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Absatzwirtschaft


Inhaltsübersicht
I. Die Abgrenzungen
II. Gesamtwirtschaftliche Aspekte
III. Einzelwirtschaftliche Aspekte
IV. Zur Zukunft der Hersteller-Handels-Beziehungen

I. Die Abgrenzungen


Der Begriff Absatzwirtschaft kann gesamtwirtschaftlich und einzelwirtschaftlich definiert werden. In gesamtwirtschaftlicher Sicht kann die Absatzwirtschaft als Element einer Dreiteilung der Wirtschaft aufgefasst werden, deren weitere Sektoren die Produktionswirtschaft und die Verbrauchswirtschaft im Sinne der Konsumwirtschaft darstellen.
Indirekt kann aus dem klassischen Begriff der Absatzwirtschaft auch an das zurzeit paradigmatisch in den Vordergrund tretende Konzept der Kreislaufwirtschaft angeknüpft werden, bei dem eine generelle Wiederverwertung der Rohstoffe angestrebt wird (vgl. Abb. 1).
Absatzwirtschaft
Abb. 1: Das Konzept der Kreislaufwirtschaft
Schäfer, auf den der Begriff „ Absatzwirtschaft “ und seine wissenschaftliche Durchsetzung zurückgehen, spricht von einer annähernd synonymen Verwendung gegenüber älteren Ausdrücken wie »Handel«, »Güterverteilung« und »Distributionswirtschaft« (Schäfer, E. 1974).
Bemerkenswerterweise wird der Begriff Absatzwirtschaft seit Anbeginn gleicherweise für jede Sichtweise von Transaktionen, d.h. für Einkaufs- wie Verkaufstransaktionen, verwendet.
Unter Absatzwirtschaft werden in funktionaler Sicht alle selbstständigen oder an Produktionsunternehmen und Endverwender angegliederten Aktivitäten der Übertragung von Gütern – vor allem von Waren und Dienstleistungen, aber auch von Immobilien, Rechten oder Informationen – bezeichnet. Hier ist eine Parallelität zum Marketing gegeben, das jedoch zusätzlich auch über- und außerwirtschaftliche Transaktionen einbezieht, z.B. soziales und politisches Marketing.
In institutioneller Sicht gehören die Absatz- und Beschaffungsabteilungen aller Produktions- und Dienstleistungsbetriebe sowie der Groß- und Einzelhandel zur Absatzwirtschaft.
Die klassische Gliederung der Institutionen der Absatzwirtschaft betrifft:

1.

den selbstständigen Handel, dies sind Nur-Handelsbetriebe: Großhandel und Handelsvermittlung sowie Einzelhandel;

2.

den angegliederten Handel, dies sind Auch-Handelsbetriebe: Beschaffungs- und Absatzabteilungen von Produktions- und Endverwenderbetrieben;

3.

Hilfsbetriebe der Absatzwirtschaft.


Teilweise werden private Haushalte als Betriebe aufgefasst, soweit sie wirtschaftliche Aktivitäten erledigen (Seyffert, R. 1961).
Alle intermediären Prozesse und Institutionen der physischen oder dispositiven Weiterleitung von Gütern einschließlich der kommerziellen Transaktionen gehören zur Absatzwirtschaft. Dies bedeutet, dass neben den Handelsbetrieben auch die Hilfsbetriebe der Absatzwirtschaft einzubeziehen sind, mit deren Hilfe die Transaktionen gefördert werden.
Zu den Hilfsbetrieben der Absatzwirtschaft bzw. des Handels zählen insbesondere die Märkte, die Messen, die Ausstellungen, die Musterlager, die Marts (ständige Ausstellungen), die Auktionen, die Einschreibungen, die Ausschreibungen und die Börsen (Tietz, B. 1993).
Sie übernehmen spezielle Marketing-Aufgaben für die Unternehmen, betreiben aber ihrerseits auch eine eigenständige Marketing-Strategie, z.B. die Planung bei der Gewinnung von Ausstellern und Besuchern. Sie erfüllen folgende Aufgaben:

1.

die Erleichterung des Informationsaustauschs,

2.

die Erleichterung des dispositiven Warenaustauschs,

3.

die Erleichterung des physischen Warenaustauschs.


