Budgetierung
Inhaltsübersicht
I. Begriff
II. Funktionen
III. Budgetarten
IV. Partizipation in der Budgetierung
V. Budgetierung und Berichterstattung
I. Begriff
Zu den wichtigsten Instrumenten dezentraler Steuerung von Organisationen gehört die Budgetierung, welche, vereinfachend ausgedrückt, Entscheidungseinheiten (z.B. Bereichen oder Projekten) Mengen und Geldwerte vorgibt, die innerhalb einer festgelegten Periode mit einem bestimmten Verbindlichkeitsgrad erreicht werden müssen. Je nachdem, welche Rolle man dabei der Planung beimisst, ergeben sich in der Betriebswirtschaftslehre verschiedene Sichtweisen. Eine mögliche Auslegung entsteht dann, wenn Budgetierung und Planung gleichgesetzt werden (Marettek, A. 1974). Ähnliche Auffassungen finden sich auch in der angelsächsischen Literatur, in der die Begriffe „ budgeting “ und „ profit planning and control “ nicht selten synonym gebraucht werden (Welsch, G./Hilton, R.W./Gordon, P.N. 1988). Gemäß diesen planungsbasierten Auffassungen ist Budgetierung im Wesentlichen (gewinnorientierte) Planung und ein Budget Ausfluss dieser Planung. Andere Definitionsansätze knüpfen demgegenüber stärker an der ursprünglichen Bedeutung des Wortes Budget an und verstehen unter Budgetierung die unternehmensinterne Zuordnung von finanziellen Ressourcen zu Entscheidungseinheiten (Szyperski, N./Winand, U. 1980; Hauschildt, J./Sachs, G./Witte, E. 1981).
Unterschiedlich sind die Auffassungen auch bezüglich der Reichweite der Budgetierung. Während manche Autoren die Budgetierung auf die Phasen von der Budgeterstellung bis zur Budgetgenehmigung und -vorgabe begrenzen, beziehen andere darüber hinaus die Budgetkontrolle und die Abweichungsanalyse mit ein (Göpfert, I. 1993, m.w.N.).
Für die weiteren Ausführungen werden die folgenden Merkmale der Budgetierung als wichtig angesehen:
- | Budgetierung ist der Prozess der Aufstellung, Verabschiedung und Kontrolle von Budgets. Da Budgets Zielgrößen enthalten, die in der Regel auch zur Beurteilung der Budgetverantwortlichen und der Planungsqualität eingesetzt werden, müssen diese Zusammenhänge bereits bei der Aufstellung und Verabschiedung des Budgets Berücksichtigung finden. | - | Budgets haben Vorgabecharakter. Sie sind als Größen definiert, welche von einer Entscheidungseinheit in einer bestimmten Zeitperiode eingehalten werden müssen. | - | Im Unterschied zu einer zentralistischen Planung ist die Budgetvorgabe stets bereichs- oder projektbezogen, nie aber aktionsorientiert (Küpper, H.-U. 2005, S. 336). Kennzeichen der Budgetierung ist die Delegation von Entscheidungsspielräumen. Budgets helfen, Entscheidungsrechte in einem Unternehmen zu definieren, weil es innerhalb bestimmter Grenzen der Kompetenz der Budgetverantwortlichen obliegt, wie ein Budget einzuhalten ist (Zimmerman, J.L. 2000, S. 238 ff.). | - | Budgets sind planungsorientiert. Sie basieren auf dem Zukunftswissen eines Unternehmens und werden unter Zugrundelegung der wichtigsten Planungs- und Prognoseparameter, wie etwa Produktpreisen, Absatzmengen und Faktorpreisen, entwickelt. |
II. Funktionen
Zweck der Budgetierung ist die Steuerung von Entscheidungseinheiten oder Verantwortungsbereichen in einer Organisation auf deren Ziele hin (Busse von Colbe, W. 1989). Im Einzelnen können folgende Funktionen unterschieden werden:
