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Corporate Governance (Unternehmensverfassung)


Inhaltsübersicht
I. Begriff und Bedeutung der Corporate Governance
II. Grundlagen der Corporate Governance
III. Ausformungen der Corporate Governance
IV. Erfolgswirkungen der Corporate Governance
V. Ausblick

I. Begriff und Bedeutung der Corporate Governance


CG bezeichnet in einer Kurzformel den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens (vgl. v.Werder, Axel v. 2001, S. 2). Der Terminus weist weitgehende Überschneidungen mit dem Begriff der Unternehmensverfassung auf (vgl. auch Kübler, Friedrich 1994, S. 141 f.; v.Werder, Axel v. 2005a, Rdn. 1). Während die Unternehmensverfassung aber primär die Binnenordnung des Unternehmens betrifft, werden unter dem Stichwort CG auch Fragen der (rechtlichen und faktischen) Einbindung des Unternehmens in sein Umfeld (wie namentlich den Kapitalmarkt) adressiert. Dabei kann im Zeitablauf eine deutliche Ausdehnung des Betrachtungsgegenstands festgestellt werden. Im ursprünglichen, amerikanisch geprägten Verständnis betreffen Governancefragen das (Kontroll-)Verhältnis zwischen den Aktionären (als Eigentümern des Unternehmens) und dem Management (als Inhaber der Verfügungsmacht im Unternehmen). Diese Richtung steht in der Tradition der bahnbrechenden Untersuchung von Berle und Means über die dysfunktionalen Wirkungen der Trennung von Eigentum und Verfügungsmacht (Berle, Adolf A./Means, Gardiner C. 1967). In der (kontinental)europäischen Debatte und zunehmend auch in der angelsächsischen Literatur wird der Fokus dagegen breiter angelegt. Neben Governanceproblemen zwischen Aktionären und Management werden auch solche im Verhältnis zwischen dem Management und anderen Stakeholdern sowie zwischen verschiedenen Stakeholdergruppen thematisiert. Ferner finden Fragen der Binnenorganisation der Unternehmensführung (vgl. v. Werder, Axel v. 2005b) im Kontext der CG verstärkt Beachtung. Dabei steht insgesamt die große börsennotierte (Aktien-)Gesellschaft im Mittelpunkt des Interesses. Allerdings werden zunehmend auch andere Rechtsformen und Unternehmen mittlerer Größenordnungen aus dem Blickwinkel ihrer spezifischen Anforderungen an die CG analysiert (vgl. z.B. Daily, Catherine M./Dalton, Dan R. 1992; Grundei, Jens/Talaulicar, Till 2002).
CG bzw. Unternehmensverfassung ist keineswegs ein neues Thema. So weist die Auseinandersetzung mit der (mangelnden) Effizienz der Führungsorgane wie namentlich dem Aufsichtsrat (z.B. Schmalenbach, Eugen 1911), aber auch die Debatte um die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Deutschland eine lange Tradition auf. In den letzten Jahren hat die Diskussion über zweckmäßige Formen der Leitung und Überwachung von Unternehmen aber sowohl national als auch international einen bislang noch nicht da gewesenen Stellenwert erlangt. Treiber dieser Entwicklung sind zum einen die bekannten zahlreichen Fälle von Missmanagement und Unternehmensschieflagen im In- und Ausland. Zum anderen verleihen die Globalisierung der Wirtschaft und die Liberalisierung der Kapitalmärkte der Diskussion um effiziente und transparente Formen der Unternehmensführung zusätzliche Schubkraft.