Die Hilfsbetriebe tragen zur Verbesserung der Marktbedingungen bei, indem sie die Reaktionsverbundenheit, die Reaktionsgeschwindigkeit und die Markttransparenz fördern.
Schäfer wählt folgende Gliederung der absatzwirtschaftlichen Organe (Schäfer, E. 1950):

1.

Verkaufsorgane der Produktionsbetriebe beim einzelnen Unternehmen (Innenorganisation, Außenorganisation),
– bei einer Mehrheit von Unternehmungen (z.B. gemeinschaftliche Musterlager, Konzern-Verkaufsbüro, Absatzkartelle);

2.

reine oder selbstständige absatzwirtschaftliche Organe
Absatzmittler (Handelsbetriebe, Produktionsbetriebe als Absatzmittler),
– selbstständige Absatzhelfer (Handelsvertreter, Kommissionäre, Handelsmakler),
– überbetriebliche absatzwirtschaftliche Institutionen (Gemeinschaftsorgane des Handels wie z.B. Einkaufsverbände, Marktinstitutionen);

3.

Einkaufsorgane der Verwender (z.B. Einkaufsniederlassungen, Konsumgenossenschaften).


Weiter kann man die Absatzwirtschaft auch nach Gütern und darauf beruhenden Transaktionsgegenständen (Commodity approach) gliedern, z.B. in

1.

den Warenhandel,

2.

den Dienstehandel einschließlich des Handels mit Finanzdienstleistungen,

3.

den Handel mit sonstigen Gütern, so Immobilien, Unternehmen.


Eine weitere Differenzierungsmöglichkeit bezieht sich auf die Transaktionstypen, so

-

Kaufverträge »Gut gegen Geld« oder Tauschverträge »Gut gegen Gut«,

-

sonstige Überlassungsverträge zur dauerhaften oder zeitlich begrenzten Nutzung und Verwendung von Gütern, so Miete, Pacht, Leasing.


Gerade bei internationalen Transaktionen haben Kompensationsgeschäfte und Barter Trade eine zunehmende Bedeutung, deren Anteil auf bis zu einem Viertel des Welthandels geschätzt wird. Bei Immobilien haben Miet-, Pacht- und Leasingverträge, bei Unternehmen Management-, Lizenz- und passive Lohnveredelungsverträge oder das Franchising Verbreitung.

II. Gesamtwirtschaftliche Aspekte


Wurde der Wirtschaftsprozess bisher primär als Transformation der Naturstoffe und Naturkräfte auf den Menschen hin konzipiert, so wird eine ökologisch und biologisch orientierte Absatzwirtschaft die anthropozentrische Betrachtung zugunsten einer naturschützenden bis naturdominanten Orientierung aufgeben.
In gesamtwirtschaftlicher Sicht sind der Absatzwirtschaft alle Leistungen zuzuordnen, die die Transaktionen zwischen der Urproduktion über die Abbau- und Anzuchtproduktion bis zur Rückführung in einen erneuten Produktionsprozess oder – wegen fehlender Eignung für weitere Produktionsprozesse – bis zur Zerstörung, z.B. Pyrolyse, oder Endlagerung zum Gegenstand haben.
Zur Produktionswirtschaft gehören die Gewinnung von Produkten in Bergbau, Landwirtschaft und durch Stoff umwandelnde Prozesse sowie ihre Rückführung in erneute Stoff umwandelnde Prozesse bis zur endgültigen Lagerung oder Umwandlung durch Pyrolyse.
Zur Konsumwirtschaft gehören der Verbrauch und die Nutzung durch Endverwender, vor allem durch Konsumenten, bis zur Rückführung der Produkte in erneute Produktionsprozesse oder zur Herausnahme aus dem Bereich der bewirtschafteten Stoffe.
Diese Produktions- und Endverwertungsprozesse können sich auch auf Dienstleistungen beziehen.
Zu einer ganzheitlichen Erfassung des Phänomens Absatzwirtschaft tritt neben die Gliederung nach Institutionen eine Auffächerung nach Funktionen, Prozessen oder Aktivitäten. Dabei wird mit langer Tradition zwischen eher materiell-physischen oder immateriell-dispositiven Aspekten unterschieden, einmal nach Gliederungen in quantitativer, qualitativer, zeitlicher und räumlicher Sicht, oder in Gliederungen nach kommunikativen und informativen oder präferenziellen Aspekten.
Bei der Gliederung nach Institutionen wie Aktivitäten ist primär zu fragen, nach welchen Kriterien welche Aktivitäten erledigt werden und welche Institutionen in die Absatzkette eingeschaltet sein sollen. Dies führt zu dem Ergebnis, dass diese Fragen nicht unabhängig vom gesellschaftlichen Leitbild und damit vom angestrebten gesellschaftlichen System beantwortet werden können.
Jede konkrete Lösung bei der Gestaltung von absatzwirtschaftlichen Aktivitäten und Institutionen ist ideologieabhängig. Daher können rein ökonomische Kriterien der Wirtschaftlichkeit erst nach Fixierung der gesellschaftspolitisch gewünschten Rahmenbedingungen erfolgen. Das Wirtschaftlichkeits- und Produktivitätsprinzip wie auch das dahinter stehende, in seiner Bedeutung auch die Produktions- und Verwendungswirtschaft umfassende Schär\'sche Gesetz (Schär, J. F. 1911) sind somit technologisch leitbild- oder systemneutral, aber im Ergebnis von den ideologischen Einflüssen auf die Wirtschaft abhängig.
Einfluss auf die Ausgestaltung der Absatzwirtschaft haben insbesondere:

