Marketing-Ziele
Inhaltsübersicht
I. Charakteristika von Marketing-Zielen
II. Marketing-Ziele, Unternehmensphilosophie, CI-Strategie und Unternehmenskultur
III. Abstimmung von Zielen und Strategien
IV. Vertikale und horizontale Zielbeziehungen
V. Operationalisierung von Marketing-Zielen
VI. Marketing-Ziele und ethische Aspekte
I. Charakteristika von Marketing-Zielen
Hat Marketing die Aufgabe, die Ausrichtung der Unternehmung auf die Markterfordernisse vorzunehmen, von Kundenanforderungen und Kundenproblemen her denkend auf die betrieblichen Leistungsprozesse und die anderen Bereiche der Unternehmung einzuwirken, um so im härter werdenden Wettbewerb am Markt bestehen zu können, dann lassen sich Marketing-Ziele nicht in klarer und eindeutiger Weise von Unternehmenszielen trennen oder gar aus diesen »ableiten« (Schneider, D.J. G. 1978). Beiden gemeinsam sind die drei Charakteristika des Zielbegriffs: (1) die Festlegung eines Resultats unternehmerischen Handelns, (2) Zukunftsbezug und (3) positive Wertigkeit. Zudem muss auch die Realisierbarkeit durch aktives Handeln gegeben sein (Pritzl, M. 1987). Erwerbswirtschaftliche Unternehmen können neben Gewinn- und Rentabilitätszielen auch soziale, ökologische, psychologische (wie z.B. Imageziele und Kundenzufriedenheitsziele) oder ethische Ziele verfolgen (z.B. Wiswede, G. 1995; Fritz, W. et al. 1985; Schierenbeck, H. 2000). Die in der Literatur vorhandene Trennung zwischen Sach- und Formalzielen erweist sich bei genauerem Hinsehen als problematisch (Schneider, D.J. G. 1972). Die Maximierung des Shareholder Value ist seit Rappaport (Rappaport, A. 1981) als fundamentales Ziel unbestritten (siehe dazu in einer kritischen Betrachtung Albach, H. 2001). Als Werttreiber des Shareholder Value sind vor allem diejenigen Elemente wichtig, die über die gesamte Wertschöpfung integriert werden, insbesondere Elemente des Marketing-Mix wie z.B. Leistungsprogramm oder Neuproduktentwicklung (Wildemann, H. 2004). »Marketing ist nicht mehr (nur) ein funktionaler Teilbereich des Unternehmens, nicht mehr das Endglied im betrieblichen Leistungsprozess, Marketing steht vielmehr am Anfang des unternehmerischen Entscheidungsprozesses ? und durchdringt diesen in prinzipiell allen Sektoren auf vielfältige Weise« (Bidlingmaier, J. 1973, S. 13). In dieser Sicht wären die obersten Marketing-Ziele der marktgerichtete Teil der Unternehmensziele. Allerdings sind Marketing-Ziele in dieser verdichteten Form kaum geeignet, eine differenzierte Anpassung des marketingpolitischen Instrumentariums an unterschiedliche Teilmärkte vorzunehmen. Finden also Marketing-Ziele in den Unternehmenszielen ihren Kulminationspunkt, so müssen sie doch für konkrete Steuerungs- und Kontrollaufgaben konkretisiert werden.
Menschliches Handeln – und so auch das marktgerichtete Handeln von Menschen in Unternehmungen – ist zielgerichtet. Einfachheit oder Komplexität der das Handeln leitenden Ziele hängen einerseits von unternehmensexternen Kontextbedingungen (wie beispielsweise dem Grad der Heterogenität der Märkte, der nationalen Begrenztheit oder Internationalität der Märkte und der Konkurrenzsituation) und andererseits von unternehmensinternen Faktoren wie der Ressourcenlage und der Komplexität der zugrunde liegenden Intentionen ab. Der hierarchische Aufbau und die Komplexität des Marketing-Zielsystems werden somit wesentlich von der zugrunde liegenden Komplexität und der hierarchischen Struktur der marktgerichteten Aufgaben bestimmt. So führt z.B. der Übergang von einer undifferenzierten zu einer differenzierten, d.h. segmentierten Marktbearbeitung zu einer höheren Komplexität des Marketing-Zielsystems, da nun für jedes Marktsegment die zu erreichenden Sollzustände und darauf aufbauend differenzierte Ziele für den Einsatz der einzelnen Instrumente und Teilinstrumente in diesen Segmenten festzulegen sind.
Marketing-Ziele als anzustrebende, künftige Sollzustände sind damit je nach Aufgabenstruktur, Marktgegebenheiten, Organisations- und Führungsstruktur der Unternehmung usw. in ihrer vertikalen und horizontalen sowie in ihrer inhaltlichen Ausrichtung gestaltbar.
