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Wirtschaftsprüfung


Inhaltsübersicht
I. Abschlussprüfung als Vorbehaltsaufgabe des Wirtschaftsprüfers
II. Prüfungspflicht
III. Zwecke der Abschlussprüfung und Prüfungsanforderungen
IV. Prüfungsauftrag
V. Basiskonzepte der Abschlussprüfung
VI. Bestätigungsvermerk
VII. Prüfungsbericht

I. Abschlussprüfung als Vorbehaltsaufgabe des Wirtschaftsprüfers


Die Durchführung von (gesetzlichen) Abschlussprüfungen bei bestimmten Unternehmen als Vorbehaltsaufgabe ist maßgeblich für das Berufsbild des Wirtschaftsprüfers. Daneben können Wirtschaftsprüfer auch auf den Gebieten der Steuer-, Unternehmens- und Wirtschaftsberatung oder als Gutachter/Sachverständiger sowie als Treuhänder tätig werden. Der Schwerpunkt der Wirtschaftsprüfung liegt jedoch eindeutig auf der Durchführung von Abschlussprüfungen.

II. Prüfungspflicht


Der Pflicht zur Prüfung unterliegen der Jahresabschluss und der Lagebericht von Kapitalgesellschaften und Kapitalgesellschaften & Co., die nicht kleine im Sinne des § 267 I HGB sind, sowie der nach § 290 ff. HGB aufzustellende Konzernabschluss und Konzernlagebericht von Kapitalgesellschaften und Kapitalgesellschaften & Co. (§ 316 I Satz 1, II HGB i.V.m. § 264a HGB; zu weiteren rechtsform- und wirtschaftszweigspezifischen Prüfungspflichten vgl. ADS § 316 Anm. 27 – 29, 35, 55).

III. Zwecke der Abschlussprüfung und Prüfungsanforderungen


Die gesetzliche Abschlussprüfung erfüllt folgende Zwecke:

-

Sie stellt im Fall des Jahresabschlusses sicher, dass nur Gewinne zur Ausschüttung kommen können, die nach den gesetzlichen Ansatz- und Bewertungsregeln ermittelt wurden.

-

Sie gewährleistet, dass die in Jahres- und Konzernabschlüssen sowie den entsprechenden Lageberichten zu gebenden Informationen verlässlich sind, was deren Ordnungsmäßigkeit mit einschließt.

-

Der Aufsichtsrat bzw. die Gesellschafterversammlung erhalten ergänzende Informationen über den Jahres- und Konzernabschluss und über die Lage des Unternehmens bzw. Konzerns sowie bei börsennotierten Aktiengesellschaften über die Qualität des Überwachungssystems.

-

Bei Unternehmen, die der staatlichen Aufsicht unterliegen (insbes. Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen), wird die Kontrollfunktion der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unterstützt.

-

Die Öffentlichkeit wird ggf. noch zusätzlich im Bestätigungsvermerk über Risiken informiert, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden.


Nach § 317 HGB sind der Jahresabschluss einschließlich der Buchführung und der Konzernabschluss darauf zu prüfen, ob die gesetzlichen Vorschriften und sie ergänzenden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung beachtet worden sind (I Satz 1,2). Der Lagebericht und der Konzernlagebericht sind darauf zu prüfen, ob der Lagebericht mit dem JA und der Konzernlagebericht mit dem Konzernabschluss sowie mit den bei der Prüfung gewonnenen Erkenntnissen in Einklang stehen und ob der Lagebericht und Konzernlagebericht insgesamt eine zutreffende Vorstellung von der Lage des Unternehmens bzw. des Konzerns vermitteln (II Satz 1). Dabei ist auch zu prüfen, ob die Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung (vgl. §§ 289 I, 315 I HGB) zutreffend dargestellt sind (II Satz 2). Bei einer börsennotierten Aktiengesellschaft ist außerdem im Rahmen der Prüfung zu beurteilen, ob der Vorstand die ihm nach § 91 II AktG obliegenden Maßnahmen in einer geeigneten Form getroffen hat und ob das danach einzurichtende Überwachungssystem seine Aufgaben erfüllen kann (IV).
Die gesetzlichen Prüfungsanforderungen werden in den vom IDW herausgegebenen Prüfungsstandards konkretisiert (IDW 2005). Diese Prüfungsstandards entsprechen weitgehend den von der IFAC herausgegebenen International Standards on Auditing (ISAs) (IFAC-Handbook 2005).

