Interne Modelle
Inhaltsübersicht
I. Einordnung in den aufsichtsrechtlichen Rahmen
II. Beschreibung der Risiken und ihrer Erfassung
III. Bankaufsichtliche Anforderungen an „ interne Modelle “
IV. Zukünftige Entwicklungstendenzen
I. Einordnung in den aufsichtsrechtlichen Rahmen
Die Verwendung interner Risikomess- und -steuerungsmodelle für aufsichtliche Zwecke ist an die Einhaltung bestimmter Anforderungen geknüpft. Dieser Beitrag gibt eine Übersicht über wesentliche Anforderungen, die die Bankenaufsicht an den Einsatz sog. interner Modelle stellt, gleichwohl gibt er lediglich persönliche Auffassungen der Autoren wieder, die nicht in jedem Fall mit der Auffassung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, / (BaFin, ) bzw. des Bundesverbandes deutscher Banken e.V. (BdB) übereinstimmen müssen.
Die Handelsaktivitäten innerhalb des Investment-Bankings erlangen seit Anfang der 1990er-Jahre bei einer Reihe von großen deutschen Kreditinstituten eine erhebliche Bedeutung für die Ertragslage dieser Institute. Teilweise übertreffen ihre Ertragsüberschüsse nunmehr sogar die aus den traditionellen Segmenten Privatkundengeschäft, Firmenkundengeschäft, Immobiliengeschäft und Asset Management. Begünstigt wurde dies u.a. durch das explosionsartige Wachstum der Derivatemärkte sowie eine große Zahl komplexer Produktinnovationen, die insbesondere durch ihre optionalen Strukturen ein effizientes Risikomanagement erfordern. Resultiert nun aus diesen Handelstätigkeiten eine Übernahme nicht unwesentlicher Risiken, kommt der Qualität des internen Modells zur Beurteilung dieser Risikosituation und dessen adäquater Einbindung in das organisatorische Gefüge des Institutes auch erhebliche bankenaufsichtliche Bedeutung zu.
Sowohl die Dynamik als auch die Qualität der international entwickelten aufsichtlichen Normen zur Verwendung interner Modelle (CAD I, CAD II und die Empfehlungen des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht, /) verdanken der G-30-Studie (1993) und RiskMetrics – dem Manual von J.P. Morgan (Morgan, 1996) – wertvolle Anstöße. In ihrem Bericht „ Derivatives: Practices and Principles “ (1993) postulierte die Group of Thirty, / 20 Empfehlungen zum Management von Derivate-Aktivitäten, die in RiskMetrics eine konsistente Umsetzung erfuhr. Schließlich führte das spektakuläre Fallieren von Barings, (1995) die Notwendigkeit zur Implementierung und Einhaltung von Qualitätstandards deutlich vor Augen.
Erst die zunehmende Komplexität und Bedeutung der Handelsaktivitäten rechtfertigen betriebswirtschaftlich den Einsatz interner Modelle. Institute setzen interne Modelle aus verschiedenen Gründen ein:
- | Die sog. Standardmethoden der Abschnitte drei bis sechs von Grundsatz I (G I) für die Messung von Marktrisiken sind insbesondere bei komplexen Finanzinstrumenten zu ungenau für die interne Risikomessung und eine darauf aufsetzende Steuerung. | - | Interne Modelle sind im Gegensatz zu den Standardmethoden prinzipiell dazu in der Lage, Diversifikations- und Hedgingwirkungen innerhalb des betrachteten Portfolios adäquat zu erfassen. | - | Der Einsatz der internen Modelle kann – insbesondere im Zinsbereich – die aufsichtlichen Eigenmittelunterlegunganforderungen reduzieren und damit zu einer Konvergenz von regulatorischem und ökonomischem Kapital führen. | - | Die Qualität des internen Risiko-Controllings wird durch die Zulassung des Modells durch die BaFin dokumentiert (Standing-Funktion). Dies kann auch im Rahmen von externen Ratingeinstufungen des Institutes von Bedeutung sein. Über Modellzulassungen berichtet ein Institut i.d.R. in seinem Geschäftsbericht. | - | Der Einsatz interner Modelle vermeidet die Durchführung von Doppelrechnungen, d.h. von internen und aufsichtlichen Risikoberechnungen. | - | Interne Modelle können auf die jeweilige Portfoliostruktur zugeschnitten werden. Als mögliche Modellklassen sind parametrische Verfahren (Varianz-Kovarianz-Ansatz) und nicht-parametrische Verfahren (Historische Simulation, Monte-Carlo-Simulation) einsetzbar. |
Nach dem siebten Abschnitt von G I (BAKred 1997a) der BaFin können die deutschen Institute unter gewissen Voraussetzungen (vgl. Abschnitt III) ihre eigenen internen Modelle für die Messung des Marktrisikos auch für die Bestimmung der Höhe der Unterlegung dieser Risiken mit aufsichtlichen Eigenmitteln (§10 KWG) heranziehen. Mit G I beurteilt die Aufsicht im Regelfall die Angemessenheit der Eigenmittelausstattung eines Institutes in Relation zu seiner Risikoexposition gegenüber Adressenausfall- und Marktrisiken. Die aufsichtliche Verwendung des Modells setzt eine Modellprüfung mit positivem Ausgang und eine Genehmigung durch die BaFin voraus (§ 32 I Satz 1 G I).
II. Beschreibung der Risiken und ihrer Erfassung
Interne Modelle dienen der Messung und darauf aufbauend der Steuerung von Marktrisiken, denen sich Kreditinstitute im Rahmen ihrer Handelsaktivitäten ausgesetzt haben. Die aufsichtliche Verwendung interner Modelle für die Berechnung der Eigenmittelunterlegung bezieht sich damit lediglich auf einen kleinen Teil der bankbetrieblichen Risiken (für eine Übersicht und eine Klassifizierung vgl. z.B. Gaumert, U. 1997). Die Vorschriften von G I stellen auf Adressenausfall- und Marktrisiken ab. Neben der Messung der Marktrisiken über mathematisch-statistische Risikomodelle zielen die qualitativen Anforderungen des §36 G I auf die Vermeidung von Betrugsrisiken durch die Forderung nach organisatorisch unabhängiger Kontrolle der Handelsaktivitäten ( „ Funktionstrennung “ nach §36 II G I) und von Organisationsrisiken im Rahmen der Risikoberechnung (§36 I G I) ab. Gerade die Verletzung der Anforderung der Funktionstrennung hatte bei den Bankinsolvenzen bzw. größeren Verlusten aus dem Handelsgeschäft – z.B. Barings, Daiwa – eine ebenso große Bedeutung wie etwaige Modellfehler – z.B. Metallgesellschaft, Nat West, LTCM (Jorion, 2000 gibt eine Übersicht über „ Financial Disasters “ ). Sieht man darüber hinaus die weitgehende Einhaltung der „ Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften “ (MaH) der BaFin als Voraussetzung für die Genehmigung eines internen Risikomodells an, so werden weitere Risiken der Handelsaktivitäten adressiert (MaH, Abschnitte 3 und 4).