II. Marketing-Ziele, Unternehmensphilosophie, CI-Strategie und Unternehmenskultur
Die Unternehmensphilosophie als Wertgrundlage unternehmerischen Handelns eröffnet einen Ausschnitt aus dem abstrakten Möglichkeitsfeld genereller Zielsetzungsmöglichkeiten für reales Zielsetzungsverhalten. Die Corporate-Identity-Konzeption schafft als strategisches Konzept einen Rahmen für die Ziel- und Strategiesuche. Sie ist gleichzeitig ein wertgerichtetes Koordinationsinstrument für unternehmerisches Verhalten, ein Erfolgsfaktor (Sackmann, S. A. 2004) und bildet auch die Basis für einen Wettbewerbsvorteil (Sadri, G./Lees, B. 2001).
Das Zielsetzungsverhalten von Unternehmungen wird sehr wesentlich auch durch die Unternehmenskultur als Netzwerk tatsächlich gelebter Denkhaltungen, Einstellungen und Werte beeinflusst. Diese sind Leitlinien für das Verhalten von Managern und Mitarbeitern (Schneider, D.J. G. 1989) und prägen damit auch die Zielformulierung im Marketing-Bereich.
Die Unternehmenskultur kann damit z.B. eine eher offensive oder eher defensive Formulierung der Marketing-Ziele (Bidlingmaier, J. 1973) nahe legen, eine Kunden- oder aber Produktorientierung, eine regionale bzw. nationale Beschränkung oder aber eine Internationalisierung der Marketing-Aktivitäten, ein Festhalten am Althergebrachten oder aber eine Innovationsorientierung begünstigen. Die Unternehmenskultur prägt das Wertgefüge (et vice versa), die Einstellungen und Sichtweisen, die den Hintergrund für die Formulierung der Marketing-Ziele abgeben, und ist letztlich auch bestimmend dafür, ob überhaupt explizit Ziele formuliert werden.
III. Abstimmung von Zielen und Strategien
Die enge Verknüpfung von Unternehmens- und Marketing-Zielen legt nahe, dass Marketing-Ziele (zumindest Marketing-Leitziele) gemeinsam und in Abstimmung mit den anderen funktionalen Bereichen der Unternehmung für die jeweiligen Geschäftsfelder und das Unternehmen insgesamt erarbeitet und koordiniert werden. Denn schließlich ist der Markterfolg nicht allein vom Marketing her zu realisieren.
Ein hoher Kundennutzen, der Wettbewerbsvorsprünge und ein hohes Preisniveau ermöglicht, setzt eine Verbindung von Innovations- und Marktorientierung im Forschungs- und Entwicklungsbereich, in der Beschaffung, der Produktion usw. voraus. Hier müssen Ziele und Strategien der einzelnen Bereiche und die Unternehmenskultur aufeinander abgestimmt werden. Auch bei der Zielentwicklung sind vielfältige Probleme zu bewältigen. Diese reichen von der Einbindung einer Vielzahl von Beteiligten und daraus resultierenden Durchsetzungsproblemen, unterschiedlichen Interpretationen, geringer Handlungsorientierung bis hin zu Problemen der Kommunikation, Legitimation und emotionaler Beteiligung (Will, H. 1990).
Ziele als einziges Abstimmungsinstrumentarium zwischen den verschiedenen Subsystemen der Unternehmung, wie z.B. Marketing, Forschung und Entwicklung, Beschaffung, Produktion, Finanzierung usw., reichen jedoch zur Koordination nicht aus. Das liegt daran, dass Ziele jeweils durch ein Spektrum unterschiedlicher Mittel erreichbar sind. Dabei ist dann aber nicht garantiert, dass die in den einzelnen Bereichen zur Zielerreichung eingesetzten Mittel auch kompatibel oder sogar komplementär zueinander sind. So können angestrebte Kostensenkungseffekte z.B. durch eine Verbesserung des Fertigungsflusses, Einschränkungen im Forschungs- und Entwicklungsbereich, durch eine von den Kosten her optimierte Produktentwicklung, durch Kauf billigerer Zulieferprodukte und durch Einschränkungen von Serviceleistungen zu erreichen versucht werden. Marktanteilserweiterungen können durch eine aggressive Preispolitik, durch Innovationsvorsprünge, durch eine konsequente Imagepolitik usw. angestrebt werden. Dabei liegen jeweils unterschiedliche Verträglichkeitsrelationen im Mittelbereich zwischen den einzelnen funktionalen Teilbereichen vor. Eine wesentliche Hilfestellung zur Koordination bietet hier eine Corporate-Identity-Konzeption (Schneider, D.J. G. 1989), die in Leitlinien und Leitsätzen die strategischen Grundorientierungen für die wesentlichen strategischen Entscheidungsbereiche festlegt. Darüber hinaus ist eine solche Koordination auch über die Installation von Verbindungseinrichtungen unterschiedlicher Art, das Planungs- und Kontrollsystem und vor allem über das Bewusstsein der Manager für die wechselseitigen Abhängigkeiten und ihre soziale Kompetenz in der Bewältigung unterschiedlicher Denkweisen, Persönlichkeitsstrukturen und Interessen erreichbar.