-

die gesellschaftlichen und individuellen Werte,

-

der technische Fortschritt und die Freiheitsgrade seiner Nutzung,

-

die Öko- und Biokomponenten,

-

die nationalen, supranationalen und internationalen Steuerungselemente in der Wirtschaft.


Eine konsequente Gliederung der Wirtschaft in die Bereiche Stoff umwandelnde Produktion, Transaktion – auch: Absatzwirtschaft, Distribution – und Konsum sowie die übergeordneten Bereiche wie Gesundheitswesen, Bildungswesen, Verwaltung hat weit reichende Konsequenzen.
Zu den zentralen gesamtwirtschaftlichen Fragestellungen gehören die Einschaltung und Ausschaltung von absatzwirtschaftlichen Betrieben und Hilfsbetrieben in die Beschaffungs- und Absatzwege. Viel zu einseitig und verkürzt wird diese Diskussion oft auf die Konzentration beschränkt. Dabei entstehen im Zeitablauf differenzierte Umgliederungen. Handelsbetriebe übernehmen Produktionsfunktionen, und Industriebetriebe gliedern ihre Beschaffungs- und Absatzabteilungen auf Handelsbetriebe aus.
Auch Spezialisierungen der absatzwirtschaftlichen Aktivitäten entstehen, so Umgliederungen von Lägern oder Logistikinstitutionen zwischen Hersteller und Handel oder innerhalb der Handelsstufen zwischen Großhandel und Einzelhandel, dies in beiden Richtungen, u.U. bei gleichen Unternehmen nach Produktgruppen differenziert.
Aus der ganzheitlichen Betrachtung des selbstständigen und angegliederten Handels einerseits und den mit ihnen im Rahmen der Arbeitsteilung zunehmend verzahnten Dienstleistungen andererseits ergibt sich eine veränderte Sicht der Wirtschaftssektoren. Die Gesellschaft befindet sich auf dem Weg zu einer noch bedeutenderen Dominanz der Absatzwirtschaft und damit auf dem Weg zur Wiederkehr der Händlergesellschaft (Tietz, B. 1994).
So muss man zunächst erkennen, dass die Produktionstätigkeit der Industrie im Gefüge der Aktivitäten stark rückläufig ist. Bei insgesamt etwa 28% Anteil der statistisch erfassten Industriebeschäftigten an allen Beschäftigten in Deutschland dürfte kaum mehr als die Hälfte von ihnen Waren herstellen oder Forschung und Entwicklung für Waren betreiben. Der Rest der Mitarbeiter befasst sich mit Aufgaben der Beschaffung und des Absatzes sowie mit der Systemsteuerung. So sei erwähnt, dass Firmen wie Seidensticker, Triumph (unter 10%), Adidas (4%) nur Bruchteile ihrer Produktion im Inland oder auch als Eigenproduktion im Ausland erstellen. Der größte Anteil entfällt auf Produktion auf der Basis von Lizenzen, Gestattung, passiver Lohnveredelung oder Management- und Franchiseverträgen.