Messung und Steuerung im Rahmen interner Modelle beziehen sich auf die allgemeinen und bei Zins- und Aktienrisiken auch auf die emittentenspezifischen Marktrisiken (Abschnitt III 7.) der Handelsportfolios von Kreditinstituten. Außerdem dürfen Marktrisiken in Form von Währungsrisiken aus FX-Positionen und Rohwarenrisiken durch die Modelle für die Zwecke der Ermittlung der Eigenmittelunterlegung modelliert werden. Aktien- und Zinsrisiken dürfen nur aus dem Handelsbuch stammen (zur Handelsbuchdefinition: §1 XII KWG), während FX- und Rohwarenrisiken aus Handels- und Anlagebuch gemeinsam stammen. FX-Marktrisiken des Kreditgeschäftes sind somit mit Eigenmitteln zu unterlegen, während Zinsrisiken des Kreditgeschäftes (als wichtigster Teil des Anlagebuchs), die im Zuge des Asset-/Liability-Managements bankintern häufig ebenfalls auf Basis des internen Modellansatzes für das Handelsportfolio gemessen und gesteuert werden, bisher keiner Eigenmittelunterlegung unterliegen. Der Baseler Ausschuß hat sowohl seine Abschicht aufgegeben, explizite Unterlegungsanforderungen für alle Institute aufzustellen als auch seine Absicht, eine Unterlegungspflicht zumindest bei den Instituten zu erreichen, deren Zinsrisiken deutlich über einen Durchschnittswert liegen ( „ Outlier-Konzept “ ). Stattdessen sollen Kriterien für die Behandlung der Zinsrisiken des Anlagebuchs, insbesondere für Outlier, im Rahmen des „ Supervisory Review Process “ (Einschätzung vorhandener Risikomanagementstrukturen im Rahmen von Vor-Ort-Prüfungen) entwickelt werden (ab 2004). Während im Bereich des Marktrisikos die Institute zwischen den Standardmethoden der Abschnitte drei bis sechs und den internen Modellen des Abschnittes sieben von G I wählen können, stehen für Adressenausfallrisiken ausschließlich die Standardmethoden des Abschnittes zwei von G I sowie die Standardmethoden für die Adressenausfallrisiken des Handelsbuchs (§27 G I) zur Verfügung. Interne Kreditrisikomodelle werden von wichtigen Kreditinstituten z. Zt. entwickelt, eine Verwendung für die Bestimmung der Eigenmittelunterlegung ist aber aufgrund vieler ungelöster Probleme (u.a. Datenverfügbarkeit und -qualität, große Sensitivität der VaR-Schätzungen auf kleine Inputänderungen, fehlende Methoden zum Backtesting) allenfalls mittelfristig denkbar (Abschnitt V).
III. Bankaufsichtliche Anforderungen an „ interne Modelle “
Ziel der Prüfung interner Modelle ist es festzustellen, ob das interne Modell eines Kreditinstitutes in der Lage ist, die Marktrisiken portfolio- und risikoadäquat im Zeitablauf abzubilden und ob es in angemessener Weise in die organisatorische Umgebung des Kreditinstitutes eingebettet ist.
1. Modellbegriff
Interne Modelle zielen auf eine monetäre Beurteilung zukünftiger Risiken. Zu diesem Zweck kombinieren sie Wahrscheinlichkeitsprognosen über Umweltzustände (z.B. Marktpreise von Instrumenten oder Risikofaktoren) mit portfoliospezifischen Verlustfunktionen (Risikoprofile) zu einer Wahrscheinlichkeitsprognose zukünftiger Portfolioverluste (siehe §32 II Satz I G I). Das Ziel dieser Berechnungen ist die auf eine rollierende Datenhistorie bedingte Prognoseverteilung von Portfolioverlusten über einen a priori fixierten Prognosehorizont (Haltedauer). Für ein gegebenes Signifikanzniveau α ist der Value-at-Risk als α-Quantil dieser Prognoseverteilung definiert. Die praktische Konstruktion adäquater VaR-Modelle ist diffizil, da es hierzu unterschiedliche Strukturen (organisatorische Besonderheiten, Datenbankstrukturen) über verschiedene Dimensionen (Zeit, Portfolio) hinweg unter Einhaltung technischer Restriktionen so zu verknüpfen gilt, dass die VaR-Modelle über gute Aggregationseigenschaften verfügen.