Es ist evident, dass Unternehmens- und Marketing-Ziele nicht einfach dem Wunschdenken von Unternehmern und Managern entspringen oder sich durch Aggregation von Motivbündeln der Eigner, Manager und sonstigen Einflussgruppen ergeben dürfen.
Unternehmens- und Marketing-Ziele müssen – wenn sie als Leitlinien Verhalten prägen sollen – auf der Basis eines realen Möglichkeitsraumes geplant werden (Becker, J. 2001). Eine Analyse der internen Ressourcenpotenziale und sonstigen Gegebenheiten sowie eine Analyse der relevanten Märkte einschl. Kunden- und Konkurrenzverhalten und ihrer Entwicklung, der relevanten Umfeldbedingungen und -entwicklungen einschl. der Technologieentwicklung gehören ebenso zur Zielplanung wie Stärken-Schwächen- und Chancen-Risiken-Analysen sowie eine Reihe weiterer Analyse- und Planungsmethoden. Typische ist dabei, dass Ziele ohne Vorstellungen über ihre Realisierung sinnvoll nicht planbar sind, während Strategieplanung ohne Zielvorstellungen steuerungslos ist. Ziel- und Strategieplanung sind somit untrennbar miteinander verbunden. Realistische Zielplanung ist nur unter Berücksichtigung des strategischen Möglichkeitsraumes denkbar. Ohne diesen Zusammenhang müsse sie utopisch sein.
IV. Vertikale und horizontale Zielbeziehungen
Im Rahmen der Zielplanung werden die Marketing-Ziele – von den obersten Zielen ausgehend – je nach Komplexität des Aufgaben- und Kompetenzsystems mit abnehmender Ranghöhe zunehmend aufgefächert und für die verschiedenen Geschäftsfelder, Produktlinien, Produkte, Kundengruppen, Märkte und Teilmärkte, Instrumentenbündel, Instrumente und Teilinstrumente konkretisiert.
Abb. 1 gibt ein stark vereinfachtes, über definitorische Aufspaltung gewonnenes Beispiel für einen kleinen Ausschnitt aus einer derartigen Zielpyramide. Dieses Beispiel erfasst allerdings nur quantifizierbare Ziele für eine Marke und vernachlässigt nicht quantifizierbare, aber doch operationale Ziele wie z.B. Imageziele.
Abb. 1: Maßgrößen aggregierten Kaufverhaltens als Marketing-Zielgrößen (Steffenhagen, H. 2004)
Im Rahmen eines derartigen, hierarchisch aufgebauten Zielsystems erfordert die Erreichung eines übergeordneten Ziels eine Mindesterfüllung einer Reihe tiefer liegender Ziele. Diese tiefer liegenden Ziele verschiedener Ranghöhe sind jeweils Mittel in Bezug auf die höher liegenden Marketing-Ziele. Hinsichtlich aller ihnen untergeordneten Ziele, die in Relation zu den höherrangigen Zielen Mittelfunktion erhalten, haben sie jedoch Zielcharakter. Man spricht von einer Ziel-Mittel-Hierarchie. So entsteht ein pyramidenförmiges Zielsystem, das sich von den generellen Marketing-Zielen ausgehend mit abnehmender Ranghöhe zunehmend in hierarchisch immer tiefer liegende Zielsubsysteme verästelt. Innerhalb dieses Zielsystems kommt jedem Zielelement mit abnehmender Ranghöhe ein immer kleiner werdender Geltungsbereich bei zunehmender Konkretisierung der Ziele zu. Geht es z.B. auf einer oberen Zielebene noch um Marktpositionsziele für das gesamte Leistungsprogramm, so geht es beispielsweise auf einer unteren Ebene um konkrete Reichweiten und Kontakthäufigkeiten in einem bestimmten Teilmarkt und bei bestimmen Käuferschichten als Zielgrößen einer konkreten Werbekampagne.
