New Public Management
Inhaltsübersicht
I. New Public Management als weltweite Reformbewegung von Staat und Verwaltungen
II. Charakteristische Merkmale von NPM
III. Problemfelder und Entwicklungsperspektiven
I. New Public Management als weltweite Reformbewegung von Staat und Verwaltungen
New Public Management (NPM) prägt seit gut 20 Jahren die Diskussion in den Industrie-Staaten und zunehmend auch in den Entwicklungsländern. In Deutschland steht hierfür weitgehend synonym der Begriff „ Neues Steuerungsmodell “ . Der Begriff NPM stellt eine inhaltliche und programmatische Abgrenzung zum klassischen Begriff „ Public Administration “ dar und geht auf Hood (Hood, Christopher 1991, S. 3 ff.) zurück. Gegenstand von NPM ist die Ablösung einer struktur- und normengeprägten Steuerung.
Im Gegensatz zum klassischen Bürokratiemodell ist NPM kein in sich geschlossenes Konzept. Vielmehr ist NPM eine weltweite Bewegung, die auf eine Umgestaltung von Staat und Verwaltungen mit ihren einzelnen Einheiten abzielt.
Auslöser dieses Reformprozesses waren die Dysfunktionalitäten bürokratischer Grundstrukturen bei zunehmend komplexer werdenden dynamischen Umfeldentwicklungen sowie die anhaltenden Finanzkrisen von Industriestaaten und ihren Gebietskörperschaften. Theoretische Bezüge sind die Institutionenökonomie und hier insbesondere die Transaktionskostentheorie sowie der Prinzipal-Agenten-Ansatz (Reichard, Christoph 2002, S. 585 ff.; Budäus, Dietrich/Finger, Stefanie 1999, S. 313 ff.; Naschold, Frieder et al. 1996), neben Bezügen zum Kontingenzansatz aus der Organisationsforschung (Lüder, Klaus 1992, S. 99 ff.).
II. Charakteristische Merkmale von NPM
Auch wenn NPM „ nur “ als eine Reformbewegung bezeichnet werden kann, so lassen sich die charakterisierenden Merkmale in vier interdependente Reformsegmente des NPM unterscheiden (diese finden sich in unterschiedlicher Ausprägung etwa bei Budäus, Dietrich/Finger, Stefanie 1999, S. 313 ff.; Kickert, Walter 1997, S. 17 ff.; Naschold, Frieder/Bogumil, Jörg 1998; Schedler, Kuno/Proeller, Isabella 2000):
- | Gewandeltes Funktions- und Rollenverständnis von Staat und Verwaltungen | - | Externe Strukturreform | - | Binnenmodernisierung | - | Demokratie- und Bürgerorientierung. |
Bei der Diskussion und praktischen Ausgestaltung des gewandelten Funktions- und Rollenverständnisses von Staat und Verwaltungen ist zu unterscheiden zwischen politisch programmatischen Ansätzen – so zur Zeit vor allem „ schlanker Staat “ und „ aktivierender Staat “ (Lamping, Wolfram et al. 2002) – und den sich in der Praxis konkret abzeichnenden Gestaltungs- und Organisationsprinzipien. Bei letzterem spielt der Wandel vom produzierenden zum gewährleistenden Staat die entscheidende Rolle. Staat und Verwaltungen ziehen sich auf Kernaufgaben und damit aus unmittelbaren Produktionsprozessen zurück. Unabhängig von der Zuordnung einer bestimmten Aufgabe zu einem konkreten Aufgabenträger tendieren Staat und Verwaltungen nur noch dazu, zu gewährleisten, dass bisher öffentlich durchgeführte Aufgaben wahrgenommen werden. Hiermit verbunden ist der sich für die Zukunft abzeichnende Umbau von Staat und Verwaltungen zu einer schwerpunktmäßigen Beschränkung auf staatliche Agenturen und Kontrollbehörden. Hierbei geht es primär um die Schaffung von Märkten und die Gewährleistung von deren Funktionsfähigkeit. Gewährleistungsstaat und agenturtheoretische Konzeption hängen wieder eng mit Privatisierung und Deregulierung zusammen. Zur Handhabung der Ressourcenallokation durch Staat und Verwaltungen wird zunehmend auf Marktmechanismen innerhalb des öffentlichen Sektors sowie zwischen öffentlichem und privatwirtschaftlichem Sektor zurückgegriffen. Es geht aber nicht nur um Marktorientierung und Wettbewerb, sondern als gleichwertiges Instrument auch um Kooperation. Die Diskussion konzentriert sich hierbei bisher überwiegend auf die Aufhebung der klassischen ordnungspolitisch geprägten Dichotomie von Staat und Markt. Im Mittelpunkt stehen Kooperationen und strategische Allianzen zwischen öffentlichen und privaten Einheiten in Form von Public Private Partnership (PPP) (Roggencamp, Sibylle 1999; Budäus, Dietrich 2005). Zwecks besserer kapazitätsmäßiger Auslastung und Nutzung öffentlich verfügbarer Ressourcen sind aber in gleichem Maße gerade auch Kooperationsstrategien zwischen öffentlichen Einrichtungen und Gebietskörperschaften geboten. Schließlich ist im Rahmen der Verknüpfung von Staatstätigkeit und Bürgerorientierung auf den Einfluss des Kommunitarismus in unterschiedlicher Ausprägung zu verweisen.