II. Grundlagen der Corporate Governance


1. Funktionen der Corporate Governance


Unternehmen bilden Orte der Bündelung von Beiträgen verschiedener Akteure bzw. Bezugsgruppen (z.B. Anteilseigner, Arbeitnehmer, Lieferanten und Gläubiger) zur arbeitsteiligen Wertschöpfung unter Leitung eines Top Managements. Dabei werden die Beziehungen der Bezugsgruppen zum Unternehmen in expliziten oder impliziten Verträgen geregelt (Jensen, Michael C./Meckling, William H. 1976, S. 310; Cornell, Bradford/Shapiro, Alan C. 1987, S. 6 ff.; Vertragstheorie). Die Governanceprobleme des Unternehmens lassen sich im Kern darauf zurückführen, dass die geschlossenen Verträge zwangsläufig bis zu einem gewissen Grade unvollständig sind und die diversen Bezugsgruppen teils unterschiedliche Interessen verfolgen. Je nach ihren Einflussmöglichkeiten auf das Unternehmensgeschehen können die Akteure somit versuchen, die Unvollständigkeiten der Verträge zu ihren Gunsten – und damit meist zu Lasten anderer Interessengruppen – auszunutzen. Verträge sind unvollständig, da und soweit sie sich auf Transaktionen in der Zukunft beziehen und nicht alle (komplexen und unvorhersehbaren) Entwicklungen im Austauschverhältnis zwischen den Vertragsparteien im Detail richtig und fair regeln können (vgl. Hart, Oliver D. 1988, S. 123).
Bei der Abgrenzung der governancerelevanten Vertragsparteien stehen sich mit dem Shareholder-Konzept und dem Stakeholder-Konzept zwei prominente Positionen gegenüber. Der klassische Shareholder-Ansatz zur CG thematisiert ausschließlich das Verhältnis zwischen Aktionären und Top Management, das als Principal-Agent-Beziehung modelliert wird. Diese Perspektive sieht sich einer wachsenden Grundsatzkritik durch den Stakeholder-Ansatz ausgesetzt, der neben den Interessen der Aktionäre auch die Belange weiterer Bezugsgruppen wie Arbeitnehmer, Lieferanten, Gläubiger und Allgemeinheit explizit in Governanceüberlegungen einbezieht. Hiermit wird berücksichtigt, dass neben den Aktionären auch andere Interessengruppen den Risiken unvollständiger Verträge ausgesetzt sind und damit Gefahr laufen können, Beiträge zur Wertschöpfung im Unternehmen zu leisten, die sich für sie persönlich nicht (im erwarteten Ausmaß) auszahlen ( „ hold up “ ). Umgekehrt haben neben dem Management durchaus auch andere Stakeholder Möglichkeiten, von Unvollständigkeiten ihrer Verträge zu profitieren. Das Unternehmensgeschehen stellt sich somit als komplexes Geflecht von Austauschbeziehungen zahlreicher Akteure mit Opportunismusoptionen und Opportunismusrisiken dar.
Vor diesem Hintergrund haben Regelungen zur CG grundsätzlich die Aufgabe, durch geeignete rechtliche und faktische Arrangements aus Verfügungsrechten und Anreizsystemen die Spielräume sowie die Motivationen der Akteure für opportunistisches Verhalten einzuschränken (vgl. auch Witt, Peter 2003, S. 2, 17 ff.). Sie zielen darauf ab, unter Abwägung der Einbußen durch opportunistisches Verhalten (Opportunismuskosten) und der Aufwendungen für die Regelungen (Regulierungs- bzw. Governancekosten) (Williamson, Oliver E. 1975, S. 90 ff.) möglichst günstige Bedingungen für eine produktive Wertschöpfung und faire Wertverteilung zu schaffen (vgl. auch Blair, Margaret M. 1995, S. 39; O\'Sullivan, Mary 2000, S. 1). Dabei bemisst sich die Produktivität der Wertschöpfung (und damit auch der ökonomische Unternehmenswert) letztlich nach dem Ausmaß der Fähigkeit des Unternehmens, die Ansprüche seiner Bezugsgruppen (bei gegebenen Beiträgen) nachhaltig zu erfüllen (vgl. auch Prahalad, C. K. 1997, S. 54 ff.; v.Werder, Axel v. 1998, S. 90). Die Fairness der Wertverteilung kann unternehmenstheoretisch danach beurteilt werden, inwieweit sie den Relationen der Wertschöpfungsbeiträge und der Chancen bzw. Risiken aus unvollständigen Verträgen der einzelnen Stakeholder folgt.