- | Motivationsfunktion. Unter Anreizgesichtspunkten hat die Budgetierung die Aufgabe, das Management mittels Performancemessung, Beurteilung und Entlohnung auf die wertmäßigen Unternehmensziele hin auszurichten. Dabei ist von partiellen Interessendivergenzen unter den Entscheidungsträgern auszugehen sowie zu berücksichtigen, dass Zentrale und Budgetverantwortliche regelmäßig einen unterschiedlichen Informationsstand haben werden (asymmetrische Informationsverteilung). Aus verhaltensorientierter Sicht wird weiterhin betont, dass Budgetierung die intrinsische Motivation von Führungskräften erhöhen kann. Erklärt wird dies damit, dass Budgets aufgrund ihrer Beschränkung auf Vorgabegrößen im Gegensatz zu einer eher zentralistischen Maßnahmenplanung dem Management größere Entscheidungs- und Handlungsspielräume überlassen und damit dessen Eigeninitiative sowie Leistungsbereitschaft fördern (Küpper, H.-U. 2005, S. 337). Weiterhin kann auch die Einbindung des Führungspersonals in den Budgetierungsprozess selbst (partizipative Budgetierung) die Akzeptanz der Budgetverantwortlichen und damit deren Motivation verbessern (Höller, H. 1978). | - | Koordinationsfunktion. Sachliche Interdependenzen etwa in Form von Ressourcen-, Erfolgs- oder Risikoverbunden zwischen einzelnen Unternehmensbereichen und daraus resultierende externe Effekte lassen eine effiziente Koordination über den Preis- bzw. Marktmechanismus wenig sinnvoll erscheinen. Die dabei anfallenden Transaktionskosten dürften deutlich höher sein als bei einer Koordination durch Budgetierung, welche im Rahmen ökonomischer Steuerungssysteme eine Zwischenstellung zwischen Hierarchie und Markt einnimmt. Da die Budgets üblicherweise auf einer koordinierten Gesamtplanung beruhen, soll ihre Einhaltung zu einem abgestimmten und damit der Unternehmenszielsetzung förderlichen Verhalten aller Organisationseinheiten führen. Aufgrund der horizontalen und vertikalen Abstimmung werden potenzielle Engpass- und Problembereiche im Unternehmen aufgedeckt, noch bevor sie tatsächlich aufgetreten sind. | - | Orientierungsfunktion. Allgemein besteht die Orientierungsfunktion darin, eine Organisation so zu gestalten, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die zur Erreichung der Organisationsziele notwendigen Informationen erfassen und verarbeiten können (Osterloh, M./Frey, B.S./Frost, J. 1999). Der Budgetierung fällt hierbei u.a. die Aufgabe zu, die dezentralen Unternehmenseinheiten darüber zu informieren, was die Geschäftsleitung von ihnen erwartet (Steinmann, H./Schreyögg, G. 1997, S. 347). Darüber hinaus zwingt sie das Management, präzise über die Gesamtziele sowie daraus abgeleitet über die künftig erzielbaren Erfolge im eigenen Bereich nachzudenken. |
III. Budgetarten
In Theorie und Praxis gibt es eine unübersehbare Vielfalt verschiedener Budgetarten. Wichtige Klassifikationsmerkmale sind die Budgeteinheit, die Vorgabegröße, die Bezugsperiode, die Flexibilität sowie die Ermittlungsart.
1. Budgeteinheiten
Budgeteinheiten sind die Entscheidungsstellen, auf die sich die Budgets beziehen. Denkbar sind zunächst horizontale und vertikale Differenzierungen des Gesamtbudgets eines Unternehmens. Horizontal können Budgets insbes. nach Funktionen (z.B. Absatz-, Produktions-, Logistik-, FuE-, Verwaltungs- und Finanzbudget), Divisionen (Spartenbudget), Regionen, Produkten und Projekten unterschieden werden. Vertikal erfolgt die Differenzierung nach der Unternehmenshierarchie (vom Gesamtbudget z.B. über Bereichs- und Abteilungsbudgets bis zum Kostenstellenbudget).