IV. Prüfungsauftrag


Der Abschlussprüfer des JA wird von den Gesellschaftern (Hauptversammlung der AG, Gesellschafterversammlung der GmbH bzw. der Kapitalgesellschaft & Co.) gewählt; den Abschlussprüfer des Konzernabschlusses wählen die Gesellschafter des Mutterunternehmens (§ 318 I Satz 1 HGB). Bei der AG, der KGaA und bei GmbH mit obligatorischem oder fakultativem Aufsichtsrat erteilt der Aufsichtsrat dem Abschlussprüfer den Prüfungsauftrag (§ 111 II Satz 3 AktG; ADS § 318 HGB Anm. 142 – 166). Im Rahmen der Auftragserteilung hat der Aufsichtsrat auch das Prüfungshonorar zu vereinbaren und kann er eigene über den gesetzlichen Umfang hinausgehende Prüfungsschwerpunkte mit dem Prüfer festlegen (Begr. RegE in Ernst, C./Seibert, U./Stuckert, F.  1998, S. 58). In allen anderen Fällen erteilen die gesetzlichen Vertreter den Prüfungsauftrag (§ 318 I Satz 4 HGB).

V. Basiskonzepte der Abschlussprüfung


1. Abschlussaussagen und Prüfungsziele


Der Abschlussprüfer hat zur Beurteilung des Jahresabschlusses die Richtigkeit der einzelnen Aussagen innerhalb des Jahresabschlusses zu prüfen. In IDW EPS 300 n.F. Tz. 7 (IDW 2006a) werden folgende Abschlussaussagen unterschieden:
Aussagen über Arten von Geschäftsvorfällen und Ereignisse innerhalb des Prüfungszeitraums; diese können sich beziehen auf

-

den Eintritt eines Geschäftsvorfalls oder Ereignisses – erfasste Geschäftsvorfälle und Ereignisse haben stattgefunden und sind der zu prüfenden Einheit zuzurechnen,

-

die Vollständigkeit – alle Geschäftsvorfälle und Ereignisse, die erfasst werden müssen, wurden auch erfasst,

-

die betragsmäßige richtige Erfassung – Beträge und sonstige Werte, die sich auf erfasste Geschäftsvorfälle und Ereignisse beziehen, wurden zutreffend erfasst,

-

die Periodenabgrenzung – Geschäftsvorfälle und Ereignisse wurden in der richtigen Berichtsperiode erfasst,

-

die Kontenzuordnung – Geschäftsvorfälle und Ereignisse wurden auf den richtigen Konten erfasst.


Aussagen über die Kontensalden am Periodenende; diese können sich beziehen auf

-

das Vorhandensein – Vermögensgegenstände, Schulden und Eigenkapital sind vorhanden,

-

die Zurechnung zum Unternehmen aufgrund bestehender Rechte an Vermögensgegenständen und Verpflichtungen,

-

die Vollständigkeit – Sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden und Eigenkapital, die erfasst werden mussten, wurden erfasst,

-

die Bewertung und Zuordnung – Vermögensgegenstände, Schulden und Eigenkapital sind im Abschluss mit den zutreffenden Beträgen enthalten und damit verbundene Anpassungen der Bewertung oder Zuordnung wurden angemessen vorgenommen.


Aussagen über Abschlussinformationen; diese können sich beziehen auf

-

den Eintritt eines Geschäftsvorfalls oder Ereignisses sowie die Zurechnung zum Unternehmen aufgrund bestehender Rechte und Verpflichtungen – dargestellte Ereignisse, Geschäftsvorfälle und andere Sachverhalte haben stattgefunden oder bestehen und sind der zu prüfenden Einheit zuzurechnen,

-

die Vollständigkeit – alle Angaben, die in der Rechnungslegung enthalten sein müssen, sind enthalten,

-

die Kontenzuordnung und Verständlichkeit – Rechnungslegungsinformationen sind angemessen dargestellt und erläutert und die Angaben sind deutlich formuliert,

-

die betragsmäßige richtige Erfassung und Bewertung – Rechnungslegungs- und andere Informationen sind angemessen und mit den richtigen Beträgen angegeben.