2. Regelungsgegenstände der Corporate Governance


Aus den betriebswirtschaftlichen Anforderungen guter Unternehmensführung lassen sich vier generelle Gestaltungsfelder ableiten, auf die sich Governanceregeln erstrecken müssen (v.Werder, Axel v. 2001, S. 12):
(1) Regelungen zur Festlegung der übergeordneten Zielsetzung des Unternehmens:
Das übergeordnete Unternehmensziel bietet dem Top Management als Inhaber der obersten Verfügungsmacht im Unternehmen eine Handlungsmaxime, um Interessenkonflikte zwischen den Bezugsgruppen im Einzelfall zu bewältigen. Dabei ist grundlegend zu entscheiden, ob die Aktionärsinteressen mehr oder weniger eindeutig in den Vordergrund gestellt (Shareholder-Ansatz) oder aber auch die Belange der anderen Interessengruppen über das rechtlich und faktisch unabdingbare Mindestmaß hinaus berücksichtigt werden (Stakeholder-Ansatz). Das deutsche Aktienrecht verpflichtet die Führungsorgane der AG auf das Unternehmensinteresse, das aus der angemessenen Berücksichtigung der Einzelinteressen aller Bezugsgruppen resultiert.
(2) Regelungen für die Strukturen, Prozesse und Personen der Unternehmensführung, mit denen das Unternehmensziel erreicht werden soll:
Die Governancebestimmungen für die Führungsstrukturen, -prozesse und -personen sind besonders facettenreich und bilden den substanziellen Schwerpunkt der CG. Sie können bspw. wie in der deutschen AG einen mehrgliedrigen Organaufbau mit Hauptversammlung, Aufsichtsrat und Vorstand vorsehen, Regelungen für Kernprozesse guter CG wie die Informationsversorgung des Aufsichtsrats durch den Vorstand oder die Etablierung einer offenen Diskussionskultur zwischen Leitungs- und Überwachungsorgan beinhalten sowie Standards für die Qualifikationsanforderungen und die Vergütung der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat setzen.
(3) Regelungen für regelmäßige Evaluationen der Führungsaktivitäten:
Diese Regeln dienen der Bestandsaufnahme und kontinuierlichen Verbesserung der Modalitäten der Unternehmensführung. Ein Beispiel bildet die Empfehlung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) an den Aufsichtsrat, die Effizienz seiner Tätigkeit regelmäßig zu überprüfen.
(4) Regelungen zur proaktiven Unternehmenskommunikation:
Regelungen zur Unternehmenskommunikation zielen darauf ab, durch Herstellung von Transparenz das Vertrauen und damit die letztlich existenznotwendige Unterstützung der relevanten Bezugsgruppen des Unternehmens zu gewinnen und zu festigen.

3. Regelungsebenen der Corporate Governance


Die Lösung von CG-Problemen kann prinzipiell entweder dem Marktgeschehen überlassen werden oder Gegenstand gezielter Regelungen sein. Da eine Regulierung grundsätzlich Kosten verursacht, sind marktliche Lösungen unter Effizienzgesichtspunkten im Prinzip vorzuziehen. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass Märkte nicht selten unvollkommen sind und dann zu Wohlfahrtsverlusten und Verteilungsproblemen führen. Infolgedessen kann auf ein gewisses Maß an Regulierung (auch) im Governancezusammenhang nicht verzichtet werden, wobei das Verhältnis von Regulierungsnutzen (aus Behebung der Folgen von Marktversagen) und Regulierungskosten möglichst zu optimieren ist (vgl. Bebchuk, Lucian Arye 1992, S. 1485 ff.; Kübler, Friedrich 1994, S. 144).
Regelungen zur CG können auf drei verschiedenen Regulierungsebenen angesiedelt werden. Zunächst lassen sich die gesetzlichen Vorschriften von den untergesetzlichen Governancestandards abschichten. Gesetzliche Vorschriften zur CG sind das Ergebnis eines parlamentarischen (Gesetzgebungs-)Verfahrens und für alle Adressaten des betreffenden Gesetzes verbindlich. Untergesetzliche Governancestandards ( „ soft law “ ) haben hingegen nicht den Status formeller Rechtsregelungen. Sie beruhen vielmehr häufig auf Initiativen aus Kreisen der Praxis, füllen die jeweils geltenden gesetzlichen Vorschriften aus und sollen qua (mehr oder weniger freiwilliger) Selbstbindung der Unternehmen wirksam werden. Innerhalb der Gruppe untergesetzlicher Governancestandards können nach ihrer Geltungsreichweite generelle Regelwerke für eine bestimmte, größere Gruppe von Unternehmen (z.B. Kodizes wie der DCGK (v.Werder, Axel v. 2002) und Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensführung) sowie unternehmensindividuelle Leitlinien unterschieden werden.