Eine besondere Form eines alle Bereiche umfassenden Gesamtbudgets ist das vorwiegend im anglo-amerikanischen Sprachraum bekannte master budget (Horngren, C.T./Datar, S.M./Foster, G. 2006). Es bezeichnet eine finanzielle Gesamtschau aller operativen und finanziellen Maßnahmen des Unternehmens für eine bestimmte zukünftige Periode (in der Regel ein Jahr). Kennzeichnend ist die auf dem Erlösbudget aufbauende sukzessive Ermittlung der einzelnen funktionalen Budgets im betrieblichen Bereich. Ergebnis ist die Budgeterfolgsrechnung (Budgeted Income Statement), die gemeinsam mit dem Kapitalbudget und dem Cash Budget in die budgetierte Bilanz mündet. Daraus werden wiederum die budgetierten Cashflows hergeleitet (Budgeted Statement of Cashflows).
2. Vorgabegrößen
In der unternehmerischen Praxis dominieren Wertgrößen der Unternehmensrechnung als Vorgaben (z.B. Budgets für Kosten, Gewinne, Deckungsbeiträge, Cashflows). Aber auch Budgets in Form von Mengengrößen sind denkbar (z.B. für Herstellungs- oder Absatzmengen). Eine besondere Spielart ist das Leistungsbudget, das vor allem in der öffentlichen Verwaltung von Bedeutung ist. Neben die budgetierten Ausgaben tritt hierbei eine Aufstellung mehr oder weniger detaillierter Leistungsvereinbarungen (z.B. „ Erhöhung der Bibliotheksöffnungszeiten um 20 % durch Bereitstellung von 200.000 € “ ).
3. Bezugsperiode
Der Planungszeitraum, auf den sich Budgets beziehen, ist in der Regel kurzfristig (operative Budgetierung). Am häufigsten sind Jahresbudgets; aber auch unterjährige Budgets (vor allem Monats- und Quartalsbudgets) werden angewandt. Strategische Budgets sind demgegenüber sehr viel seltener vorzufinden. Sie weisen für mehrere Jahre die längerfristigen Vorgaben für die Erfolgs- und Fähigkeitspotenziale aus und binden so deren Verantwortungsträger (Göpfert, I. 1993, Sp. 591; Lehmann, F.O. 1991). Während kurzfristige Budgets auf zentralen Planungsgrößen wie Mengen und Preisen basieren, orientieren sich die strategischen Budgets eher an grundsätzlichen Tatbeständen, wie etwa der Frage, in welchen Märkten das Unternehmen tätig sein will und welche Technologien beschafft werden müssen.
4. Flexibilität
Ein Budget kann statisch oder flexibel sein (Göpfert, I. 1993, Sp. 593). Im ersten Fall gleicht die Vorgabe einer absolut starren Ober- oder Untergrenze (Etat), die unabhängig von der tatsächlich realisierten Ausprägung aller Planungsvariablen einzuhalten ist. Im Unterschied dazu liegt ein flexibles Budget dann vor, wenn es als eine Funktion bestimmter Planungsvariablen definiert ist und je nach Ausprägung dieser Variablen (meist Mengengrößen) angepasst wird. Ein Beispiel ist das Budget einer Kostenstelle in Abhängigkeit ihrer Beschäftigung oder Auslastung.
Der Flexibilitätsgrad eines Budgets kann aber auch in den unterschiedlichen Handlungsfreiheiten zum Ausdruck kommen (Zimmerman, J.L. 2000, S. 257 ff.). Line-item Budgets etwa beschränken nicht nur den einer Entscheidungseinheit insgesamt zur Verfügung stehenden Betrag, sondern schreiben für jeden Budgetposten eine Obergrenze vor, die nicht überschritten werden darf. Damit wird dem Budgetverantwortlichen die Möglichkeit genommen, innerhalb seines Gesamtbudgets Umschichtungen vorzunehmen. Bezüglich ihrer Flexibilität können Budgets weiterhin danach unterschieden werden, ob die in einer Budgetperiode nicht verwendeten Mittel in die nächste Budgetperiode übertragen werden können oder aber verfallen (lapsing budgets).