Zu sämtlichen wesentlichen Abschlussaussagen hat der Prüfer ausreichende und angemessene Prüfungsnachweise zu erlangen.

2. Prüfungsansätze und Prüfungshandlungen


Als Prüfungsansätze stehen die kontrollbasierte Prüfung (controls based approach) und die aussagebezogene Prüfung (substantive approach) zur Verfügung. Die kontrollbasierte Prüfung kommt beispielsweise für Routinetransaktionen in Frage (z.B. normale Umsatzerlöse), ist aber bei Vorliegen bedeutsamer Risiken insbesondere auch bei Nicht-Routine-Transaktionen und Sachverhalten mit besonderen Ermessensspielräumen zwingend (IDW EPS 261, Vorbem., in IDW 2006b). Sie beginnt mit der Systemprüfung. Durch Systemprüfungen erlangt der Abschlussprüfer Prüfungsnachweise über die angemessene Ausgestaltung und Implementierung (Aufbauprüfung) sowie die Wirksamkeit (Funktionsprüfung) des rechnungslegungsbezogenen internen Kontrollsystems (IDW EPS 300 n.F. Tz. 16 – 20; in: IDW 2006a). Sodann erfolgen analytische Prüfungshandlungen, die darin bestehen, dass tatsächliche Abschlussaussagen vom Prüfer z.B. auf der Basis von Vorjahresinformationen, Budgets oder Branchenkennziffern erwarteten Abschlussaussagen verglichen werden (IDW PS 312 Tz. 5 ff., in: IDW 2005b; ISA 520 Tz. 4 ff., in: IFAC-Handbook 2005, S. 463 ff.). Daran schließen sich Einzelfallprüfungen (Detailprüfungen; unmittelbare Soll-Ist-Vergleiche zu einzelnen Geschäftsvorfällen und Beständen, IDW EPS 300 n.F. Tz. 24 – 26, in IDW 2006a) regelmäßig auf der Basis von Stichproben an. Analytische Prüfungshandlungen und Einzelfallprüfungen bilden die sog. aussagebezogenen Prüfungshandlungen.
Die aussagebezogene Prüfung kommt häufig für Nicht-Routinetransaktionen (z.B. den Verkauf einer Beteiligung) und für Schätzgrößen (z.B. die Höhe einer einzelnen größeren Garantierückstellung) zur Anwendung, sofern keine bedeutsamen Risiken vorliegen. Bei ihr entfällt die Systemprüfung. Man beginnt mit analytischen Prüfungshandlungen und schließt daran Einzelfallprüfungen zu Schlüsselgrößen und Auffälligkeiten sowie ggf. nach Stichprobenverfahren an.
Die Wahl zwischen kontrollbasierter und aussagebezogener Prüfung ist für jede Abschlussaussage zu treffen. Z.B. können bei Kundenforderungen Vorhandensein, bestehende Rechte, Vollständigkeit, Erfassung und Periodenabgrenzung sowie Kontenzuordnung und Verständlichkeit kontrollbasiert zu prüfen sein, während zur Beurteilung der Bewertung (d.h. der Angemessenheit der vorgenommenen Abschreibungen) aussagebezogen vorzugehen ist, weil es sich dabei um Schätzgrößen handelt.