III. Ausformungen der Corporate Governance


1. Mechanismen der Corporate Governance


CG-Regime können mit internen Kontrollen durch Unternehmensorgane und externen Kontrollen durch den Markt auf zwei prinzipiell unterschiedliche Mechanismen zurückgreifen, um Risiken aus unvollständigen Verträgen einzudämmen (vgl. Witt, Peter 2003, S. 12; Cuervo, Alvaro 2002, S. 84). Bei den – oft auch synonym als interne CG bezeichneten – Organkontrollen erhalten Stakeholder bestimmte Informations-, Überwachungs- und Entscheidungsrechte, die sie in die Lage versetzen, solche Risiken (besser) zu erkennen und im Rahmen ihrer Kompetenzen zu reduzieren. Ein prototypisches Beispiel bildet der Aufsichtsrat der AG, der es den dort vertretenen Bezugsgruppen (Aktionäre, oft aber auch z.B. Kreditgeber sowie Arbeitnehmer im Mitbestimmungsfall) erlaubt, den Vorstand zu kontrollieren. Marktkontrollen hingegen setzen – als externe CG – auf die \'freiwillige\' Koordination unterschiedlicher Interessen durch das Spiel der Marktkräfte von Angebot und Nachfrage. Im Zentrum diesbezüglicher Governanceüberlegungen steht hier bislang der (Eigenkapital-)Markt für Unternehmenskontrolle, der unbefriedigende Leistungen des Top Managements durch die idealtypische Sequenz von Aktienverkäufen, Kursrückgängen, feindlicher Übernahme und Auswechselung des Managements sanktioniert (s. näher Manne, Henry G. 1965, S. 112 ff.; Kapitalmarkt und Management). Die Marktkontrolle ist als Governancemechanismus allerdings keineswegs auf den Markt für Eigenkapital beschränkt. Sie kann vielmehr durchaus auch auf anderen Märkten und damit zugunsten weiterer Stakeholder funktionieren.
Die Governancemechanismen der internen und externen Kontrolle beruhen auf den beiden Optionen „ Voice “ und „ Exit “ (Hirschman, Albert O. 1970), die unzufriedenen Transaktionspartnern zur Wahrnehmung ihrer Interessen grundsätzlich zur Verfügung stehen. Sie können danach entweder ihre Stimme erheben und auf diese Weise Einfluss auf das Verhalten ihres Transaktionspartners zu nehmen suchen (Voice) oder aber die Austauschbeziehung verlassen (Exit). Während Voice-Maßnahmen sowohl innerhalb (z.B. Aktionärseinfluss qua Hauptversammlung) als auch außerhalb (z.B. Verbraucherkampagnen) des Unternehmens möglich sind, laufen Exit-Handlungen letztlich stets auf einen Marktpartnerwechsel hinaus.

