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Europäische Union und Unternehmung


Inhaltsübersicht
I. Europäisierung durch staatenübergreifende Vergemeinschaftung
II. Ausgewählte unternehmensrelevante Politikfelder der Europäischen Union
III. Unternehmensspezifische Konsequenzen der EU-Bildung

I. Europäisierung durch staatenübergreifende Vergemeinschaftung


Die EU ist das Ergebnis eines singulären, weltpolitisch herausragenden, auf Freiwilligkeit basierenden und nicht von militärischem Zwang geprägten, hyperdynamischen Prozesses der wachsenden Integration europäischer Nationalstaaten zu einem supranationalen Gebilde. Dieser Prozess der staatenübergreifenden Integration begann 1951 mit dem Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS). Er wurde 1957 mit den Verträgen von Rom über die Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM) und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) sowie den Gemeinsamen Markt 1993 fortgesetzt und findet seine zügige Erweiterung um die Konzepte der Wirtschafts- und Währungsunion sowie der Politischen Union. Ob das supranationale Gebilde „ Europäische Union “ , welches sich von internationalen Organisationen durch eigene Hoheitsrechte, eigene Einnahmen, eigene Rechtsetzungsbefugnis und Abkommensberechtigung nachhaltig unterscheidet, nur in einem Zweckverband funktionaler Integration, in einem konföderativen Staatenbund oder einem Bundesstaat seine konkrete institutionelle Form finden wird, muss die Zukunft zeigen.

1. Institutionalisierung des Integrationsprozesses


Über den Fusionsvertrag der drei Europäischen Gemeinschaften EGKS, EURATOM und EWG erfolgte 1965 eine Konzentration der bislang institutionell getrennt agierenden Organe, aus der sich über eine weitere Ausdifferenzierung das bis heute bestehende Institutionengefüge mit Europäischem Rat, Rat der Europäischen Union, Europäischer Kommission, Europäischem Parlament, Europäischem Gerichtshof, Europäischem Rechnungshof sowie Wirtschafts- und Sozialausschuss und Ausschuss der Regionen entwickelte. Die mit dem „ Entwurf eines Vertrages über eine Verfassung für Europa “ 2004 intendierte Reform der institutionellen Ordnung sowie der Zuständigkeiten muss wegen dessen Ablehnung als vorläufig gescheitert betrachtet werden.
Neben der Etablierung von europäischen Gemeinschaftsorganen ist für die Förderung des Integrationsprozesses die Wahl des Rechts als Integrationsmedium anstelle eines konsensuellen Diskurses zwischen den Nationalstaaten von Ausschlag gebender Bedeutung. Mit Ausnahme des Bereichs der Grundrechte, welcher über die europäische Verfassung neu geregelt werden sollte, bestand von Anbeginn der Vergemeinschaftung Einigkeit, dass diese über die Schaffung eines europäischen Gemeinschaftsrechts (Acquis Communautaire) zu verwirklichen sei, das gegenüber jeder früheren oder späteren nationalen Norm und ohne weitere Notwendigkeit der Zustimmung auf nationaler Ebene Vorrang hat.

2. Geografische Erweiterung des Integrationsraumes


Der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1957 mit dem Ziel eines über den Status der Zollunion hinausreichenden Gemeinsamen Marktes folgte 1960 mit der Stockholmer Konvention die Gründung einer Europäischen Freihandelszone (EFTA) durch sieben weitere europäische Länder. Mit dem Übertritt von Dänemark und Großbritannien aus der EFTA in die EG sowie dem gleichzeitigen Beitritt Irlands 1973 zur EG wurde deren nachhaltige geografische Erweiterung mit den Beitrittsakten von Griechenland 1981, Portugal und Spanien 1986 sowie Finnland, Österreich und Schweden 1995 eingeleitet. Sie wurde durch die 2004 vollzogene Ost- und Süderweiterung mit acht mittelosteuropäischen Transformationsstaaten sowie Zypern und Malta und Verhandlungen und Maßnahmenprogrammen mit zehn weiteren Bewerberländern fortgesetzt. Neben der projektierten Ausweitung der EU auf potenziell 35 Staaten ist zudem die bereits 1973 in die Wege geleitete Zusammenarbeit mit den EFTA-Staaten zu betonen, welche 1992 zur Unterzeichnung des Vertrages über den „ Europäischen Wirtschaftsraum “ führte. Die EFTA-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein blieben damit zwar ohne EU-Mitgliedschaft, sind jedoch durch die partielle Übernahme des Acquis Communautaire in den Binnenmarkt der EU einbezogen.