5. Art der Ermittlung
Bei der Fortschreibungsbudgetierung (Standard-Budgetierung) sehen Unternehmen die Budgets des Vorjahres als gegeben an und korrigieren sie lediglich um Veränderungen der erwarteten Preise und Mengen. Ziel des Zero-Base-Budgeting ist es demgegenüber, das eingefahrene Denken in Budgets vergangener Jahre aufzubrechen und sämtliche Budgetpositionen von Grund auf in Frage zu stellen (Meyer-Piening, A. 1980). Man beginnt damit im Rahmen der Budgetierung bei Null (Zero). Das Scratch-Line-Budgeting kann als eine Mischung aus den beiden vorhergehenden Verfahren angesehen werden (Koch, H. 1995, Sp. 367).
Die Funktionserfüllung einer Budgetierung hängt maßgeblich davon ab, wie es gelingt, die in einem Unternehmen häufig verstreut vorliegenden Informationen für die Budgeterstellung zu nutzen. Je nach dem Partizipationsgrad dezentraler Ebenen lassen sich typischerweise drei Verfahren unterscheiden (Steinmann, H./Schreyögg, G. 1997, S. 356 f.).
Bei der streng hierarchischen, retrograden Budgetierung (top down) leitet die Unternehmenszentrale die Vorgaben für die einzelnen Budgeteinheiten anhand eines vereinfachten Totalmodells aus den wichtigsten Planungsparametern ab. Obwohl eine weitere Detaillierung den nachgeordneten Hierarchiestufen überlassen sein kann, findet eine Partizipation in der Budgetierung praktisch nicht statt. Aus behavioristischer Sicht kann dies demotivierend wirken. Das Hauptproblem der hierarchischen Budgetierung besteht aber sicher darin, dass das Informationspotenzial dezentraler Entscheidungseinheiten ungenutzt bleibt.
Dies lässt sich vermeiden, wenn die Budgeterstellung den nachgeordneten Ebenen übertragen wird und sich die Unternehmensspitze darauf beschränkt, die Einzelbudgets zusammenzufassen (progressive Budgetierung oder bottom up). Auch wenn der Partizipationsgrad bei diesem Ansatz maximal wird und daher eine besondere Motivation zu erwarten ist (die dezentralen Leiter fühlen sich für Abweichungen unmittelbar selbst verantwortlich), wird der übergreifenden Koordinationsfunktion der Budgetierung sowie dem Problem einer unverzerrten Berichterstattung zu wenig Rechnung getragen.
In der Unternehmenspraxis werden die Budgets daher häufig aus einer Interaktion der vorgesetzten und nachgeordneten Entscheidungsebenen bestimmt (Gegenstromverfahren). Dieses iterative Verfahren beginnt damit, dass die Unternehmenszentrale aufgrund ihres Überblickwissens die strategischen Leitlinien sowie die zentralen Formalziele (z.B. eine bestimmte Unternehmensrendite) kommuniziert (Weber, J. 2004, S. 370 f.). Die dezentralen Entscheidungseinheiten ihrerseits nutzen ihr Wissen „ vor Ort “ , um die vorgegebenen Leitlinien und Formalziele in detaillierte Budgetvorstellungen umzusetzen, die dann wieder sukzessive „ nach oben “ kommuniziert, verdichtet sowie mit den Vorstellungen anderer Einheiten abgeglichen und koordiniert werden. Ziel des Gegenstromverfahrens ist die Integration der unterschiedlichen Wissensbasen und damit die Vereinigung der Vorteile von top down und bottom up. Der Nachteil des Ansatzes liegt in der aufwändigen Abstimmung, die in großen Konzernen bis zu neun Monaten und länger in Anspruch nehmen kann.
V. Budgetierung und Berichterstattung
Ein erhebliches Problem der partizipativen Budgetierung ist die Sicherstellung einer unverzerrten Berichterstattung. Nicht selten sind die Budgetverantwortlichen bestrebt, stille Reserven (Budgetreserven, budgetary slack) in das Budget einzubauen (Hofstede, G.H. 1970; Ronen, J./Livingstone, J.L. 1975).