Bei der externen Strukturreform stehen die konkrete Schaffung von Wettbewerbsbedingungen sowie nutzerorientierte Finanzierungsansätze im Vordergrund. Die Einbeziehung bisher öffentlich wahrgenommener Aufgaben in den Wettbewerb ist durch die EU-Wettbewerbskonzeption geprägt. Die nutzerorientierte Finanzierung zielt darauf ab, Dysfunktionalitäten kollektiver Finanzierungssysteme abzubauen bzw. zu vermeiden. In die externe Strukturreform ist als Schnittstelle zur Binnenmodernisierung auch eine grundlegende Neuorientierung des öffentlichen Personalwesens einzubeziehen.
Bei der Binnenmodernisierung geht es um dezentrale Grundstrukturen, bei denen den einzelnen Einheiten die erstellten Leistungen und der hierdurch tatsächlich verursachte Ressourcenverbrauch zugeordnet werden können. Ein weiterer Schwerpunkt wird in dem Instrumentarium der globalen Budgetierung und in der Reform des öffentlichen Rechnungswesens und Informationssystems gesehen. Dabei setzt sich immer stärker die von Lüder entwickelte Integrierte Verbundrechnung durch (Lüder, Klaus 2002). Dies gilt nicht nur für die kommunale Ebene, sondern inzwischen auch in ersten Ansätzen auf staatlicher Ebene, etwa für das Land Hessen. Die Integrierte Verbundrechnung verdrängt die so genannte erweiterte Kameralistik, bei der die bisherige kamerale Rechnung additiv um eine Kosten- und Leistungsrechnung erweitert wurde. Zusätzlich gewinnt die internationale Entwicklung wachsenden Einfluss auf die Reform des öffentlichen Rechnungswesens. Es geht dabei darum, dass an die Stelle des HGB als Referenzmodell für Ansatz und Bewertung die International Public Sector Accounting Standards (IPSAS) an Bedeutung gewinnen (Vogelpoth, Norbert/Dörschell, Andreas 2001, S. 252 ff.; Lüder, Klaus 2002, S. 151 ff.; Srocke, Isabell 2002). Hieraus ergibt sich dann die Konsequenz, dass die im privatwirtschaftlichen Bereich vorherrschende Trennung zwischen internem und externem Rechnungswesen für den öffentlichen Sektor irrelevant wird. In den Vordergrund treten die integrierte Verbundrechnung, deren Konsolidierung über die dezentralen öffentlichen Einheiten des „ Konzerns “ Gebietskörperschaft und daraus abgeleitet die Segmentberichte mit entsprechendem Berichtswesen. Kosteninformationen werden nur noch ergänzend zur Konzernrechnungslegung und den Informationen aus den Segmentberichten erforderlich (Srocke, Isabell 2002).
Eine über die integrierte Verbundrechnung hinausgehende Weiterentwicklung des öffentlichen Informationssystems zielt in Anlehnung an die Balanced Scorecard auf ein öffentliches Management-Informationssystem, in dem die Integrierte Verbundrechnung nur ein Element darstellt (Budäus, Dietrich 2000; Langthaler, Silvia 2002). Eng verbunden mit dem Rechnungswesen und Informationssystem sind Ansätze des Controlling als wesentliches Element im Rahmen der Binnenmodernisierung (Buchholtz, Klaus 2001).