3. Funktionale Vertiefung der wirtschaftlichen Integration


Die Konkurrenz zwischen EWG und EFTA weist darauf hin, dass die Konkretisierung der politischen Vorstellungen über die in die europäische Vergemeinschaftung einzubeziehenden Lebensbereiche und die darin jeweils angemessene funktionale Integrationstiefe einschließlich geeigneter Integrationsmechanismen selbst als ein bestimmendes Element des Integrationsprozesses aufzufassen ist ( „ Integration follows integration “ ). Im Kern ging es zunächst darum, bis Ende 1992 über die Beseitigung materieller, technischer und steuerlicher Schranken die vier Grundfreiheiten, d.h. die Freiheit des Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs herzustellen.
Noch vor der endgültigen Umsetzung der Maßnahmen zur Herstellung des Binnenmarktes wurde 1989 mit dem Delors-Bericht ein Konzept für die Vollendung der wirtschaftlichen Integration vorgestellt. Es handelt sich dabei um jenen Maßnahmenkatalog, auf dem die Regelungsinhalte zur Verwirklichung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) im Vertrag von Maastricht im Jahre 2000 basieren. Für die Wirtschaftsunion erfolgte eine völkerrechtlich verbindliche Festlegung von Grundsätzen, die von der Idee einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb (Ausnahme Agrarmarkt) ihren Ausgang nehmen. Die Einführung der Währungsunion in Verbindung mit der vollständigen Übertragung der Währungspolitik auf die EU wurde 1990, 1994 und 1997 in Stufen mit konkreten Konvergenzmaßnahmen vollzogen. Als nachhaltigste Integrationsinstrumente sah die Endphase spätestens ab Anfang 1999 die Einführung einer einheitlichen Gemeinschaftswährung EURO anstelle der nationalen Währungen und der Korbwährung ECU, die Etablierung eines Europäischen Zentralbankensystems sowie die dauerhafte Bindung der Währungsentwicklung an Konvergenzkriterien vor. Die Überführung der geld- und währungspolitischen Verantwortung von der nationalen auf die europäische Ebene stellt die effektivste ökonomische Integrationsleistung der EU dar. Wegen der bis dato nicht realisierten Staatlichkeit der EU (Währung ohne Staat) ist sie unter Akzeptanzgesichtspunkten die gleichwohl am stärksten problembehaftete.

II. Ausgewählte unternehmensrelevante Politikfelder der Europäischen Union


Die Institutionalisierung des Integrationsprozesses hat dessen Dynamik erheblich beschleunigt. Mittlerweile unterliegen alle Bereiche von Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Kultur dem gestaltenden Einfluss der EU-Organe. Die Zuständigkeiten der Generaldirektionen der EU-Kommission geben die diesbezüglich gewählte Aufgabenteilung deutlich zu erkennen.