2. Aufbau- und Ablauforganisation in Front-Office (FO) und Abwicklung (Back-Office, BO) – vollständige, richtige und zeitnahe Erfassung der Geschäfte bzw. Positionen
Es wird überprüft, ob eine vollständige, richtige und zeitnahe Erfassung der Positionsdaten für die Zwecke des Risikomodells angesichts der getroffenen aufbau- und ablauforganisatorischen Gestaltungen im Institut erwartet werden kann. Dazu gehört eine Analyse des Datenflusses durch verschiedene FO-, BO- und Risiko-DV-Systeme sowie der Abstimmungsarbeiten, die das Institut durchführt. Ein besonderes Problem stellt die korrekte Erfassung interner Geschäfte dar. Sie ist besonders bedeutsam für korrekte VaR-Schätzungen auf unteren Portfolioebenen. Eine Reihe von Instituten versucht über sog. Data-Warehouse-Lösungen (Hannig, 1996) eine einheitliche Basis für die Risikorechnung in einer Geschäftsdatenbank bereitzustellen. Der Data-Warehouse-Ansatz ist bei allen Vorteilen aufgrund der Komplexität der DV-technischen Beschreibung von komplexen Handelsgeschäftsprofilen mit enormen Schwierigkeiten gerade bei größeren Instituten verbunden.
3. Vollständige, richtige und zeitnahe Erfassung der Marktdaten
Auch für die Komponente der Marktdaten hat eine methodisch saubere und handelsunabhängige Vorgehensweise eine akzeptable Marktdatenqualität sicherzustellen (z.B. geeignete Behandlung asynchroner Daten unterschiedlicher Zeitzonen oder fehlender Werte in Datenreihen), gleichwohl gibt es in illiquiden Märkten oder bei komplexen Produkten selten „ den “ Marktpreis. Darüber hinaus stehen u.U. Marktdaten externer Informationsanbieter nicht im gewünschten Umfang zur gewünschten Zeit zur Verfügung.
4. Adäquanz der Festlegung der Risikofaktoren und der Mapping-Verfahren
§35 I G I stellt die adäquate Auswahl der den Portfoliowert wesentlich beeinflussenden Risikofaktoren in das Zentrum der Modellierung (z.B. Risiken aus Optionsgeschäften [u.a. die „ Greeks “ ], Zinsstrukturrisiken und Spreadrisiken). Die Auswahl der Risikofaktoren ist also portfolio- und damit institutsabhängig zu beurteilen, so z.B. die Frage nach der Einbeziehung von Rho-, Theta- oder Vegastrukturrisiken.
Zur sparsamen Modellierung ordnet man einzelne oder mehrere der vorher ausgewählten Risikofaktoren den Finanzinstrumenten zu (Instrumentenmapping). So reduziert die Anwendung einer Hauptkomponentenanalyse auf eine Zinskurve eine große Anzahl korrelierter Risikofaktoren meist auf drei. Die Auswahl der treibenden Risikofaktoren und das Instrumentenmapping stehen in einer engen wechselseitigen Beziehung.
5. Instrumentmodelle
Zielgröße von VaR-Modellen ist eine Wahrscheinlichkeitsprognose über Portfoliowertänderungen über einen bestimmten Prognosehorizont. Damit kommt der Bewertung der Finanzinstrumente des Portfolios zu zwei verschiedenen Zeitpunkten eine zentrale Bedeutung zu. Die Bewertung kann basiert sein auf sog. Instrumentmodellen (mark-to-model) oder auf die Marktpreise der Instrumente rekurrieren (mark-to-market). Das Modellhafte der Instrumentenbewertung erfordert die Prüfung der Angemessenheit der involvierten Bewertungsverfahren, etwa durch eine Analyse der Abnahmemodalitäten des Handelsmodells durch das Risikocontrolling.