Um bessere Budgetvorgaben formulieren zu können, benötigt man daher Anreizsysteme, welche Fehlanreize reduzieren helfen. In der Wissenschaft hat sich in den letzten drei Jahrzehnten vor allem die Agency-Theory mit der Gestaltung solcher Systeme beschäftigt (vgl. stellvertretend Demski, J.S./Feltham, G.A. 1978; Kirby, A.J. et al. 1991; Kanodia, C. 1993; Laux, H. 2006; Trauzettel, V. 1999). Ein grundlegendes informationsökonomisches Resultat dieser Forschungsrichtung ist das Offenlegungsprinzip oder revelation principle (Myerson, R.B. 1979). Es besagt unter relativ allgemeinen Bedingungen, dass jeder Anreizvertrag zwischen einer Instanz und einem nachgeordneten Manager, der eine verzerrte Berichterstattung des Managers induziert, durch einen wahrheitsinduzierenden Vertrag ersetzt werden kann, der dem nichtwahrheitsinduzierenden Vertrag bezüglich der Handlungen des Managers und der Zielerreichungen der beteiligten Akteure äquivalent ist. Für die Budgetierung folgt daraus, sich auf solche Anreizsysteme konzentrieren zu können, die einer unverzerrten Berichterstattung förderlich sind. Dabei spielen in Theorie und Praxis drei Mechanismen eine herausgehobene Rolle: Profit-Sharing, Weitzman-Schema und Groves-Schema.
Beim Profit-Sharing erhält jeder Bereichsleiter einen bestimmten Anteil des am Periodenende erwirtschafteten Unternehmensergebnisses. Damit wird die Zielfunktion der Unternehmensleitung, die annahmegemäß in der Maximierung dieses Ergebnisses bestehen soll, über das Vehikel der Prämienfunktion auf die einzelnen Bereiche übertragen. Gibt ein Bereichsleiter beispielsweise für die Budgetformulierung notwendige Informationen verfälscht weiter und führt dies zu Fehlentscheidungen, die das erwirtschaftete Unternehmensergebnis insgesamt reduzieren, senkt dies auch die individuelle Prämie des Bereichsleiters. In der Tat lässt sich in vielen Unternehmen beobachten, dass Leiter dezentraler Entscheidungseinheiten nicht nur an ihrem eigenen Bereichsergebnis beurteilt werden, sondern auch eine Prämie in Abhängigkeit des übergeordneten Unternehmensergebnisses erhalten. Bereichsegoismen sollen auf diese Weise entschärft und der Blick für Interdependenzen zwischen den Entscheidungsebenen gestärkt werden. Problematisch ist allerdings, dass theoretisch nur dann ein Anreiz zur unverzerrten Berichterstattung besteht, wenn auch alle anderen Bereichsleiter wahrheitsgemäß berichten. Bereits die Vermutung eines einzelnen Bereichsleiters, dass (mindestens) ein anderer Leiter Informationen verfälscht weitergibt, kann genügen, einen Anreiz zur eigenen Falschberichterstattung zu erzeugen. Weiterhin kann das Profit-Sharing versagen, wenn zur asymmetrischen Informationsverteilung über Planungsparameter Unsicherheiten über das Leistungsverhalten des Bereichsleiters hinzutreten. So können z.B. Anreize zu einer verzerrten Berichterstattung bestehen, falls es für den Bereichsleiter vorteilhaft ist, durch eine erhöhte Produktivitätsmeldung zusätzliche Einheiten einer zentralen Ressource zugeteilt zu bekommen, um so seine nichtbeobachtbaren Leistungsanstrengungen zu reduzieren (Pfaff, D./Leuz, C. 1995, S. 670 ff.).