Frühere Herstellerunternehmen sind primär absatzwirtschaftliche oder handelsorientierte Systemköpfe geworden, die weltweit Kapazitäten schaffen, dort produzieren lassen und weltweit vermarkten. Bei vielen Konsumgütern liegen die Wertschöpfungsanteile am Endpreis Mitte der 1990er-Jahre etwa wie folgt: 25% Produktion, 20 bis 25% Logistik, 50 bis 55% Marktbearbeitung und Handel.
In vielen Bereichen erfolgt eine Beeinflussung und Steuerung der Produktion auch durch den Handel, so bei der Herstellung von Handelsmarken oder Exklusivprodukten. Beispiele sind The Limited, Ikea und C&A. Überdies beteiligt sich der Handel nicht nur an den Entsorgungstransaktionen, sondern auch an der Entsorgungsproduktion. Daraus folgt eine beachtliche Hybridisierung zwischen Produktion und Absatz.
Weiter ist zu beachten, dass im Rahmen der Welle der Arbeitsteilung Mitte der 1990er-Jahre Industriebetriebe ihre Vertriebsgesellschaften zunehmend rechtlich verselbstständigt haben. Sie wurden dadurch zu eigenständigen absatzwirtschaftlichen Institutionen und Handelsbetrieben.
Durch die zunehmende Freizeit ist eine erhebliche Produktion der Konsumenten im Rahmen der Freizeitarbeit entstanden. Die Produktionsleistung der Konsumenten erreichte, einschließlich der Entnahme von Rohstoffen und Halbfertigwaren in Baumärkten und bei anderen Handelsanbietern, in Deutschland zu Beginn der 1990er-Jahre etwa ein Drittel aller Neubau- und Renovierungsinvestitionen an Wohnbauten, ohne im Bruttosozialprodukt entsprechende Berücksichtigung zu finden!
Eine weitere Frage betrifft die hierarchische Gliederung der Absatzwirtschaft und damit des Handels in Groß- und Einzelhandel einerseits und Waren- und Dienstehandel andererseits. Dabei geht es einmal um die Frage, welche Einflüsse die Absatzwirtschaft prägen, und zum anderen darum, welche Absatzwirtschaft unabhängig davon gesellschaftspolitisch gewollt wird.
Das neue Leistungsspektrum des Handels ist dadurch gekennzeichnet, dass er affine Diensteabteilungen, die er für seine Tätigkeit überwiegend oder zwangsläufig benötigt, entweder integriert und divisionalisiert oder sich in vertraglicher Vernetzung regelmäßig und auf Dauer intermediärer Servicespezialisten bedient.
Es liegt daher nahe, diesen intermediären Bereich der Waren- und Dienstetransaktionen und die selbstständigen intermediären Dienstleistungen strukturell als Einheit zu begreifen und in einen intermediären Transaktions- und Servicebereich und einen konsumentenverbundenen Versorgungsbereich zu differenzieren. Dadurch entsteht ein neuer Denkansatz für die Abgrenzung der Wirtschaftssektoren (Tietz, B./Greipl, E. 1994):