Die Verfolgung eines untergeordneten Ziels kann dann adäquates Mittel zur Erreichung eines übergeordneten Ziels sein, wenn zwischen beiden Zielen eine partielle oder vollständige Komplementaritätsbeziehung besteht. Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass neben diesem betrachteten Wirkungszusammenhang noch andere Wirkungsbeziehungen bestehen können. Die isolierte Betrachtung eines Ziel-Mittel-Zusammenhanges ist daher, aufgrund zeitlich und sachlich multipler Ziel-Mittel-Zusammenhänge, äußerst problematisch.
Im Rahmen der vertikalen Zielbeziehungen, der Zweck-Mittel-Hierarchie, wird in der Literatur immer wieder davon ausgegangen, dass die Subziele aus den Oberzielen des Zielsystems abzuleiten sind. Dieser Vorstellung steht aber doch eine Vielzahl von Problemen entgegen (Schneider, D.J. G. 1978).
1. | In einem solchen Zielsystem wäre, da die Ziele ja mit abnehmender Ranghöhe konkreter und damit inhaltsreicher werden, der Gehalt der abgeleiteten Ziele größer als der Gehalt jener Ziele, aus denen abgeleitet wurde. Das ist aber bei einer logisch einwandfreien Ableitung unmöglich. | 2. | Die den Zweck-Mittel-Zusammenhang verknüpfenden Theorien liegen i.d.R. in der erforderlichen Qualität und in dem für ein so komplexes Vorhaben erforderlichen Ausmaß nicht vor. | 3. | Es besteht Unvollkommenheit der Information, sodass an die Stelle deterministischer stochastische Beziehungen treten müssten. | 4. | Es ergeben sich Probleme bei der Umwandlung (»tautologische Transformation«) von Kausalbeziehungen in Zweck-Mittel-Beziehungen (Schneider, D.J. G. 1978): (a) Ziele können meist durch eine Reihe unterschiedlicher Mittel erreicht werden, sodass für »Ableitungen« eine vollkommene Kenntnis aller infrage kommenden Kausalbeziehungen bestehen müsste, wobei die Entscheidung für eine dieser Beziehungen als Ableitungsbasis die Einführung eines zusätzlichen Wertkriteriums erforderlich machte. Damit wäre aber die Transformation nicht mehr tautologisch. (b) Die »tautologische Transformation« von Kausalbeziehungen in Zweck-Mittel-Beziehungen selbst ist angreifbar (Knapp, H. G. 1972; Schneider, D.J. G. 1978), da die logische Struktur von Zweck-Mittel-Beziehungen und Kausalbeziehungen offenbar verschieden ist. | 5. | Die betriebswirtschaftliche Theorie beschreibt die Bildung des Zielsystems als einen konfliktären Zielaushandlungsprozess (Bidlingmaier, J. 1968; Heinen, E. 1971). Die Vorstellung eines durch Ableitungsprozesse entstandenen Zielsystems steht diesem Erklärungsansatz entgegen. |
Neben den gerade thematisierten Zielbeziehungen vertikaler Art sind für ein Marketing-Zielsystem horizontale Zielbeziehungen von Bedeutung.
Die Zielkonzeption einer Unternehmung setzt sich in der Regel aus einer Mehrzahl von Zielen zusammen, die gleichzeitig angestrebt werden. Auch im Marketing können gleichzeitig mehrere Ziele parallel verfolgt werden, z.B. Marktanteilsziele, Deckungsbeitragsziele, Imageziele, konkurrenzbezogene Ziele usw. Diese Ziele können in unterschiedlicher Beziehung zueinander stehen (Bidlingmaier, J./Schneider, D.J. G. 1976).
- | Zielneutralität liegt vor, wenn die Erfüllung eines Zielelements innerhalb einer Reihe von Handlungsalternativen keinen Einfluss auf die gleichzeitige Erfüllung eines anderen Zielelements hat. Dabei ist zu beachten, dass Zielneutralitäten meist nur innerhalb zeitlich und sachlich eingeschränkter Bereiche vorkommen, außerhalb derer sie sich in Konkurrenz- oder Komplementaritätsbeziehungen wandeln können. | - | Werden Ziele angestrebt, deren Erfüllung sich gegenseitig ausschließt, die daher unvereinbar sind, so spricht man von einer antinomischen Zielbeziehung. | - | Führt die zunehmende Erfüllung eines Ziels zu einer abnehmenden Erfüllung eines anderen Ziels, so handelt es sich innerhalb des betrachteten Mitteleinsatzbereichs um eine konkurrierende Zielbeziehung. | - | Von Zielkomplementarität spricht man demgegenüber dann, wenn Ziele sich in ihrer Erfüllung gegenseitig fördern. Mit zunehmender Erfüllung des einen steigt auch die Erfüllung des anderen Ziels. Während die gleichzeitige Aufnahme von ökonomischen und ökologischen Größen in das Zielsystem in der Vergangenheit eher eine konkurrierende Zielbeziehung begründet hätte, sieht man nun zunehmend Umweltschutzmaßnahmen als Chance, betriebliche Leistungen und Leistungsprozesse in der Form zu verändern, dass ökonomische und ökologische Ziele als komplementär betrachtet werden können (Schierenbeck, H. 2000). Wie sich Zielbeziehungen konkretisieren, hängt in jedem Einzelfall auch von der konkreten Ausgestaltung der Unternehmens- und Umweltsituation ab. |
Zielbeziehungen können einseitig oder auch wechselseitig sein. Meist sind sie nur auf konkrete Entscheidungsbereiche beschränkt, außerhalb derer sie sich in eine andere Zielbeziehung wandeln können.
