endverbraucher sollen das Vorprodukt beim Hersteller nachfragen und eine Sogwirkung auslösen. Dazu muss es sich um ein aus Kundensicht wichtiges Vorprodukt handeln, das erlebbar ist und über einen komparativen Wettbewerbsvorteil verfügt. Zudem ist ein koordiniertes Push- (gegenüber Endproduktherstellern) und Pull-Programm (gegenüber Endkunden) zu initiieren. Hersteller müssen das Ingredient unterstützen. Schließlich ist die Ingredient Brand klar zu kommunizieren.

VII. Management von Markenportfolios


Unter dem Management von Markenportfolios wird das Management horizontaler Markenstrukturen verstanden. Markenportfolios beziehen sich auf mehrere Marken

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in unterschiedlichen Produktkategorien (z.B. führt Procter & Gamble die Marken Mr. Proper (Reinigungsmittel), Ariel (Waschmittel), Punica (Saft), Blend-a-med (Zahnpasta), Pringles (Kartoffelchips) usw.) oder

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in der gleichen Produktkategorie (z.B. führt British American Tobacco im Zigarettenmarkt die Marken Lucky Strike, HB und Gauloises Blondes).


Im letztgenannten Fall spricht man von einer Mehrmarkenstrategie. Hierbei sind die Marken auf den gleichen Markt ausgerichtet, unterscheiden sich durch sachliche oder emotionale Eigenschaften, treten voneinander getrennt im Markt auf und werden innerhalb eines Unternehmens organisatorisch unabhängig voneinander geführt (Meffert, Heribert/Perrey, Jesko 2005, S. 816). Mit einer Mehrmarkenstrategie erhofft man sich eine bessere Marktabdeckung durch Adressierung heterogener Kundenbedürfnisse und demzufolge verschiedener Segmente als bei einer Einzelmarkenstrategie. Demnach ist eine Mehrmarkenstrategie bei Vorliegen unterschiedlicher Segmente sinnvoll, die mit der Positionierung einer einzelnen Marke nicht erreicht werden könnten. Das zentrale Problem der Mehrmarkenführung liegt in den damit verbundenen hohen Kosten, die teilweise durch Synergien auf der Produktionsseite kompensierbar sind. Mehrmarkenstrategien sind durch das Abdecken unterschiedlicher Preissegmente (Rotkäppchen und Mumm-Sekt), unterschiedlicher Bedürfnisse (Lätta, Rama, Becel: Margarinen von Unilever), verschiedener Distributionskanäle oder unterschiedlicher Länder realisierbar.

VIII. Markenarchitekturen zur Strukturierung der Markenbeziehungen im Unternehmen


Unter einer Markenarchitektur versteht man die Anordnung aller Marken eines Unternehmens zur Festlegung der Positionierung und der Beziehung der Marken und der jeweiligen Produkt-Markt-Beziehungen (Aaker, David A./Joachimsthaler, Erich A. 2000; Esch, Franz-Rudolf/Bräutigam, Sören 2005, S. 841). Die Notwendigkeit der Strukturierung der Marken im Unternehmen ergibt sich daraus, dass durch ein wachsendes Angebots- und Markenportfolio, durch Mergers & Acquisitions sowie durch sich verschärfende Anforderungen der Märkte Synergien zwischen Marken erzielt werden sollen, ohne dass dabei eine notwendige Eigenständigkeit der Marken verloren geht. Da die horizontale Beziehung der Marken im Unternehmen zueinander bereits bei Markenportfolios geklärt wird, beziehen sich die folgenden Ausführungen auf die vertikalen Beziehungen der Marken im Unternehmen zueinander. Entsprechend werden komplexe Markenarchitekturen als Architekturen definiert, bei denen zwei oder mehr Marken auf unterschiedlichen Hierarchieebenen zur Markierung von Angeboten angeordnet sind. So bietet beispielsweise Schwarzkopf von Henkel u.a. die Haartönungsmarke Poly mit unterschiedlichen Submarken, z.B. Diadem, an.
Bei Markenarchitekturen ist die Logik der Anordnung zu optimieren. Dabei sind die Interessen verschiedener Anspruchsgruppen zu beachten. Während beispielsweise die Unternehmensmarke besonders relevant für den Finanzmarkt oder potenzielle High Potentials sein mag, spielt die Produktmarke oft eine größere Rolle gegenüber Kunden. Allerdings ist bekannt und belegt, dass eine Verbesserung des Images der Unternehmensmarke generell die Performance eines Unternehmens verbessert (Gregory, James R./Wiechmann, Jack G. 1997, S. 21). Zudem kann die Unternehmensmarke bei einer entsprechenden Markenstärke neue Produktmarken schneller in den Markt hebeln (Esch, Franz-Rudolf 2005, S. 421 f.).
Zur Entwicklung einer „ optimalen “ Markenarchitektur sind drei Analysebereiche von zentraler Bedeutung:

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der Grad der realisierbaren Synergien zwischen der Unternehmensmarke und den Produkt- oder Familienmarken. Dieser richtet sich danach, inwieweit die Markenidentitäten und Markenpositionierungen der Marken übereinstimmen und man gleiche oder verschiedene Zielgruppen anspricht,

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die Rolle der Marken im Markt. Hier geht es darum zu erfassen, welche der beteiligten Marken kaufrelevanter sind,

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der Hebel der Marken. Eine Marke hat dann einen starken Hebel, wenn sie ein ausgeprägtes Markenwissen bei den Kunden aufgebaut hat.