-

Produktionsbereich: Landwirtschaft, Bergbau, Industrie, produzierendes Handwerk, Bauhauptgewerbe, produktionsaffine Dienste,

-

intermediärer Bereich/intermediärer Transaktions- und  Servicebereich: Großhandel und ein erheblicher Teil gewerblicher Dienstleistungen sowie intermediär affine Dienste einschließlich intermediärer Verkehr, Banken und Versicherungen,

-

konsumentenverbundener Versorgungsbereich: Einzelhandel, Gastronomie, Hotellerie, konsumnahe Dienstleistungen, Handelsbereich des Lebensmittelhandwerks, konsumtentenaffine Dienste einschließlich konsumentenverbundener Verkehr, Banken und Versicherungen,

-

Konsumentenbereich: Bereich der privaten Haushalte,

-

übergewerbliche Servicebereiche: Kunst, Kultur, Gesundheitswesen, öffentliche Verwaltung, Bildung.


Es erscheint prüfenswert, diesen Konzeptansatz neben der klassischen Produktbranchen- oder Problemorientierung zur Grundlage politischer, wirtschaftspolitischer und verbandspolitischer Differenzierungen zu entwickeln. Ziel ist eine zweckmäßigere Problem- und Entscheidungsfindung mit sparsamerer Verwertung von Ressourcen und besseren Problemlösungen als bisher.
Wenn sich die Auffassungen über die Vorteilhaftigkeit veränderter Gliederungskriterien der Wirtschaft national wie internationale durchsetzen sollten, würden sich daraus erhebliche Konsequenzen für Politik, Wirtschaftspolitik, Wirtschaftsrecht und Verbandspolitik ergeben. Dies hätte zur Folge, dass sich teilweise auch eine Neubündelung von Institutionen und institutionellen Zuständigkeiten sowie eine veränderte  Arbeitsteilung bei der Aufgabenerfüllung ergeben. Beispiele sind Zuständigkeiten und Gremien in den politischen Parteien, z.B. in den Ausschüssen, in der Verwaltung, z.B. in den Ministerien, insbesondere im Wirtschaftsministerium, sowie in allen Verbänden, auch in den Spitzenverbänden.
Der Großhandel erhält danach im Rahmen der Absatzwirtschaft einen veränderten Stellenwert. Der Großhandel im umfassenden Sinne wird als Träger der intermediären Warentransaktion, noch mehr aber als Träger eines umfassenden intermediären Dienstleistungssystems ein für die Funktionsfähigkeit und Effizienz der Volkswirtschaft zentraler Wirtschaftsbereich. Mit der Ausweitung der Markträume in den EG-Binnenmarkt und nach Osteuropa werden der intermediäre Transaktions-, Dienstleistungs- und Kommunikations- sowie Redistributionsbedarf und damit auch die Funktionsanforderungen an den Großhandel progressiv zunehmen.
Auch durch die Ausweitung des Blickfeldes auf eine umfassende Versorgungsfunktion des Einzelhandels wird dieser zweite wichtige Bereich der Absatzwirtschaft neu bewertet. Ihm werden die konsumnahen Dienstleistungen zugeordnet.
Entsprechend ist der Aufbau eines die Gesamtheit der intermediären Transaktions- und Dienstleistungsfunktionen umspannenden Großhandelsverbandswesens und eines die gesamte Konsumentenversorgung umfassenden Einzelhandelsverbandswesens zu überprüfen.
Es spricht alles dafür, dass in Zukunft insbesondere der intermediäre Bereich zur tragenden Säule der wirtschaftlichen Dynamik werden wird und damit das Schlagwort der postindustriellen Gesellschaft eine nachvollziehbare Konkretisierung erhält. Weiter kann davon ausgegangen werden, dass in der augenblicklichen Phase der Internationalisierung, Informatisierung und Ökologisierung eine veränderte Sichtweise der Vernetzung in der Wirtschaft Produktivitätsvorsprünge bewirken kann.
Weiter gibt es in unterschiedlichen Kulturkreisen spezifische Ausprägungen der Absatzwirtschaft. Hier sei als Beispiel darauf hingewiesen, dass der Stellenwert von Handel und Absatzwirtschaft bereits zwischen Europa und Nordamerika erhebliche Unterschiede aufweist. Kulturelle Unterschiede in der Absatzwirtschaft bestehen nach wie vor selbst innerhalb der Staaten der Europäischen Union, z.B. zwischen Nord- und Südeuropa.
Noch weit größer sind die Unterschiede zwischen den aus einer westlichen Ideologie heraus wirtschaftenden Großkonzernen aus Europa oder Nordamerika und japanischen Unternehmen (Sogo Shosha) sowie Unternehmen aus anderen Gebieten in Fernost.
So hat es in Japan stets und ohne Unterbrechung eine Dominanz der Absatzwirtschaft gegeben. Die Händlergesellschaft hat nie eine Unterbrechung durch eine Produktions- oder genauer Industriedominanz erfahren. In Europa und Nordamerika wird immer wieder auf die Schwächen der japanischen Absatzwirtschaft hingewiesen, dies unter Hinweis auf eine wenig verständliche Komplexität im Großhandel. Faktum ist, dass das kommerzielle Know-how in Japan dadurch sehr hoch ist und auch internationalisiert wird. Wie sich noch zeigen wird, dürften weitere Facetten in islamisch geprägten Regionen auftreten. Unter futurologischem Aspekt ist zu fragen, wie die derzeit gravierenden Wandlungen des Binnen- und Außenhandel durch mehrere Marktunionskonzepte – wie Europäische Union (EU), North-American Free Trade Agreement (NAFTA) oder Association of South East Asean Nations (ASEAN) – und die höchst unterschiedlichen Affinitäten und Aversionen in den Bereichen Ökologie, Information und technischer Fortschritt auf die Absatzwirtschaft wirken.