Es ist sinnvoll, im Rahmen der Zielplanung die möglichen Zielbeziehungen, soweit sie vorhersehbar sind, herauszuarbeiten, um realistische und erreichbare Zielbündel anzustreben und nicht erst in der Realisationsphase die Konkurrenz oder gar Unvereinbarkeit unterschiedlicher Strebungen in bestimmten Situationen zu erkennen. Weiterhin erscheint es vernünftig, Präferenzregeln für multiple Zielfunktionen anzugeben, um nicht Zielkonflikte (Bidlingmaier, J. 1968) in die Ausführungsebene zu verlagern oder die Entscheidung über die unterschiedliche Dringlichkeit der Ziele einer Zielfunktion zufälligen Entscheidungskonstellationen der Umsetzungsphase zu überlassen.
V. Operationalisierung von Marketing-Zielen
Marketing-Ziele können – wie Ziele generell – in ihrer Struktur durch verschiedene Dimensionen beschrieben werden (Heinen, E. 1971),
1. | den Zielinhalt, | 2. | das angestrebte Zielausmaß (das Anspruchsniveau) und | 3. | den zeitlichen Bezug. Darüber hinaus ist auch | 4. | der Geltungsbereich, für den das Ziel als anzustrebender Sollzustand formuliert wird, zu präzisieren (in etwas abweichender Weise Steffenhagen, H. 2004). Zudem sind neben der Berücksichtigung der Restriktionen und verfügbaren Ressourcen für die Zielerreichung auch die Zuständigkeiten für die Zielverwirklichung genau festzulegen (Schierenbeck, H. 2000). |
Zu (1): Zielinhalte geben darüber Auskunft, welche Arten von Sollgrößen angestrebt werden. Es kann sich dabei um Gewinngrößen, Deckungsbeiträge, Umsätze, wert- oder mengenmäßige Marktanteile, Kostenreduktionen im Vertriebsbereich, aber auch um Veränderung der Einkaufsfrequenz oder -menge der Kunden, Erst- und Wiederkäuferverhalten, Änderungen des Verwendungsverhaltens, Marktpenetrationsziele, Geschäftsstellendichte, Beeinflussungsziele bei den Distributoren, Aktivierungs-, Wahrnehmungs-, Imageziele usw. handeln.
Ziele sollten so formuliert werden, dass sie durch den Bereich, dem sie vorgegeben oder mit dem sie vereinbart werden, auch erfüllt werden können. Das ist z.B. bei Gewinnzielen als Vorgabe für den Marketing-Bereich problematisch. Gewinne eines Produkts, einer Produktgruppe, eines Geschäftsfeldes oder einer Unternehmung sind Ergebnisgrößen, in die die Aktivitäten aller funktionalen Teilbereiche einfließen. Bereiche wie Beschaffung, Forschung und Entwicklung, Produktion usw. beeinflussen den Gewinn eines Produkts oder einer Produktmehrheit. Als Zielgröße für ein Profit Center einer nach dem Objektprinzip gegliederten Unternehmung erscheint der Gewinnbegriff hingegen geeignet. Für das Marketing ist es aber sinnvoll, Ziele vorzugeben, die auch in ihrer Erfüllung durch das Marketing stärker beeinflussbar sind.
Die Trennung ökonomischer (z.B. Gewinn, Deckungsbeitrag, Umsatz, Marktanteil) von nicht ökonomischen (z.B. Bekanntheitsgrad, Image, Marktmacht) Zielinhalten ist eher ein Relikt aus einer Zeit, in der allein ökonomische Größen Gegenstand betriebswirtschaftlicher Betrachtung waren. Für das Marketing erscheint diese Trennung ebenso wenig sinnvoll wie jene in Material- und Formalziele, da sie in der Realität nicht bei allen Zielen eindeutig durchführbar und auch eher irreführend als klärend ist (Schneider, D.J. G. 1973; Steffenhagen, H. 2004).
