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Kundenbindung


Inhaltsübersicht
I. Bedeutung der Kundenbindung
II. Begriffsbestimmung der Kundenbindung
III. Operationalisierung der Kundenbindung
IV. Kundenbindungs-Management
V. Implementierung der Kundenbindungsaktivitäten

I. Bedeutung der Kundenbindung


Für viele Anbieter hat sich die Marktsituation durch eine höhere Wettbewerbsintensität und ein geändertes Kundenverhalten wesentlich verschärft. In vielen Branchen ist eine sinkende Loyalität und Bindungsbereitschaft von Nachfragern festzustellen. Vor diesem Hintergrund stellen immer mehr Unternehmen fest, dass ein einseitiger Focus auf Neukundengewinnung bei gleichzeitiger Abwanderung von Stammkunden auf Dauer äußerst negative Folgen z.B. auf den gegenwärtigen und zukünftigen Gewinn haben kann (Reichheld, F. F./Sasser, W. E. 1990).
In diesem Zusammenhang sind Kosten, die durch aktive Kundenbindung verursacht werden, als Investition in die Zukunft zu betrachten, denn die Pflege loyaler Kundenpotenziale erfordern gemäß Schätzungen aus der Praxis lediglich 15 – 20% der Aufwendungen, die für eine vergleichbare Gewinnung neuer Kunden entstehen würden (Müller, W./Riesenbeck, H.-J. 1991). Kundenbindung kann allerdings keinen vollständigen Ersatz für Neukundengewinnung darstellen, da allein schon durch eine mehr oder weniger natürliche Fluktuation ständig Kunden verloren gehen, die durch neue Kunden ersetzt werden müssen.

II. Begriffsbestimmung der Kundenbindung


Während in der Vergangenheit der Fokus insbesondere im Konsumgütermarketing auf die Phase vor dem Kauf eines Produktes gelegt wurde, stehen in jüngster Zeit verstärkt nachkauforientierte Aspekte im Mittelpunkt von Marketing-Theorie und -Praxis. Dabei werden im Sinne eines Prozessdenkens alle dem Kaufprozess folgenden Phasen wie die Ge- und Verbrauchsphase, die Entsorgungsphase sowie die Folge/Wiederholungskauf- oder Abwanderungsphase bei der Gestaltung von Marketingaktivitäten berücksichtigt (Hansen, U./Jeschke, K. 1992).
Dem Begriff Kundenbindung kommt in der neueren betriebswirtschaftlichen und insbesondere marketingspezifischen Literatur eine immer höhere Bedeutung zu, wobei häufig jedoch nur Einzelaspekte der Kundenbindung berücksichtigt werden. Der Grad bzw. die Qualität der Kundenbindung hängt von folgenden Faktoren ab (Meyer, A./Dornach, F. 1993a; Straßburger, H. 1991; Buchanan, R./Gillies, C. 1990; Kleinaltenkamp, M. 1993):

-

Psychologische Faktoren (z.B. Kundenzufriedenheit),

-

situative Faktoren (z.B. Bequemlichkeit),

-

rechtliche Faktoren (z.B. Vertrag),

-

ökonomische Faktoren (z.B. spezifische Investition),

-

technologische Faktoren (z.B. Prozessanpassung).


Unter Berücksichtigung der einzelnen Erklärungsdeterminanten kann der Begriff Kundenbindung wie folgt definiert werden:
»Die aktuelle Kundenbindung umfasst einerseits das bisherige Kauf- und Weiterempfehlungsverhalten und andererseits die zukünftigen Wiederkauf-, Zusatzkauf- (Cross-Selling-) und Weiterempfehlungs-Absichten (Goodwill) eines Kunden gegenüber einem Anbieter oder dessen Leistungen, die aus psychologischen, situativen, rechtlichen, ökonomischen oder technologischen Bindungsursachen resultieren.«
In Ergänzung zu unterschiedlichen Definitionsansätzen in der Literatur, die größtenteils eine sehr enge Begriffsbestimmung für Kundenbindung darstellen, werden bei der vorliegenden Definition über das zukünftige Kaufverhalten hinausgehende positive Handlungsweisen (wie Weiterempfehlung) eines Kunden als Indikatoren mit einbezogen. Darüber hinaus werden einzelne Bindungsursachen und die unterschiedlichen zeitlichen Ebenen (ex ante als Verhaltensabsicht sowie ex post als tatsächliches Verhalten) berücksichtigt (Abb. 1).
Kundenbindung
Abb. 1: Ursachen und Wirkungen der Kundenbindung