2. Prinzipien der Corporate Governance


Ausgehend von den Ursachen der Governanceprobleme (unvollständige Verträge, unterschiedliche Interessen der Bezugsgruppen und opportunistisches Verhalten der Akteure) lassen sich bestimmte Gestaltungsprinzipien der CG identifizieren, welche die produktive Wertschöpfung und faire Wertverteilung fördern (sollen). Zu den wichtigsten Governanceprinzipien zählen die Gewaltenteilung, die Transparenz, die Reduzierung von Interessenkonflikten und die Motivation zu wertorientiertem Verhalten (v.Werder, Axel v. 2003, S. 14 f.).
Durch Gewaltenteilung werden Verfügungsrechte auf mehrere Akteure verteilt und so Machtmonopole abgebaut, die anderenfalls zur eigennützigen Ausschöpfung von Opportunismusoptionen missbraucht werden könnten. Auf diese Weise werden „ checks and balances “ etabliert, die das Handeln bestimmter Personen der Kontrolle (i.w.S.) anderer Akteure unterwerfen.
Die Förderung der Transparenz des Unternehmensgeschehens durch Governanceregelungen zielt darauf ab, Informationsasymmetrien zwischen den verschiedenen Akteuren abzuschwächen. Zu denken ist vor allem an die breite Palette publizitäts-, kapitalmarkt- und arbeitsrechtlicher Vorschriften, welche die Unternehmen zur Offenlegung wichtiger Informationen verpflichten. Opportunistische Verhaltensweisen werden durch Transparenz eher sichtbar und daher mit Blick auf ansonsten drohende Sanktionen auch eher unterbleiben.
Governanceprobleme existieren u.a. nur deshalb, weil Stakeholder unterschiedliche und teils konträre Interessen verfolgen. Ein wichtiges Prinzip der CG besteht daher in der Eindämmung von Interessenkonflikten. Im Mittelpunkt steht dabei bislang – entsprechend dem klassischen Principal-Agent-Ansatz der CG – das Top Management, das aufgrund seiner privilegierten Verfügungsmacht besonders vielfältige Gelegenheiten hat, eigene Interessen über das Unternehmensinteresse zu stellen. Daneben werden aber auch andere Konfliktlagen wie etwa die von Banken, Aufsichtsratsmitgliedern, Abschlussprüfern und jüngst von Analysten adressiert. Interessenkonflikte lassen sich auf verschiedenen Wegen eindämmen. So können Kriterien der Unabhängigkeit formuliert, konfliktträchtige Aktivitäten unterbunden (z.B. Trennung von Prüfung und Beratung) oder zumindest einem vorherigen Zustimmungsvorbehalt unterworfen werden.
Die Motivation der Akteure soll ihren (eventuellen) Präferenzen für opportunistische Verhaltensweisen entgegenwirken und kann an den verschiedenen Faktoren der intrinsischen und extrinsischen Motivation anknüpfen. Nicht zuletzt zählen hierzu auch die diversen Haftungsvorschriften zivil- und strafrechtlicher Natur, die vertrags- und gesetzwidrige Formen des Opportunismus mit entsprechenden Sanktionen belegen.