3. Prüfungsrisiko


Das Prüfungsrisiko besteht in einem Fehlurteil des Prüfers über den Prüfungsgegenstand. Es besteht aus inhärentem Risiko (= Risiko, dass, ohne Berücksichtigung interner Kontrollen, Bestände oder Transaktionen mit Fehlern behaftet sind), Kontrollrisiko und Entdeckungsrisiko. Das Fehlerrisiko beinhaltet inhärente Risiken und Kontrollrisiken und umschreibt das Risiko, dass ein wesentlicher Fehler im JA auftritt und durch interne Kontrollen nicht aufgedeckt wird. Das Entdeckungsrisiko, das sich aus dem Risiko aus analytischen Prüfungshandlungen und dem Risiko aus Einzelfallprüfungen zusammensetzt, bezeichnet das Risiko, dass der Abschlussprüfer im JA enthaltene wesentliche Fehler nicht entdeckt.
Eine exakte Quantifizierung des Prüfungsrisikos und seiner Komponenten ist nicht möglich. Gleichwohl taugt das Prüfungsrisikomodell zur Darstellung der Zusammenhänge und als Orientierungshilfe bei der Prüfungsplanung (Mochty, L.  1997; Ballwieser, W.  1998; ADS 2000, § 317 Anm. 151). Aus dem Prüfungsrisikomodell folgt etwa, dass im Fall eines hohen Fehlerrisikos das zulässige Entdeckungsrisiko gering sein muss, um das Prüfungsrisiko auf ein akzeptables Ausmaß zu begrenzen und dass das Risiko aus Detailprüfungen hoch sein kann, wenn das Risiko aus analytischen Prüfungshandlungen gering ist. Aus diesen Zusammenhängen lassen sich dann auch Rückschlüsse auf den Umfang der erforderlichen aussagebezogenen Prüfungshandlungen ziehen, um zu gewährleisten, dass am Ende der Prüfung kein unzutreffendes Testat erteilt wird.

4. Der Grundsatz der Wesentlichkeit


Nach § 317 I Satz 3 HGB ist die Abschlussprüfung so anzulegen, dass bei gewissenhafter Berufsausübung Unrichtigkeiten und Verstöße erkannt werden, die sich auf die Darstellung des sich nach § 264 II HGB ergebenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens wesentlich auswirken. Damit ist die Abschlussprüfung nach der eindeutigen Vorgabe des Gesetzgebers entgegen der in der Öffentlichkeit verbreiteten Sichtweise keine Geschäftsführungs- und keine Unterschlagungsprüfung.
Der Grundsatz der Wesentlichkeit dient bei der Prüfungsplanung dazu, Art und Umfang der Prüfungshandlungen so festzulegen, dass das Prüfungsrisiko ein vertretbar niedriges Niveau nicht überschreitet. Je höher der Wesentlichkeitsgrad eines Fehlers für bestimmte Kontensalden und Arten von Geschäftsvorfällen ist, umso geringer muss das Prüfungsrisiko sein (IDW PS 250 Tz. 15, in: IDW 2005b; ISA 320 Tz. 9 f., in: IFAC-Handbook 2005, S. 400). Bei der Prüfungsdurchführung dient der Grundsatz der We sentlichkeit dazu festzustellen, ob der JA trotz festgestellter Fehler noch als ordnungsgemäß beurteilt werden kann (IDW PS 250 Tz. 20 f., in: IDW 2005b; ISA 320 Tz. 12 f., in: IFAC-Handbook 2005, S. 401). Auf der anderen Seite unterliegt die Abschlussprüfung auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot, sodass der Abschlussprüfer unter Berücksichtigung dieser beiden Zielgrößen zur geforderten Beurteilung der Rechnungslegung gelangen muss.

5. Aktuelle Entwicklungen auf dem Gebiet der Abschlussprüfung


In der jüngeren Vergangenheit wurde der risikoorientierte Prüfungsansatz weiterentwickelt. Mit der Herausgabe der internationalen Prüfungsstandards ISA 315 „ Understanding the Entity and ist Environment and Assessing the Risks of Material Misstatement “ und ISA 330 „ The Auditor\'s Procedures in Response to Assessed Risks “ (IFAC-Handbook 2005, S. 349 ff. und S. 403 ff.) wird das Prüfungsrisikomodell stärker in den Prozess der Abschlussprüfung integriert. Damit soll erreicht werden, dass der Prozess der Risikobeurteilungen des Abschlussprüfers verbessert wird und eine klarere Verknüpfung der Ergebnisse der Risikobeurteilungen mit den übrigen Prüfungshandlungen erfolgt. Es wird klargestellt, dass es sich bei der Erlangung von Kenntnissen über das Unternehmen und sein Umfeld sowie der Prüfung der Angemessenheit und der Implementierung der für die Abschlussprüfung relevanten Teile des internen Kontrollsystems (Aufbauprüfung) um Prüfungshandlungen zur Feststellung von Risiken für wesentliche falsche Angaben in der Rechnungslegung (Fehlerrisiken) handelt (Schmidt, 2005, S. 873 f.).
Das Prüfungsvorgehen erfolgt danach in folgenden Schritten (IDW EPS 261 Tz. 10 ff., in: IDW 2006b):

-

Durchführung von Prüfungshandlungen zur Feststellung von Fehlerrisiken,

-

Beurteilung von Fehlerrisiken,

-

Festlegung und Durchführung von Prüfungshandlungen als Reaktion auf die beurteilten Fehlerrisiken.


