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Ziele und Zielkonflikte


Inhaltsübersicht
I. Begriffe
II. Beziehungen zwischen Zielen
III. Funktionen von Zielen
IV. Der Zielbildungsprozess
V. Empirische Zielforschung

I. Begriffe


Ein Ziel ist durch den Zielinhalt, den Zeitbezug, den sachlichen Geltungsbereich und das Zielausmaß gekennzeichnet. Der Zielinhalt ist die Größe, die durch die Alternativenwahl beeinflusst werden soll (z.B. Gewinn, Kosten, Marktanteil). Der Zeitbezug legt fest, in welcher Periode ein Ziel verwirklicht werden soll und definiert damit den zeitlichen Geltungsbereich des Zielinhaltes. So wird etwa zwischen kurzfristiger und langfristiger Zielsetzung unterschieden. Der sachliche Geltungsbereich konkretisiert den Zielinhalt hinsichtlich des Betätigungsfeldes, für welches das Ziel realisiert werden soll. So lassen sich etwa Konzernziele und Ziele von Tochtergesellschaften unterscheiden. Das Zielausmaß legt das gewünschte Ausmaß des Zielinhaltes fest. Es gibt Antwort auf die Frage, wie stark der Zielinhalt verändert werden soll. In Abb. 1 sind verschiedene Zielausmaße dargestellt.
Ziele und Zielkonflikte
Abb. 1: Zielausmaße
Wird von einem Zielsystem ausgegangen, so sind die Abhängigkeitsbeziehungen zwischen den Zielen zu analysieren. In diesem Zusammenhang können Zielkonflikte identifiziert werden (vgl. dazu Abschnitt II).

II. Beziehungen zwischen Zielen


1. Arten von Zielbeziehungen


Grundsätzlich lassen sich folgende Zielbeziehungen unterscheiden:

-

Instrumentalbeziehungen,

-

Präferenzbeziehungen und

-

Interdependenzbeziehungen.


Instrumentalbeziehungen begründen ein Zielmittelverhältnis zwischen Zielen. Unterziele sind Mittel zur Erreichung von Oberzielen. Instrumentalbeziehungen werden häufig in Form von Kennzahlensystemen zum Ausdruck gebracht.
Präferenzbeziehungen stellen Aussagen dar, ob und in welchem Umfang ein Ziel der Erreichung eines anderen Zieles vorgezogen oder nachgeordnet wird. Es wird also die Rangfolge der Wichtigkeit von Zielen festgelegt. Als Folge unterschiedlicher Präferenzen werden die Ziele mit unterschiedlichen Gewichten versehen. Wichtige Ziele werden als Hauptziele, weniger gewichtige als Nebenziele bezeichnet.
Interdependenzbeziehungen geben an, ob und in welcher Form die Realisierung eines Zieles die Verwirklichung anderer Ziele beeinflusst. Es lassen sich unterscheiden: komplementäre, konkurrierende und neutrale Ziele.
Besteht Zielkomplementarität, so fördern sich die Ziele gegenseitig. Beeinflusst die Verwirklichung eines Zieles die Realisierung eines anderen Zieles negativ, so liegt Zielkonkurrenz bzw. ein Zielkonflikt vor. In der Volkswirtschaftslehre werden Zielkonflikte u.a. als magische Vielecke bezeichnet. Bestehen keine Zielbeziehungen, spricht man von Zielneutralität.

2. Zielkonflikte


Zielkonflikte können im Zielsystem eines einzelnen Entscheidungsträgers auftreten. Die Lösung des Problems verlangt in diesem Falle eine Prioritätensetzung, etwa in Form einer Zielgewichtung. Komplizierter ist die Handhabung eines Zielkonfliktes dann, wenn er auf unterschiedlichen Zielvorstellungen verschiedener Entscheidungsträger beruht. Hier kommen Verhandlungsprozesse als Lösungsmöglichkeit in Frage, die je nach Verhandlungsposition des einzelnen Entscheidungsträgers zur Zieldominanz oder zum Zielkompromiss führen. Als Beispiel sei der Zielbildungsprozess im Rahmen einer Holdingstruktur genannt. Die Vorstände der einzelnen Tochtergesellschaften müssen sich mit den Holdingvorständen auf ein gemeinsames Zielsystem einigen oder Vorgaben der Holdingleitung akzeptieren. Der Zielbildungsprozess wird in diesem Falle häufig durch eine Partizipation der Vorstände der Holdinggesellschaften an der Holdingleitung vorstrukturiert.
Im Rahmen der Neuen Institutionenökonomik wird der Zielkonflikt zwischen Prinzipal und Agent thematisiert. Unterstellt wird in einer Agency-Beziehung, dass beide i.d.R. über unterschiedliche Nutzenvorstellungen verfügen. Diese wiederum führen zu Zielkonflikten, so etwa zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, zwischen Aktionären und Management. Die daraus resultierenden Problemtypen (etwa hidden information) lassen sich durch eine entsprechende Gestaltung von Anreizverträgen lösen. Aktuell werden insb. solche Anreizverträge diskutiert, die das Management von Aktiengesellschaften veranlassen könnten, ihre Entscheidungen an den Interessen der Aktionäre auszurichten (etwa durch Gewährung von stock options) (vgl. Göbel, Elisabeth  2002, S. 110 ff.).