Die hier skizzierte inhaltliche Grundstruktur eines NPM ist in Abb. 1 zusammenfassend dargestellt.
Abb. 1: Felder des New Public Management
III. Problemfelder und Entwicklungsperspektiven
Als eine generelle Tendenz ist die Atomisierung des Nationalstaates mit seinen Verwaltungen unverkennbar. Damit verbunden ist zumindest partiell auch eine Entpolitisierung formal demokratisch legitimierter Entscheidungsstrukturen. Parallel dazu wächst die Macht übergeordneter internationaler Institutionen. Atomisierung von Staat und Verwaltungen, Entpolitisierung und Machtverlagerungen auf internationale Organisationen lassen in Teilbereichen Gremien und Institutionen des politisch-administrativen Systems zu Akklamationseinrichtungen werden. Andererseits entstehen insbesondere über globale Ressourcenkompetenzen und autonome Handlungsspielräume neue, nicht legitimierte und wenig transparente Machtstrukturen in öffentlichen Einheiten.
Methodisch ist der Wandel von Staat und Verwaltungen durch den Wandel von der Struktur- zur Prozessanalyse und -gestaltung geprägt. Im Zentrum steht die Analyse und Ausgestaltung von Wertschöpfungsprozessen in öffentlichen Verwaltungen. Die Prozessorientierung steht unmittelbar im Zusammenhang mit der Entwicklung der IuK-Technik und ist inzwischen zur Grundlage des E-Government geworden. Analog zur arbeitsteiligen Zerlegung industrieller Produktionsprozesse zu Beginn des vorigen Jahrhunderts in der industriellen Fertigung (so etwa beim Ford\'schen System in der Automobilindustrie) stehen wir zu Beginn des neuen Jahrhunderts vor einer arbeitsteiligen Zerlegung und Automation von Informationsverarbeitungsprozessen mit Hilfe der IuK-Technik. Damit ist die Implementation und Entwicklung von E-Government als Verwaltungsreform verbunden. Hierbei zeichnet sich eine Ausdifferenzierung in systemsteuernde und systembildende Funktion von E-Government ab (Budäus, Dietrich/Schwiering, Katrin 1999). Systemsteuernde Prozesse beziehen sich auf die Standardisierung und Verbesserung bisheriger Problemlösungsprozesse und deren Wertschöpfung. Systembildende Funktion bezieht sich auf ganz neue Formen und Strukturen von öffentlichen Leistungsprozessen und deren Wertschöpfung, etwa durch Verlagerung einzelner Aktivitäten auf den Bürger, durch Vernetzungen sowie durch Schaffung bisher nicht möglicher Mitwirkung und Einflussnahme auf öffentliche Informationsverarbeitungsprozesse.
Das Problem dieser hier skizzierten Entwicklung liegt darin, dass die Verwaltungsreform vor diesem Hintergrund in Zukunft sehr stark Software-determiniert sein wird. Dies bedeutet, die derzeitigen und zukünftigen verfügbaren Softwarelösungen bestimmen die zukünftigen Entwicklungstendenzen in Staat und Verwaltungen.
Ein weiterer Aspekt liegt in der regionalen Kooperation zwischen verfügbaren Ressourcen- und Leistungspotenzialen als Verwaltungsreform prägendes Element. Die Frage, privat versus öffentliche Aufgabenwahrnehmung tritt in den Hintergrund. Ausschlaggebend ist die Frage regionale oder globale Aufgabenwahrnehmung. Damit gewinnen Kooperationsansätze innerhalb von Regionen einen wesentlich höheren Stellenwert und hier insbesondere das gesamte Spektrum von Public Private Partnership. E-Government und PPP werden in Verbindung mit dem öffentlichen Informationssystem die bestimmenden Säulen der zukünftigen Entwicklung des öffentlichen Sektors und damit auch eines NPM sein.
Begleitet werden die hier skizzierten, durch das NPM umfassten Entwicklungslinien der Reform von Staat und Verwaltungen durch eine teilweise generalisierende Kritik am NPM, wie sie inhaltlich in Begriffen wie Managerialismus, Neoliberalismus und Ökonomisierung zum Ausdruck kommen. Diese Kritik soll in eine bisher inhaltlich noch wenig strukturierte Governance-Konzeption für den öffentlichen Sektor einmünden (Jann, Werner 2002, S. 291 ff.). Inwieweit diese neue Richtung trag- und leistungsfähig ist, muss die zukünftige Entwicklung zeigen.