III. Operationalisierung der Kundenbindung


Bei der Operationalisierung der Kundenbindung ist einerseits zwischen Messgrößen zu unterscheiden, die den Grad der Kundenbindung widerspiegeln und mit einer Ex-post-Messung am tatsächlichen Verhalten ansetzen, und andererseits Messgrößen, welche in der Lage sind, die Qualität bzw. Stabilität einer Bindung ex ante zu erfassen. Hier handelt es sich im Wesentlichen um die Messung psychischer Konstrukte (sog. »Vorläufer« des zukünftigen Verhaltens). Damit können bestenfalls Verhaltensabsichten gemessen werden.

1. Verhaltensbezogene Messung


Zu den verhaltensorientierten Messgrößen gehören die Erfassung des Umsatzes, des Marktanteils, der Kundenabwanderungsrate bzw. der »Retention Rate«, des Kundenloyalitätsindex, der durchschnittlichen Dauer einer Kundenbeziehung, der Zahl der Wiederholungskäufe sowie der Wiederkaufrate (objekt-, händler- oder herstellerbezogen). Bei der Erfassung von Umsatz und Marktanteil besteht der große Nachteil, dass ohne eine weitere Differenzierung nicht zwischen Erstkäufern und Wiederholungskäufern unterschieden werden kann. Außerdem werden diese Größen stark von situativen (z.B. Konjunkturlage) bzw. marktspezifischen Einflüssen (z.B. temporäres Monopol eines Anbieters aufgrund von Lieferschwierigkeiten seiner Wettbewerber) überlagert. Darüber hinaus können, wie bereits oben erwähnt, auch investitionsspezifische bzw. vertragliche Bindungen vorliegen. Hier besteht das zentrale Problem, dass mit der verhaltensorientierten Messung keine Aussage über die Folgeentscheidung nach Ablauf einer solchen Bindung getroffen werden kann.
Verhaltensorientierte Messungen setzen eine Zeitreihenbetrachtung voraus, da nur aus der zeitlichen Entwicklung dieser Steuerungsgrößen Rückschlüsse für ein aktives Kundenbindungs-Management gewonnen werden können. Da allerdings alle verhaltensorientierten Messungen Ex-post-Betrachtungen sind, werden sie dem Steuerungscharakter im Rahmen eines zu operationalisierenden Zielsystems der Unternehmung bei isolierter Anwendung nur bedingt gerecht.

2. Messung psychischer Komponenten


Wichtige psychische Komponenten sind die Kundenzufriedenheit, die Beschwerdezufriedenheit, die Wiederkaufabsicht, die Zusatzkaufabsicht und die Weiterempfehlungsabsicht. Bei den entsprechenden Verfahren zur Messung dieser Komponenten steht nicht der Grad der Kundenbindung im Vordergrund, sondern vielmehr die Qualität der Beziehung. Zu diesen Verfahren sind Methoden zu rechnen, die in der Lage sind, leistungs- bzw. anbieterbezogene Präferenzen eines Kunden zu messen. Im Hinblick auf die Qualität einer Beziehung unterscheidet man im Einzelnen zwischen merkmalsorientierten Messverfahren (ein oder mehrdimensional), wie z.B. dem Servqual-Ansatz, und ereignisorientierten Messverfahren, wie der Critical-Incident-Methode, oder der Beschwerdeanalyse (Meyer, A./Dornach, F. 1993a). In empirischen Untersuchungen bestätigt sich eine hohe Korrelation zwischen Kundenzufriedenheit und Wiederwahlabsicht (Abb. 2). Als beispielhaftes Verfahren zur Messung der Kundenzufriedenheit und der Wiederkaufabsicht kann das »Deutsche Kundenbarometer«, die derzeit umfassendste deutsche Studie im Bereich der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung, angeführt werden. Mit seiner Hilfe sind Rückschlüsse über die Qualität der Kundenbindung einzelner Unternehmen, aber auch gesamter Branchen möglich (Meyer, A./Dornach, F. 1993b).
Für eine kontinuierliche Erfassung von Kundenbindungswerten und insbesondere deren Veränderung sollten regelmäßig Messungen vorgenommen werden. Dazu eignen sich Verfahren zum sofortigen  Monitoring nach jeder Transaktion (z.B. »Day-after-service-call«) und zum periodischen Monitoring (z.B. Kundenzufriedenheits- bzw. -bindungsbarometer oder Verhaltens- bzw. Zufriedenheitspanels). Um auch Informationen über die Ursachen von Kundenabwanderungen zu erhalten, können darüber hinaus abgebrochene Kundenbeziehungen analysiert werden.
Kundenbindung
Abb. 2: Das Deutsche Kundenbarometer 1993: Wiederwahlabsicht in Abhängigkeit von der Globalzufriedenheit (Quelle: Meyer, A./Dornach, F. 1993b, S. 35)