Im Rahmen der Prüfungshandlungen zur Feststellung von Fehlerrisiken untersucht der Abschlussprüfer das Unternehmensumfeld (Branche, rechtliche Rahmenbedingungen, anzuwendende Rechnungslegungsgrundsätze), Merkmale des Unternehmens (z.B. Rechtsform, Geschäftstätigkeit, Eigentümerstruktur, Geschäftsführung, Aufsichtsorgane, Unternehmensfinanzierung, Beteiligungsstruktur, Investitionsverhalten), Ziele und Strategien (Unternehmensziele, Geschäftsrisiken) sowie Erfolgskennzahlen und Erfolgsmessung (z.B. Budgetierung, Abweichungsanalysen, Internes Berichtswesen). Daneben stellt die Prüfung der Angemessenheit und der Implementierung des rechnugnslegungsbezogenen internen Kontrollsystems (Aufbauprüfung) einen zentralen Bestandteil dieser Prüfungshandlungen dar. Der Abschlussprüfer verschafft sich einen Überblick über das interne Kontrollsystem und stellt fest, welche Kontrollen für die Abschlussprüfung relevant sind. Dabei kommt es darauf an, welche Bedeutung die einzelnen Kontrollen für die Verhinderung oder Aufdeckung von wesentlichen falschen Angaben in der Rechnungslegung haben (Schmidt, 2005, S. 879). Bei diesen Kontrollen wird eine Aufbauprüfung durchgeführt.
Im nächsten Schritt erfolgt eine Beurteilung der festgestellten Fehlerrisiken dahingehend, welche Auswirkungen diese auf die Rechnungslegung insgesamt und auf einzelne Aussagen in der Rechnungslegung haben. Dies umfasst auch eine Feststellung der Größenordnung der möglichen falschen Angaben und der Eintrittswahrscheinlichkeit. Die Feststellung und Beurteilung von Fehlerrisiken umfasst auch solche Risiken, die auf beabsichtigte Verstöße gegen rechtliche Vorschriften zurückzuführen sind ( „ fraud “ ), also z.B. auf bewusste Manipulationen der Rechnungslegung oder Vermögensschädigungen (Schindler, /Gärtner, 2004). Gesondert zu erfassen sind bedeutsame Risiken (Fehlerrisiken, die aufgrund ihrer Art oder des mit ihnen verbundenen Umfangs möglicher falscher Angaben in der Rechnungslegung einer besonderen Beachtung durch den Abschlussprüfer bedürfen; solche können bspw. vorliegen bei Hinweisen auf Verstöße, komplexen Geschäftsvorfällen, Transaktionen mit nahe stehenden Personen oder Ermessensentscheidungen) und Fehlerrisiken, bei denen aussagebezogene Prüfungshandlungen allein nicht ausreichen (z.B. bei Routinetransaktionen, die EDV-gestützt erfasst und verarbeitet werden).
Schließlich muss der Abschlussprüfer Prüfungshandlungen als Reaktion auf die erkannten und beurteilten Fehlerrisiken festlegen und durchführen. Dabei kann es sich im allgemeine Reaktionen (z.B. Betonung der kritischen Grundhaltung, Einsatz von Spezialisten, Durchführung überraschender Prüfungshandlungen, besondere Maßnahmen zur Qualitätssicherung) sowie um bestimmte Aussagen in der Rechnungslegung betreffende Prüfungshandlungen handeln (Funktionsprüfungen des internen Kontrollsystems und aussagebezogene Prüfungshandlungen). Funktionsprüfungen interner Kontrollmaßnahmen müssen immer dann durchgeführt werden, wenn der Abschlussprüfer von der Wirksamkeit einer Kontrollmaßnahme ausgeht und somit ein Teil der erforderlichen Prüfungssicherheit aus der Annahme eines wirksamen internen Kontrollsystems resultiert, oder wenn aussagebezogene Prüfungshandlungen allein keine hinreichende Prüfungssicherheit auf Aussageebene ermöglichen. Bei bedeutsamen Risiken müssen solche Funktionsprüfungen auch bei unveränderten Kontrollmaßnahmen in jedem Geschäftsjahr durchgeführt werden.
Die Beurteilung der Fehlerrisiken wirkt sich unmittelbar auf die Bestimmung von Art, Zeitpunkt und Umfang der aussagebezogenen Prüfungshandlungen (analytische Prüfungshandlungen und Einzelfallprüfungen) aus. Unabhängig von dem Ergebnis der Risikobeurteilungen muss der Abschlussprüfer zumindest für alle wesentlichen Prüffelder aussagebezogene Prüfungshandlungen durchführen. Mithilfe der aussagenbezogenen Prüfungshandlungen ist dem Restrisiko der kontrollbasiert sowie dem Prüfungsrisiko sämtlicher aussagebezogen zu prüfenden Abschlussaussagen zu begegnen. Hinzu kommt eine abschließende Analyse des Jahresabschlusses und des Lageberichts.