Literatur:
Buchholtz, Klaus : Verwaltungssteuerung mit Kosten- und Leistungsrechnung. Internationale Erfahrungen, Anforderungen und Konzepte, Wiesbaden 2001
Budäus, Dietrich : Kooperationsformen zwischen Staat und Markt. Theoretische Grundlagen und praktische Ausprägungen von Public Private Partnership, Baden-Baden 2005
Budäus, Dietrich : Vom neuen kommunalen Rechnungswesen zum öffentlichen Management Informationssystem – Grundlagen eines Verwaltungscontrolling, in: Verwaltung und Management, Jg. 6, H. 2/2000, S. 68 – 76
Budäus, Dietrich/Finger, Stefanie : Stand und Perspektiven der Verwaltungsreform in Deutschland, in: Die Verwaltung, H. 3/1999, S. 313 – 343
Budäus, Dietrich/Schwiering, Katrin : Die Rolle der Informations- und Kommunikationstechnologien im Modernisierungsprozess öffentlicher Verwaltungen, in: 20. Saarbrücker Arbeitstagung für Industrie, Dienstleistung und Verwaltung, hrsg. v. Scheer, August-Wilhelm, Heidelberg 1999, S. 143 – 165
Hood, Christopher : Public Management for all Seasons?, in: Public Administration, H. 1/1991, S. 3 – 19
Jann, Werner : Der Wandel verwaltungspolitischer Leitbilder: Vom Management zu Governance?, in: Deutsche Verwaltung an der Wende zum 21. Jahrhundert, hrsg. v. König, Klaus, Baden-Baden 2002, S. 279 – 303
Kickert, Walter : Public Management in the United States and in Europe, in: Public Management and administrative reform in Western Europe, hrsg. v. Kickert, Walter, Cheltenham 1997, S. 15 – 38
Lamping, Wolfram : Der aktivierende Staat. Positionen, Begriffe, Strategien. Studie für den Arbeitskreis Bürgergesellschaft und aktivierender Staat der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 2002
Langthaler, Silvia : Mehrdimensionale Erfolgssteuerung in der Kommunalverwaltung. Konzeptionelle und praktische Überlegungen zum Einsatz der Balanced Scorecard im kommunalen Management, Linz 2002
Lüder, Klaus : Internationale Standards für das öffentliche Rechnungswesen – Entwicklungsstand und Anwendungsperspektiven, in: Finanzpolitik und Finanzkontrolle – Partner für Veränderungen. Gedächtnisschrift für Udo Müller, hrsg. v. Eibelshäuser, Manfred, Baden-Baden 2002, S. 151 – 166
Lüder, Klaus : A contingency model of governmental accounting innovations in the political-administrative environment, in: Research in Governmental and Nonprofit Accounting, Jg. 7, 1992, S. 99 – 127
Naschold, Frieder/Bogumil, Jörg : Modernisierung des Staates – New Public Management und Verwaltungsreform, Opladen 1998
Naschold, Frieder : Leistungstiefe im öffentlichen Sektor, Ed. Sigma, Modernisierung des öffentlichen Sektors, Sonderband 4, Berlin 1996
Pollitt, Christopher/Bouckaert, Geert : Public Management Reform. A Comparative Analysis, Oxford 2000
Reichard, Christoph : Institutionenökonomische Ansätze und New Public Management, in: Deutsche Verwaltung an der Wende zum 21. Jahrhundert, hrsg. v. König, Klaus, Baden-Baden 2002, S. 585 – 603
Roggencamp, Sibylle : Public Private Partnership. Entstehung und Funktionsweise kooperativer Arrangements zwischen öffentlichem Sektor und Privatwirtschaft, Franfurt am Main 1999
Schedler, Kuno/Proeller, Isabella : New Public Management, Bern/Stuttgart/Wien 2000
Srocke, Isabell : Segmentberichterstattung für die interne Steuerung und externe Publizität des öffentlichen Sektors, Public Management – Diskussionsbeiträge Nr. 44, hrsg. v. Budäus, Dietrich, Hamburg 2002
Vogelpoth, Norbert/Dörschell, Andreas : Internationale Rechnungslegungsstandards für öffentliche Verwaltungen – Das Standards-Project des IFAC Public Sector Committe, in: WPg, Jg. 21, 2001, S. 752 – 762
|