III. Einzelwirtschaftliche Aspekte


Jeder Betrieb ist in einer arbeitsteiligen Wirtschaft zur Sicherung und Weiterentwicklung seiner Existenz mit anderen Institutionen durch Absatz- und Beschaffungsaktivitäten verbunden. Der zunehmende Grad der Arbeitsteilung, der gerade in der postindustriellen Phase zu einer Auffächerung der Institutionen führt, vervielfacht die Art und Anzahl der Transaktionen.
Der Bereich der kommerziellen Transaktionen oder der Merkantilbereich (Schäfer, E. 1974) umfasst alle Teilbereiche des Absatzes und der Beschaffung. Dafür wird eine Aktivitätengliederung nach Absatz und Beschaffung vorgeschlagen (vgl. Abb. 2).
Jede Institution hat eine eigenständige Bündelung von Aktivitäten durch Verfahren, mit denen die Aktivitäten erledigt werden. Für eine Rationalisierung oder Ökonomisierung der Absatzwirtschaft aus betrieblicher Sicht ist die Output-Betrachtung der Aktivitäten nicht ohne eine Input-Betrachtung des Faktoreinsatzes und der hinter dem Faktoreinsatz stehenden Verfahren zweckmäßig (Tietz, B. 1976). Damit hat die heute in den Vordergrund tretende Prozessdenkweise eine beachtliche Tradition.
Bereits zu Beginn der 1970er-Jahre wurde die Problemsicht der Absatzwirtschaft und des Marketing weit differenziert, so in Wertmarketing, Systemmarketing, Situationsmarketing, Anpassungsmarketing, sequenzielles Marketing, regional spezifisches Marketing, Global- und Komponentenmarketing, Misch- und Polarisierungsmarketing, Aggregations- und Segmentierungsmarketing und Co-Marketing (Tietz, B. 1975).
Absatzwirtschaft
Abb. 2: Die Aktivitätengliederung bei Absatz und Beschaffung
So wie es gesamtwirtschaftliche Restriktionen gibt, die für die Betriebe externe Daten darstellen, bestehen auch interne Restriktionen bei der Gestaltung von Absatz und Beschaffung. Dazu gehören:

1.

die Qualifikation der Mitarbeiter,

2.

die verfügbaren Sachmittelkapazitäten,

3.

das finanzielle Potenzial,

4.

die verfügbaren komplementären Betriebe,

5.

die Wettbewerbsbedingungen,

6.

die Lieferantenbedingungen,

7.

die Kundenbedingungen.


Schäfer nannte einige dieser Bedingungen Absatzfaktoren, die den absatzwirtschaftlichen Spielraum bestimmen (Schäfer, E. 1936).
Zur Absatzwirtschaft in einzelbetrieblicher Sicht gehören weiter die Fixierung von Zielen und der Einsatz des grundstrukturpolitischen sowie beschaffungs- und absatzpolitischen Instrumentariums. Zur Grundstrukturpolitik sind zu zählen (Tietz, B. 1976):

1.

die Instrumente der Markteinpassung: die Stellung in der Handelskette, die Anzahl der Handelsstufen, die Absatzreichweite – die Absatzbasis, die Beschaffungsreichweite – die Beschaffungbasis, der Standort, die Branche – der Warenkreis;

2.

die Instrumente Betriebsgröße und Rechtsform: die Betriebsgröße und die Systemgröße, die Rechtsform;

3.

die Instrumente der Programm- und Institutionenvariation: die Diversifikation und die Spezialisierung, die Kooperation, die Fusion und die Entflechtung;

4.

die Instrumente zur Schaffung der Faktorgrundlagen und die Kapitalbasis: die Personalbasis, die Managerbasis, die Sachmittelbasis, die Kapitalbasis;

5.

die Sicherheitsbasis.


Für das absatz- und beschaffungspolitische Instrumentarium sind mehrere ursprünglich aus der amerikanischen Literatur übertragene Gliederungen entstanden:

-

Die Basisgliederung:  Produktpolitik, Distributionspolitik, Kontrahierungspolitik, Kommunikationspolitik (Meffert, H. 1991, aber ähnlich bereits Gutenberg, E. 1984).