III. Funktionen von Zielen


Die Formulierung von Zielen ist eine wichtige – in der Praxis nicht selten missachtete – Aufgabe der Unternehmensführung. Dies wird deutlich, wenn die Funktionen von Zielen beschrieben werden (vgl. auch Kupsch, Peter  1979, S. 1 ff.).
Entscheidungsfunktion: Ziele liefern Kriterien für die Bewertung von Alternativen. Die relative Bedeutung der einzelnen Ziele lässt sich im Rahmen eines Entscheidungsmodells durch die Zielgewichtung zum Ausdruck bringen. Liegt ein Zielkonflikt vor, so ist dieser durch eine entsprechende Gewichtung der präferierten Ziele zum Ausdruck zu bringen. Damit Ziele die Entscheidungsfunktion wahrnehmen können, müssen sie bestimmten Anforderungen entsprechen. Zu nennen sind insb. die Vollständigkeit, die Operationalität und die Überschneidungsfreiheit.
Koordinationsfunktion: Ziele sind geeignet, Teilaktivitäten zu integrieren und auf eine gemeinsame Bezugsgröße, nämlich das Ziel, auszurichten. Deutlich wird die Relevanz der Koordinationsfunktion bei der Anwendung des Führungsmodells „ Management by Objectives “ im Rahmen der divisionalen Organisation und der Holding. Hier werden die einzelnen Geschäftsbereiche durch ein gemeinsames Zielsystem koordiniert.
Motivationsfunktion: Ziele stellen Vorgaben dar und sollen daher die Mitarbeiter motivieren, diese Ziele zu erfüllen. Anreize zur Zielerfüllung können durch eine Beteiligung am Zielwert gesetzt werden (etwa in Form einer Gewinnbeteiligung oder in Form von stock options).
Informationsfunktion: Ziele informieren sowohl die Mitarbeiter als auch die Unternehmensumwelt über die künftigen Aktivitäten. Sie vermitteln insofern eine Information an interne als auch an externe Adressaten. Unter den externen Informationsempfängern sind insb. die Investoren von Bedeutung. Durchschaubare und auch überprüfbare Ziele fördern die Bereitschaft der Kapitalgeber zum Engagement in einem Unternehmen.
Kontrollfunktion: Ziele schaffen die Voraussetzungen für einen Soll-Ist-Vergleich und damit für die Kontrolle. Ohne Zielsetzung ist Kontrolle gar nicht möglich, weil sonst die Vergleichsgröße fehlt. Dieser Effekt hält Manager nicht selten davon ab, Ziele konkret zu formulieren, um so der Gefahr des Versagensvorwurfes zu entgehen.
Legitimationsfunktion: Ziele dienen immer auch als Rechtfertigung gegenüber Außenstehenden. Das zu berücksichtigende Umfeld der Unternehmung wirkt sich demzufolge auf die Zielbildung aus. Dies wird deutlich bei der Formulierung von Zielen wie „ Erhaltung von Arbeitsplätzen “ und „ Verbesserung der Umweltverträglichkeit von Produkten und Verfahren “ .