1. Wettbewerbspolitik


Sowohl in der Binnenmarktkonzeption als auch im Vertrag von Maastricht wurde der freie Wettbewerb zwischen den Wirtschaftsakteuren als konstitutives Element einer offenen europäischen Marktwirtschaft festgeschrieben. Der EG-Vertrag enthält die wirtschaftliche Konkurrenz insofern als Ordnungsprinzip. Innerhalb der Gemeinschaft kommt dem unverfälschten Wettbewerb damit die Funktion zu, die Integration der von staatlichen Handelsschranken befreiten nationalen Märkte aufrecht zu erhalten und die Leistungsfähigkeit des Binnenmarktes zu optimieren. Die Verantwortung hierfür trägt neben den Landes- und Bundeskartellbehörden die Europäische Kommission (Generaldirektion Wettbewerb), wobei 2005 mit der Reform auf der Basis von Art. 81 und 82 EGV die Wettbewerbsaufsicht dezentralisiert und ein Legalausnahmesystem geschaffen wurde. Der Vorrang der EU-Kommission blieb jedoch erhalten. Die Wettbewerbspolitik der EU umschließt die Bereiche Antitrust, Fusion und Beihilfen. Das Kartellverbot als erster Teil der Antitrust-Regelungen untersagt wettbewerbsverfälschende Vereinbarungen, Unternehmensabsprachen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen dann, wenn zwei einschränkende Klauseln erfüllt sind: die Kartellabsprachen müssen den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen und die Beeinträchtigung muss spürbar sein. Nach Art. 81 Abs. 3 EGV kann das Kartellverbot für nicht anwendbar erklärt werden. Sofern vier Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, können die betroffenen Unternehmen einen Anspruch auf Freistellung geltend machen. Der EU-Kommission stehen für Ausnahmeregelungen die Instrumente der Einzel- bzw. der Gruppenfreistellung zur Verfügung. Bezüglich letzterer ist geplant, branchenspezifische Regelungen bis 2010 abzuschaffen, während für Gruppen von vertikalen Vertriebsbindungen mit einer branchenübergreifend gültigen neuen Verordnung gerechnet werden kann. Der zweite Teil umfasst nach Art. 82 Satz 1 EGV das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, sofern diese auf dem Gemeinsamen Markt oder einem wesentlichen Teil desselben gegeben wäre. Nach dem Verständnis des EuGH ist von einer solchen Position auszugehen, wenn ein Unternehmen zu unabhängigem Verhalten (Beeinflussung der Marktstruktur) oder zur Verhinderung wirksamen Wettbewerbs (durch leistungsfremde Mittel) in der Lage ist. Zur Identifikation einer marktbeherrschenden Stellung wurden mehrere Kriterien, u.a. der Marktanteil auf dem relevanten Markt formuliert. Wie bereits beim Kartellverbot unterliegt auch hier die Regelung allerdings der Zwischenstaatlichkeitsklausel. Mit der Fusionskontroll-Verordnung von 2004 wurde dieser Regelungsbereich auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt. Eine Fusion bzw. ein Zusammenschluss liegt danach bei einem auf Dauer angelegten unternehmensseitigen Erwerb der unmittelbaren oder mittelbaren Kontrolle über andere Unternehmen vor, sofern es sich um eine Fusion von gemeinschaftlicher Bedeutung handelt. Eine solche ist nach neuer Regelung zu untersagen, wenn dadurch der wirksame Wettbewerb im Gemeinsamen Markt erheblich beeinträchtigt würde. Eine marktbeherrschende Stellung gilt nicht mehr als zwingende Voraussetzung. Die Verbotsentscheidung setzt folglich eine Prognose der künftigen Marktstellung der betroffenen Unternehmen und der damit verbundenen Wettbewerbswirkungen voraus. Fusionsvorhaben sind deshalb vor ihrem Vollzug anzumelden (Präventivkontrolle). Die Beihilfenkontrolle schließlich richtet sich nach Art. 87 Abs. 1 EGV gegen nationalstaatliche Maßnahmen, die entweder Belastungen vermindern, welche ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat, oder solche, die Vorteile darstellen, für die keine Gegenleistung erwartet wird. Während das Genehmigungsverhalten der EU-Kommission eindeutig darauf abzielt, das Gesamtvolumen nationalstaatlicher Beihilfen deutlich zu verringern, kann bezüglich der Genehmigungsverfahren im Antitrustbereich von relativ großzügigen Entscheidungen ausgegangen werden. Die eigentliche Kontrollproblematik verlagert sich allerdings von evidenten Fusionsvorhaben zu hybriden Unternehmensverbindungen wie Strategischen Netzwerken oder Allianzen.