IV. Kundenbindungs-Management


1. Bestandteile eines Kundenbindungs-Managements


Eine reine Ergebnisbetrachtung der Kundenbindung aufgrund unterschiedlichster Bindungsmechanismen muss um eine aktive Betrachtungsweise der Kundenbindung ergänzt werden, wonach ein Anbieter bestrebt sein sollte, die Qualität der Beziehung zum Nachfrager unter Berücksichtigung seiner Unternehmensziele möglichst optimal zu gestalten, und zwar im Sinne eines Kundenbindungs-Managements. Im Kontext einer aktiven Unternehmenspolitik lässt sich Kundenbindungs-Management somit wie folgt definieren:
»Konzeption, Planung, Durchführung und Kontrolle aller Aktivitäten eines Anbieters, die dazu dienen, im Rahmen der Unternehmensziele positive Verhaltensweisen von Kunden bzw. Kundengruppen hervorzurufen sowie zielkonforme Kundenbeziehungen beizubehalten und auszubauen.«

2. Kundenbindung im Zielsystem der Unternehmung


Aus der zunehmenden Bedeutung der Kundenbindung im Vergleich zur Neukundenakquisition leitet sich die Fragestellung nach dem Stellenwert von Kundenbindung im Zielsystem einer Unternehmung ab.
Im Unternehmensleitbild sollte die Kundenorientierung als fundamentale Voraussetzung für Kundenbindung sowohl schriftlich fixiert sein als auch in der praktischen Unternehmenspolitik vom Management vorgelebt und von den Mitarbeitern im täglichen Kundenkontakt praktiziert werden.
Aufgrund der Tendenz, dass herkömmliche finanzielle Ziele, wie z.B. Gewinn und ROI, im Hinblick auf eine zukunftsgerichtete, kundenorientierte Steuerung des Unternehmens den Anforderungen an eine langfristige Unternehmenssicherung nicht immer gerecht werden können (Eccles, R. C. 1991), bieten sich als Ergänzung Zielgrößen an, die den Grad bzw. die Qualität der Kundenbindung direkt (verhaltensbezogen) oder als Frühwarnindikator (einstellungsbezogen) berücksichtigen. Die Eignung dieser Steuerungsgrößen hängt allerdings davon ab, inwieweit die Kundenbindung auf Basis der gemessenen Größen positiv beeinflusst werden kann, diese also dem Steuerungscharakter von Zielgrößen gerecht werden können. Da ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Kundenabwanderung infolge mangelnder Kundenbindung und den Gewinnschwankungen von Unternehmen empirisch nachgewiesen werden konnte, muss der Kundenbindung im Zielsystem der Unternehmung ein höherer Stellenwert eingeräumt werden (Reichheld, F. F./Sasser, W. E. 1990).