IV. Der Zielbildungsprozess


Weicht man von den Vorstellungen der normativen Entscheidungstheorie ab, wonach Unternehmen bestimmte Ziele haben müssen (vgl. dazu den Ansatz der neuen Institutionenökonomik), und wendet man sich dem Ansatz der deskriptiven Entscheidungstheorie zu, so ist die Frage zu stellen, wie Ziele zu Stande kommen. Der Prozess der Zielbildung lässt sich in verschiedene Teilprozesse zerlegen (vgl. Schweitzer, Marcell  2005, S. 50 ff.):
Zielfindung: Bei der Aufgabe der Zielfindung geht es hauptsächlich darum, Oberziele zu finden sowie Unterziele zur Verwirklichung dieser Oberziele zu ermitteln. Dieser Suchprozess lässt sich mithilfe sog. Kreativitätstechniken unterstützen. Die Ermittlung von Unterzielen aus den im Rahmen der kreativen Prozesse gefundenen Oberzielen ist ebenfalls mithilfe von Kreativitätstechniken und mithilfe logisch-systematischer Techniken möglich. Das Ergebnis stellt dann eine Zielstruktur dar.
Zielstrukturierung: Mit der Zielstrukturierung werden die gefundenen und präzisierten Ziele geordnet. Dabei müssen Zielhierarchien, d.h. Ober- und Unterzielbeziehungen gebildet, sowie Prioritäten gesetzt, d.h. Haupt- und Nebenzielbeziehungen formuliert werden. Als Techniken der Bildung von Zielhierarchien stehen teleologische Zielhierarchien und definitionslogische Zielhierarchien zur Verfügung. Teleologische Zielhierarchien werden dadurch gebildet, dass empirisch gehaltvolle Zweck-Mittel-Relationen ermittelt werden. Die Zwecke stellen die Oberziele dar, die Mittel die Unterziele. Die Aussagekraft einer derartigen Zielhierarchie steht und fällt mit dem empirischen Gehalt der Aussagen über die jeweiligen Zweck-Mittel-Relationen. Durch Beobachtung der Realität können sie gewonnen und ständig verbessert werden. Eine besondere Technik der Bildung teleologischer Zielhierarchien stellt die sog. Relevanzbaumanalyse dar. Ihre Aufgabe besteht darin, Zweck-Mittel-Hierarchien zu bilden und im Rahmen dieser Hierarchien die einzelnen Mittel (Alternativen) im Hinblick auf die (Relevanz der) Zielerfüllung zu bewerten. Ein spezieller, nämlich ein vertikaler quantitativer Relevanzbaum, ist das von der Firma Honeywell im Jahr 1963 für die Strukturierung eines Raumfahrtprogramms entwickelte Patternverfahren.
Definitionslogische Zielhierarchien werden dadurch gebildet, dass die Definitionsmerkmale eines Oberzieles zu Mitteln der Erreichung dieses Oberzieles bestimmt werden. Es liegt also eine rechentechnische Verknüpfung vor. Bekannte Beispiele für definitionslogische Zielhierarchien sind das sog. „ Du Pont “ -Kennzahlensystem und das „ ZVEI “ -Kennzahlensystem.
Liegen Zielkonflikte vor, müssen Prioritäten gesetzt werden. Dafür stehen verschiedene Techniken zur Verfügung: Die Zielgewichtung und die Zielrangordnung. Bei der Zielgewichtung wird jedem Ziel ein Gewicht zugeordnet, das die jeweilige Priorität zum Ausdruck bringt. Die Technik der Zielgewichtung wird in Nutzwertanalysemodellen und im Patternverfahren angewandt. Ein klassisches Verfahren der Bildung einer Zielrangordnung stellt die sog. lexikografische Ordnung dar. Erfüllt eine Alternative das wichtigste Ziel besser als alle anderen Alternativen, so wird diese Alternative ausgewählt. Die nächstgewichtigen Ziele sind nur dann relevant, wenn mindestens zwei Alternativen bezüglich des wichtigsten Zieles indifferent sind. Liefert auch die Überprüfung der Alternativen anhand des zweitwichtigsten Zieles kein eindeutiges Optimum, wird dieser Vergleich so lange wiederholt, bis eine Alternative überlegen ist. Bei der linearen Programmierung wird i.d.R. ein Ziel extremiert, und die anderen Ziele werden in Form von Nebenbedingungen satisfiziert.
Realisierbarkeit von Zielen und Zielauswahl: Bei der Realisierbarkeitsprüfung von Zielen geht es um das Problem, ob einzelne Ziele unter zielstrukturellen und ökonomischen Gründen überhaupt erreichbar sind. Unter zielstrukturellem Aspekt interessiert v.a. die Frage, ob zwischen Zielen Konflikte bestehen. Im Rahmen einer Konfliktanalyse sind die für die Realisierung eines Zieles ins Auge gefassten Maßnahmen daraufhin zu überprüfen, ob und inwieweit deren Wirkungen die Realisierung anderer Ziele positiv oder negativ beeinflussen.
Die Zielauswahl führt grundsätzlich zum Entschluss über das tatsächlich zu verfolgende Zielsystem. Sie setzt die Anwendung all der Techniken voraus, die zur Unterstützung derjenigen Teilaufgaben einsetzbar sind, die der Zielentscheidung vorausgehen. Zu nennen sind insb. Kreativitätstechniken bei der Zielbildung, Bildung von Zielhierarchien und Techniken der Prioritätensetzung bei der Zielstrukturierung sowie die Konfliktanalyse bei der Realisierbarkeitsprüfung.