6. Modellverifikation und Modellvalidierung
Ob ein Modell und dessen DV-technische Implementierung die wesentlichen Aspekte der Realität korrekt wiedergibt, ist zu überprüfen. Hierbei werden die Begriffe Verifikation und Validierung in Anlehnung an den Sprachgebrauch in der Simulationstheorie verwendet (Bratley, P./Fox, B. L./Schrage, L.E. 1987). Im Rahmen der Modellverifikation ist sicherzustellen, dass eine logisch konsistente Modellkonstruktion vorliegt. Die Modellverifikation stützt sich vor allem auf die Analyse der Dokumentation der Modelltheorie (vgl. §36 III Satz 1 G I). Mit Hilfe des Backtesting-Ansatzes (§37 G I) soll die Prognosegüte des Risikomodells ermittelt werden (Validierung). Dazu ist es notwendig, die täglichen VaR-Schätzungen dem hypothetischen Handelsergebnis ( „ Clean-P&L “ , No-action-P&L) des nächsten Tages gegenüberzustellen, das sich ergibt, wenn die End-of-day-Positionen bis zum Ende des nächsten Tages gehalten und neu bewertet werden (sog. „ Clean backtesting “ ). Das Konzept der Clean-P&L ist strikt zu trennen von der Handels-P&L (auch Dirty-P&L oder Mark-to-market-P&L). Clean- und Dirty-P&L unterscheiden sich im wesentlichen durch Intraday-Erfolgsbeiträge, Provisionen und Stückzinsen sowie u.U. in Differenzen, die sich aus unterschiedlichem Mapping und damit unterschiedlichen Mapping-Fehlern ergeben können. Die Clean-P&L kann sich – in Abhängigkeit vom betrachteten Portfolio – so stark von der Dirty-P&L unterscheiden, dass eine Ableitung der Clean-P&L aus der Dirty-P&L nicht möglich ist. Es ist deshalb zur Beurteilung der Prognosegüte des Modells unverzichtbar, die Clean-P&L zu bestimmen. Das Backtesting sollte nicht nur auf der Ebene des Handelsbuchs durchgeführt werden, sondern ebenso auf Subportfolioebene.
Ausnahmen ergeben sich, wenn negative Clean-P&L-Ergebnisse den jeweiligen VaR übersteigen. In Abhängigkeit von der Anzahl der Überschreitungen innerhalb von 250 Handelstagen wird die Höhe des Backtesting-Zuschlagsfaktors zwischen Null und Eins festgelegt, der in die unter III 8. erläuterte Funktion zur Berechnung der Höhe der Eigenmittelunterlegung eingeht. Dieser sog. „ Traffic-Light-Approach “ unterscheidet die Zonen „ grün “ bei weniger als 5 Ausnahmen, „ gelb “ bei 5 bis 9 Ausnahmen und „ rot “ bei 10 und mehr Ausnahmen. 2 – 3 Ausnahmen werden bei den Vorgaben (§34 G I), nach denen der aufsichtliche VaR berechnet werden muss (1% von 250 Handelstagen), ohnehin erwartet. Über diese Ausnahmen, insbesondere über die Höhe des dann eintretenden Portfolioverlustes, macht der VaR keine Aussagen (Härdle, /Stahl, 2000, die weitere Analysemöglichkeiten der Überschreitungen diskutieren). Bei Eintreten in die rote Zone sind aus aufsichtlicher Perspektive starke Zweifel an der Prognosequalität des Modells angebracht, die zu einer Rücknahme der Genehmigung durch die BaFin führen können.
7. Modellierung spezifischer Risiken
Marktrisikomodelle waren zunächst dafür vorgesehen, allgemeine Marktrisiken zu messen. Mit der Modifikation des Baseler Marktrisikopapiers am 19.09.97 wurde den Instituten unbeschränkt erlaubt, auch spezifische Risiken durch interne Modelle für die Zwecke der Eigenmittelunterlegung zu modellieren. Unter spezifischem Risiko ist das Risiko von Aktien- und Zinsinstrumenten zu fassen, das sich aus Abweichungen der Kursentwicklung individueller Finanzinstrumente von der allgemeinen Marktentwicklung ergibt. Es wird unterteilt in spezifische Risiken, die sich in der täglichen Preisentwicklung zeigen (Residualrisiken) und solche, die sich nur aufgrund seltener Ereignisse realisieren (Eventrisiken, z.B. Ratingänderungen); beide sind der Sphäre des Emittenten zuzurechnen. Modelle, die nur Residualrisiken berücksichtigen, werden Surcharge-Modelle genannt, solche, die auch Eventrisiken berücksichtigen, Non-Surcharge-Modelle (BAKred, 2001). Surcharge-Modelle unterliegen bei der Berechnung der Eigenmittelunterlegung einem Zuschlag (Surcharge, vgl. nächster Abschnitt). Die Modellierung spezifischer Risiken, die Berücksichtigung aufsichtlicher Anforderungen und die Validierung entsprechender Modelle ist komplex. Es kann deshalb hier nur auf die weiterführende Literatur verwiesen werden (BAKred, 2001; Gaumert, U. 1999; Huschens, 1998).