VI. Bestätigungsvermerk


Der Bestätigungsvermerk enthält das auf der Grundlage einer pflichtgemäßen Prüfung gebildete Gesamturteil des Abschlussprüfers. Nach § 322 HGB enthält der Bestätigungsvermerk die folgenden Grundbestandteile (IDW PS 400 Tz. 17, in: IDW 2005a, S. 1384 f.):

-

Überschrift,

-

Einleitender Abschnitt,

-

Beschreibender Abschnitt,

-

Beurteilung durch den Abschlussprüfer,

-

Ggf. Hinweis zur Beurteilung des Prüfungsergebnisses,

-

Ggf. Hinweis auf Bestandsgefährdungen (§ 322 II Satz 3 HGB).


§ 322 HGB schreibt keine Formulierung des Bestätigungsvermerkes vor. Das IDW hat in PS 400 Standardformulierungen vorgeschlagen, deren einheitliche Handhabung zur Vermeidung von Missverständnissen vom IDW zurecht empfohlen wird.
Die Überschrift lautet bei positiver Gesamtaussage „ Bestätigungsvermerk “ , evtl. ergänzt um „ des Abschlussprüfers “ , bei nicht positiver Gesamtaussage „ Versagungsvermerk “ (IDW PS 400 Tz. 19 f., in: IDW 2005a, S. 1385).
Im einleitenden Abschnitt ist der Prüfungsgegenstand (§ 322 I Satz 2 HGB) zu beschreiben, sind die angewandten Rechnungslegungsvorschriften zu bezeichnen und ist die Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers für die Prüfung von der Verantwortung der gesetzlichen Vertreter für die Aufstellung abzugrenzen. Außerdem ist zu bezeichnen, nach welchen Rechnungslegungsvorschriften der Abschluss aufgestellt wurde. Der beschreibende Abschnitt enthält eine Beschreibung von Art und Umfang der Prüfung (§ 322 I Satz 2 HGB).
Die Beurteilung durch den Abschlussprüfer enthält das Prüfungsergebnis, das folgende Formen aufweisen kann (IDW PS 400 Tz. 41 – 69, in: IDW 2005a, S. 1387 ff.):

-

Uneingeschränkt positive Gesamtaussage (uneingeschränkter Bestätigungsvermerk), wenn keine wesentlichen Beanstandungen zu erheben sind und keine Prüfungshemmnisse vorliegen;

-

Eingeschränkt positive Gesamtaussage (eingeschränkter Bestätigungsvermerk), wenn wesentliche Beanstandungen gegen abgrenzbare Teile des Jahres- oder Konzernabschlusses, der entsprechenden Lageberichte oder der Buchführung bestehen oder hinsichtlich abgrenzbarer Teile der Rechnungslegung Prüfungshemmnisse vorliegen und gleichwohl zu den wesentlichen Teilen der Rechnungslegung noch ein Positivbefund möglich ist;

-

Negative Gesamtaussage, wenn wesentliche Beanstandungen zu erheben sind (Versagungsvermerk aufgrund von Einwendungen) oder wesentliche Prüfungshemmnisse vorliegen (Versagungsvermerk aufgrund von Prüfungshemmnissen), die eine positive Gesamtaussage nicht mehr zulassen.