2. Industrie-, insbesondere Forschungs- und Technologiepolitik


Die europäischen Unternehmen agieren in einem globalen Wettbewerb mit ausländischen Unternehmen, deren Herkunftsstaaten die wirtschaftliche Expansion über Infrastrukturmaßnahmen teils massiv zu fördern suchen. Angesichts des im EGV (Art. 2) fixierten Zieles der EU, für eine nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens und einen hohen Grad an Wettbewerbsfähigkeit einzutreten, lag es nahe, neben den nationalstaatlichen Ansätzen auch eine europäische Industriepolitik zu betreiben. Diese Auffassung war jedoch von Anbeginn von ordnungspolitischen Vorbehalten im Hinblick auf die Beeinträchtigung der wohlfahrtsoptimierenden Funktion des Binnenmarktes durch selektive Fördermaßnahmen sowie von der Befürchtung möglicher Handelskonflikte begleitet. Für die Herstellung ordnungspolitischer Verträglichkeit ist die EU deshalb bei der Auslegung ihrer Förderprogramme auf die Einhaltung der Prinzipien Präkompetitivität und Degressivität bedacht. Hinsichtlich der Abgrenzung zwischen den Zuständigkeitsebenen akzeptierte sie zudem einen dem Subsidiaritätsprinzip folgenden besonderen Begründungszwang für EU-Aktivitäten im Falle der Komplementarität zu nationalen Forschungsanstrengungen. Der Konflikt zwischen der Notwendigkeit einer Stärkung von Forschungs- und Technologieinfrastrukturen in führenden Regionen in der EU und der selbst auferlegten Verpflichtung, zur Kohäsion innerhalb der EU beizutragen, blieb dadurch allerdings erhalten. Erste Ansätze für eine Industriepolitik sind bereits im Vertrag über die EGKS von 1951 enthalten. Für die Folgezeit lassen sich konkrete Entwicklungsphasen nachzeichnen, die sich markant in den Themen, Aufgabenstellungen, Instrumenten und Fördervolumina unterscheiden. Zudem tritt eine grundlegende Verschränkung der früher eher isoliert betrachteten Industrie-, Forschungs-, Innovations-, Technologie-, Bildungs- und Kulturpolitiken zutage. Das Ziel einer synergetischen Auslegung dieser Teilpolitiken ist über Regelungen des Vertrages von Maastricht (Art. 130) in den EGV (Art. 163) eingeflossen. Das für 2007 – 2013 projektierte siebte Forschungsrahmenprogramm nimmt mit der Zusammenschau von Wettbewerbsfähigkeit und Innovation deshalb unmittelbar auf die 2003 erneuerte Lissabon-Strategie Bezug, in der sich der Europäische Rat auf das Ziel verständigt hatte, die EU zum wettbewerbsfähigsten und wachstumsfreudigsten Wirtschaftsraum der Welt zu entwickeln.