3. Controllingaspekte der Kundenbindung


Aus Unternehmenssicht stellt sich die Frage, welche Kunden überhaupt gebunden werden sollen und in welcher Weise. Darüber hinaus ist zu klären, in welchen Situationen bzw. bei welchen Kunden eine aktive Kundenbindung im Hinblick auf die Schaffung einer einstellungsbedingten Loyalität bzw. zum Aufbau von Wechselbarrieren sinnvoll oder überhaupt möglich ist. Unter Berücksichtigung der Unternehmensziele ist Bindung nur sinnvoll, wenn sie zielkonform ist, also z.B. der Kunde auf Dauer einen positiven Deckungsbeitrag erbringt. Daneben dürfen jedoch mögliche Wechselwirkungen innerhalb des Kundenkreises nicht außer Acht gelassen werden, also z.B. die als sinnvoll erachtete Bindung von Meinungsführern, die zwar isoliert betrachtet u.U. keinen positiven Deckungsbeitrag erbringen, aber über positive Referenzaussagen viele Neukunden gewinnen, ohne die für das Unternehmen üblicherweise sehr hohen Akquisitionskosten zu verursachen.
Es bleibt festzustellen, dass nicht jede Kundenbeziehung für den Anbieter von gleichem Wert ist. Voraussetzung einer möglichst effektiven Planung im Rahmen eines aktiven Kundenbindungs-Managements sind demnach möglichst weit reichende Informationen über den Kundenbestand eines Unternehmens. Für die aktive Gestaltung von Kundenbindungsaktivitäten reicht eine Betrachtung der Produktrentabilitäten nicht mehr aus. Die im Rahmen der Planungsdimension erforderliche, möglichst weitgehende Informationsselektion bezüglich unterschiedlicher Kunden bzw. Kundengruppen erfordert eine leistungsfähige Database (Kreutzer, R. T. 1991). Unter einer Database ist der firmeninterne Adressbestand von Kunden zu verstehen, der sowohl qualitative als auch quantitative Aspekte der unterschiedlichen Kundenbeziehungen berücksichtig (Oggenfuß, C. W. 1993).
Zu den qualitativen Aspekten gehören insbesondere soziodemografische und psychografische Merkmale eines Kunden, die bei adäquater Verknüpfung eine verhaltensorientierte Betrachtung einer Kundenbeziehung erlauben. So können beispielsweise einige amerikanische Versandhäuser wie Spiegel und L.L. Bean aus ihrer Datenbank kundenbezogene Verhaltensmuster ableiten, bis hin zur Berechnung von Wahrscheinlichkeiten, mit denen bestimmte Warengruppen gekauft werden. Darauf aufbauend können auch die Versandkataloge segmentspezifisch zusammengestellt werden (Blattberg, R. C./Deighton, J. 1993).
Kundenbezogene, aktuelle Ertrags- und Kostenkennziffern, wie z.B. Deckungsbeitragsberechnungen, berücksichtigen zusätzlich quantitative Aspekte einer Kundenbeziehung, auf deren Basis eine ABC-Analyse durchgeführt werden kann. Eine zukunftsgerichtete Potenzialbetrachtung von Kundengruppen auf Basis von geschätzten zukunftsgerichteten Nettoertragswerten, die auf den Gegenwartszeitpunkt abdiskontiert werden (Lifetime Value), ermöglicht eine strategisch verwendbare Kundensegmentierung (Oggenfuß, C. W. 1993).
Zu den zweckmäßigen Controllinginstrumenten gehören darüber hinaus noch das Kundenbindungsportfolio und die Beziehungslebenszyklusanalyse (Hentschel, B. 1991). Beim Kundenbindungsportfolio (Abb. 3) werden die Kunden nach den Dimensionen Kundenattraktivität und Kundenbindung beurteilt und in eine Analysematrix eingeordnet. Dabei können bei der Beurteilung der Kundenattraktivität neben der Berücksichtigung bereits oben genannter Ertragsgrößen beispielsweise auch die Referenzattraktivität eines Kunden, also seine Ausstrahlungskraft zur Akquisition neuer Kundengruppen, berücksichtigt werden. Aspekte zur Beurteilung der Kundenbindung sind bestehende vertragliche Bindungen, psychologische Abhängigkeiten aufgrund persönlicher Beziehungen, u.U. aber auch eine fehlende Substitutionsmöglichkeit aufgrund eines Mangels an weiteren Anbietern. Entsprechend der Einordnung unterschiedlicher Kundengruppen in das Portfolio müssen spezifische Strategien abgeleitet werden.
Kundenbindung
Abb. 3: Kundenbindungsportfolio (Quelle: in Anlehnung an Hentschel, B. 1991, S. 26)
Bei der Beziehungslebenszyklusanalyse werden die spezifischen Phasen in der Anbieter/Nachfrager-Beziehung (Kennenlernphase, Vertiefungsphase, Routinephase etc.) analysiert und Aussagen zu unterschiedlichen, phasenspezifischen Kundenverhaltensweisen wie z.B. Verhandlungsaktivitäten oder Aktivitäten der Alternativensuche getroffen. Allerdings bleibt hierbei zu berücksichtigen, dass es sich bei einer Lebenszyklusbetrachtung nicht um ein deterministisches Konzept handelt, sondern die einzelnen Phasen häufig nicht in der erwarteten Reihenfolge durchlaufen werden.
Die unterschiedlichen Methoden zur Beurteilung von Kundenbeziehungen sind jeweils unter besonderer Berücksichtigung branchenspezifischer Merkmale zu beurteilen. So ist z.B. im Investitionsgüterbereich bei Bestehen von relativ wenigen Kundenbeziehungen eine Einzelkundenbetrachtung häufig sinnvoll, dagegen in Konsumgütermärkten, die insgesamt homogener sind, eine solche Vorgehensweise unter Kosten/Nutzen-Aspekten kaum zu rechtfertigen. Hier liegt es jedoch an der Verwendung einer leistungsfähigen Database, ob relevante Informationen zur Gestaltung von Kundenbindungsaktivitäten gewonnen werden können.