IX. Markenkontrolle


Das Markencontrolling dient der Informationsversorgung und Beratung aller mit der Markenführung befassten Manager sowie der Koordination und Unterstützung markenspezifischer Planungs-, Steuerungs- und Kontrollprozesse im Unternehmen (vgl. Meffert, Heribert/Koers, Martin 2001, S. 5).
Wesentliche Markenkontrollaspekte betreffen dabei die Kontrolle der Ziele der Markenführung und der geplanten Maßnahmen, die Kontrolle der Umsetzung der Ziele und Maßnahmen in konkrete Handlungen sowie die Ergebniskontrolle der Markenführung. Voraussetzung dafür ist, dass ein komplettes Controllingsystem mit relevanten Kontrollgrößen und deren Zusammenspiel entwickelt wurde. Solche komplexen Systeme in Reinform liegen in den Unternehmen allerdings selten vor. In einem Controllingsystem sind folgende Aspekte abzubilden (vgl. ähnlich Meffert, Heribert/Koers, Martin 2001, S. 12):

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Zeitpunkt und Zeitraum der Betrachtung: So können Markenmaßnahmen vor dem Einsatz im Markt (ex ante) und danach (ex post) kontrolliert werden. Zudem kann es sich gerade ex post um zeitpunkt- bzw. zeitraumbezogene Messungen halten. Im letztgenannten Fall beträfe dies die Durchführung von Markentrackings, Werbetrackings oder Panelstudien.

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Zielgrößen der Messung: Hierbei kann es sich entweder um ökonomische (quantitative) Zielgrößen, wie Umsätze oder Erträge, oder um verhaltenswissenschaftliche (qualitative) Zielgrößen, wie das Image oder die Bekanntheit, handeln.

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Ausrichtung: die Betrachtung innerhalb des Unternehmens (intern) oder außerhalb des Unternehmens (extern).


Häufig wird in diesem Zusammenhang die Entwicklung einer Brand Scorecard gefordert, die analog zu einer Balanced Scorecard aufgebaut werden kann. Von zentraler Bedeutung für die Markenführung ist dabei die Ermittlung des Markenwertes. Hierbei sind zwei Varianten zu unterscheiden: der Markenwert in den Köpfen der Anspruchsgruppen als Messung der qualitativen Markenstärke sowie die Messung des monetären Markenwerts. Zur Messung der qualitativen Markenstärke liegen zahlreiche Ansätze vor, die auf verhaltenswissenschaftliche Größen zur Messung zurückgreifen, wie sie bei den Zielen der Markenführung aufgeführt wurden (Markenbekanntheit, Markenimage, Markenvertrauen, Markenbindung usw.; Esch, Franz-Rudolf 2005). Die qualitative Markenstärke ist die Voraussetzung zur Ermittlung eines monetären Markenwerts. Hierbei sind grob gesprochen folgende Schritte zu vollziehen:

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Es ist eine qualitative Markenstärke zu ermitteln. Diese reflektiert den heutigen Wert in den Köpfen der Kunden und bildet die Grundlage für das künftige Wachstum.

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Die auf die Marke zurückführbaren Einzahlungsüberschüsse sind zu ermitteln. Dazu sind die durch die Marke erzielbaren Umsätze abzuschätzen, was in der Regel über die Ermittlung eines Preispremiums relativ zu den Wettbewerbsmarken bzw. zu nicht-markierten Angeboten erfolgt. Von den Umsätzen sind die markenspezifischen Kosten abzuziehen (für Werbung, ein aufwändiges Produktdesign usw.). Da der Markenwert ein zukunftsorientierter Wert ist, wird von einer ewigen Rente ausgegangen, sodass entsprechend die markenspezifischen Einzahlungsströme auf den jetzigen Zeitpunkt diskontiert werden.

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Es ist qualitativ abzuschätzen, ob durch Ansprache neuer Zielgruppen, die Entwicklung neuer Produkte oder die Adressierung neuer Märkte mit der Marke noch weiteres Wachstum möglich ist (Realoptionen).

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Die drei vorab genannten qualitativen und quantitativen Größen sind miteinander zu einem gesamten monetären Markenwert zu verknüpfen.