3. Systeme der Corporate Governance


Systeme der CG bestehen aus diversen markanten Elementen rechtlicher und faktischer Natur, die unterschiedliche Ausprägungen annehmen können. Die jeweilige Kombination dieser (Ausprägungen der) Elemente führt zu spezifischen Arrangements institutioneller Regelungen und marktlicher Gegebenheiten, die insgesamt die Möglichkeiten der verschiedenen Stakeholder zur Einflussnahme auf das Unternehmensgeschehen bestimmen (vgl. Schmidt, Reinhard H./Hackethal, Andreas/Tyrell, Marcel 2002, S. 30). Zu den wichtigsten rechtlichen Systemelementen zählen die maßgebliche übergeordnete Zielsetzung des Unternehmens (Shareholder- oder Stakeholder-Orientierung), Strukturmerkmale wie bspw. eine monistische (Boardsystem) oder dualistische (Two Tier-System) Verfassung und eine direktoriale (CEO) oder kollegiale (Vorstand) Leitungsorganisation, die Verankerung der Arbeitnehmer (Partizipation durch Mitbestimmung oder Ausübung externen Arbeitsmarktdrucks) und die primäre Ausrichtung von Publizität und Prüfung nach dem (eher aktionärsfreundlichen) Marktwertprinzip (US-GAAP) oder dem (eher gläubigerschützenden) Vorsichtsprinzip (HGB). Die faktischen Systemelemente umfassen namentlich Indikatoren des Kapitalmarkts wie etwa die Aktionärsstrukturen (Anteilskonzentrationen oder Streubesitz), das Verhältnis von Eigen- und Fremdfinanzierung der Unternehmen, die Rolle der Banken (Universalbank- oder Trennungsprinzip) und die Existenz personeller Verflechtungen zwischen den Unternehmen (interlocking directorates). Von Bedeutung sind aber auch generellere sozio-kulturelle Faktoren wie bspw. die \'Governanceatmosphäre\', die governancerelevante Werthaltungen der jeweiligen Gesellschaft beinhaltet und z.B. bestimmt, welche Managementvergütungen noch als angemessen und inwieweit opportunistische Verhaltensweisen als verwerflich angesehen werden.
In der Realität lassen sich charakteristische Kombinationen dieser Elementausprägungen identifizieren, die als so genannte Systemtypen oder Governancemodelle grundlegende Alternativen des Umgangs mit dem CG-Problem markieren. Besondere Bedeutung kommt dabei der Gegenüberstellung des angelsächsischen und des kontinentaleuropäischen Modells zu. Derartige Kontrastierungen alternativer Systemtypen laufen naturgemäß Gefahr, holzschnittartig zu überzeichnen und notwendigen Nuancierungen nicht gerecht zu werden. Sie werfen gleichwohl auf der Makroebene der Rechtsordnungen die interessante Frage auf, ob bestimmte Modelle der CG den betreffenden Volkswirtschaften Wettbewerbsvorteile bieten und sich daher womöglich im (System-)Wettbewerb auch in Ländern durchsetzen, die ursprünglich ein anderes Governancesystem gehabt haben. Die Beantwortung dieser Frage ist – was häufig übersehen wird – ein komplexes Unterfangen, da die ökonomische Effizienz von Governancesystemen von zahlreichen Faktoren wie namentlich der Komplementarität der Systemelemente (Schmidt, Reinhard H./Hackethal, Andreas/Tyrell, Marcel 2002, S. 12; Witt, Peter 2003, S. 33) und ihrer Einpassung in das jeweilige wirtschaftliche, rechtliche und sozio-kulturelle Umsystem abhängt. Hinzu kommt, dass nicht allein die ökonomische Effizienz, sondern auch andere Faktoren wie namentlich politische (Macht-)Verhältnisse darüber entscheiden, ob und welche Governancesysteme sich international durchsetzen (vgl. hierzu auch Roe, Mark J. 2000, S. 546 ff.).