Zu (2): Das angestrebte Zielausmaß kann punktuell oder zonal formuliert werden (Bidlingmaier, J. 1968). Punktuelle Formulierungen des Zielausmaßes spielen eher bei extremalen Zielfestlegungen (Maximierung oder Minimierung) eine Rolle. In der Realität des Marketing wird man weniger von Extremalzielen – sie sind schon aufgrund der Informationsgegebenheiten nicht realistisch – als vielmehr von Satisfaktionszielen, d.h. von befriedigenden Zielniveaus, ausgehen. Dabei wird es sich im Wesentlichen um zonale Ziele, d.h. um die Festlegung von Bandbreiten für eine befriedigende Zielerfüllung, handeln.
Zu (3): Die zeitliche Dimension von Zielen kann zeitpunkt- oder zeitraumbezogen sein. Es kann sich im operativen Bereich um kurzfristige Zielformulierungen wie Wochenziele, Monatsziele, Jahresziele oder aber im taktischen und strategischen Bereich eher um mittel- und langfristige Ziele handeln.
Zielinhalte, Zielausmaß und zeitlicher Bezug sind nicht unabhängig voneinander. Im Strategischen Management sind Ziele oft nur in groben Stoßrichtungen vorgegeben. Weder Inhalt noch Ausmaß und zeitlicher Bezug der Ziele sind stringent formuliert. »Während sich taktisches Management und operative Planung auf den Maßnahmeneinsatz konzentrieren und Zielgesichtspunkte nur im Sinne von \'zielstrebend\' einschließen, ist strategisches Management weitgehend darauf ausgerichtet, den \'gewünschten Zustand\' erst zu bestimmen. Es sucht also nach Zielen, die später durch das Operative Management erreicht werden sollen. Es ist als \'zielsuchend\' zu bezeichnen« (Köhler, R. 1993, S. 33 mit Zitat von Trux, W./Kirsch, W. 1979, S. 227).
Im Rahmen der Marketing-Zielplanung sind häufig mehrere zusammenhängende Ziele mit unterschiedlichen Zielausmaßen parallel über die Zeit hinweg zu verfolgen.
Die Zielausmaße der einzelnen Ziele erfüllen dabei eine Leitlinienfunktion und müssen, mit den jeweiligen Kontrollgrößen konfrontiert, durch entsprechenden Instrumentaleinsatz nachgesteuert werden (Trajektorienkonzept; Crawford, C. M. 1972). Bei qualitativen Zielen, wie z.B. Einstellungspositionierungszielen, betrifft die Nachjustierung auch die Zielinhalte, nämlich die inhaltlichen Einstellungsdimensionen.
Zu (4): Der Geltungsbereich eines Ziels (Schneider, D.J. G. 1973) bestimmt, für welchen Gestaltungsraum dieses Ziel Leitfunktionen übernehmen soll. Dieser Gestaltungsraum wird durch unterschiedliche Dimensionen bestimmt:
- | Das Zielobjekt gibt Auskunft darüber, ob ein bestimmtes Marketing-Ziel (z.B. ein Umsatzziel) für das gesamte Geschäftsfeld, eine Produktgruppe oder ein bestimmtes Produkt Geltung haben soll. | - | Der vom Ziel fokussierte Markt oder Marktausschnitt bestimmt, für welchen Teil eines Marktes (nach Kundengruppen und geografischer Ausdehnung) das Ziel Leitfunktion übernehmen soll. | - | Der vom Ziel erfasste Instrumentalbereich legt fest, ob das Ziel generell für alle möglichen Instrumentalkombinationen im Gesamt- oder Teilmarkt eine Leitfunktion übernehmen soll oder ob es sich auf ein bestimmtes Instrument (z.B. die Kommunikationspolitik) oder Teilinstrument (z.B. die Werbung oder eine bestimmte Werbekampagne) bezieht. Hierbei ist allerdings ein Zusammenhang zu den Zielinhalten festzustellen, da bestimmte Zielinhalte (z.B. Reichweitenziele) sich schon auf konkrete Marketing-Instrumente beziehen. |
Erst wenn Ziele hinsichtlich Inhalt, Zielausmaß, zeitlichem Bezug und Geltungsbereich klar und eindeutig verständlich sind, sind sie überprüfbar, d.h. operational. Das erreichte Ausmaß operationaler Ziele lässt sich mithilfe von Kardinalskalen (Intervall- und Verhältnisskalen), Ordinalskalen oder – als schwächste Form der Messung – mit Nominalskalen messen.