8. Korrekte Berechnung der erforderlichen Eigenmittelunterlegung
Für die Berechnung der Eigenmittelunterlegung haben die Institute die folgende Formel zu verwenden (BAKred 1999):
Aufgrund des Multiplikators ist im Regelfall nicht der Value-at-Risk des Vortages (1. Term), sondern der mit dem Multiplikator versehene 60-Tages-Durchschnitt (2. Term) für die Eigenmittelunterlegung relevant. Die Verwendung dieses gleitenden Durchschnittes reduziert die Volatilität der Größe „ EMU “ . Außerdem werden auf diese Weise Missbrauchsmöglichkeiten über eine Reduzierung des Exposures zum Meldestichtag verhindert. Der Multiplikator trägt einer Reihe von unvermeidlichen Modellschwächen Rechnung (Stahl, 1997, der auch die Höhe des Multiplikators rechtfertigt), so z.B.
- | Modellfehlern, wie z.B. die Singularität der Varianz-Kovarianz-Matrix, die Verletzung der Normalverteilungsannahme (insbesondere die sog. Fat-tail-Problematik) oder die Verletzung der Stationaritätsannahme, | - | systematischen Fehlern bei analytischen Approximationen von Portfoliowertänderungen z.B. beim Delta- oder Delta-Gamma-Ansatz, | - | Schätzfehlern (Differenz zwischen Schätzung und „ wahrem “ Parameter) und | - | numerischen Fehlern, die beim Einsatz umfangreicher und komplexer Algorithmen mit Hilfe von DV-Systemen, die zur Schätzung des Value-at-Risk eingesetzt werden müssen, entstehen. |
Aus solchen Modellschwächen ergeben sich u.a. Schätzfehler für den VaR. Hochkomplexe Risikomessmodelle vermitteln aber dem Nutzer den Eindruck einer scheinbaren Genauigkeit, die nicht zu rechtfertigen ist. Die Bestimmung und Analyse der Schätzfehler wäre angebracht. Der Umgang mit solchen Modellschwächen, die – innerhalb bestimmter Grenzen – unvermeidlich sind, wenn die Implementierung von VaR-Modellen noch betriebswirtschaftlich sinnvoll bleiben soll, erfährt im Rahmen einer Prüfung eine differenzierte Beurteilung.
Modellprüfungsrelevante Aufgaben des Marktrisikocontrollings sind die Erstellung, Pflege und Weiterentwicklung des internen Modells inkl. der Prüfung der Angemessenheit des Modells auch im Zeitablauf, die nach Änderungen der Handelsstrategien und damit der Portfoliozusammensetzung nicht mehr gegeben sein muss, die tägliche Ermittlung der Clean-P&L und der VaR-Schätzungen auf verschiedenen Portfolioaggregationsebenen, die Sicherstellung des korrekten Inputs von Positions- und Marktdaten, die Durchführung des Backtestings, die Dokumentation der mathematisch-statistischen Verfahren und der Arbeitsabläufe, die Durchführung von Stress-Tests (nächster Abschnitt), die Überprüfung der Einhaltung der Limite (Abschnitt III 11.), die Mitwirkung bei der Einführung neuer Produkte und die angemessene Information der Geschäftsleitung über die tägliche Ergebnis- und Risikosituation sowie die steten Anstrengungen zur Sicherung der Modellqualität. Im Regelfall verfügt das Risikocontrolling über entsprechende organisatorische Verantwortlichkeiten und die Kompetenz, diese wahrzunehmen. Hierzu gehört z.B. die Kenntnis der komplexen Produkte und ihrer spezifischen Risiken wie auch allgemein eine gewisse Handelsnähe bei Wahrung der Forderung nach Handelsunabhängigkeit.