VII. Prüfungsbericht


Der Prüfungsbericht dient primär dazu, die Kontrollfunktion von Aufsichtsrat bzw. Gesellschaftern zu unterstützen. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben wird vom IDW folgender Aufbau des Prüfungsberichts zum Jahreabschluss empfohlen (IDW PS 450, in: IDW 2005b):

-

Prüfungsauftrag;

-

Grundsätzliche Feststellungen: Stellungnahme zur Lagebeurteilung durch die gesetzlichen Vertreter (§ 321 I Satz 2 HGB), ggf. Unrichtigkeiten oder Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften und über bestandsgefährdende oder die Entwicklung beeinträchtigende Tatsachen (§ 321 I Satz 3 HGB);

-

Gegenstand, Art und Umfang der Prüfung (§ 321 III HGB);

-

Feststellungen und Erläuterungen zur Rechnungslegung (§ 321 II HGB): Aussage zur Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung, Berichterstattung über die Gesamtaussage des Jahresabschlusses, wesentliche Bewertungsgrundlagen, Änderungen in den Bewertungsgrundlagen, sachverhaltsgestaltende Maßnahmen, zum Verständnis der Gesamtaussage des Jahresabschlusses erforderliche Aufgliederung und Erläuterung von Posten des Jahresabschlusses;

-

Feststellungen zum Risikofrüherkennungssystem (§ 321 IV HGB, gilt nur für börsennotierte AG);

-

Feststellungen zu Erweiterungen des Prüfungauftrags;

-

Wiedergabe des Bestätigungsvermerks;

-

Anlagen.