3. Gesellschaftsrecht


Die Unterschiedlichkeit der Marktordnungen der EU-Staaten spiegelt sich auch in der Fragmentierung des Gesellschaftsrechts wider, welches von differenzierten nationalen Regelungsmustern geprägt ist. Die systematischen Unterschiede in den Rechtskonstruktionen trugen maßgeblich dazu bei, dass sich die Nationalstaaten dem Prinzip der Anerkennung des jeweils ausländischen Gesellschaftsrechts verweigerten. Aufgrund des dominierenden Konzeptes der Sitztheorie bedeutet dies, dass eine Sitzverlegung von Unternehmen auch innerhalb der EU-Staaten ohne eine Umgründung nicht möglich ist. Die EU-Kommission sah in dieser Praxis eine Kollision mit dem Binnenmarktgrundsatz der Freizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit, welche die Mobilität der Unternehmen unzulässig einschränkt. Angeregt durch Entscheidungen des EuGH sah die EU-Kommission daher Handlungsbedarf, der in zwei parallel betriebenen Vorgehensweisen mündete. Der erste Weg wurde über die Angleichung besonderer Teile des nationalen Gesellschaftsrechts der Mitgliedstaaten über zahlreiche Harmonisierungsakte wie Publizitätsrichtlinie, Verschmelzungsrichtlinie, Konzernbilanzrichtlinie, Einpersonengesellschaftsrichtlinie oder die Organisationsrichtlinie zur Struktur der (nationalen) Aktiengesellschaft beschritten. Angesichts erheblicher politischer Widerstände sah sich die EU-Kommission allerdings in 2001 veranlasst, die Organisationsrichtlinie zurückzunehmen. Dies führte zu einer Neuorientierung des Regulierungsverhaltens, nämlich weg von Harmonisierungsbestrebungen, hin zu einem eigenen Corporate Governance-Kodex in Verbindung mit einer verstärkten Deregulierung und der Entwicklung nationalstaatlicher CG-Kodizes bei gleichzeitiger Identifizierung gemeinsamer CG-Prinzipien in der EU. Diese sollten über einen in 2003 erlassenen Aktionsplan zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und zur Verbesserung der Corporate Governance entwickelt werden. Der EU wird darin eine permanente und aktive Koordinationsfunktion eingeräumt, welche das „ European Corporate Governance Forum “ Ende 2004 übernahm. Der zweite Weg besteht in der Schaffung europäischer Rechtskonstruktionen für supranationale Gesellschaftsformen, die unmittelbar auf EU-Recht gründen. Für Unternehmen faktisch wählbar sind diesbezüglich die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) und die Societas Europaea (SE), weitere Gesellschaftsformen zur GmbH oder zur Genossenschaft befinden sich in Vorbereitung. Zusammen mit dem Arbeitnehmerbeteiligungsgesetz hat die Europa-AG Ende 2004 in Deutschland Rechtskraft erlangt. Von der deutschen Aktiengesellschaft unterscheidet sie sich in den Wahlmöglichkeiten hinsichtlich einer monistischen oder dualistischen Führungsstruktur sowie der Ausgestaltung der Mitbestimmung. Nach der SE-Verordnung können allerdings nur Kapitalgesellschaften, die dem Recht von mindestens zwei Sitzstaaten unterliegen, eine SE gründen. Der Gründungsvorgang ist zudem an vier bzw. fünf Gründungsformen gebunden. Besondere Vorzüge werden in den Wahlmöglichkeiten für die Ausgestaltung der Corporate Governance, in der identitätswahrenden und steuerneutralen Sitzverlegung sowie in der Möglichkeit, die Arbeitnehmermitbestimmung zu verhandeln, gesehen. Die supranationalen europäischen Gesellschaftsformen können als Bruch mit der nationalstaatlichen Rechtstradition aufgefasst werden, da sie erstmalig die nationalstaatlichen Rechtssysteme gezielt einem Wettbewerb aussetzen.

III. Unternehmensspezifische Konsequenzen der EU-Bildung


Kumulativ geschachtelte Integrationsprogramme und die in ihrem Rahmen angesiedelten politischen Aktivitäten der EU konkretisieren den fortwährenden Prozess der Vergemeinschaftung europäischer Nationalstaaten und ihrer Märkte. Selbst wenn diese bislang nicht als vollkommen integriert zu bezeichnen sind, kann dennoch von einem hohen Niveau interstaatlicher Regionalisierung ausgegangen werden. Im Vergleich zur Zeit vor Anbeginn der europäischen Integration mit nationalstaatlich konfigurierten und gegenseitig abgeschotteten Märkten stellt die Konstruktion des Gemeinsamen EU-Marktes einen Quantensprung in der Entwicklung der unternehmensrelevanten Marktbedingungen dar. Bei Heranziehung eines Market-based-View-Konzeptes, eines aufgeklärten Kontingenzansatzes oder neoinstitutionalistischer Anpassungsbetrachtungen muss aufgrund der Wechselbeziehungen zwischen Unternehmen und ihrer relevanten Umwelt davon ausgegangen werden, dass das Neuarrangement der europäischen Märkte sich in neu definierten internen Strategie-Struktur-Mustern europäisierender Unternehmen wiederfindet. Aufgrund gravierender Defizite in der betriebswirtschaftlichen Unternehmensentwicklungsforschung wird zur ausschnittweisen Illustration der Logik der Unternehmenseuropäisierung auf mikroökonomische Wirkungsmodelle zurückgegriffen, deren bekanntestes die Cecchini-Studie zu den „ Kosten der Nicht-Verwirklichung Europas “ darstellt. Die unternehmensrelevanten Effekte der Dekonstruktion nationaler Märkte durch Aufschließung und ihrer Rekonstruktion durch Integration auf EU-Ebene können – stark vereinfacht formuliert – anhand von vier Erklärungsvariablen modelliert werden:

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Die „ Betroffenheit “ einer Unternehmung von der Veränderung der Wettbewerbssituation wird maßgeblich durch ihre individuelle Ausgangssituation beeinflusst: Sitz in den alten EU-Staaten oder in den Beitrittsländern, Marktarena, Kundenbindung oder Unternehmensgröße.

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Das „ Wirkungsfeld “ wird durch die Zeitlichkeit der Integrationsmaßnahmen (Zeitpunkt ihrer Umsetzung, Übergangsfristen), deren Reichweite in Abhängigkeit vom Regelungstatbestand und den Zeitpunkt der Wirkungsentfaltung (statische Soforteffekte oder dynamische Folgewirkungen durch Anpassungsprozesse der Marktakteure) aufgespannt.

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Der Druck auf unternehmensinterne Restrukturierungsstrategien resultiert aus „ Integrationskräften “ des Gemeinsamen Marktes. Diese senken durch den Abbau von Handelshemmnissen die „ Ausgangskosten “ für die Unternehmen und erhöhen gleichzeitig die Markttransparenz mit der Folge sinkender Transaktionskosten. Durch verringerte Transaktionskosten steigt unmittelbar die innergemeinschaftliche Wettbewerbsintensität durch das Auftreten neuer ausländischer Konkurrenten, die bisher aufgrund nationalstaatlich verursachter Transaktionskosten am heimischen Markt noch nicht präsent waren. Geringere grenzüberschreitende Transaktionskosten schaffen zudem Potenziale für die Senkung der Produktionsstückkosten, für eine geografische Neuauslegung der Wertschöpfungskette sowie für unternehmensinterne und branchenweite Rationalisierungskonzepte aufgrund von Standardisierungschancen und zahlreichen weiteren Stellhebeln.

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Für Veränderungen der Branchenstrukturen und damit wiederum für die Ausgangssituation der Unternehmen sind zudem „ Multiplikatoreffekte “ aus sinkenden Preisen und Finanzierungskosten und fallenden Produktions- bzw. Kapitalbereitstellungskosten, Produktinnovationen oder Marktbereinigungen bedeutsam.


Die Wirkungslogik des Integrationsprozesses folgt insofern einem sich selbst verstärkenden Mechanismus, dessen Eigendynamik die Europäisierung des Managementhandelns forciert.
Literatur:
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Commision of the European Communities, : Research on the „ Cost of Non-Europe “ , Brussels et al. 1988
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Fischer, Klemens H. : Der Vertrag von Nizza, 2. A., Baden-Baden 2003
Hasse, Rolf H./Kunze, Cornelie : Europäische Integration: Vertiefung durch Erweiterung?, Leipzig 2001
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Puntscher Riekmann, Sonja/Mokre, Monika/Latzer, Michael : The State of Europe, Frankfurt am Main et al. 2004
Rodemer, Horst/Dicke, Hartmut : Globalisierung. Europäische Integration und internationaler Standortwettbewerb, Baden-Baden 2000
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Viehoff, Reinhold/Segers, Rien T. : Kultur Identität Europa, Frankfurt am Main 1999
Weindl, Josef/Woyke, Wichard : Europäische Union, 4. A., München et al. 1999

 

 


 

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