10. Stress-Tests
Nach §36 V G I hat das Risikocontrolling regelmäßig Stress-Tests durchzuführen. Hierbei handelt es sich um Risikomessverfahren (häufig Szenarioanalysen), die Risikofaktorkombinationen identifizieren, die große Wertverluste der betrachteten Portfolios kreieren. Ebenso ist es notwendig, Marktliquiditätsrisiken, die gerade im Stress-Fall eine besondere Bedeutung haben können, durch adäquate Annahmen zu berücksichtigen. Methodische Vorgaben für die Durchführung von Stress-Tests wurden nicht getroffen. Gute Stress-Tests kompensieren Modellschwächen, sind in ihren Ergebnissen nicht von den VaR-Schätzungen abhängig und liefern somit neue Risikoinformationen. Stress-Tests sollten spezifische Verlustrisiken auch auf niedrigerer Portfolioebene identifizieren können und Risikozusammenhänge verschiedener Risikokategorien berücksichtigen, z.B. plausible Annahmen über die Entwicklung von (kurzfristigen) Zinsen und von Aktienindizes nach einer heftigen Wechselkursänderung treffen.
11. Einsatz der internen Modelle für Steuerungszwecke (Limitierung, Geschäftsfeldsteuerung und Management-Informations-Systeme)
Idealerweise finden die Ergebnisse der internen Modelle Eingang in die Steuerung der Handelsaktivitäten i.d.R. über die Allokation des Eigenkapitals über VaR-Limite und über RAPM-Ansätze zur Geschäftsfeldsteuerung (RAPM = Risk Adjusted Performance Measurement) (Brüning, J.-B./Hoffjan, A. 1997). Über die Ergebnisse der VaR-Schätzungen und der Stress-Tests ist die Geschäftsleitung regelmäßig in aussagekräftiger Weise zu informieren. Der VaR wird im Rahmen seiner Verwendung für Management-Informations-Systeme (MIS) häufig als „ Senior-Management-Tool “ bezeichnet. Adressaten der Risikoinformation VaR sind i.d.R. nicht einzelne Händler, eher Chef-Händler oder Handelsvorstände (Gaumert, U. 2000).
12. Sonstige qualitative Anforderungen (Innenrevision, Qualifikation der Mitarbeiter)
Qualifikationsanforderungen gelten nicht nur für die Mitarbeiter des Risikocontrollings, sondern ebenso für die Mitarbeiter aus Handel, Abwicklung, Rechnungswesen, Geschäftsleitung und interner Revision, die mit dem internen Modell befasst sind. Nach §36 VIII G I hat die Innenrevision alle qualitativen Anforderungen nach §36 G I sowie die Prognosegüte des Modells mindestens einmal jährlich zu überprüfen. Dazu ist es notwendig, entsprechend qualifizierte Mitarbeiter auch in der Revision zu beschäftigen. Eine Beurteilung der Arbeit der Innenrevision erfolgt i.d.R. über eine Würdigung der schriftlich vorliegenden Prüfungsberichte und des Prüfungsplans.