Zur Markenwertberechnung liegen eine Reihe mehr oder weniger überzeugender Modelle vor (Esch, Franz-Rudolf 2005). Die Ausführungen haben allerdings deutlich gemacht, dass es noch eine Vielzahl von Schätzproblemen gibt, die entsprechende Freiheitsgrade bei der Markenwertberechnung zulassen. Gerade mit Blick auf den zeitlichen Vorlauf verhaltenswissenschaftlicher gegenüber ökonomischen Größen ist deshalb die qualitative Markenstärke für die Markenführung von besonderer Relevanz.
Literatur:
Aaker, David A./Joachimsthaler, Erich A. : Brand Leadership, New York 2000
Becker, Jochen : Einzel-, Familien- und Dachmarken als grundlegende Handlungsoptionen, in: Moderne Markenführung, hrsg. v. Esch, Franz-Rudolf, 4. A., Wiesbaden 2005, S. 381 – 402
Berekoven, Ludwig : Zum Verständnis und Selbstverständnis des Markenwesens, in: Markenartikel heute. Marke, Markt und Marketing, hrsg. v. Andreae, Clemens-August, Wiesbaden 1978, S. 35 – 48
Binder, Christof U. : Lizensierung von Marken, in: Moderne Markenführung, hrsg. v. Esch, Franz-Rudolf, 4. A., Wiesbaden 2005, S. 523 – 548
Bruhn, Manfred : Begriffsabgrenzungen und Erscheinungsformen von Marken, in: Handbuch Markenführung. Kompendium zum erfolgreichen Markenmanagement. Strategien – Instrumente – Erfahrungen, hrsg. v. Bruhn, Manfred, 2. A., Wiesbaden 2004, S. 3 – 50
Domizlaff, Hans : Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens. Ein Lehrbuch zur Markentechnik, Hamburg et al. 1939
Esch, Franz-Rudolf : Strategie und Technik der Markenführung, 3. A., München 2005
Esch, Franz-Rudolf/Bräutigam, Sören : Analyse und Gestaltung komplexer Markenarchitekturen, in: Moderne Markenführung, hrsg. v. Esch, Franz-Rudolf, 4. A., Wiesbaden 2005, S. 839 – 861
Esch, Franz-Rudolf/Langner, Tobias : Branding als Grundlage zum Markenaufbau, in: Moderne Markenführung, hrsg. v. Esch, Franz-Rudolf, 4. A., 2005, S. 573 – 586
Esch, Franz-Rudolf/Redler, Jörn : Anchoringeffekte bei der Urteilsbildung von Markenallianzen. Die Bedeutung von Markenbekanntheit, Markenimage und Produktkategoriefit, in: Marketing ZFP, Jg. 27, H. 2/2005, S. 79 – 97
Freter, Hermann/Baumgarth, Carsten : Ingredient Branding. Begriff und theoretische Begründung, in: Moderne Markenführung, hrsg. v. Esch, Franz-Rudolf, 4. A., Wiesbaden 2005, S. 455 – 480
Gregory, James R./Wiechmann, Jack G. : Leveraging the Corporate Brand, Lincolnwood 1997
Kaas, Klaus P. : Langfristige Werbewirkung und Brand Equity, in: Werbeforschung & Praxis, Jg. 35, H. 3/1990, S. 48 – 52
Kapferer, Jean-Noel : Die Marke. Kapital des Unternehmens, Landsberg et al. 1992
Kapferer, Jean-Noel : The New Strategic Brand Management. Creating and Sustaining Brand Equity Long Term, 3. A., London 2004
Keller, Kevin L. : Conceptualizing, Measuring and Managing Customer-Based Brand Equity, in: Journal of Marketing, Jg. 57, 1993, S. 1 – 22
Kroeber-Riel, Werner/Esch, Franz-Rudolf : Strategie und Technik der Werbung, 6. A., Stuttgart 2004
Langner, Tobias : Integriertes Branding. Baupläne zur Gestaltung erfolgreicher Marken, 2. A., Wiesbaden 2006
Meffert, Heribert/Burmann, Christoph : Abnutzbarkeit und Nutzungsdauer von Marken. Ein Beitrag zur steuerlichen Behandlung von Warenzeichen, in: Unternehmensrechnung und -besteuerung. Grundfragen und Entwicklung, hrsg. v. Meffert, Heribert/Krawitz, Norbert, Wiesbaden 1998, S. 75 – 126
Meffert, Heribert/Koers, Martin : Markencontrolling. Theoretische Grundlagen und konzeptionelle Ausgestaltung auf Basis der Balanced Scorecard, Arbeitspapier Nr. 143, hrsg. v. Wissenschaftliche Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung e.V., Münster 2001
Meffert, Heribert/Perrey, Jesko : Mehrmarkenstrategien. Ansatzpunkte für das Management von Markenportfolios, in: Moderne Markenführung, hrsg. v. Esch, Franz-Rudolf, 4. A., Wiesbaden 2005, S. 811 – 838
Mellerowicz, Konrad : Markenartikel. Die ökonomischen Gesetze ihrer Preisbildung und Preisbindung, München et al. 1963
Sattler, Henrik : Markenpolitk, Stuttgart 2001
Simonin, Bernhard L./Ruth, Julie A. : Is a Company Known by the Company It Keeps? Assessing the Spillover Effects of Brand Alliances on Consumer Brand Attitudes, in: Journal of Marketing Research, Jg. 35, H. 1/1998, S. 30 – 42

 

 


 

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