4. Maßnahmen der Kundenbindung

a) Übersicht


Als Strategien zur Bindung attraktiver Kunden bzw. Kundengruppen (möglichst zielgruppenspezifisch differenziert nach Stammkunden, ABC-Kunden, Kündigern etc.) bieten sich grundsätzlich sowohl leistungsprogramm- und leistungsbezogene (Kern- bzw. Zusatzleistungen), kontrahierungspolitische (Treue- und Mengenrabatte, finanzielle Anreize, Finanzierungshilfen, Preisdifferenzierung) sowie kommunikationsgerichtete Kundenbindungsaktivitäten (Kundenzeitschriften, Direktmarketing, Persönliche Nachkaufkommunikation) an. Idealtypisch lassen sich diese Kundenbindungsinstrumente jeweils isoliert anwenden (Isolierte  Kundenbindungsstrategien). Dauerhaften Erfolg versprechen dagegen eher Konzepte (z.B. Kundenclubs), die in Abhängigkeit von den jeweiligen Kundensegmenten unterschiedliche Bestandteile in einem Gesamtkonzept integrieren und darüber hinaus die jeweilige Phase und die Besonderheiten im Interaktionsprozess berücksichtigen (Integrierte Kundenbindungsstrategien).

b) Isolierte Kundenbindungsstrategien

(1) Leistungsprogrammbezogene Kundenbindungsaktivitäten


Kundenbindungsaktivitäten mit Schwerpunkt auf dem Leistungsprogramm müssen den gesamten Bedarf (Zubehörprogramm, Service) bzw. Lebenszyklus (Bsp. Pkw-Industrie: Kleinwagen, Sportwagen, »kindergerechte« Pkw) des Kunden berücksichtigen.
Bezogen auf das Beispiel der Kundenzufriedenheit als einer wichtigen Voraussetzung für Kundenbindung sollten kundenbindende Maßnahmen darüber hinaus an den Qualitätskomponenten ansetzen, die aus Sicht des Kunden für die Gesamtzufriedenheit eine besonders wichtige Rolle spielen. Viele Unternehmen haben aus diesem Grund in den vergangenen Jahren einen Schwerpunkt auf die Verbesserung ihrer Leistungsqualität gelegt. Das Thema »Total Quality Management« hat sowohl bei reinen Produktionsunternehmen als auch bei Dienstleistungsunternehmen einen immer höheren Stellenwert erhalten.
Leistungsbezogene Elemente wie z.B. Produktinnovationen, die sich auf die Phase vor dem Kauf beziehen, sowie eine Sicherung der Leistungsqualität während der Nutzung werden in vielen Bereichen durch Serviceleistungen ergänzt, die dem Kunden einen sinnvollen Zusatznutzen erbringen und so dazu beitragen, ihm den Wechsel zu einem anderen Anbieter zu erschweren.