IV. Zukünftige Entwicklungstendenzen
Bei den 2001 laufenden Konsultationen zu einer Reform der Baseler Eigenkapitalvereinbarung aus dem Jahr 1988 ist es im Bereich der Adressenausfallrisiken nicht vorgesehen Ansätze zuzulassen, die Diversifikationseffekte im Kreditportfolio auf Basis von Ausfallkorrelationen berücksichtigen. Damit wird der wesentliche Schritt in Richtung Kreditrisikomodelle (noch) nicht getan. Ein erster Schritt in diese Richtung wird allerdings voraussichtlich durch die Überarbeitung des Systems der Bonitätsgewichtungsfaktoren und der gleichwertigen Verwendungsmöglichkeit interner und externer Ratingansätze bei der Ermittlung der Eigenmittelunterlegung vollzogen (BIS, 2001). Bis zur Integration von Marktrisiko- und Kreditrisikomodellen und einer darauf aufbauenden integrierten Gesamtbanksteuerung wird noch eine Reihe von Jahren ins Land gehen. Bis dahin dürfte auch die problematische Unterteilung in Markt- und Kreditrisiken bzw. die ebenso problematische Unterteilung in Handels- und in Anlagebuch Bestand haben. Die Trennung von Markt- und Kreditrisiken muss bereits heute in einigen Geschäftsfeldern deutscher Kreditinstitute – wie z.B. Asien- und Russlandkrise im Bereich der Emerging Markets-Bonds bzw. -Kredite gezeigt haben – als überholt angesehen werden. Zu fragen wäre, ob nicht etwa eine Unterteilung nach diversifizierbaren und nicht diversifizierbaren Risiken und damit eine konsequente Beurteilung auf Portfolioebene auch für die Zwecke der aufsichtlichen Risikomessung geeigneter wäre.
Literatur:
BaFin, : Entwurf Solvabilitätsverordnung, 31.03.2006, Berlin 2006, §§ 313 – 318
BAKred, : Verlautbarung über Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften der Kreditinstitute (MaH) vom 23. Oktober 1995, Berlin 1995
BAKred, : Bekanntmachung über die Änderung und Ergänzung der Grundsätze über das Eigenkapital und die Liquidität der Kreditinstitute vom 29. Oktober 1997, Berlin 1997a
BAKred, : Erläuterungen zur Bekanntmachung über die Änderung und Ergänzung der Grundsätze über das Eigenkapital und die Liquidität der Kreditinstitute vom 29. Oktober 1997, Berlin 1997b
BAKred, : Rundschreiben zur Modellierung des besonderen Kursrisikos, Berlin 2001
BIS, : Amendment to the Capital Accord to incorporate Market Risks, Basel 1996
BIS, : The New Basel Capital Accord, 2001
Bratley, P./Fox, B. L./Schrage, L.E. : A Guide to Simulation, 2nd Ed., Berlin 1987
Brüning, J.-B./Hoffjan, A. : Gesamtbanksteuerung mit Risk-Return-Kennzahlen, in: Die Bank 1997, S. 362 – 369
Gaumert, U. : Eigenkapital-Management in deutschen Kreditinstituten, Berlin 1997
Gaumert, U. : Zur Diskussion um die Modellierung besonderer Kursrisiken in VaR-Modellen, in: Handbuch Kreditrisikomodelle und Kreditderivate, hrsg. v. Eller, R./Gruber, W./Reif, M., Stuttgart 1999, S. 71 – 101
Gaumert, U. : Marktrisikosteuerung mit Hilfe Interner Value-at-Risk-Modelle – Anmerkungen aus aufsichtlicher Perspektive, in: Die Bank, 2000, S. 776 – 784
Group of Thirty, : Derivatives: Practices and Principles, Washington 1993
Härdle, W./Stahl, G. : Backtesting Beyond VaR, Lecture Notes in Statistics, Measuring Risk in Complex Stochastic Systems, forthcoming 2000
Hannig, U. : Data Warehouse und Managementinformationssysteme, Stuttgart 1996
Hellwig, M./Straub, M. : Capital Requirements for Market Risks Based on Inhouse Models – Aspects of Quality Assessment, in: Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, 1996, S. 755 – 759
Huschens, S. : Messung des besonderen Kursrisikos durch Varianzzerlegung, in: KuK 1998, S. 567 – 591
Jorion, P. : Value at Risk, Chicago 2. A., 2000
Morgan, : RiskMetrics – Technical Document, 4. A., New York 1996
Stahl, G. : Three Cheers, in: Risk 1997, No. 5, S. 67 – 69
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