Der Abschlussprüfer hat den Prüfungsbericht dem Aufsichtsrat vorzulegen, sofern dieser den Prüfungsauftrag erteilt hat (s. Abschn. IV.), andernfalls den gesetzlichen Vertretern (§ 321 V HGB). Nach § 170 III Satz 2 AktG ist der Prüfungsbericht jedem Aufsichtsrat-Mitglied auszuhändigen, sofern der Aufsichtsrat nicht die Aushändigung nur an die Mitglieder eines Aufsichtsrat-Ausschusses beschlossen hat. Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder der Abweisung der Verfahrenseröffnung mangels Masse besteht nach § 321a HGB eine Verpflichtung zur Einsichtgewährung in die Prüfungsberichte der letzten drei Geschäftsjahre gegenüber Gläubigern oder Gesellschaftern.
Literatur:
Adler, Hans/Düring, Walther/Schmalz, Kurt : Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, TB 7, Stuttgart, 6. A., 1995 – 1998
Ballwieser, Wolfgang : Was leistet der risikoorientierte Prüfungsansatz, in: Unternehmensberatung und Wirtschaftsprüfung, Festschrift für Sieben, Günter/Matschke, Manfred Jürgen/Schildbach, Thomas, Stuttgart 1998, S. 359 – 374
Bell, /Marrs, /Solomon, : Auditing Organizations Through a Strategic Systems Lens (KPMG-Broschüre), New York 1997
Böcking, Hans-Joachim/Orth, Christian/Brinkmann, Ralph : Die Anwendung der International Standards on Accounting (ISA) im Rahmen der handelsrechtlichen Konzernabschlussprüfung und deren Berücksichtigung im Bestätigungsvermerk, in: WPg, Jg. 53, 2000, S. 216 – 233
Dörner, Dietrich : Von der Wirtschaftsprüfung zur Unternehmensberatung, in: WPg, Jg. 51, 1998, S. 302 – 318
Fliess, W. : Die Fortentwicklung der Abschlußprüfungsgrundsätze und die IFAC-Standards, in: WPK-Mitteilungen (Sonderheft), Juni 1997, S. 126 – 131
Forster, Karl-Heinz : Zur „ Erwartungslücke “ bei der Abschlussprüfung, in: WPg, Jg. 47, 1994, S. 789 – 795
Giese, Rolf : Die Prüfung des Risikomanagementsystems einer Unternehmung durch den Abschlussprüfer gemäß KonTraG, in: WPg, Jg. 51, 1998, S. 451
Gross, Gerhard/Möller, Manuela : Auf dem Weg zu einem problemorientierten Prüfungsbericht, in: WPg, Jg. 57, 2004, S. 317 – 324
Hommelhoff, Peter : Die neue Position des Abschlussprüfers im Kraftfeld der aktienrechtlichen Organisationsverfassung, in: BB, Jg. 53, 1998, S. 2567 – 2573
Hommelhoff, Peter : Die neue Position des Abschlussprüfers im Kraftfeld der aktienrechtlichen Organisationsverfassung, in: BB, Jg. 53, 1998, S. 2625 – 2631
IFAC, : Handbook of International Auditing, Assurance, and Ethics Pronouncements (IFAC-Handbook), New York 2005
IDW, : Entwurf einer Neufassung Prüfungsstandard: Prüfungsnachweise im Rahmen der Abschlussprüfung (IDW EPS 300 n.F.), in: WPg, Jg. 59, 2006a
IDW, : Entwurf Prüfungsstandard: Feststellung und Beurteilung von Fehlerrisiken und Reaktionen des Abschlussprüfers auf die beurteilten Fehlerrisiken (IDW EPS 261), in: WPg, Jg. 59, 2006b
IDW, : Prüfungsstandard: Grundsätze für die ordnungsmäßige Erteilung von Bestätigungsvermerken bei Abschlussprüfungen (IDW PS 400), in: WPg, Jg. 58, 2005a, S. 1382 – 1402
IDW, : Prüfungsstandards (IDW PS), IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IDW RS), IDW Standards (IDW S), hrsg. v. Institut der Wirtschaftsprüfer, , Düsseldorf Oktober 2005b
Kaiser, Karin : Jahresabschlussprüfung und prüfungsnahe Beratung bei zukunftsorientierter Lageberichterstattung gemäß dem Bilanzrechtsreformgesetz, in: DB, Jg. 58, 2005, S. 2309 – 2314
Marten, Kai-Uwe/Quick, Reiner/Ruhnke, Klaus : Wirtschaftsprüfung – Grundlagen des betriebswirtschaftlichen Prüfungswesens nach nationalen und internationalen Normen, 2. Aufl. Stuttgart 2003
Mochty, Ludwig : Zur theoretischen Fundierung des risikoorientierten Prüfungsansatzes, in: Jahresabschluß und Jahresabschlußprüfung, Festschrift für Jörg Baetge, hrsg. v. Fischer, Thomas R./Hömberg, Reinhold, Düsseldorf 1997
Nonnenmacher, Rolf : in Marsch-Barner, /Schäfer, (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, Köln 2005, § 55 „ Prüfung “
Nonnenmacher, Rolf : Abschlussprüfung und wirtschaftliche Lage des Unternehmens, in: Rechnungslegung – warum und wie, Festschrift für Hermann Clemm, Ballwieser, Wolfgang/Moxter, Adolf/Nonnenmacher, Rolf, München 1996
Ruhnke, Klaus : Internationale Normen der Abschlussprüfung, in: WPK-Mitteilungen, 1997, S. 78 – 89
Schindler, Joachim/Gärtner, Michael : Verantwortung des Abschlussprüfers zur Berücksichtigung von Verstößen (fraud) im Rahmen der Abschlussprüfung – eine Einführung in ISA 240 (rev.), in: WPg, Jg. 58, 2004, S. 1233 – 1246
Schmidt, Stefan : Geschäftsverständnis, Risikobeurteilungen und Prüfungshandlungen des Abschlussprüfers als Reaktion auf beurteilte Risiken,in: WPg, Jg. 58, 2005, S. 873 – 887
Schruff, Wienand : Zur Aufdeckung von Top-Management-Fraud durch den Wirtschaftsprüfer im Rahmen der Jahresabschlussprüfung, in: WPg, Jg. 56 2003, S. 901 – 911
Weber, Claus-Peter : Überlegungen zu einer Erweiterung der Ziele der Jahresabschlussprüfung, in: Jahresabschluß und Jahresabschlußprüfung, Festschrift für Jörg Baetge, hrsg. v. Fischer, Thomas R./Hömberg, Reinhold, Düsseldorf 1997, S. 781 – 810
Wiedmann, Harald : Ansätze zur Fortentwicklung der Abschlussprüfung, in: WPg, 1998, S. 338 – 350
Wiedmann, Harald : Der risikoorientierte Prüfungsansatz, in: WPg, Jg. 51, 1993, S. 13 – 15

 

 


 

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