V. Empirische Zielforschung


Die empirische Zielforschung hatte in der deutschen Betriebswirtschaftslehre in den 1980er-Jahren und auch noch in den beginnenden 1990er-Jahren eine ausgesprochene Hochkonjunktur. Zu nennen sind die Arbeiten von Heinen, Hauschildt und Hamel, Kirsch, Kupsch sowie Fritz et al. (vgl. Heinen, Edmund  1966; Hauschildt, Jürgen/Hamel, Winfried  1978; Kirsch, Werner  1981; Kupsch, Peter  1979; Fritz, Wolfgang et al. 1985; Fritz, Wolfgang et al.1988). Sie zeigen insgesamt einen Trend weg von der Ausschließlichkeit des Prinzips der Gewinnmaximierung hin zu einem Zielsystem, in dem auch ökologische Ziele, die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit, die Erhaltung der Unternehmenssubstanz sowie das Ziel der sozialen Verantwortung durchaus ihren Platz haben.
In den letzten Jahren ist das Interesse an der empirischen Zielforschung merklich zurückgegangen. Stattdessen greift eine eher normative Ausrichtung der Zieldiskussion Platz. Die Vertreter der Neuen Institutionenökonomik sehen in der Maximierung des Shareholder Value eine dem ökonomischen Handeln angemessene Zielsetzung. Verfechter des sog. Stakeholder-Ansatzes stellen die Ausschließlichkeit der Berücksichtigung von Kapitalgeberinteressen in Frage und betonen die „ Gleichberechtigung “ verschiedener Interessengruppen.
Ein Grund für die aktuelle Zurückhaltung gegenüber einer empirischen Zielforschung mag in den methodischen Schwierigkeiten zu sehen sein. Zwei wesentliche Aspekte seien genannt:

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Der Zielbegriff wird in der Praxis recht unscharf gehandhabt. „ Motive “ , „ Aufgaben “ , „ Absichten “ und ähnliche Begriffe werden wahllos als Ersatz für Ziele verwendet. Ein Beispiel aus der Praxis: „ Hohe Kundenzufriedenheit durch einen hohen Qualitätsstandard der Erzeugnisse, durch exakte Liefertermine und faire Preise ist unser Unternehmensziel “ .

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Befragungen über Ziele geben nicht selten Anlass zu einer Antwort, die in der Öffentlichkeit positiv aufgenommen wird. Das soeben genannte Praxisbeispiel mag dies belegen.


Der Mangel an aktueller empirischer Zielforschung fördert nicht nur eine Unwissenheit über das Entscheidungsverhalten von Unternehmen, sondern auch über volkswirtschaftliche Zusammenhänge, etwa im Bereich der wirtschaftspolitischen und steuerpolitischen Gestaltung gesamtwirtschaftlicher Prozesse.
Literatur:
Fritz, Wolfgang : Unternehmensziele und strategische Unternehmensführung, in: DBW, Jg. 48, 1988, S. 567 – 586
Fritz, Wolfgang : Unternehmensziele in Industrie und Handel, in: DBW, Jg. 45, 1985, S. 375 – 394
Göbel, Elisabeth : Neue Institutionenökonomik, Stuttgart et al. 2002
Hauschildt, Jürgen/Hamel, Winfried : Empirische Forschung zur Zielbildung in Organisationen – auf dem Wege in eine methodische Sackgasse?, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, Tübingen, 1978, S. 237 – 250
Heinen, Edmund : Das Zielsystem der Unternehmung, Wiesbaden et al. 1966
Kirsch, Werner : Unternehmenspolitik: Von der Zielforschung zum strategischen Management, München 1981
Kupsch, Peter : Unternehmungsziele, Stuttgart et al. 1979
Schweitzer, Marcell : Planung und Steuerung, in: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Band 2: Führung, hrsg. v. Bea, Franz Xaver/Friedl, Birgit/Schweitzer, Marcell, 9. A., Stuttgart 2005, S. 16 – 139

 

 


 

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