Einen anderen Weg als das Profit-Sharing wählen die Weitzman-Schemata, die in der Praxis nicht nur in der ehemaligen Sowjetunion (Weitzman, M.L. 1976, S. 251 ff.), sondern darüber hinaus in marktwirtschaftlichen Unternehmen z.B. zur Motivation von Außendienstmitarbeitern (Gonik, J. 1978) angewandt wurden. Auch im Arbeitskreis „ Finanzierung “ der Schmalenbach-Gesellschaft (Arbeitskreis „ Finanzierung “ der Schmalenbach-Gesellschaft, 1994, S. 918 ff.) wurden derartige Schemata zur Unterstützung partizipativer Budgetierung diskutiert. Die Besonderheit der Weitzman-Schemata besteht darin, die Entlohnung von der Qualität der Planung abhängig zu machen. Liegt der tatsächliche Bereichsgewinn über den Planangaben des Bereichsleiters, erhält dieser einen festen Anteil α1 > 0 der positiven Differenz. Gleichzeitig bekommt der Leiter aber auch einen Anteil α2 > 0 seines angekündigten Ergebnisses. Liegt umgekehrt das angekündigte über dem tatsächlich realisierten Ergebnis, wird nun die Prämie um einen Anteil α3 > 0 der Differenz zwischen Plan- und Istergebnis gekürzt. Wie im ersten Fall wird dem Leiter aber auch eine Prämie in Abhängigkeit des angekündigten Ergebnisses gezahlt; der Anteil am Planergebnis beträgt wie zuvor α2. Bei Beschränkung des Informationsproblems der Zentrale auf die Unkenntnis der Planungsparameter kann durch geschickte Wahl der Prämiensätze α1 bis α3 (im Einzelnen muss gelten 0 < α1 < α2 < α3) sichergestellt werden, dass die Bereichsleiter unverzerrt berichten. Nimmt man allerdings an, dass die Planinformationen von der Zentrale als Grundlage für die Allokation knapper Ressourcen, z.B. innerhalb der Investitionsbudgetierung, verwendet werden oder Unsicherheiten bezüglich des Leistungsverhaltens der Bereichsleiter bestehen, kann die wahrheitsinduzierende Wirkung der Weitzman-Schemata verloren gehen (Loeb, M./Magat, W.A. 1978; Ewert, R./Wagenhofer, A. 2005, S. 494 – 497).
Eine dritte, regelmäßig in der Literatur diskutierte Möglichkeit stellen die Groves-Schemata dar (Groves, T. 1973; Groves, T./Loeb, M. 1979; Bamberg, G./Locarek, H. 1992; Pfaff, D./Leuz, C. 1995). Dabei werden neben dem realisierten eigenen Bereichsgewinn auch die geplanten Gewinne der jeweils anderen Bereiche in die Performancemessung einbezogen. Ein Bereichsleiter z.B. kann also dadurch belastet werden, dass seine nichtwahrheitsgemäße Berichterstattung zu reduzierten Plangewinnen anderer Bereiche führt. Inhaltlich stellen Groves-Schemata Modifikationen des Profit-Sharing dar, die jetzt allerdings unabhängig von der Berichterstattung der anderen Leiter zu einer wahrheitsgemäßen Berichterstattung führen. Weiterhin können sie selbst in Budgetierungsprozessen zur Allokation knapper zentraler Ressourcen eine wahrheitsgemäße Berichterstattung induzieren. Dies wird durch eine Verletzung des Controllability Prinzips möglich, indem durch die Berücksichtigung der Plangrößen anderer Bereiche gleichzeitig auch solche Faktoren in das Groves-Schema einfließen, die nicht mehr durch die Leistung des Bereichsleiters selbst beeinflusst werden. In der Praxis kommen Groves-Schemata im Vergleich zu Profit-Sharing äußerst selten vor. Häufig kritisiert werden die Komplexität des Verfahrens sowie die geringe Resistenz gegenüber Kollusion (Pfaff, D./Leuz, C. 1995; Kunz, A./Pfeiffer, H.T. 1999; Krapp, M. 2000; a.A. Budde, J./Göx, R.F./Luhmer, A. 1998).
Berichterstattungsprobleme im Rahmen der Budgetierung sind in keinem Fall trivial lösbar. Alle Steuerungsmechanismen führen nur unter sehr einschränkenden Bedingungen zu effizienten Lösungen und sind nicht immer robust bezüglich der unterstellten Bedingungen. Aber auch das völlige Ignorieren möglicher Anreizprobleme kann zu erheblichen Dysfunktionalitäten führen. Es ist daher ein großer Fortschritt, wenn informationsökonomische und agencytheoretische Argumentationsmuster die Problemsicht schärfen und wichtige Effekte oder Zusammenhänge zeigen, die es bei einer realen Problemlösung zu bedenken gilt.
Literatur:
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