VI. Marketing-Ziele und ethische Aspekte
Marketing-Aktivitäten und auch die diese Aktivitäten leitenden Ziele sind in das Wertsystem der die Unternehmung umgebenden Umwelt und in die Wertvorstellungen der diese Ziele und Aktivitäten beeinflussenden Personen eingebettet.
Marketing-Ziele stehen damit in einem Beeinflussungszusammenhang mit dem gesellschaftlichen Wertgefüge. Einerseits werden unternehmerische Ziel- und Mittelentscheidungen erheblich von den Wertvorstellungen der Gesellschaft und insb. von jenen der Entscheider in der Unternehmung und der Kultur dieser Unternehmung mitgeprägt.
Andererseits beeinflussen Marketing-Aktivitäten von Unternehmungen auf lange Sicht das Wertsystem der Gesellschaft.
Das führt zum Begriff der Verantwortung für unternehmerisches Tun oder Unterlassen. Verantwortung im objektiven Sinn erfordert die Beurteilung einer Handlung und ihrer Folgen sowie die Möglichkeit, eine bestimmte Handlung einer einzelnen Person oder einer Personengruppe zuzurechnen. Unter ethischen Gesichtspunkten bedeutsam ist jedoch vor allem die Bereitschaft des Entscheiders, auch subjektiv die Verantwortung für getroffene Entscheidungen zu übernehmen und nicht die Verantwortung von sich auf das Unternehmen als Ganzes abzuwälzen oder »ökonomische Sachzwänge« zur Rechtfertigung vorzuschieben.
Die angestrebten Ziele spielen für die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit verschiedener Handlungsalternativen eine wesentliche Rolle. Allerdings hat schon Myrdal darauf hingewiesen, »dass nicht nur \'Zwecke\' Gegenstand von Wertsetzungen sind, sondern auch \'Mittel\'. Die Mittel sind nicht wertmäßig indifferent« (Myrdal, G. Y. 1933, S. 310). Sie erhalten ihren Wert auch nicht allein durch die übergeordneten Ziele (Schneider, D.J. G. 1978).
Das Festlegen von Marketing-Zielen und -Mitteln ist also eng mit der Unternehmenskultur sowie den wertenden, insb. den moralischen Grundsätzen von Gesellschaft und Entscheidern verbunden. Zum einen wird unternehmerisches Entscheiden – und damit auch die Zielentscheidung – durch wertbezogene Standpunkte der Entscheider beeinflusst. Ziele und Mittel, die sich vom Standpunkt der Entscheider ethisch nicht vertreten lassen, werden durch ethisch kompatible Ziel-Mittel-Kombinationen ersetzt oder kommen gar nicht erst in den Erwägungsbereich der Entscheider. Zum anderen aber können Marketing-Zielbündel aufgrund ethischer Positionen erweitert werden. So kann es etwa sein, dass das Zielsystem um ökologische (Belz, C. 1988) oder um humane Werte (z.B. Vermeidung von Rassismus und Nationalismus, Wert der Familie etc.) erweitert wird. Marketing-Entscheidungen und ethische Positionen schließen sich demnach nicht aus, sondern beeinflussen sich gegenseitig. Die Faktizität dieser Zusammenhänge kann nicht geleugnet werden. Ob ethische Probleme im Zusammenhang mit Marketing-Fragen mehr oder weniger ignoriert oder vielmehr kritisch analysiert und diskutiert werden, hängt wesentlich vom Stand bzw. vom Standard der wirtschaftswissenschaftlichen Reflexion dieser Zusammenhänge ab.
Die Notwendigkeit einer Betrachtung ethischer Aspekte im Zusammenhang mit Marketing-Entscheidungen wird unmittelbar deutlich im Hinblick auf die Gestaltung der Außenbeziehungen eines Unternehmens und hier vor allem im Hinblick auf Kontakte mit den Verbrauchern, aber auch den Lieferanten, Anrainern usw. Ausgangspunkt für die Befassung mit ethischen Problemstellungen könnte zunächst die Kritik sein, die von verschiedenen unmittelbar und mittelbar von Marketing-Aktivitäten Betroffenen an das Marketing herangetragen wird (Hansen, U. 1988). Dabei handelt es sich einerseits um partielle Missstände (z.B. Täuschungen in der Werbung, mangelhafte Aufklärung des Konsumenten) und andererseits um grundsätzliche Folge- bzw. Begleiterscheinungen der Realisierung des Marketing-Konzepts (z.B. Erziehung zum Konsummaterialismus), die immer wieder als Kritikpunkte artikuliert werden. Als Antwort auf die bestehende Kluft zwischen sehr abstrakten ethischen Prinzipien und konkreten, praktischen Problemen vermag die Unternehmensethik zwar keine Patentlösung aufzeigen. Mit ihrer Suche nach den wichtigen Fragen vermag sie aber den Blick der Entscheidungsträger/innen für eigene Wahrnehmungs- und Handlungsbarrieren zu schärfen und für moralische Probleme zu sensibilisieren (Grabner-Kräuter, S. 1998). Ähnlich einem Kompass weist Unternehmensethik die Richtung verantwortungsbewussten unternehmerischen Handelns, der Weg in Form konkreter Marketing-Ziele muss vom Unternehmen selbst festgelegt werden. Ausgehend von dieser »Bestandsaufnahme« vorhandener Problemfelder sollte die Diskussion in weiterer Folge jedoch vertieft werden, um schließlich Managern Anhaltspunkte für den Umgang mit ethischen Dilemmasituationen liefern bzw. Richtlinien für die im ethischen Sinne verantwortungsvolle Beurteilung und Auswahl von Marketing-Zielen und -Strategien vorschlagen zu können.