-

Erweiterte Gliederungen: waren- und dienstleistungsbezogene Instrumente, entgeltbezogene Instrumente, nebenleistungsbezogene Instrumente – die Kundendienstpolitik, informations- und kommunikationsbezogene Instrumente – die Kontaktinstrumente, die Absatzwegepolitik, die absatzorientierten Warenprozessinstrumente (Tietz, B. 1976, etwas andere Gliederung bei Nieschlag, R./Dichtl, E./Hörschgen, H. 1994).


Bei der einzelwirtschaftlichen Betrachtung der Absatzwirtschaft steht der entscheidungsorientierte Ansatz auf der Basis sekundärer Werturteile, d.h. der in Deutschland im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft üblichen Ziele, im Vordergrund. Hier dürften sich durch die fundamentale Veränderung wichtiger Rahmendaten in Zukunft beachtliche Veränderungen ergeben. Damit schließt sich der Kreis zur makroökonomischen Betrachtung.

IV. Zur Zukunft der Hersteller-Handels-Beziehungen


Aus der Sicht des Handels und somit auch der Absatzwirtschaft lassen sich für die Beziehungen zur Industrie mehrere Entwicklungstendenzen herausstellen:

1.

die Industrie als Auftragnehmer des Handels für eigene Produktentwicklungen und für eigene Marken,

2.

der Aufbau von Großhandelssystemen durch die Industrie mit vollen Sortimenten, teils als nochmalige Weiterentwicklung der Werkhandelsgesellschaften,

3.

die Ausgliederung von Logistik-/Serviceleistungen und des Vertriebs durch die Industrie auf den Handel,

4.

die Rückintegration von Logistik und Service von Großhandel auf die Industrie,

5.

neue Gegenseitigkeitskonzepte in Form des Relationship Marketing mit lockerer oder straffer Kooperation,

6.

isolierte Strategien ohne Koordination mit Konkurrenz und Preiskampf zwischen Industrie und Handel.


Die Ausweitung der supranationalen Marktverbindungen wird zu einer Ausdehnung der Beschaffungsreichweite führen, zusätzliche Anforderungen an die Dispositionsfähigkeit des Handels stellen und Wandlungen der Bindungen mit Herstellern zur Folge haben. Die Exklusivbindungen zwischen Hersteller und Großhandel werden zunehmen, diejenigen zum Einzelhandel dagegen abnehmen.
Zu den Beziehungen zwischen Industrie und Handel wird auch die Optimierung der Standorte von Industrie und Handel gehören.
Die informatorischen Konzepte mit einer sich weiter konzentrierenden Zentralregulierung werden mit neuen Formen der Logistik, vor allem einer Vereinheitlichung der Industrie- und Handelslogistik, bis hin zu einer regionalen Systemlogistik einhergehen. Diese Logistikkomplexe werden gemeinsam von Industrie und Handel finanziert werden.
Die Durchvertikalisierung von der Industrie über den Großhandel bis zum Einzelhandel oder zum gewerblichen Verbraucher wird zunehmen.
Literatur:
Gutenberg, E. : Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, 2. Bd.: Der Absatz, 17. A., Berlin et al. 1984
Meffert, H. : Marketing, 7. A., Wiesbaden 1991
Nieschlag, R./Dichtl, E./Hörschgen, H. : Marketing, 17. A., Berlin 1994
Schäfer, E. : Über die künftige Gestalt der Absatzlehre, in: Um die Zukunft der deutschen Absatzwirtschaft, hrsg. v. Bergler, G/Schäfer, E., Berlin 1936
Schäfer, E. : Die Aufgabe der Absatzwirtschaft, 2. A., Köln/Opladen 1950
Schäfer, E. : Absatzwirtschaft, in: HWA, hrsg. v. Tietz, B., Stuttgart 1974, Sp.186 – 193
Schär, J. F. : Allgemeine Handelsbetriebslehre, 5. A., Leipzig 1923
Seyffert, R. : Wirtschaftslehre des Handels, 4. A., Köln/Opladen 1961
Tietz, B. : Neuorientierung des Marketing, München 1975
Tietz, B. : Die Grundlagen des Marketing, Bd. 2: Die Marketing-Politik, München 1976
Tietz, B. : Der Handelsbetrieb, 2. A., München 1993
Tietz, B. : Die Rückkehr zur Händlergesellschaft, Baden-Baden 1994
Tietz, B./Greipl, E. : Das Leistungsprofil des Großhandels in Bayern, Frankfurt a.M. 1994

 

 


 

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