(2) Kommunikationspolitische Maßnahmen zur Kundenbindung


Neben Maßnahmen, die speziell im Rahmen der Leistungserstellung liegen, dienen kommunikationspolitische Maßnahmen i.w.S. dazu, den Kontakt zum Kunden vor dem Kauf aufzubauen bzw. nach dem Kauf sicherzustellen, um dann im Sinne eines Prozessablaufs möglichst den Wiederkauf einzuleiten. Die einzelnen Kommunikationsaktivitäten sind dabei nicht isoliert zu betrachten, sondern werden in der Regel nebeneinander bzw. aufeinander abgestimmt eingesetzt. Hierzu zählen insbesondere die Kommunikation in persönlicher Form als Direktwerbung (Brief oder Telefon) oder mithilfe von Kundenzeitschriften entweder vor, während oder nach dem Kauf.
Die Nachkaufkommunikation soll den Kunden mit kaufbestätigenden und Nutzen erleichternden Informationen versorgen. Dabei kommt den Instrumenten der Nachkaufwerbung, Kundenzeitschriften und Gebrauchsanweisungen ein primär kaufbestätigender Charakter zu. Die persönliche Interaktion dient dagegen einer intensiven Nachkaufbetreuung. Eine besondere Form der persönlichen Interaktion ist dabei die Einrichtung so genannter »Service 130«-Nummern, die der Kanalisierung und Lösung von Kundenbeschwerden dienen und somit in den Rahmen eines Beschwerdemanagements einzuordnen sind. Entsprechend einem Dialog-Konzept zwischen Kunden und Unternehmen sollen dabei unternehmensschädigende Verhaltensformen wie negative Mund-Werbung und Abwanderung möglichst unterbunden werden. Darüber hinaus können solche »Service 130«-Nummern auch dazu dienen, dem Kunden individuell abrufbare Informationsangebote zu machen (Hansen, U./Jeschke, K. 1992).
Mit Instrumenten der Direktwerbung schließlich können in Bezug auf bestehende Kundenverbindungen wesentlich bessere Reaktionsergebnisse erzielt werden als bei potenziellen Neukunden.

(3) Preis- und Distributionspolitische Maßnahmen zur Kundenbindung


Als preispolitische Instrumente können im Rahmen von Kundenbindungsstrategien Treue- bzw. Mengenrabatte, finanzielle Anreize sowie segmentspezifische Preisdifferenzierungsstrategien eingesetzt werden. Der Einführung preispolitischer Instrumente sind allerdings in der Bundesrepublik durch das frühere Rabattgesetz und durch die Zugabeverordnung immer relativ enge rechtliche Grenzen gesetzt gewesen.
Zu den distributionspolitischen Maßnahmen gehören u.a. Ubiquität und situative Distribution (z.B. Verteilung von Zigaretten/Getränken bei »events«).

c) Integrierte Kundenbindungsstrategien


Als integrierte Kundenbindungsstrategien, die leistungs-, kommunikations-, preis- und distributionsbezogene Maßnahmen in einem Gesamtkonzept vereinigen, werden verstärkt so genannte Kundenclubs eingesetzt. Beispiele für Kundenclubs sind der Dr. Oetker Back Club, die IKEA Family Karte oder der Bertelsmann Club. Generelles Ziel von Kundenclubs ist die stärkere Identifikation des Kunden mit dem Leistungsangebot eines Unternehmens, wobei insbesondere ein psychologischer Mehrwert vermittelt werden soll. Die verstärkte Gründung von Kundenclubs resultiert aus der Erkenntnis, dass sowohl Umsätze als auch Kauffrequenzen bei Clubmitgliedern signifikant höher sein können. Neben einer Erhöhung der Kundenbindung kann in diesem Zusammenhang auch die Datenbank des Unternehmens ausgebaut werden. Manche Kundenclubs dienen den Unternehmen sogar zu einer Unterstützung bzw. zum Feedback bei der Produktentwicklung.
Zentrale Kundenbindungsaspekte von Kundenclubs liegen in der Kommunikation mit den Mitgliedern (Club-Zeitschriften, Mailings, Telefon-Hotlines), in der Vermittlung von Zusatznutzen sowie in der Ausgabe von Kundenkarten. Dabei gibt es insbesondere bei der Ausgestaltung von Kundenkarten unterschiedliche Möglichkeiten. Eine Kundenkarte als reiner Clubausweis (z.B. IKEA Family Club) berechtigt den Kunden zur Inanspruchnahme von bestimmten Leistungen wie z.B. einer Transportversicherung, Infos über Neuigkeiten und preiswerte Angebote oder einer Geburtstagsüberraschung. Eine Ausgestaltung als Rabattkarte (z.B. Adler Bekleidungswerke: 3% Rabatt-Gutschrift bei jedem Einkauf) verschafft dem Kunden darüber hinaus finanzielle Vorteile. Schließlich bietet sich als weitere Möglichkeit der Einsatz einer unternehmensbezogenen Kreditkarte mit Zahlungsfunktion an (Vorreiter war hier die 1996 abgelöste Goldene Kundenkarte von Hertie mit der Möglichkeit bargeldloser Zahlung bis 3000, – DM pro Monat). In diesem Fall können über Informationen, die mittels der Karte gewonnen wurden, spezielle Kaufgewohnheiten einer Zielgruppe erfasst werden (Butscher, S. 1993; Mohme, J. 1993).