IV. Erfolgswirkungen der Corporate Governance


Die Generalthese der Governancedebatte lautet, dass Unternehmen mit guter CG erfolgreicher sind als solche mit unzulänglichen Führungsmodalitäten. Die Annahme eines positiven Zusammenhangs zwischen CG und Unternehmenserfolg darf zwar durchaus als plausibel gelten. Der empirische Nachweis dieser Korrelation ist jedoch bei näherem Hinsehen schwierig und bislang allenfalls bruchstückhaft gelungen.
Die Probleme, verlässliche Aussagen zu den Erfolgswirkungen alternativer Formen der CG zu treffen, beruhen zum einen darauf, dass Governancesysteme aus zahlreichen Systemelementen bestehen, die ihrerseits ein hohes Maß an Komplexität aufweisen und miteinander in vielfältigen Wechselwirkungen stehen. Je umfassender diese Interdependenzen berücksichtigt werden, desto mehr geht die Analyse in einen Effizienzvergleich von Governancesystemen insgesamt und damit auf die Makroebene (s. Abschn. III.3.) über. Zum anderen ist zu beachten, dass der – wie auch immer im Einzelnen definierte – Unternehmenserfolg keineswegs ausschließlich von den Governancemodalitäten beeinflusst wird, sondern von zahlreichen weiteren Faktoren wie z.B. den Geschäftsfeld- und Wettbewerbsstrategien des Unternehmens. Einfache Ursache-Wirkungs-Aussagen sind vor diesem Hintergrund zwangsläufig problematisch.
Betrachtet man die Beziehungen zwischen CG und Unternehmenserfolg fokussiert aus der betriebswirtschaftlichen Mikroperspektive, so ist das Augenmerk auf Governanceaspekte zu richten, die von den Unternehmen (mehr oder weniger) autonom gestaltet werden können. Zu denken ist folglich an die breite Palette von Detailfragen der internen (Leitungs- und Überwachungsgepflogenheiten) und externen CG (z.B. Transparenz), die – im Rahmen gesetzlicher Vorgaben – der unternehmensindividuellen Gestaltung zugänglich sind. Einen konkreten, wenn auch in keiner Weise abschließenden Katalog solcher Aspekte enthält bspw. der DCGK mit seinen zahlreichen Empfehlungen und Anregungen zur Unternehmensführung. Diese und weitere Standards \'guter\' CG werfen streng genommen stets die Frage auf, ob ihre Befolgung tatsächlich den Unternehmenserfolg erhöht und sich damit \'lohnt\'. Soweit überhaupt diesbezügliche Studien vorliegen, kommen sie nicht selten zu uneinheitlichen Befunden (vgl. exemplarisch Rechner, Paula L./Dalton, Dan R. 1991 einerseits und Baliga, B. Ram/Moyer, R. Charles/Rao, Ramesh S. 1996 andererseits). Die heute noch unsicheren Erkenntnisse über die Erfolgskonsequenzen der CG mahnen somit zur Vorsicht bei entsprechenden Effizienzaussagen. Sie sprechen allerdings in Anbetracht der schwierigen Beweisführung auch nicht per se gegen die Formulierung und Einhaltung von Governancestandards. Soweit die Standards plausibel sind und bereits von zahlreichen Unternehmen (ohne erkennbaren Schaden) praktiziert werden, dürfen sie als \'Best Practice\' eine gewisse Effizienzvermutung für sich beanspruchen.