Literatur:
Albach, H. : Shareholder Value und Unternehmenswert- Theoretische Anmerkungen zu einem aktuellen Thema, in: ZfB, Jg. 71, H. 6/2001, S. 643 – 674
Becker, J. : Marketing-Konzeption, 7. A., München 2001
Belz, C. : Stillstand eines ökologisch orientierten Marketing?, in: Thexis, Nr. 3/1988, S. 63 – 67
Bidlingmaier, J. : Zielkonflikte und Zielkompromisse im unternehmerischen Entscheidungsprozeß, Wiesbaden 1968
Bidlingmaier, J. : Marketing, Bd. 1, Reinbek bei Hamburg 1973
Bidlingmaier, J./Schneider, D. J. G. : Ziele, Zielsysteme und Zielkonflikte, in: HWB, Bd. 3, hrsg. v. Grochla, E./Wittmann, W., 4. A., Stuttgart 1976, Sp.4731 – 4740
Crawford, C. M. : Das Leitlinienkonzept in der Absatzplanung, in: Marketingtheorie, hrsg. v. Kroeber-Riel, W., Köln 1972, S. 254 – 269
Fritz, W. : Unternehmensziele in Industrie und Handel, in: DBW, Jg. 45, H. 4/1985, S. 375 – 394
Grabner-Kräuter, S. : Die Ethisierung des Unternehmens, 1998. A., Wiesbaden
Hansen, U. : Marketing und soziale Verantwortung, in: DBW, 1988, S. 711 – 721
Heinen, E. : Das Zielsystem der Unternehmung, 2. A., Wiesbaden 1971
Knapp, H. G. : Zur Logik des entscheidungsorientierten Ansatzes, in: ZfB, 1972, S. 601 – 618
Köhler, R. : Beiträge zum Marketing-Management, 3. A., Stuttgart 1993
Myrdal, G. Y. : Das Zweck-Mittel-Denken in der Nationalökonomie, in: Zeitschrift f. Nationalökonomie, 1933, S. 305 – 329
Pritzl, M. : Die Bedeutung der Zielklarheit für die Führungskräfte des Unternehmens, München 1987
Rappaport, A. : Selecting strategies to create Shareholder Value, in: Harvard Business Review, May/June/1981, S. 139 – 149
Sackmann, S. A. : Erfolgsfaktor Unternehmenskultur, 2004. A., Wiesbaden
Sadri, G./Lees, B. : Developing Corporate Culture as a Competitive Advantage, in: Journal of Management Development, Jg. 20, H. 10/2001, S. 853 – 859
Schneider, D.J. G. : Diskussionsbeitrag zum Problem der Gehalte von Unternehmenszielen, in: Der Markt, Zeitschrift für Absatzwirtschaft und Marketing, H. 1/1972, S. 22 – 24
Schierenbeck, H. : Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre, 15. A., München et al. 2000
Schneider, D.J. G. : Ziele und Mittel in der Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden 1978
Schneider, D.J. G. : Corporate Identity, Corporate Culture und Corporate Image als strategische Erfolgsfaktoren, in: M&M, Nr. 4/1989, S. 103 – 109
Steffenhagen, H. : Marketing, 5. A., Stuttgart et al. 2004
Trux, W./Kirsch, W. : Strategisches Management oder: Die Möglichkeit einer »wissenschaftlichen« Unternehmensführung, in: DBW, 1979, S. 215 – 235
Wildemann, H. : Der Wertbeitrag der Produktion – Entwicklungspfade von Produktionssystemen, in: ZfB, Jg. 74, H. 4/2004, S. 385 – 404
Will, H. : Zielarbeit in Organisationen, Frankfurt a.M. 1990
Wiswede, G. : Einführung in die Wirtschaftspsychologie, München/Basel 1995
|