V. Implementierung der Kundenbindungsaktivitäten


Voraussetzung für eine erfolgreiche Implementierung der Kundenbindungsaktivitäten ist ein organisatorischer Wandel, welcher die Kundenorientierung des Unternehmens, insbesondere der Prozesse, Leistungen, Systeme und Mitarbeiter, in den Mittelpunkt der Aktivitäten stellt. Zu den entsprechenden organisatorischen Anpassungen gehört z.B. die Einführung eines Key-Account-Managements. Neben einer regelmäßigen institutionalisierten Messung der Kundenbindung im Rahmen eines Feedbacksystems, welches dazu dient, den Mitarbeitern den Zielerreichungsgrad der Kundenbindung zu verdeutlichen, müssen auch die Anreizsysteme entsprechend angepasst werden. Als Beispiel ist die Einführung eines leistungsorientierten Vergütungssystems für Mitarbeiter zu nennen, das nicht nur die reine Abschlussorientierung, sondern eine langfristige Kundenbindung als Erfolgskriterium berücksichtigt.
Literatur:
Blattberg, R. C./Deighton, J. : Die neue Dimension: Immer enger, mein Kunde, mit Dir, in: HM, H. 1/1993, S. 96 – 107
Buchanan, R./Gillies, C. : Value Managed Relationship: The Key to Customer Retention and Profitability, in: European Management Journal, 1990, S. 523 – 526
Butscher, S. : Kundenclubs als modernes Marketinginstrument, Hamburg 1993
Eccles, R. C. : Wider das Primat der Zahlen – die neuen Steuergrößen, in: HM, H. 4/1991, S. 14 – 26
Hansen, U./Jeschke, K. : Nachkaufmarketing, in: Marketing-ZFP, 1992, S. 88 – 97
Hentschel, B. : Beziehungsmarketing, in: WISU, 1991, S. 25 – 28
Kleinaltenkamp, M. : Institutionenökonomische Begründung der Geschäftsbeziehung, in: Dokumentation des 1. Workshops der Arbeitsgruppe »Beziehungsmanagement« der wissenschaftlichen Kommission für Marketing im Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaftslehre, hrsg. v. Backhaus, K./Diller, H., Frankfurt a.M. 1993, S. 8 – 39
Kreutzer, R. T. : Database Marketing – Erfolgsstrategie für die 90er Jahre, in: Handbuch Direct Marketing, hrsg. v. Dallmer, H., Wiesbaden 1991, S. 623 – 642
Meyer, A./Dornach, F. : Feedback für strategische Vorteile, SoH 10, in: asw, 1993a, S. 120 – 135
Meyer, A./Dornach, F. : Das Deutsche Kundenbarometer 1993, hrsg. v. Deutsche Marketing-Vereinigung e.V. /Deutsche Bundespost POSTDIENST, , Düsseldorf et al. 1993b
Mohme, J. : Der Einsatz von Kundenkarten im Einzelhandel, Frankfurt a.M. et al. 1993
Müller, W./Riesenbeck, H.-J. : Wie aus zufriedenen Kunden auch anhängliche Kunden werden, in: HM, H. 3/1991, S. 67 – 79
Oggenfuß, C. W. : Keine Betreuung von der Stange, in: Geldinstitute, H. 1/2/1993, S. 6 – 14
Reichheld, F. F./Sasser, W. E. : Zero Defections: Quality Comes to Service, in: HBR, 1990, September/Oktober, S. 105 – 111
Straßburger, H. : Wiederkaufentscheidungsprozeß bei Verbrauchsgütern, Frankfurt a.M. et al. 1991

 

 


 

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