V. Ausblick


Die große Bandbreite ökonomischer Fragestellungen, die mit der Leitung und Überwachung von Unternehmen verbunden sind, und die bislang nicht gekannte starke Resonanz in der Praxis legen die Prognose nahe, dass das Thema CG keine vorübergehende Modeerscheinung ist, sondern sich als feste Größe auf der betriebswirtschaftlichen Agenda etablieren wird. Dabei stehen Wissenschaft wie Governancepraxis noch vor großen Herausforderungen. In der Forschung ist vor allem der empirische Erkenntnisstand über die tatsächlich praktizierten Governancegepflogenheiten, ihre Beeinflussung durch gesetzliche und untergesetzliche Regelungen und ihre Konsequenzen für den Unternehmenserfolg zu verbessern. In der Praxis werden die schon angestoßenen und für die Zukunft noch zu erwartenden Reformen der CG die gegenwärtig schon zu beobachtenden Veränderungsprozesse (v.Werder, Axel v./Talaulicar, Till 2005) noch verstärken.
Literatur:
Baliga, B. Ram/Moyer, R. Charles/Rao, Ramesh S. : CEO Duality and Firm Performance, in: SMJ, Jg. 17, 1996, S. 41 – 53
Bebchuk, Lucian Arye : Federalism and the Corporation, in: Harvard Law Review, Jg. 105, 1992, S. 1435 – 1510
Berle, Adolf A./Means, Gardiner C. : The Modern Corporation and Private Property. Revised Edition, New York 1967
Blair, Margaret M. : Ownership and Control, Washington, DC 1995
Cornell, Bradford/Shapiro, Alan C. : Corporate Stakeholders and Corporate Finance, in: Financial Management, Jg. 16, H. 1/1987, S. 5 – 14
Cuervo, Alvaro : Corporate Governance Mechanisms, in: Corporate Governance – An International Review, Jg. 10, 2002, S. 84 – 93
Daily, Catherine M./Dalton, Dan R. : The Relationship between Governance Structure and Corporate Performance in Entrepreneurial Firms, in: Journal of Business Venturing, Jg. 7, 1992, S. 375 – 386
Grundei, Jens/Talaulicar, Till : Company Law and Corporate Governance of Start-ups in Germany, in: JMG, Jg. 6, 2002, S. 1 – 27
Hart, Oliver D. : Incomplete Contracts and the Theory of the Firm, in: Journal of Law, Economics, and Organization, Jg. 4, 1988, S. 119 – 139
Hirschman, Albert O. : Exit, Voice and Loyalty, Cambridge, MA 1970
Jensen, Michael C./Meckling, William H. : Theory of the Firm, in: Journal of Financial Economics, Jg. 3, 1976, S. 305 – 360
Kübler, Friedrich : Aktienrechtsreform und Unternehmensverfassung, in: AG, Jg. 39, 1994, S. 141 – 148
Manne, Henry G. : Mergers and the Market for Corporate Control, in: J.Polit.Econ., Jg. 73, 1965, S. 110 – 120
O\'Sullivan, Mary : Contests for Corporate Control, Oxford 2000
Prahalad, C. K. : Corporate Governance or Corporate Value Added?, in: Studies in International Corporate Finance and Governance Systems, hrsg. v. Chew, Donald H., New York – Oxford 1997, S. 46 – 56
Rechner, Paula L./Dalton, Dan R. : CEO Duality and Organizational Performance, in: SMJ, Jg. 12, 1991, S. 155 – 160
Roe, Mark J. : Political Preconditions to Separating Ownership from Corporate Control, in: Stanford Law Review, Jg. 53, 2000, S. 539 – 606
Schmalenbach, Eugen : Die Überwachungspflicht des Aufsichtsrats, in: ZfhF, Jg. 5, 1911, S. 271 – 283
Schmidt, Reinhard H./Hackethal, Andreas/Tyrell, Marcel : The Convergence of Financial Systems in Europe, in: sbr, Special Issue No. 1/2002, S. 7 – 53
Werder, Axel v. : Shareholder Value-Ansatz als (einzige) Richtschnur des Vorstandshandelns?, in: ZGR, Jg. 27, 1998, S. 69 – 91
Werder, Axel v. : Der German Code of Corporate Governance im Kontext der internationalen Governance-Debatte, in: German Code of Corporate Governance (GCCG), hrsg. v. Werder, Axel v., 2. A., Stuttgart 2001, S. 1 – 33
Werder, Axel v. : Der Deutsche Corporate Governance Kodex – Grundlagen und Einzelbestimmungen, in: DB, Jg. 55, 2002, S. 801 – 810
Werder, Axel v. : Ökonomische Grundfragen der Corporate Governance, in: Handbuch Corporate Governance, hrsg. v. Hommelhoff, Peter/Hopt, Klaus J./Werder, Axel v., Köln – Stuttgart 2003, S. 3 – 27
Werder, Axel v. : Kommentierungen, in: Kommentar zum Deutschen Corporate Governance Kodex, 2. A., hrsg. v. Ringleb, Henrik-Michael et al., München 2005a
Werder, Axel v. : Führungsorganisation: Grundlagen der Spitzen- und Leitungsorganisation von Unternehmen, Wiesbaden 2005b
Werder, Axel v./Talaulicar, Till : Kodex Report 2005, in: DB, Jg. 58, 2005, S. 841 – 846
Williamson, Oliver E. : Markets and Hierarchies, New York 1975
Witt, Peter : Corporate Governance-Systeme im Wettbewerb, Wiesbaden 2003

 

 


 

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